Titel: Ueber Bier-Verfälschung.
Fundstelle: Band 3, Jahrgang 1820, Nr. LXVI., S. 466
Download: XML
LXVI. Ueber Bier-Verfälschung. Von Friedr. Accum Aus Accums Treatise on Adulterations etc. uͤbers. S. 153.. Mit Anmerkungen das deutsche Braͤuwesen betreffend. Friedr. Accum über Bier-Verfälschung. Biere (malt liquors), und besonders Porter, das Lieblings-Getraͤnk der Londner und der Bewohner anderer großer Staͤdte, gehoͤren zu jenen Artikeln, bei welchen der groͤbste Betrug sich so haͤufig zeigt. Das Gesez verbiethet dem Braͤuer bei seinem Gebraͤude andere Materialien zu gebrauchen als Malz und Hopfen Auch in anderen Laͤndern wird durch Berechnung der Bier-Preise von diesen Bestandtheilen des Bieres ausgegangen; allein nicht blos die Guß-Fuͤhrung, welche bei der Berechnung beruͤcksichtiget wird, sondern auch die Bestandtheile – das Materiale, weiß der deutsche Braͤuer, wie der Londner, nicht selten fuͤr seine Rechnung zu aͤndern, und das sogenannte Doctorn ist in der deutschen Braͤustaͤtte zur wahrhaft englischen Vollkommenheit emporgehoben worden, ohne daß gerade der beruͤhmte Jackson Unterricht gegeben hat. Bei dem ungeheuern Einflusse auf Gesundheit und Leben stehet zu erwarten, daß diesem, wie so manchem Gegenstande aͤhnlicher Art, noch eine groͤßere Aufmerksamkeit gewidmet werden wird. – Das Prinzip, welches so manche Vorschrift der Vorsorge hervorgerufen hat, moͤchte wohl hinsichtlich dieses Gegenstandes nicht zu verkennen seyn. A. d. Uebs.; allein nur zu oft werden diejenigen, welche glauben, sie trinken ein nahrhaftes, nur aus solchen Bestandtheilen gebraͤutes Getraͤnk, groͤblich getaͤuscht, indem sie in der That nichts mehr und nichts weniger als ein Gemenge der schaͤdlichsten Substanzen verschlingen. Uebrigens ist die Gewohnheit des Bier-Verfaͤlschens schon sehr alt. Schon seit der Koͤniginn Anna Regierung ist den Braͤuern durch eine foͤrmliche Acte untersagt, bei schwerer Strafe niemals cocculus indicus oder andere schaͤdliche Substanzen zu ihren Bier-Erzeugnissen zu nehmen: allein beinahe hundert Jahre lang nach dieser Acte fand man nur wenige Uebertretungs-Faͤlle derselben. Die neuern Zeiten hingegen sind so fruchtbar geworden an diesen Legitimitaͤten, daß die Stadt London im J. 1819 ihre Braͤuer vor dem Parliament der Giftmischerei anklagen mußte. Vorzuͤglich war waͤhrend des franzoͤsischen Krieges die Betruͤgerei, dem Porter und dem Aehl durch narkotische Stoffe eine berauschende Kraft zu geben; im hoͤchsten Schwunge. Obschon der Einfuhrs-Zoll auf cocculus indicus bedeutend erhoͤht wurde, wurde doch waͤhrend des Krieges binnen fuͤnf Jahren mehr von diesem Gifte eingefuͤhrt, als ehevor nicht in 12 Jahren auf unsere Insel gebracht wurde, und der Preis dieses Artikels stieg von 2 Schilling auf 7 Schilling fuͤr das Pfund. Das Extract von cocculus indicus erschien nun foͤrmlich auf dem Preiß-Courant der Braͤuer-Drogisten; und Hr. Jackson, beruͤchtigten Andenkens, verfiel auf die unselige Idee, aus verschiedenen Materialien, ohne Hopfen und ohne Malz Bier zu braͤuenWenn diese, Manchem lieb gewordene, Kunst noch mehr in Aufschwung kommen sollte, wofuͤr jedoch die Polizei Jeden bewahren moͤge, dann wuͤrde es nothwendig werden, die Kunstbraͤuer und die Braͤuer, welche wirklich Hopfen und Malz verbraͤuen, in der Klassification von einander zu unterscheiden. A. d. Uebs.. Dieser Chemiker ward zwar nicht selbst Braͤuer; er ergriff aber die eintraͤglichere Kunst, und lehrte seine sauberen Vortheile den Braͤuern fuͤr gutes Geld. Von dieser Zeit stammt die Bruderschaft der Braͤuer-Chemisten, welche ihre Musterreiter durchs Land schikten, um Listen und Proben ihrer Composition mit Bestimmung des Preißes und der Qualitaͤt den Braͤuern anzubiethen. Eine Parliaments-Acte aus Georg III. Zeiten untersagt den Chemikern, Gewuͤrzkraͤmern und Drogisten das Abreichen schaͤdlicher Materialwaaren an Braͤuer bei schwerer Strafe; – dessen ungeachtet enthaͤlt ein Auszug aus den oͤffentlichen Acten vom J. 1812 bis 1819 im Ganzen 19 Nahmen solcher Uebertreter. Strafen von 20 bis 500 Pfund wurden denselben aufgelegt. Porter wurde in der fruͤheren Zeit nur aus Darr-Malz (brown malt) gebraͤuet; daher der eigenthuͤmliche Geschmack und die Farbe desselben. Seit einigen Jahren wird Luft und Darr-Malz (pale et brown malt) genommen. In einigen Braͤuereien wird jedes dieser Malze besonders gemischt, und die Wuͤrze beider wird spaͤter erst zusammengemischt. Beinahe jeder Braͤuer hat seine eigenen Verhaͤltnisse, nach welchen er diese beiden Sorten von Malz mengt. Im Durchschnitte werden drei Pfund Hopfen auf ein Faß oder 36 GalloneEin Gallon ist 3,264 Wiener Maß (in Decimalen). A. e. Lesers. Porter genommen. Die Londner Braͤuer fanden bei den hohen Gersten-Preisen, daß Luft-Malz eine groͤßere Menge Wuͤrze von gleicher Staͤrke gibt, als Darrmalz: dieß gab aber bleicheres und minder bitteres Bier. Diesem Uebel abzuhelfen, erfanden sie einen kuͤnstlichen Faͤrbestoff; sie kochten naͤhmlich braunen Zucker so lang, bis dieser eine sehr dunkle Farbe erhielt, und eine Aufloͤsung desselben mußte dann zur Faͤrbung des Porter dienen. Auch Quassia und Wermuth Diesen kuͤnstlich pikanten Bier-Geschmack kann man auch in Deutschland, vielleicht noch in hoͤherem Grade finden; doch wuͤrde man bei der ungescheuten Praxis eine solche Geschmacks-Verbesserung schwerlich in eine deutsche Abhandlung uͤber Getraͤnk-Verfaͤlschungen aufnehmen. Uebers. wurde von betruͤgerischen Braͤuern gebraucht, um den bitteren Geschmack zu ersezen. Ein Gesez vom Jul. 1817 verbiethet den Gebrauch von gebranntem Zucker, und will nur Malz und Hopfen als Bestandtheile des Bieres: auch der Gebrauch der Hausenblase (icingglass) zur Klaͤrung wird im Geseze nicht erlaubt. Einige Herren ließen sich jezt Patente auf das Bierfaͤrben mittelst eigens bereiteten braunen Malzes ertheilen, das damit gefaͤrbte Bier schlaͤgt aber leichter um; das Faͤrbe-Malz enthaͤlt keinen Zuckerstoff; die darinn enthaltene gummiartige Materie gibt zu viel Ferment, und Geneigtheit zum Uebergange in saure Gaͤhrung. Die Staͤrke verschiedener Biere haͤngt, wie bei dem Weine, von der Menge Geistes ab, der in einer gegebenen Masse der Fluͤssigkeit enthalten ist. Im Durchschnitte ist das Verhaͤltniß der Menge Alkohols in dem bei den Wirthen vorkommenden Porter 4,50 v. Ct.; die festen Bestandtheile betragen 21–23 Pfund in 36 Gallonen. Accum hat auch bei vorzuͤglichen Braͤuern 7,25 v. Ct. Alkohol von 0,873 spezifischer Schwere) gefunden; auch stieg die specifische Schwere von starkem braunen Bier (stout) auf 1,022, und von Porter auf 1,018. Mischung des starken Bieres, Aehls, mit Tafelbier, Wasser etc. wird mit 50 Pfund Strafe geahndet. Eine Liste der wegen Mischung des Tischbieres mit starkem Biere vom J. 1815 bis 1818 bestraften Wirthe fuͤhrt 20 dieser Legitimitaͤts-Veraͤchter auf; die Straf-Betraͤge stiegen von 5 bis 400 PfundEine solche Bestrafung ist in Deutschland nicht immer denkbar, zumahl seit die Stadt-Polizei wieder den Hrn. Vettern und Herrn Schwaͤgern uͤberlassen ist, die die Frau Basen und Frau Schwaͤgerinnen mehr fuͤrchten, als die Schande des gerechten Unwillens des gesammten Publikums uͤber ihre elende Aufsicht auf Guͤte und Preise der Lebensmittel. Anm. e. Lesers a. d. Isar, nicht am Lech. (Und oft aber auch wehe! dem Braͤuer, vorzuͤglich in kleinen Staͤdten, der keine solche Frau Basen hat. B. a. d. D. – D.). Unter die illegalen Substanzen gehoͤren Quassia als Surrogat fuͤr Hopfen, wenn gleich ohne dessen aromatischen Geschmacke; eben so Wermuth. Bier mit Quassia kann nur bei niedriger Temperatur lang erhalten werden. Die Wirthe gebrauchen ferner noch eine Mischung von schwefelsaurem Eisen, Alaun und Salz, um Schaͤumen hervorzubringenIn Deutschland kennt man selbst ekelndere Sprizen etc., mittelst welchen dem Trinker schnell seine Portion zukommt, theils um mittelst dieser herrlichen Erscheinung die Superioritaͤt des pfennig vergeltlichen Bieres im hellen Glas Jedermann ad oculos darzustellen, theils auch, um bei minderer Quantitaͤt Fluͤssigkeit doch mittelst dieses einladenden Schaumes die Linie zu erklimmen, welche das Eichgefaͤß angibt. – In fruͤherer Zeit sah der Landmann auf das Ankleben der mit Bier gefuͤllten Glaͤser; die Kunst in der Braͤuerei hat ganz einfach an vielen Orten das angefuͤhrte Kriterien substituirt. A. d. Uebs.. Capsicum (tuͤrkischer Pfeffer) und Paradieskoͤrner, zwei sehr scharfe Substanzen, werden gebraucht, um schwachen schalen Biere einen stechenden Geschmack zu geben. Ingwer-Wurz, Koriander Samen und Orange-Schalen etc. werden ebenfalls vorzuͤglich von Aehlbraͤuern zur Erhoͤhung des Geschmackes angewendet. Accum fuͤhrt mehrere Straf-Beispiele vom Jahre 1812 bis 1818 an; die Strafsaͤtze berechneten sich bei einzelnen Braͤuern bis auf 500 Pfund. Auch zeigt er, wie die Braͤuer, vorzuͤglich solche, welche starkes und Tischbier bereiten, große Betruͤgereien in Hinsicht der Auflagen begehen; ein Braͤuer zu Plymuth betrog den Staat um nicht weniger als 32,000 Pfund. Eine Liste vom J. 1813 bis 1819 enthaͤlt mehr als zwanzig Braͤuer, welche wegen Mischen des starken Bieres mit Tischbier gestraft wurden, die einzelnen Strafen waren 10–400 Pfd. Die Entdeckung der Bier-Verfaͤlschung durch schaͤdliche vegetabilische Substanzen uͤbersteigt das Vermoͤgen der Gemischen AnalyseHierin liegt der große Schuz, dessen sich mancher Gewissenslose versichert haͤlt, wenn er, aus Gewinnsucht alle Verhaͤltnisse vergessend, zum Giftmischer wird. – A. d. Uebs.. Außer dem Cocculus Indicus (bei uns Cocculison – von dem Menispermum Cocculus) wird das Bier in England mit Opium, Toback, Kraͤhenaugen und Mohnextract verfaͤlscht. Das Daseyn von schwefelsaurem Eisen im Biere laͤßt sich finden, wenn man das Bier zur Trockenheit abdaͤmpft, die ruͤckstaͤndige Masse mit chlorinsaurem Kali (uͤberoxydirtsalzsaurem Kali) mengt, und in einem Tiegel bis zum Gluͤhen erhizt. Das schwefelsaure Eisen bleibt unter dem Residuum im Schmelztiegel; bei der Aufloͤsung im Wasser kann man die Bestandtheile des Salzes, naͤhmlich Eisen und Schwefelsaͤure erproben; ersteres durch Gallaͤpfel-Tinctur, Ammonium und blausaures Kali, lezteres durch salzsauren Baryt. – Die Weise, nach welcher die Menge des im Bier vorhandenen Alkohols bestimmt wird, ist die einfache Destillation. In gutem engl. Aehl (Ale) sind 8,30, in schottischem 6,20, in Porter 4,00, in starkem Braunen 5,–6,80. In Small beer 0,75–1,28 WeingeistWir haben zwar auf dem festen Lande in unserem Biere weniger den Cocculus Indicus, und Opium und Kraͤhen-Augen zu fuͤrchten; dafuͤr aber doch nicht weniger Gifte. Mehrere unserer Braͤuer haben zu demjenigen, was sie Sud nennen, Recepte, die sich oft von 2–300 Jahren her datieren, und die als ein Heiligthum bei der Braͤustaͤtte aufbewahrt und fortgeerbt werden. In diesen Recepten kommen, wie wir mit eigenen Augen gesehen haben, nicht unbedeutende Gaben von Bilsenkraut, Tollaͤpfel, Tollkirsche (Hyoscyamus niger, Datura Stramonium, Atropa Belladonna) vor. Bilsenkraut und Tollkirsche fanden wir am haͤufigsten, und leztere besonders in manchem Biere so haͤufig, daß man auf einige Glaͤser desselben deutlich das Ziehen an der Pupille theils selbst fuͤhlt, theils an anderen sieht. Es ist eine bei unseren kraͤutersammelnden Apothekern laͤngst bekannte Sache, daß, wenn sie nach Bilsenkraut zu suchen haben, und nirgendwo welches finden, sie sich nur in der Naͤhe der Braͤuhaͤußer um dasselbe umsehen duͤrfen, bei welchen es nur zu oft absichtlich gebaut scheint. Daß die Einwirkung dieser Pflanzengifte bei Leuten, welche gewohnt sind, taͤglich starke Portionen solcher Biere zu sich zu nehmen, nicht anders als hoͤchst nachtheilig seyn kann, daß daher nicht selten die Laͤhmungen und Schlagfluͤsse, das Zittern, die haͤßlichen Flechten etc. entstehen, wird wohl keines Beweises beduͤrfen! denn wer wird beweisen, daß Gift Gift ist! aIndessen ist ein guter Theil unserer Braͤuer unwissend genug, um nicht zu wissen, daß diese Pflanzen Gift sind, und zu glauben, diese Pflanzen machten das Bier bloß stark. Um dem nicht zu berechnenden Nachtheile solcher Giftmischereien zu steuern, bleibt kein anderes Mittel, als nach und nach einen Braͤuer um den andern vor Gericht zu fordern, und ihn unter Eidespflicht zu verhalten, das Recept seines Sudes in Gegenwart des PhysikusVorausgesezt, daß der Physikus ein Mann von gesundem Menschenverstand ist, der sich den Leidenschaften der Frau Basen nicht freigibt, sonst – D. vorzulegen: dieser und der Pfarrer haben ihn von der Schaͤdlichkeit und Straͤflichkeit seines Verfahrens zu uͤberzeugen, und er, der ungluͤckselige Giftmischer, hat eidlich zu erklaͤren, daß er sich nimmermehr solcher Gifte bedienen wird, unter der Strafe, die auf Eidbruͤchigkeit verhaͤngt ist. Allerdings werden dadurch gewisse Biere ihren bisher beliebten Geschmack verlieren, wer kann und darf aber an Giften Geschmack und Belieben finden? Man wird nicht sagen, daß in diesem Verfahren gegen die Braͤuer Haͤrte, Despotismus, Eingriff in die Freiheit der Gewerbe liegt: da es mehr Menschen, als Braͤuer, im Staate gibt, so verdienen jene vor diesen Ruͤcksicht, und wenn die Leute durchaus nicht klug seyn und ihren eigenen Vortheil erkennen wollen, so hat der Staat nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, dieselben zu regieren, d.h. sie (wie Schloͤzer das Wort regieren erklaͤrte) zu ihrem Vortheile zu zwingen. Es ist bemerkenswerth, daß mehrere unserer Braͤuer in Baiern die giftige Rinde der Ptelea trifoliata und die gleichfalls verdaͤchtigen Fruͤchte derselben statt Hopfens brauchen, und diesen kleinen Baum unter dem Nahmen Hopfenbaum so ganz im Stillen im Lande vermehren. Manches Bier hat sehr ausgezeichnet den Geschmack der Rinde der Ptelea. Anm. eines Lesers..