Titel: | Bemerkungen eines Lesers über einen im Junius Hefte d. J. des Repertory of Arts, Manufactures et Agriculture, Second Series, N. 217, p. 47. mitgetheilten Aufsaz der Transactions of the London Horticultural Society: Verfahrungsarten, um das ganze Jahr über einen Nachwuchs von jungen Kartoffeln (Erdäpfeln) zu ziehen. Von dem Vice-Sekretäre dieser Gesellschaft, J. H. Noehden. |
Fundstelle: | Band 2, Jahrgang 1820, Nr. XL., S. 365 |
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XL.
Bemerkungen eines Lesers über einen im Junius Hefte d. J. des Repertory of Arts, Manufactures et Agriculture, Second Series, N. 217, p. 47. mitgetheilten Aufsaz der Transactions of the London Horticultural Society: Verfahrungsarten, um das ganze Jahr über einen Nachwuchs von jungen Kartoffeln (Erdäpfeln) zu ziehen. Von dem Vice-Sekretäre
dieser Gesellschaft, J. H. Noehden.
Noehdens Verfahrungsarten um das ganze Jahr einen Nachwuchs von jungen Kartoffeln zu ziehen.
Hr. Noehden findet mit vielen anderen die jungen Erdaͤpfel schmackhafter als
die reiferen, und wuͤnscht uns mit waͤchsernen Erdaͤpfeln – potatoes of a wany texture zu bedienen. Treibbetten fuͤr waͤchserne Erdaͤpfel zu halten, ist nicht
bloß zu muͤhevoll, sondern auch zu kostbar. Er raͤth daher,
wenn man im Dezember junge Erdaͤpfel speisen will, im August in irgend einem
vor Kaͤlte geschuͤzten Orte, allenfalls im Keller, Erdaͤpfel
zwischen Lagen von Sand so aufzuschichten, daß wechselweise zwischen
2–3 Zoll Sand eine Lage Erdaͤpfel zu liegen kommt, bis der Haufe, den
man anrichten will, so groß wird, als man ihn wuͤnscht. Die alten
eingelegten Erdaͤpfel werden Wurzeln und an diesen auch Knollen, junge
Erdaͤpfel, treiben, und zwar sowohl in der untersten Lage, als in der
mittleren und an der obersten, die wieder 2–3 Zoll hoch mit Sand gedeckt seyn
muß. Staͤngel und Blaͤtter wird man nirgendwo finden. Die Oxnoble-Sorte soll sich zu dieser Vermehrung am
besten schicken. Da
indessen die auf diese Art erhaltenen jungen Erdaͤpfel, die mehr von den
alten als von dem unfruchtbaren Sande zehren, sehr waͤsserig und schmacklos
(und nicht waͤchsern!) ausfallen, so meint Hr. Noehden, daß, wenn man, statt Sandes
allein, abwechselnd Sand und Erde naͤhme, so daß die alten
Erdaͤpfel allein in guter Erde zu liegen kaͤmen, diesem Uebelstande
der lieben Erdaͤpfel-Jugend abgeholfen werden koͤnnte.
Dieß ist indessen eine blosse Idee, die Hr. Noehden zum Versuche vorschlaͤgt.
Eine zweite Idee ist, die alten Erdaͤpfel erst im Junius, statt im April, auf
den Acker zu bringen, um dann im Oktober noch junge Erdaͤpfel zu haben, die
man fuͤr den uͤbrigen Winter an trockenen Orten aufbewahrt, oder im
trockenen Sande. Diese lezte Idee scheint allerdings Vorzuͤge vor der
ersteren zu besizen; allein, ohne de gustibus zu
disputieren, erlauben wir uns, da wir zufaͤlliger Weise seit 25 Jahren ein
Medicinaͤ Doktor sind, nur folgende Bemerkungen. Es ist Thatsache, daß
die ganze Erdaͤpfelpflanze im rohen, ungekochten Zustande, Gift ist, und
ihrer Natur nach zu einer der giftigsten Pflanzen-Familien, den
Nachtschatten, Solanaceis, gehoͤrt. Es ist ferner gewiß, daß
Giftpflanzen desto kraͤftiger wirken, je juͤnger sie sind. Es ist eben
so gewiß, daß jeder Mezger, der ein Schwein schlachtet, und aus den
Daͤrmen desselben Wuͤrste macht, bei dem Fuͤllen der
Daͤrme mit der Wurstfuͤlle es alsogleich erkennt, ob das Schwein
Erdaͤpfel-Mast erhalten hat, indem die Darmhaͤute eines mit
Erdaͤpfeln gemaͤsteten Schweines nur zu leicht reißen; und eben
so gewiß ist es, daß die Ungluͤcklichen, die Erdaͤpfel
statt Brodes, nicht als Gemuͤse, sondern statt Brodes, geniessen und davon
allein sich naͤhern muͤssen, so
schwaͤchlich werden, daß sie selbst in ihren Gesichtern, die allgemein
unter dem Nahmen Erdaͤpfel-Gesichter
bekannt sind, ihren kraͤnklichen leidenden Zustand beurkunden.
Hieraus laͤßt sich, wie es scheint, ohne dem seligen Linguet Dieser geistliche Hr. Linguet behauptete, Brod sey das ungesuͤndeste
Nahrungsmittel, das man kennt: ganz Europa widerlegt ihn nun schon 50 Jahre
nach seinem Tode dadurch, daß es fortfaͤhrt Brod zu essen und
sich dabei wohl zu befinden. auf die Ferse zu treten, so viel schliessen, daß man wenigstens bei
dem Genusse junger Erdaͤpfel etwas vorsichtig seyn muͤsse, und nicht
soviel als von den alten, und auch nicht taͤglich geniessen duͤrfe.
Vielleicht daß, neben vielen anderen Ursachen, die vielen
Unterleibs-Krankheiten, Hypochondrien, Spleen etc. der Englaͤnder,
auch von dem uͤdermaͤssigen Genusse der Erdaͤpfel
herruͤhren, ohne welche bei denselben keine Mahlzeit, oͤfters sogar
kein Fruͤhstuͤck gehalten werden kann. Wir wollen hiermit die
wohlthaͤtigen Erdaͤpfel keineswegs verschreien, sondern meinen nur,
daß man auch diese Gabe Gottes, wie alles, maͤssig geniessen und nicht
zu sehr raffinieren muͤsse.