Titel: | Ueber die Flander'sche, oder Henegau'sche Sense. |
Fundstelle: | Band 2, Jahrgang 1820, Nr. V. VI. , S. 41 |
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V.
VI.
Ueber die Flander'sche, oder Henegau'sche Sense. Im Auszuge frei
uͤbersezt aus einem Aufsaze in den Communications to the Board of
Agriculture unter dem Titel: On the use of the
Hainault Scythe. By the right hon G. H. Rose of Mudeford, Hants. Auch in dem
Repertory of
Arts, Manufactures et Agriculture. Second Series. April 1820. N.
CCXV. p. 294.
Mit Abbildungen. Tab. XI.
Ueber die Flander'sche, oder Henegau'sche Sense.
Diese Art von Sense hat schon vor Jahren die Aufmerksamkeit
des Herrn de Lille erregt, der sie aber nicht
gehoͤrig schilderte, und als zweihaͤndig beschrieb.
Hr. Tooke fand unter den Letten in Rußland ein
aͤhnliches Werkzeug, Arthar Young in seiner
beruͤhmten Reise nach Frankreich spricht mit hohem Lobe von der Flanderschen
Sense: ein Lob, das Achtung verdient. Mehrere reisende Englaͤnder brachten
solche Sensen nach ihrer Insel; allein Niemand wollte sie brauchen, weil niemand sie
zu fuͤhren wußte, und Niemand sie zu fuͤhren lehrte. »Meine
Leute« sagt Hr. Roße »fanden sich auf der Stelle
darein ein Werkzeug zu fuͤhren, das vor dem ihrigen so viele
Vorzuͤge voraus hatte. Sie bedienten sich desselben, nachdem sie es
kennen lernten, ohne daß ich es ihnen befohlen hatte.« Der
selige Howard von Corbycastle hat in dem 6. Bande der Communications of the board of
Agriculture p. 213 einige sehr interessante Beobachtungen
uͤber dieses Schnitterwerkzeug bekannt gemacht, welche Hrn. Roße, aufgemuntert durch die Mittheilungen eines
Freundes, bestimmten einen Versuch mit demselben anstellen zu lassen.
Gluͤcklicher Weise fand er einen Henegauer, der, als gebohrner Bauer, sein
vaterlaͤndisches Werkzeug zu fuͤhren wußte: ein Umstand von
welchem, nach des Hrn. Verfassers eigener Bemerkung, uns sehr viel fuͤr das
Gelingen des Versuches abzuhaͤngen scheint.
Es giebt Werkzeuge, Verfahrungsarten, Methoden die an und fuͤr sich die
besten, und, leider, bisher doch immer nur in wenigen Haͤnden sind: es bleibt
auch noch immer die große Frage bei denselben, ob sie fuͤr alle
Haͤnde taugen. Dieß hindert aber nicht, daß man den lieben
Leuten mit dem Apostel zurufe: »Pruͤfet Alles, und das Gute, (das
heißt, das, was ihr brauchen koͤnnt,) behaltet!«
Die von Hrn. Roße gegebene Beschreibung der Henegau'schen Sense ist, woͤrtlich
uͤbersezt, folgende:
»Fig.
7 Tab. XI. (im Repertory
Fig. 7
Tab. XV.) stellt die einhaͤndige Henegau'sche Sense dar.
ABCD ist der Griff.
EF das Blatt. Der Griff ist von Holz und endet
sich mit dem Wulste AB.
BC ist der Theil, der von der rechten Hand
ergriffen wird. Bei D ist eine Schleife von Leder
befestigt, durch welche der Zeigefinger gesteckt wird. Das Blatt der Sense kann auf die, bei
englischen (oder deutschen) Sensen gewoͤhnliche Weise an dem Griffe
befestiget werden.
Der Wulst AB hindert die Hand vor dem
Ruͤckwaͤrtsgleiten, wenn auch die Schleife bei D brechen sollte.
Der Winkel BCE mißt ungefaͤhr 45
Grade, waͤhrend der Winkel E, welcher von dem
unteren Theile des Griffes CE und dem Blatte
der Sense gebildet wird, ungefaͤhr 67 Grade haͤlt.
Die Lange von BC betraͤgt vier und drei
viertel (englische) Zoll-, von CE
zwischen 16 und 22 bis 23 Zoll. Je laͤnger der Mann gewachsen ist, oder
vielmehr, je weiter seine Haͤnde von dem Boden entfernt sind, wenn er
gerade aufrecht steht, desto laͤnger muß dieser Theil des Griffes
seyn, damit er niemals waͤhrend des Maͤhens genoͤthiget
ist, stille zu stehen. Die Dicke des Griffes ist durchaus fuͤnf viertel
Zoll.
Waͤre die Linie ACE eine gerade Linie,
so wuͤrde die Hand, ihrer Lage nach, nur schwach und gehindert wirken
koͤnnen: da sie aber in der Richtung ABC schief liegt, so vermag sie das Werkzeug mit Kraft, frei und
zweckmaͤßig zu fuͤhren.
Der spizige Winkel CEF, welchen der Griff bei
E bildet, bringt die Hand uͤber das Blatt
der Sense, und gewaͤhrt ihr eine große Kraft uͤber den
Mittelpunkt desselben. Der Zeigefinger, der in der Schleife D steckt, und an derselben zieht, herrscht frei
uͤber das Hintertheil des Sensenblattes bei E, und die Richtung von BC, welche
verlaͤngert durch den Punkt F fallen
wuͤrde, dient bei der Arbeit als Gegenhaͤlter desselben.
Die Breite des Blattes der Sense im Mittelpunkte derselben betraͤgt
ungefaͤhr fuͤnfthalb Zoll, wird aber gegen die Spize hin
schmaͤler, so daß es in einer Entfernung von drei Zoll und einem
halben nur zwei Zoll breit ist. Die ganze Laͤnge von E bis
F betraͤgt an verschiedenen
Stuͤcken, die ich gesehen habe, zwischen 21–25 Zoll.“
Fig. 8 ist ein
leichter hoͤlzerner Stab von vier Fuß zehn Zoll Laͤnge, so weit
derselbe naͤmlich von G bis H hinlaͤuft, wo er sich in dem eisernen Hacken
HIR endet, und in diesem eingefuͤgt und
befestigt ist. Die Laͤnge von H bis I betraͤgt fuͤnf Zoll; und von I bis R zehn bis eilf
Zoll.Wenn dieses Maaß richtig angegeben ist (uͤbersezt ist es
richtig!) so ist die Zeichnung unrichtig, die wir indessen genau so liefern,
wie sie im Originale ist. Anmerk. d. Uebers. Der gekruͤmmte Theil des eisernen Hackens C haͤlt beilaͤufig drei viertel Zoll im Umfange. Dieses
Werkzeug wird in der linken Hand gefuͤhrt, den eisernen Hacken
vorwaͤrts gerichtet, und wird ungefaͤhr dreißig Zoll
uͤber I fest gehalten.
Der Schnitter, der seine Arbeit an jener Seite des Feldes beginnt, von welcher sich
das Korn herneigt, stellt sich mit seiner Linken gegen dasselbe, druͤckt es
mit dem Stabe, und dreht den Hacken von demselben nach der Rechten. Zu gleicher Zeit
schwingt er die Sense bis zur Hoͤhe seines Kopfes mit der rechten Hand empor,
fuͤhrt sie quer uͤber seinen Leib und haut sie in das Korn ein,
welches, durch den Druck des Stabes, den Hieb mit Festigkeit und Staͤtigkeit
empfaͤngt, seine Koͤrner, wenn es uͤberreif ist, nicht
ausfallen lassen kann, und, nach dem Schnitte, sich an dasjenige anlehnt, was hinter
ihm steht. Wenn die Hand bei dem Hiebe steif gehalten und der Arm sehr ausgedehnt
wird, so ist diese Arbeit allerdings sehr ermuͤdend; allein dieser Nachtheil
wird vermieden, wenn man die Hand vollkommen frei spielen laͤßt,
dieselbe vollkommen biegsam haͤlt, als ob man den Saͤbel
fuͤhrte, so daß es nur einer Wendung des Handgelenkes bedarf, die
selbst durch das Gewicht der Sense beguͤnstigt wird, um diese mit aller Leichtigkeit
auf- und abwaͤrts zu bewegenWuͤrden unsere Landlente sich dieser Sensen bedienen, so
wuͤrden sie den Saͤbel bald eben so geschickt fuͤhren
lernen als die Wallonen (Flandrer, Henegauer),
die als Dragoner, stets der Schrecken der Feinde waren. Wir haben einige
Flandrer unter unseren Landleuten, welche unsern Bauern die Henegau'sche
Sense koͤnnten fuͤhren lehren. Anmerk. d. Uebers.. Der Schnitter, der von der Rechten zur Linken geht, fuͤhrt auf diese
Weise neun bis zehn Hiebe, und laͤßt das abgeschnittene Korn an
dasjenige hingelehnt, welches noch hinter demselben dasteht. Er kehrt sich dann nach
der linken Seite so, daß er dem gemaͤhten Korne gegenuͤber zu
stehen kommt, nimmt, wenn man so sagen darf, das uͤbrige Korn, welches dem
geschnittenen als Stuͤze dient, in die Flanke, und kehrt, indem er kleinere
Hiebe und dieselben mehr nach aufwaͤrts fuͤhrt, auf denselben Punkt
zuruͤck, von welchem er ausgieng. Wenn er auf diese Weise dem geschnittenen
Korne gegenuͤber zu stehen kommt, und folglich von der Rechten zur Linken zu
hauen beginnt, so kehrt er auf der Stelle seinen Hacken einwaͤrts und gegen
das Korn, und zieht in diesem alles Korn mit sich, was er auf seinem Hin- und
Hergange geschnitten hat. Nachdem er auf diese Weise an dem Punkt
zuruͤckgekommen ist, von welchem er ausgieng, wendet er seinen Hacken gegen
die linke Seite der Aehren des so eben gemaͤhten Kornbuͤndels, sezt
seinen rechten Fuß auf die rechte Seite des unteren Endes der Halme, und
kehrt oder wendet den Buͤndel rechts, so, daß er in dieselbe Linie zu
liegen kommt, in welcher er zuerst fortschritt, waͤhrend er selbst noch immer
der rechten Seite gegen uͤber steht. Nun faͤngt er wieder von vorne
an. Waͤhrend des Maͤhens haut der Schnitter so nahe an der Erde, als
moͤglich.
Die Sense muß gerade quer uͤber den Leib geschwungen werden, und darf
nicht am Ende des Hiebes eine Kreisbewegung nach der Linken erhalten, wie bei dem gewoͤhnlichen
Maͤhen: das Instrument ist naͤhmlich so eingerichtet, daß die
Spize nothwendig etwas vorwaͤrts muß, wodurch das Blatt der Sense
immer einen schneidenden Streich fuͤhrt, und folglich bei der Anwendung
dieses Werkzeuges einen wesentlichen Vortheil gewaͤhrt. Wenn der Theil des
Griffes CE senkrecht auf dem Boden zu stehen
kommt, so beruͤhrt der Ruͤcken des Sensenblattes denselben; allein die
Schneide steht bedeutend davon ab, und die Gefahr, dieselbe durch Steine zu
beschaͤdigen, wird dadurch sehr vermindert, und zwar aus doppeltem Grunde:
ein Mal wegen der Entfernung derselben von dem Boden, in welchen sie nicht
eingreifen kann, dann noch wegen ihrer schiefen Lage, nach welcher sie, wenn auch
das Blatt der Sense auf einen Stein aufschlagen sollte, uͤber denselben
wegglitschen muß. Wenn ferner noch der Griff so gehalten wird, wie es oben
gezeigt, ist (denn in dieser Haltung wird sie eben gebraucht), so sieht ihre Spize
vom Grunde ab, und kann wie in denselben eindringen und dadurch in der Arbeit
aufgehalten oder verdorben werden, wenn man sie sorglos oder ungeschickt,
fuͤhrt.
Die Vortheile dieses Instrumentes bestehen darin, daß das Stroh dicht am Boden
abgeschnitten wird, so daß es ganz in die Garbe kommt; daß das Korn
alles eingebracht wird, denn der Hacken, wo man denselben recht zu gebrauchen
weiß, laͤßt nichts zuruͤck; daß die einzelnen
Buͤschel oder Buͤndel in der groͤßten Ordnung und
Regelmaͤßigkeit fuͤr den Garbenbinder hingelegt werden, und
wenigstens zwei Mal so groß als jene ausfallen, welche auf die
gewoͤhnliche Weise erhalten werden, so daß der Garbenbinder bei weiten
wenigere Male stehen bleiben muß, und folglich mit groͤßerer
Behendigkeit arbeiten kann; daß endlich, wenn die Schnitter dieses Werkzeug
gehoͤrig zu fuͤhren wissen und fleißig sind, und das Feld rein ist, die volle
Haͤlfte der Zeit erspart und gewonnen wird, die bei dem gewoͤhnlichen
Schnitte nothwendig geopfert werden muß.
Hr. Roße bemerkt mit Recht, daß der
Schnitter, der bei Fuͤhrung dieses Werkzeuges sich nicht buͤcken darf,
weniger bei der Arbeit ermuͤdet; daß auch bei sogenannter schwarzer
Frucht, Erbsen etc. dieses Werkzeug eben so gute Dienste leistet, als bei
Winter- und Sommerfrucht. Nur dort, wo das Feld sehr unrein ist, wird diese
Sense weniger brauchbar, zumal wo Dreschmuͤhlen eingefuͤhrt sind,
allein, der Flanderer haͤlt sein Feld so rein, wie seine Spizen. Es fiel Hrn.
Roße auf, daß der Stahl in Flandern so weich ist, daß die
Sensen, wie man bei uns in Baiern sagt, getaͤngelt werden muͤssen;
sollte man diese Operation an englischen Sensen nicht noͤthig haben?