Titel: Beschreibung einer Maschine zu Ersparung der bei Thurmdachbauten üblichen Gerüste.
Autor: Dr. Karl Heintl [GND]
Fundstelle: Band 4, Jahrgang 1821, Nr. XVI., S. 129
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XVI. Beschreibung einer Maschine zu Ersparung der bei Thurmdachbauten üblichen GerüsteHesperus Bd. 27. Nr. 23.. Von Dr. Karl Ritter von Heintl in Wuͤrnitz. Nebst einem Zusaze von G. Haͤvel. Mit Abbildungen auf Tab. II. v. Heintl Maschine zu Ersparung der bei Thurmdachbauten üblichen Gerüste. Zu Harmannsdorf in Niederoͤsterreich, Viertl unter dem Mannhartsberg, wurde im Sommer 1819 das Dach des dasigen Kirchthurmes neu mit Blech uͤberlegt. Statt der bei solchen Arbeiten gewoͤhnlichen Geruͤste bediente man sich daselbst einer einfachen Vorrichtung, deren Beschreibung ich hier um so lieber mittheile, als sie vielleicht nicht sehr bekannt und zu einer allgemeineren Anwendung tauglich seyn duͤrfte. Ich halte mich dabei im Ganzen und in den einzelnen Theilen an die zu Harmannsdorf bestandenen Dimensionen. Neben dem HelmenbaumeDerjenige Baum, auf welchem das an der Thurmspize befindliche Kreuz befestigt ist. des Thurmes (Fig. 1.) ist ein 7 Klafter langer, und im Quadrat 7 Zoll breiter Stamm AB von Tannenholze angebracht, der beilaͤufig 2 1/2 Klafter uͤber das Thurmdach in E hervorragt. Er wurde an seinem unteren Ende vermittelst Querbalken und Klampfen (Klammern) an den Lassenen und Polsterhoͤlzern des Dachstuhles gut befestiget; sieht auf einem der lezteren auf, und ist zu mehrerer Sicherheit mit dem hervorstehenden Theile CD des Helmbaumes durch die Klampfen (Klammern) aa verbunden. Versehen mit den querbaumenen Sprossen bb dient er zugleich als Steigbaum, und ist von seinem unteren Anfange bis zu F viergradig; von da bis zu seinem aͤußersten Ende A, in einer Laͤnge von 1 1/2 Schuh, rund gehauen. Durch die zwischen F und A gemachte Abrundung des Stammes entsteht bei F ein Vorsprung seines unteren 4eckigen Theiles vor dem oberen runden, welcher Vorsprung mit Eisenblech stark beschlagen ist. Bei A befindet sich in dem Steigbaum ein rundes, 8 Zoll langes und beilaͤufig 1 1/2 Zoll im Diameter messendes Loch eingebohrt, welches mit dem Holzfaden des Stammes parallel laͤuft, gleichfalls mit Eisenblech gefuͤttert ist, und denselben zur Unterlage des in A und F ruhenden Querbaumes GH (2 Klafter lang, 7 Zoll breit) vorbereitet. In diesem sind bei c und d zwei starke eiserne Arme (2 1/2 Schuh lang und vier Schuh von einander entfernt) ce und df eingelassen, welche an ihrer oberen Spize durchloͤchert, vermittelst der in c und d angezeigten Schrauben mit GH fest in Verbindung stehen. Sie enden sich unten in einem eisernen Ringe ef worin sie durch Nitten (Nieten) befestiget sind, und welcher auf dem, mit, Eisenblech beschlagenen Vorsprunge (Absaze) bei F so aufliegt, daß man ihn um den oberen runden Theil AF des Steigbaumes, als um seine Axe, zu wenden vermag. In der Mitte von GH ist durch die Umnittung g ein 15 Zoll langer und nicht ganz 1 1/2 Zoll dicker eiserner Nagel befestiget, welcher in das Loch des Steigbaumes bei A eingehet, darin ringsherum gedreht werden kann, und mit dem sich der Querbaum GH bewegt. Bei h und i zeigen sich zwei hoͤlzerne, 2 1/2 Schuh hohe, 5 Zoll dicke Arme, die in den Querbaum eingelassen, durch die Gegenlatten no eine groͤßere Festigkeit erhalten, und deren jeder in l und m mit einem, etwas uͤber 2 Zoll breiten, und circa 1/2 Schuh langen Loch versehen ist. Beide hoͤlzerne Arme stehen 3 Schuh aus einander, also nicht unmittelbar auf den unteren eisernen Armen ce und df auf, damit sie an dieser wichtigen Stelle den Stamm nicht schwachen. Auch den Querbaum GH sieht man in k und p durchloͤchert, auf dieselbe Weise wie die beiden hoͤlzernen Arme bei l und m; und in allen 4 Durchbrechungen lmk und p befinden sich starke Klobenraͤder angebracht, uͤber welche ein festes, Zoll dickes Seil rkpq laͤuft, das in r an dem mit Steinen beschwerten Kasten IK und in q an die 4 Stricke des Sizes LMNO angemacht ist. Lezterer bildet ein laͤngliches Viereck, 4 Schuh lang, 2 Schuh breit, und uͤber 4 Schuh hoch; ist inwendig mit einem Size fuͤr den Arbeiter versehen, und auf allen 4 Seiten bis zu einer Hoͤhe von 1 1/2 Schuh mit Bretern, weiter oben an den Hinteren und den beiden Seitentheilen mit Latten, an dem vorderen Theile aber mit einem beweglichen Gelaͤnder geschlossen, welches zu beiden Seiten in einem Pfalze laͤuft, und vermittelst vorgesteckter hoͤlzerner Nagel hoͤher oder tiefer gemacht werden kann. An jedem Eck des Kastens ist in den eisernen Ringen stu und v ein Strick angebunden, welche vier Stricke sich in q vereinigen, wo auch das Hauptseil rk pq und ein etwas schwaͤcheres Handseil qwv befestiget ist. Das Handseil qwv geht um ein bei w, in dem Querbaum GH angebrachtes Klobenrad herum, und wird mit dem zweiten Ende an einen Eckring des Sizkastens so gebunden, daß es der Arbeiter leicht losmachen und wieder befestigen kann. Der Kasten IK enthaͤlt große Steine, deren Gewicht der Schwere des Sizkastens LMNO, des darin befindlichen Arbeiters und des ganzen Arbeitsmaterials gleicht, so daß die beiden, an dem Hauptseile hangenden Kasten IK und LMNO im Gleichgewicht sind, wenn das Handseil qwv in v losgebunden wird. Er ist in K mit einem eisernen Knie versehen, an dessen unterem Ende ein, nach allen Seiten bewegliches kleines Raͤdchen angebracht ist, damit der Kasten IK, selbst wenn er auf das Dach aufkoͤmmt, sich daselbst nicht festhalten kann, sondern gleich von solchem abrollen muß. Ist die Vorrichtung, so wie ich hier angegeben, fest auf dem Thurme aufgemacht; so besteht ihr Gebrauch dem Wesentlichen nach in Folgendem. Der Arbeiter steigt neben dem Steigbaume AB bei E durch das Dach heraus, geht uͤber dasselbe vermittelst eines Spannseils zum Sizkasten und besteigt denselben. Ohne Beihuͤlfe einer zweiten Person kann er sich nun damit auf jede Stelle des Daches bewegen, auf die er zu kommen wuͤnscht. Will er sich tiefer hinablassen, so loͤset er das Handseil qwv in v los; macht sich durch das eigene Gewicht des Koͤrpers schwerer; stoͤhrt dadurch das zwischen den Potenzen in lK und LMNO bestandene Gleichgewicht; macht den Steinkasten steigen, seinen Siz aber und sich selbst langsam herabsinken. Will er sich heben, so zieht er an dem Handseil an, vermindert dadurch ein Gewicht, macht so das Gegengewicht der Steine fallen, und in eben dem Verhaͤltnisse sich selbst steigen. Wuͤnscht er auf eine andere Seite des Thurmes zu kommen; so nimmt er den bei Handen habenden eisernen Haken (Fig. 2.), hakelt ihn in irgend einen Vorsprung des Daches, oder in einen der am Dache angebrachten metallenen Ringe x ein; zieht mit Kraft daran, und dreht dadurch den Querbaum GH um seine Axe, wodurch er sich selbst auf die verlangte Stelle bringt. Bevor er da die Arbeit beginnt, richtet er das, am vorderen Theile des Sizkastens befindliche Gelaͤnder, und befestigt es in jener Hoͤhe, welche die Lage erfordert, damit er die Arme bei der Arbeit darauf ruhen lasse koͤnne. Ist er im Begriff den Siz zu verlassen; so hebt er ihn durch die erst angegebene Art bis auf den obersten Theil des Daches, bindet das Handseil in v fest, und macht den Weg uͤber das Dach und durch die Oeffnung bei E zuruͤck. Beim tiefern Herablassen des Sizkastens kann es auf der Thurmseite DP geschehen, daß derselbe auf dem Dache aufsizt, und das vermehrte eigene Gewicht des Arbeiters nicht zureicht ihn vom Plaze wegzubringen. In diesem Falle darf der Arbeiter nur mit einem, aus dem Sizkasten hervorzustreckenden Fuße sich an das Dach anstemmen, und so den Kasten von demselben wegstoßen. Ein an der untern Seite des Bodens vom Kasten LMNO angebrachtes Knie, wie jenes an IK duͤrfte diese Unbequemlichkeit beheben. Ist die Maschine nach ganz vollendeter Arbeit vom Thurm weggenommen; so wird die Oeffnung bei E mit einem metallenen Thuͤrl vermacht, welches verlattet, und von Innen mit einem Riegel versehen wird, damit man dort bei jeder Reparatur heraussteigen kann, ohne das Dach an einem andern Orte durchschlagen zu muͤssen. Zu den Vortheilen, welche diese Vorrichtung vor den gewoͤhnlichen Geruͤsten haben duͤrfte, kann man auch 1. Die Ersparniß am Holze rechnen, welches bei jedem Geruͤste besonders erfordert wird. Diese Maschine aber, die mit geringen Kosten von einem Orte zu dem andern gebracht werden kann, ist bei mehreren Bauten anwendbar; zumal wenn der Querbaum GH bedeutend langer gemacht und zu beiden Seiten desselben, außer den Klobenraͤdern in k und p noch mehrere derlei Raͤder angebracht werden, so daß man das Hauptseil nach dem jedesmaligen Beduͤrfniß nur uͤber jene 2 Raͤder zu spannen braucht, welche der Umfang des Thurmes fordert. Es wird dadurch 2. viele Muͤhe und nicht wenig Geldauslagen vermieden, welche das oftmalige Aufmachen und Abbrechen der Geruͤste veranlaßt, und die Arbeit sehr aufhaͤlt. Beide diese Vortheile scheinen bei kleinen Baulichkeiten gering und unbedeutend, sie zeigen sich aber vorzuͤglich bei hohen und großen Kirchthuͤrmen. Ich erlaube mir nur, auf die Geruͤstungen an dem Thurme der Mariastiegen-Kirche zu Wien (naͤchst dem Paßauerhofe) aufmerksam zu machen, mit welchen man fast uͤber ein Jahr beschaͤftiget war, und die gewiß sehr große Ausgaben veranlaßt haben. 3. Beim Ueberlegen eines Daches mit Blech oder anderem Metalle ist Feuer nothwendig, welches man auf dem Geruͤste oft ganz frei und offen hat. Dadurch ist es jedem Winde ausgesezt, und den benachbarten Gebaͤuden, so wie der, auf dem Lande meistens mit Schindeln gedeckten Kirche gefaͤhrlich. In der Maschine kann der Arbeiter das in einem kleinen Windoͤfchen befindliche Feuer vor jedem starken Luftzug dadurch bewahren, daß er es auf den Boden seines Sizes stellet, der auf 1 1/2 Schuh, wie ich oben bemerkte, auf allen Seiten mit Bretern verschlagen ist, daher die Luft frei durch zuziehen hindert. 4. Selbst die Gefahr fuͤr den Arbeiter scheint mir hier geringer als bei Geruͤsten, auf welchen er ganz offen sieht, waͤhrend er in der Maschine ringsum durch ein Gelaͤnder eingeschlossen sizet, und die Arme, selbst bei der Arbeit, immer auf das vorn angebrachte bewegliche Gelaͤnder stuͤzet. Freilich koͤnnte man das Abreißen des Hauptseiles fuͤrchten; allein abgesehen, daß dieses bei einem festen Seile und bei gehoͤriger Vorsicht wohl nicht leicht zu besorgen ist; so hat auch das Handseil qwv zugleich die Nebenbestimmung, den Sizkasten fuͤr den Fall allein zu halten, wenn das Hauptseil dennoch nachlassen oder gar reissen sollte; weswegen der Arbeiter nie versaͤumen darf, das Handseil nach gemachtem Gebrauche bei seinen Bewegungen wieder gut anzubinden. In Harmannsdorf ist mit dieser Maschine kein Ungluͤck geschehen, obwohl damit uͤber 4 Monate gearbeitet wurde, und sie mehrere heftige Winde auf dem Thurme aushalten mußte. Der Spenglermeister Joseph Lang aus Wien (Leopoldstadt Nro. 170) hat dort die Arbeit in derselben verrichtet. Zusaz von Georg Haͤvel. Da bei hohen Thuͤrmen der Wind gewoͤhnlich stark geht, so wird der Gewichtkasten, besonders wenn das Haͤngeseil lang ist, anfangen zu schwanken und gegen den Thurm schlagen und denselben beschaͤdigen; auch ist dadurch wegen moͤglicher Beschaͤdigung der Seile der Arbeiter mehr Gefahr ausgesezt. Diesem vorzubeugen duͤrfte es gut seyn, wenn man an den Gewichtkasten zwei duͤnne Leinen 1–2 (Schwenkseile) befestigte, welche man zu beiden Seiten des Thurms gegen den Sizkasten des Arbeiters gehen laͤßt, die man dann an den Sizkasten selbst, oder in dessen Naͤhe an den Thurm befestiget. Durch diese Vorrichtung wird dem Schwanken des Gewichtkastens, zwar nicht ganz, doch so weit Einhalt gethan, daß dasselbe fuͤr den Thurm wie fuͤr den Arbeiter unschaͤdlich ist.

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Tafel Tab. II
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