Titel: | Geschwindschiffe mittelst Windmühlsegel. |
Fundstelle: | Band 1, Jahrgang 1820, Nr. XLVI., S. 461 |
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XLVI.
Geschwindschiffe mittelst WindmühlsegelAnnals of
Philosophy Novbr. 1819..
Von J. M. Bartlett.
Mit einer Abbildung.
Nebst einem Zusaze des Herausgebers.
Bartlett über Geschwindschiffe mittelst Windmühlsegel.
Man kann mit Recht annehmen, daß die Ehre der Erfindung von
Dampfboͤten zur Zeit ein Gegenstand des Streites nicht blos zwischen
Individuen, sondern ganzen Nationen, die Aufmerksamkeit der Menschen bald weniger
beschaͤftigen werde; denn seit die Erfahrung bewiesen hat, daß der Nuzen
dieser Erfindung ziemlich beschraͤnkt sey, findet man es auch gerathen, die
Anwendung derselben zu verwerfen; und dies ist um so weniger zu verwundern, da der
Dampf bei seiner gewaltigen Wirksamkeit zugleich ein hoͤchst
gefaͤhrliches Hilfsmittel ist. Aber nicht nur das Ungewisse in Hinsicht
seiner Wirkung zur Fortbewegung eines Fahrzeuges vermindert die Wichtigkeit seines
Gebrauches; es vereinigen sich hiebei noch viele andere Ursachen, den Einfluß des
Dampfes unwirksam oder unanwendbar zu machen.
Die Menge der brennbaren Materialien, welche selbst fuͤr ein Fahrzeug von
mittelmaͤßiger Ladung und auf eine nicht zu weite Seereise erfordert werden,
wird nur wenigen Raum fuͤr Frachtgut uͤberlassen. So auffallend diese
Behauptung seyn mag, so wahr ist sie doch. Es sey z.B. ein Schiff von 80 Tonnen
Ladung, welches man als das zweckmaͤßigste zur Anwendung der Dampfmaschinen
waͤhlte. Wenn dieses durch die Zugkraft von 14 Pferden weiter getrieben
werden kann, so sind
fuͤr die Dampfmaschinen 11/2 Ctr. Kohlen auf jede Stunde noͤthig. Die
Menge Kohlen, welche demnach ein belastetes Schiff nur auf einer maͤßigen
Reise erforderte, wuͤrde die Anwendung der Dampfmaschinen hoͤchst
kostspielig machen, und dies um so mehr, als die Steigerung oder Verminderung der
Geschwindigkeit in keinem Verhaͤltnisse zur Verstaͤrkung der Kraft der
Dampfmaschine steht; denn der Widerstand, welchen das Schiff leidet, waͤchst
nicht in arithmetischer Proportion, sondern nach der Proportion der Quadrate der
Geschwindigkeit, oder mit andern Worten, die Geschwindigkeit des Schiffes
verhaͤlt sich zur Kraft wie 10 zu 100. –
Ferner ist es erwiesen, wie wenig sich ein Dampfschiff noch leiten lasse, wenn nur
das Mindeste an der Maschinerie in Unordnung kommt. Bringt man die Complication
derselben, und den Umstand, daß das Schiff von dieser Kraft allein abhaͤngt,
mit in Anschlag, so steigt die Gefahr fuͤr diejenigen, welche den
atlantischen oder den stillen Ocean durchschiffen, in dem Verhaͤltnisse der
Entfernung von dem Aus- oder Einkaufs-Hafen. Wirklich moͤgen
tausend Ursachen eintreten, um den Lauf eines Schiffes, welches so mittelst Dampf
getrieben wird, zu hindern, und es kann in dieser Hinsicht der Dampf nur wenig
Vortheil gewaͤhren, wenn er auch von den Einwirkungen der Winde und Wellen
unabhaͤngig ist. In der That scheint sich eine zweckmaͤßige
Fortschaffung bedeutender Schiffe durch Anwendung der Daͤmpfe sogar auf dem
Papiere nicht mehr behaupten zu koͤnnen; mag auch die Theorie sehr sinnreich
seyn, so muͤßen wir doch bedauern, daß sie in der Erfahrung keinen Nuzen
schaffen koͤnnen.
Die Absicht des gegenwaͤrtigen Aufsazes ist, einen Plan vorzulegen, statt der
Dampfmaschinen Windmuͤhlensegel zu gebrauchen, mittelst welcher die Ruder in
Bewegung gesezt werden. Durch sie erhaͤlt man wenigstens eine den
Dampfmaschinen gleichkommende Kraft; die Segel koͤnnen nach dem Winde gerichtet werden, um
ihn, so wie man ihn braucht, aufzufassen, man kann mit ihnen gegen den Wind und die
Wellen fahren; die Kosten der Maschinerie sind unbedeutend, man erspart dabei nicht
nur die Auslagen fuͤr die brennbaren Stoffe, sondern gewinnt auch den großen
Raum, den die Aufbewahrung derselben bei Dampfschiffen wegnimmt, und die Gefahr ist
im Vergleiche mit jener der Dampfmaschinen so viel als keine.
Um die Anwendbarkeit dieses Vorschlages selbst demjenigen, der keine Kenntniß von der
mechanischen Kraft des Hebels hat, begreiflich zu machen, darf man nur die Segel
einer in Bewegung gesezten Windmuͤhle zeigen. Es waͤre aber auch durch
die Benuzung dieser Gewalt fuͤr die Schifffahrt ein Zuwachs von Kraft zu
erlangen, welches nach meinem Dafuͤrhalten in der Physik neu ist, ich meine
das Uebermaaß von Geschwindigkeit das man progressive erhaͤlt, wenn man die
konstituirende Kraft mit Kraft vermehrt, denn die vis
inertiae des fortzutreibenden Koͤrpers wuͤrde nicht
fruͤher besiegt werden, bis die Segel einen weitern Impuls von der
Schnelligkeit des Schiffes bekommen. Ich will den Gegenstand weiter verfolgen, und
zwar mehr mit Beziehung auf jede andere moͤgliche Kraft, als mit
mathematischer Demonstration eines blos spekulativen Sazes. Ich nehme an, und dieß
ist nicht zu viel, daß eine Reise von gemeinen Windmuͤhlsegeln gleich komme
der Kraft einer Dampfmaschine, welche die Kraft von 20 Pferden hat; es ergiebt sich
also, daß sie im Stande ist, ein Schiff von 120 Tonnen in einer Stunde 6 oder 7
Meilen weit, selbst gegen Wind und Wellen zu treiben. Es werden demnach 3 Segel,
welche so wie die Schiffsmasten in gleicher Laͤnge, doch so daß sie einander
den Wind nicht benehmen, aufgestellt, die naͤmliche Kraft und Geschwindigkeit
hervorbringen, wie eine Dampfmaschine berechnet nach der Kraft von 60 Pferden oder nach der
Treibkraft eines sehr großen Schiffes. Dieses ist nach allgemeinen
Grundsaͤzen anerkannt, und wird, wie ich glaube, meinen Vorschlag deutlich
genug beleuchten. Angenommen jedoch, daß die vorgeschlagenen Mittel dem Zwecke nicht
entsprechen, so will ich doch wissenschaftlich beweisen, daß durch die Anwendung der
Windmuͤhlsegel eine solche Kraft erhalten werden koͤnne, die selbst
die erforderliche Summe der Kraft uͤbersteigt. – Die schlechte
Construktion der gewoͤhnlichen Windmuͤhlsegel zog schon oͤfters
die Aufmerksamkeit der Gelehrten auf sich, doch da sie stets die verlangte Wirkung
hervorbrachten, so unterblieb die genauere Untersuchung ihres Mechanismus.
Daß aber die Kraft der Windmuͤhlen verstaͤrkt werden koͤnne,
will ich hier mit unwerwerflichen Gruͤnden darthun; doch glaube man nicht,
daß ich, obgleich die Sache dieß beinahe erheischen moͤchte, eine Abhandlung
uͤber Windmuͤhlsegel schreiben wolle. – Ferguson sagt sehr
richtig, daß, wenn das Ende des Segels nahe an der Axe ist, sich dieses nicht mit
der naͤmlichen Geschwindigkeit bewegen koͤnne, wie die Spize und
Vorderende, wiewohl der Wind gleich stark eindringt. Eine bessere Stellung
duͤrfte, wenn man sie, anstatt sie laͤngs der Arme gerade nach der
Centralbewegung zu strecken, perpendikulaͤr gegen die Enden der Arme
hinstreckt, so daß sie nach der Laͤnge gespannt, einen ersten Winkel bilden;
denn auf diese Art koͤnnen sich beide Enden der Segel mit der
naͤmlichen Geschwindigkeit bewegen, und da sie weiter von der Centralbewegung
entfernt sind, so haben sie auch noch staͤrkere Kraft. M. Patnet bestaͤttiget dieß, indem er sagt, daß die
Figur der Segel einer Windmuͤhle elliptisch seyn muͤsse, damit der
Wind mit mehrerer Kraft in denselben arbeiten koͤnne; nach dieser Behauptung
muͤßte also eine Windmuͤhle mit sechs elliptischen (ovalen) Segeln
ohne Vergleich mehr
Kraft aͤußern, als eine andere mit vier, weil sich die Kraft von 6 zu 4
verhaͤlt wie 245 zu 231.
Patnet bemerkt ferner, daß die rechtwinklichten Segel die
vorteilhaftesten seyen, weil sie ihrer Form nach die meiste Luft auffassen
koͤnnen.
Das Resultat dieser Untersuchung ist, daß die Breite der rechtwinklichten Segel, nach
der Laͤnge berechnet, doppelt seyn soll; obwohl sie allgemein so verfertiget
werden, daß 5 Breiten eine Laͤnge abgeben. Folgende ganz eigene Construktion
der Windmuͤhlsegel, welche man in der Gegend von Lissabon findet, verdient
hier angefuͤhrt zu werden, da selbst Lord Sommerville behauptet, daß sie
vorzuͤglicher als jene sind, deren man sich in Großbrittannien bedient. Er
beschreibt sie auf folgende Art:
I. Die breite Seite des Segels ist an dem Ende des Hebebaums; denn so erlangt man
eine gleiche Resistenz mit weniger Ausdehnung der Arme.
II. Die Segel, welche auf diese Art gemacht sind, koͤnnen aufgezogen und
gespannt werden, wie ein Stagsegel auf den Schiffen, und da sie leichter
aufschwellen als jene der gewoͤhnlichen Muͤhlen, so ist nicht
noͤthig, daß man die Muͤhle selbst gerade gegen den Wind (der dort am
gewoͤhnlichsten weht) stelle, was oft mit manchen Beschwerlichkeiten
verbunden ist. Die Tab. IX.
Fig. 14
befindliche Abbildung kann ihre vortheilhafte Einrichtung deutlicher darstellen und
zeigen, daß solche Segel auch bei der Schiffahrt mit Nuzen angewendet werden
koͤnnen.
Die Windmuͤhlsegel muͤßen also so verfertiget und gespannt seyn, daß
sie horizontal wirken koͤnnen. Eine wissenschaftlich berechnete
Windmuͤhle wurde schon vor einiger Zeit zu Battersea errichtet; ich vermuthe,
daß sie nach dem Plane der asiatischen Windthuͤrme gemacht wurde, nur mit dem
Unterschiede, daß
eine Menge horizontal gespannter Segel den naͤmlichen Schaft umgaben.
–
Koͤnnten nicht solche Segel, oder dergleichen, wie die Portugiesen bei ihren
Windmuͤhlen haben, auf den Nothfall selbst bei groͤßern Schiffen
angebracht werden, wenn das Haupt- und das Stachsegel nicht
hinlaͤnglichen Wind fassen? – und sollte man nicht anstatt sich, wie
gewoͤhnlich geschieht, nur mit 3 rechtwinkeligen oder ovalen Segeln zu
begnuͤgen, auch Segel mitnehmen, die in ihrer Construktion jenen
Vorbeschriebenen gleichen? Ungeachtet dieser Gruͤnde, und der schon
erwaͤhnten Brauchbarkeit der rechtwinkeligen Segel, glaube ich, daß man auch
die Ruder mit mehr wissenschaftlichem Blicke untersuchen sollte. – So wie die
Ruder jezt sind, waren sie auch bei der ersten Erfindung der Dampfbote gestaltet,
und ob sie gleich nicht den gehofften Vortheil gewaͤhrten, und durch sie
manches Ungluͤck verursacht wurde, so blieben sie doch in Anwendung. Es ließe
sich aber noch vieles zu ihrer Verbesserung sagen.
Aus dem Umstande, daß das Rad, waͤhrend es sich umdreht, nur halb in das
Wasser taucht, folgt nothwendig, daß der Wind dieser kreisfoͤrmigen Bewegung
großen Widerstand leisten kann und muß, um so mehr, da bekannt ist, daß das Rad sich
um seine Axe binnen einer Minute 40mal drehen soll: der Vortheil wuͤrde also
sehr bedeutend seyn, wenn das Rad so gestellt werden koͤnnte, daß es auf
seiner von dem Wasser nicht bedeckten Flaͤche mit seinen Rudern dem Winde
weniger Preis gegeben waͤre; gleich den Ruderstangen der Boote, von welchen
man sagt, daß sie gefedert werden waͤhrend der Zeit, als sie ober dem Wasser
sind. Da mein Vorschlag dahin zielt, daß mehr Kraft angebracht werde, als die
gegenwaͤrtig angewendete Maschine ausuͤbt, so hoffe ich, daß gereifte
und berechnete Erfahrung bald das Mangelhafte ersezen werde, das wir bei der
Forttreibung durch Dampfmaschinen finden. Es zeigt sich hier, daß mein Vorschlag,
wenn auch nicht
große, doch einige Vortheile vor der Dampfmaschine voraus hat, nemlich diese, daß
bei Anwendung der Windmuͤhlsegel bei Schiffen gegen den Wind gesegelt werden
kann; daß wenig oder gar keine Gefahr damit verbunden ist, daß dadurch viel Plaz
gewonnen wird, und daß die Kosten unbedeutend sind. – Maste, Segeln, Tauwerk,
Speichen, kommen in der Ausstattung des Schiffes sehr hoch zu stehen, besonders wenn
sie vom Auslande bezogen werden muͤßen.
Was der Verfasser hier dem Publikum uͤbergiebt, ist nur ein kurzer Entwurf;
seine Ideen sind nur rapsodisch angegeben, so wie er den Gegenstand beim ersten
Anblick auffaßte. Seine reine Absicht dabei ist, mehrere Versuche zu veranlassen,
die zur Befoͤrderung des allgemeinen Wohls der Menschheit beitragen
koͤnnten; und in dieser Hinsicht glaubt er, daß sein Vorschlag nicht ohne
Nuzen bleiben werde. –
Zusaz des Herausgebers.
In Deutschland hat der Ritter von Billefort (ein Englaͤnder), welcher sich den
Erfinder der mittelst Segel bewegten Windmuͤhlen und deren Anwendung zur
Schiffarth nennt, bei mehreren Regierungen um ein Privilegium beworben, auch
fuͤr die oͤsterreichische Staaten auf die Dauer von acht Jahren
erhalten. Dem polytechnischen Verein des Oberdonaukreises, dessen Ausschuß in
Augsburg seinen Siz hat, wurde zur Begutachtung der Antrag des Herrn Billefort
zugestellt, in welchem sich dieser uͤber die Nuͤzlichkeit seiner
Erfindung folgendermaßen ausspricht:
Er sagt: Diese Erfindung besteht in einer Anrichtung von Segeln, welche, dem Winde
entgegengesezt, eine Bewegung von solcher Heftigkeit bewirken, daß die dadurch
erzeugte Kraft dreimal groͤßer ist, als die der gewoͤhnlichen
Fluͤgel, selbst bei den sogenannten hollaͤndischen Windmuͤhlen,
deren Bauart im Rufe der
hoͤchsten Vollkommenheit steht. Da die bewegende Kraft dieses Mittels dreimal hoͤher zu schaͤzen ist, als die der
gewoͤhnlichen Fluͤgel, so kann sie leicht die Arbeit von 16 bis 18
Pferden, bei einem Winde von 15 bis 20 Fuß Geschwindigkeit in einer Sekunde,
ersezen. Nun aber uͤbersteigt der Wind sehr oft dieses Maaß, und es ist daher
um das angegebene Resultat der Kraft zu erhalten, nicht noͤthig den Segeln
die ganze Ausdehnung zu geben, deren ihre Construktion faͤhig ist.
Diese große Menge von Kraft uͤberschreitet gewiß jedes Beduͤrfniß von
aller und jeder Fabriken, folglich giebt es keinen Mechanismus, der nicht dadurch in
Bewegung gesezt werden koͤnnte. Ueberlegt man, daß diese ungeheure Gewalt
nach Willkuͤhr gemildert werden kann, so ist der Schluß das von auf die
schickliche Anwendung derselben fuͤr alle Fabriken, wie auch ihre
oͤrtliche Lage seyn moͤge, sehr natuͤrlich.
Was dieser Erfindung ohne Zweifel einen großen Vorzug giebt, ist ein der Construktion
anpassend ausgedachter Mechanismus, durch welchen der Gefahr der Stuͤrme
vorgebeugt wird. Die Wirkung desselben ist so geschwind und leicht, daß ein Kind im
Stande ist, die Segel fallen zu lassen. Man begreift dieses, sobald man weiß, daß
von einer Hemmung der Bewegung die Rede ist, welche im Moment der groͤßten
Geschwindigkeit eintreten kann, indem die Ausdehnung der Segel nach und nach,
stufenweise und ohne Stoß vermindert wird.
In Ansehung der mannigfaltigen Anwendung, deren die neue bewegende Kraft
faͤhig scheint, glaube ich besonders die Aufmerksamkeit auf diejenige
Anwendung lenken zu muͤßen, welche die wichtigste werden kann, ich meyne, zur
Bewegung der Fahrzeuge flußaufwaͤrts. Dieser Gegenstand hat sich dem Erfinder
zuerst aufgedraͤngt, und, nur um von der Bewegung der Fluͤgel und
deren Wirkung einen deutlichen Begriff zu geben, hat er vorher noch der Windmuͤhlen gedacht.
Die bewegende Kraft, von der hier die Rede ist, kann sich auf keine leichtere Art
fortpflanzen, als durch Raͤder, die unmittelbar an den Seiten angebracht
sind, wie man sie bei Dampfmaschinen sieht.
Die unendliche Gewalt, welche sich bei dieser neuen Anwendung der Segel
aͤußert, laͤßt fast keinen Zweifel, an dem gluͤcklichen Erfolg
fuͤr den genannten Zweck uͤbrig; aber mann darf dabei nicht verhehlen,
daß unumgaͤnglich nothwendige Erfahrung dazu gehoͤrt, um die wahre
Wirkung zu beweisen, und die Schwierigkeiten, wenn einige vorhanden sind, zu
erkennen. Die Berechnung und der Scharfsinn des Kuͤnstler und Gelehrten sezt
nicht immer in den Stand, die Hindernisse sogleich aufzufinden; Versuche aber ins
Große verursachen ungeheure Kosten, die sich vermehren, wenn man hier und da
Verbesserungen anbringt, welche sich dem Techniker nur dann darbieten, wenn er sich
durch Einsichten leiten laͤßt, die ihm die Erfahrung verschafft; denn sie
verbessert und verstaͤrkt die Theorie, so wie sie dieselbe
bestaͤttiget.
Es ist bekannt, daß neue Erfindungen nur langsam zu ihrem Ziele und zu der
Vollkommenheit, deren sie faͤhig sind, gelangen. Wenn nun diese Erfindung auf
Schifffahrt angewendet, einen gluͤcklichen Erfolg haben sollte, so ersezt sie
mit Vortheil die so gefaͤhrlichen als kostspieligen Dampfmaschinen. Sollte es
also nicht eben so ruͤhmlich als nuͤzlich fuͤr ganz Europa
seyn, eine neue Schifffahrt hergestellt zu haben? Da diese Behauptung nicht nur auf
sichere Berechnung, sondern auch auf alles, was der Wahrscheinlichkeit den Karakter
der Wahrheit giebt, gegruͤndet ist, so scheint sie zu einem sichern Resultat
nur die Aufmunterung einer Regierung zu beduͤrfen, welche die Erfindung
beschuͤzt und beguͤnstigt.
Indem das Prinzip, worauf die hier empfohlene Erfindung beruht, der Erfolg eines
Problems ist, so bietet die Aufloͤsung 20 Mittel zur Ausfuͤhrung dar.
So viele Berechnungen und Erfahrungen vorausgehen mußten, um dahin zu gelangen, so
einfach und leicht scheint das gefundene Resultat, so daß man nur die
Ausfuͤhrung sehen darf, um die Ursachen wahrzunehmen und auf die Wirkung zu
schließen. Jeder, der Kenntniß von dem Segelwerke der Schiffe hat, weiß, daß die
Segel an den Segelstangen festgemacht und an Puncten mit Seilen, welche mittelst
Rollen gefuͤhrt werden, befestiget sind; und so ist es denn leicht sich eine
Idee zu machen, zwar nicht von der Anordnung, welche sie haben sollen, und die dem
Techniker angehoͤrt, aber wohl von der Wirkung, welche die in schnelle
Bewegung gesezte Segel hervorbringen sollen und von der bewegenden Kraft, die sie zu
leisten im Stande sind. Ein gewoͤhnlicher Mechanismus kann Wirkung zeigen,
ohne das Raͤderwerk und die Hebel, welche sie hervorbringen, sehen zu lassen.
Hier ist dies ganz anders; die Mittel dienen in
Ruͤcksicht mit ihren Ursachen und Resultaten. In den Entdeckungen
der Chemie und selbst der Physik, kann man in das Geheimniß des Kuͤnstlers
blicken; man wird also die Zuruͤckhaltung des Erfinders, der uͤberdies
seine Verfahrungsart mit der Ausfuͤhrung an den Tag legt, nicht auffallend
finden. Wo Vorurtheile zu beseitigen sind, um eine neue Entdeckung geltend zu
machen, da laͤßt sich, wie Jeder zugeben wird, nur mit vieler Zeit und Geduld
und nur durch unzaͤhlige Proben endlich der vorgesezte Zweck erreichen.
Erwaͤgt man dabei, welche Kosten der Ausfuͤhrung vorangehen; kann man
sich einen Begriff von den vielerlei dazu erforderlichen Arbeiten machen; bedenkt
man die Menge von Planen, Bauanschlaͤgen und Anordnungen, die zu geben sind;
so wird man gestehen, daß sich der Kuͤnstler, selbst mit Hilfe eines
Privilegiums, fuͤr die vielen Opfer, die er bringen mußte, keiner hinlaͤnglichen
Entschaͤdigung, welche er in Anspruch nehmen duͤrfte, zu erfreuen
habe.
In No. 61, V. 663 des dießjaͤhrigen allgemeinen Anzeigers der Deutschen sagt
Hr. Heusinger uͤber die Benuzung des Windes zu landwirthschaftlichen Arbeiten
folgendes:
Seit laͤngerer Zeit habe ich mein Nachdenken auf die Kenntniß der Geseze der
bewegten Luft und die Zusammensezung der Maschinen, die vom Winde getrieben werden,
verwendet. Da ich die Erfahrungen, die ich bei diesen Forschungen machte, immer in
Verbindung brachte mit der Zusammensezung von Triebwerken und Geraͤthen
fuͤr der Feld- und Gartenbau; so gelangte ich, geleitet von manchem
guͤnstigen, uͤbrigens oft unbedeutend scheinenden Zufall und Umstand
zu der Erfindung, vermittelst einer Anzahl groͤßerer oder kleinerer Werkzeuge
und Triebwerke, welche leicht zu erbauen, zu handhaben und anzuwenden sind, die
Kraft des Windes so zu benuzen, daß das Pfluͤgen, Eggen, Saͤen,
Dungaufstreuen, Grabenziehen, Grubenmachen, Dreschen, Schroten, Mahlen,
Entwaͤssern, Bewaͤssern, und andere beim Feldbau noͤthige
Arbeiten von der bewegten Luft ausgefuͤhrt werden, so daß der Mensch weiter
nichts zu thun braucht, als die Werkzeuge aufzustellen, von Zeit zu Zeit zu richten
und seine Maßregeln so zu nehmen, daß die benannten Arbeiten fuͤglich mit dem
Entstehen und Wirken des Win des zusammentreffen.
Bei der Richtung, die ich durch die ausgesezten Beobachtungen der Naturerscheinungen
erhielt, bei der Sicherheit, mit welcher ich die Wirksamkeit der erregten Luft
berechnen lernte, und bei der Sorgfalt und Gewohnheit, die Zeiten, Tage und Stunden
des Jahres, in welchen sich eine fuͤr den Betrieb von Maschinen hinreichende
Staͤrke des Windes darbot, aufzuzeichnen, um darnach, nach Gruͤnden
der Wahrscheinlichkeit,
zu gewissen Zeiten, auf die Anwesenheit derselben und ihre Wirkung schließen zu
koͤnnen, wurde ich zur richtigen Beurtheilung und Schaͤzung dieser
Kraft, zugleich aber auch zu der Verwunderung hingeleitet, daß noch so wenig
Gebrauch fuͤr den Menschen von ihm selbst von derselben gemacht werde. Man
erstaunt daruͤber, wenn in einem Lande eine englische Dampfmaschine von der
Kraft von 80 Pferden errichtet ist, oder ein Schiff mit einer aͤhnlichen
Maschine stromaufwaͤrts geht, und laͤßt es sich nicht einfallen, daß
bei jedem Winde von mittlerer Staͤrke durch ein Laͤndchen von einigen
Quadratmeilen die Kraft von mehr als 80 Millionen Pferden geht, wenn man demselben
80 Millionen Maschinen, deren jede der Kraftaͤußerung eines Pferdes
gemaͤß eingerichtet ist, wie sie meine Erfindung darstellt, entgegenstellt.
Und diese Kraft kostet nichts, oder ihre Benuzung hat keine anderweitige Entbehrung
zur Folge, da die Kraft der Dampfmaschinen so vielen Aufwand und einen so
unermeßlichen Verbrauch an andern hoͤchst brauchbaren, ja fast
unentbehrlichen und durch nichts zu ersezenden Stoffen voraussezt.