Titel: | Vorschlag zu einer wichtigen Verbesserung der Wind- Reverberier- oder Flammen-Oefen. Als ein Beitrag zur Aufnahme des Eisen-Hütten- und Schmelzwesens, vom königl. baier. Oberst-Bergrath und Maschinen-Direktor Jos. Ritter v. Baader. |
Autor: | Honorar-Prof. Dr. Joseph Baader [GND], Honorar-Prof. Dr. Joseph Baader [GND] |
Fundstelle: | Band 4, Jahrgang 1821, Nr. XXV., S. 238 |
Download: | XML |
XXV.
Vorschlag zu einer wichtigen Verbesserung der Wind- Reverberier- oder Flammen-OefenDieser Aufsaz ward von dem Verfasser im Monat Februar des Jahres
1818 der koͤnigl. baier. General-Bergwerks-Administration,
deren Mitglied zu seyn er die Ehre hatte, uͤberreicht.. Als ein Beitrag zur Aufnahme des Eisen-Hütten- und Schmelzwesens, vom königl. baier. Oberst-Bergrath und Maschinen-Direktor
Jos. Ritter v. Baader.
v. Baaders Vorschlag zu einer wichtigen Verbesserung der Wind- Reverberbier- oder Flammen-Oefen.
Der wesentlichste, aber auch kostbarste Theil eines jeden
Reverberier- oder Flammenofens ist bekanntlich der Schornstein, die Esse oder
der Kamin, welcher, wenn leichtfluͤßige Metalle, wie z.B. Messing oder
Glockenmetall zu schmelzen sind, oder wenn nur eine starke Schweißhize oder
Gluͤhhize herfuͤrzubringen ist, wie z.B. in den englischen
Roͤhr- oder Puddling-Oefen, eine Hoͤhe von 20 bis 30 Fuß
haben muß, zum
Umschmelzen von strengfluͤßigern Metallen hingegen, als z.B. Roheisen, eine
Hoͤhe von 50 bis 60 Fuß erfordert. Die Sicherheit und Soliditaͤt eines
solchen Schornsteines erfordert, daß man seinem Gemaͤuer von unten eine
bedeutende Staͤrke oder Dike zur Basis gebe, und dasselbe auf und auf mit
einer kostbaren Armirung von eisernen Platten und Schlaudern versehe; und wo der
Grund nicht vollkommen fest ist, muß vor allen Dingen ein sehr kostbares Fundament,
mit eingeschlagenen Pfaͤhlen (Puͤrsten) und Rostwerk hergestellt
werden. Um diese Kosten einiger Maßen zu vermindern, pflegt man zwar meistens zwei
Flammenoͤfen neben- oder gegeneinander an einer gemeinschaftlichen,
durch eine duͤnne Scheidewand in zwei besondere Zugroͤhren
abgetheilten, Esse vorzurichten; aber dennoch kostet der Bau von einem Tare solcher
Oefen in den meisten Fallen mehr, als die Anlage von zwanzig
Cupolo-Oefen.
Die Erfahrung zeigt, und es ist nach physischen Grundsaͤzen leicht zu
begreifen, daß der in einem Windofen erzeugte Hizgrad desto staͤrker, die
Wirkung, naͤmlich das Schmelzen, desto vollkommener, und der Aufwand von
Brennmaterial desto geringer ist, je hoͤher der Schornstein oder die Esse
gemacht wird. Das Feuer der auf dem Roste brennenden Materialien wird
naͤmlich durch den Zug der von unten eindringenden Luft angefacht, welcher
Zug aus dem Uebergewichte des Drukes der Atmosphaͤre uͤber die in der
Esse verduͤnnte Luftsaͤule entstehet, folglich desto staͤrker
seyn muß, je hoͤher diese verduͤnnte Luftsaͤule ist. Dieser
Luftzug ist daher ein wahres, natuͤrliches Geblaͤse, welches sich von
jenem eines Cupolo- oder hohen Ofens eigentlich nur darin unterscheidet, daß
es viel schwaͤcher an Intensitaͤt oder mechanischem Momente, aber
desto maͤchtiger durch die Quantitaͤt der zugefuͤhrten Luft und
des daraus entbundenen Sauerstoffes ist. Im Grunde ist die Wirkungsart die beiden
Vorrichtungen ohngefaͤhr dieselbe, und beruhet auf demselben Prinzip eines
moͤglichst lebhaften Luftstromes, mit dem einzigen Unterschiede, daß bei den
Cupolo- oder hohen Oefen dieser Luftstrom durch eine gewaltige
kuͤnstliche Anhaͤufung (Compression) von unten, bei den
Reverberier-Oefen hingegen durch Verduͤnnung (Ansaugung) von oben
bewirkt wird. – Ein zweiter, sehr wesentlicher Unterschied zwischen beiden
Vorrichtungen bestehet aber darin, daß man bei den Oefen mit kuͤnstlichem
oder Maschinen-Geblaͤse die Wirkung ganz in seiner Gewalt hat, und den
zu erzeugenden Grad von Hize nach Gefallen verstaͤrken kann, da diese
hingegen bei allen Flammenoͤfen mit natuͤrlichem Luftzuge bis auf
einen gewissen Grad beschraͤnkt sind. Nach der Theorie muͤßte
naͤmlich ein außerordentlicher Grad von Hize mit der groͤßten Kohlen- oder
Holzersparniß durch eine Esse von 100 bis 150 Fuß Hoͤhe bewirkt werden. Die
Erfahrung indessen zeigt im Gegentheile, daß das Maximum
dieser Wirkung durch eine Hoͤhe von 50 bis 60 Fuß erreicht wird, daß
daruͤber hinaus der Effekt wieder abnimmt, und daß z.B. ein 80–bis 90
Fuß hoher Schornstein nicht mehr, als einer von 30–39 Fuß leistet. –
Diese Erscheinung beruhet auf zweierlei Ursachen:
1mo. Nimmt die Hize, folglich auch die Verduͤnnung der durch einen so hohen
Schornstein aufsteigenden Luft und des Rauches in dem obern Theile immer mehr ab,
und die kalte atmosphaͤrische Luft druͤkt von oben wieder mehr
entgegen;
2do. Leidet dieser Luftstrom, wie jedes elastische Fluidum, bei seiner Bewegung durch
einen geschlossenen Kanal, einen Widerstand, welcher mit der zunehmenden
Laͤnge dieses Kanals, in geradem Verhaͤltnisse stehet, folglich auf
einem gewissen Punkte von dem zu schwachen Luftzuge von unten nicht mehr
uͤberwunden werden kann.
Wenn es nun auf irgend eine Weise moͤglich waͤre, statt des
natuͤrlichen Luftzuges unter dem Roste, welcher lediglich durch die
Verduͤnnung der obern Luftsaͤule im Schornsteine bewirkt wird, einem
eben so starken, oder noch lebhaftern, kuͤnstlichen Wind, oder ein
Zustroͤmen verdichteter Luft in der ganzen Weite des Rostes anzubringen,
deren Wirkung von jener obern Verduͤnnung, also auch von der Hoͤhe der
Esse ganz unabhaͤngig waͤre, so haͤtte man offenbar die beiden
hier bemerkten Hindernisse gehoben, und koͤnnte jeden erforderlichen Grad von
Hize selbst bei dem niedrigsten Schornsteine herfuͤrbringen. Es versteht
sich, daß hiezu keineswegs jener hohe Grad von Verdichtung, und jene
ausserordentliche Geschwindigkeit des Luftstromes erforderlich waͤre, welchen
die gewoͤhnlichen Geblaͤse-Maschinen vor den hohen Oefen,
Cupolos oder Frischfeuern bewirken muͤssen, wo die Geschwindigkeit der durch
die Duͤse ausfahrenden Luft 300 bis 500 Fuß in jeder Secunde, die Ladung auf
jeden Quadratzoll 1 1/2 bis 3 1/2 Pfund betraͤgt, und die verdichtete Luft im
Windmesser einer Wassersaͤule von 15 Zoll bis 3 Fuß das Gleichgewicht
haͤlt. Eine Ladung von 4–5 Pfd. auf den Quadrat-Fuß, eine
Verdichtung, welche dem Druck einer Wassersaͤule von 3 bis 4 Zoll entspricht,
sind vollkommen hinreichend, das Feuer auf dem Roste mit derselben Lebhaftigkeit
anzufachen, als durch den Zug des hoͤchsten Schornsteins zu bewirken
moͤglich ist.
Ich schlage daher vor, den ganzen Raum unter dem Roste eines uͤbrigens
unveraͤnderten Flammenofens, (welcher Raum sonst den freien Zutritte der atmosphaͤrischen
Luft offen stehet) vorne durch eine Mauer, und unten am Aschenfalle durch eine
eiserne Fallthuͤre (groß genug daß ein Mann durch selbe aus- und
einkommen kann) von allen Seiten Luftdicht zu verschließen, dann in der Naͤhe
eine besondere Geblaͤsemaschine oder großen Ventilator vorzurichten, und den
durch diese Maschine erzeugten Wind durch einen weitern Kanal in jenen
verschlossenen Raum zu leiten, aus welchem er durch den einzigen Ausweg, den Rost
des Ofens, von unten dringen, und das Feuer mit einer staͤrkern oder
schwaͤchern Kraft anblasen muß, je nachdem die Maschine schneller oder
langsamer betrieben wirdDie einfachste und
wohlfeilste Maschine zu diesem Zweke waͤre ein gewoͤhnlicher,
aber sehr großer Radventilator, oder eine sogenannte Windtrommel. Wirksamer
u. vortheilhafter in Hinsicht aus Kraftersparniß waͤre ein
hydrostatisches Geblaͤse mit zweyen wechselweise auf und
niedergehenden hoͤlzernen Kasten von sehr großen Dimensionen, mit
weiten Ventilen und Luftkanaͤlen, dessen Betrieb keine große Kraft
erfordern wuͤrde, da die Luft nur auf einen sehr geringen Grad
komprimirt werden darf..
Die auffallendsten Vortheile, welche von der Ausfuͤhrung dieser sehr
einfachen, aber ganz neuen Idee zu erwarten stehen, sind folgende:
1mo. Werden die uͤbermaͤßig hohen und kostbaren Schornsteine
entbehrlich, und man kann die vollkommensten und wirksamen Schmelzoͤfen
dieser Art mit ganz niedrigen Essen von 12–15 Fuß fuͤr den sechsten
Theil derjenigen Kosten bauen, welche auf die gewoͤhnliche Art noͤthig
sind.
2do. Hat man den Grad der im Ofen zu erzeugenden Hize ganz in seiner Gewalt, und kann
solchen von einem Augenblike zum andern nach Belieben verstaͤrken oder
schwaͤchen, welches bei den gewoͤhnlichen Zugoͤfen durch das
Oeffnen und Schließen der an dem Eingange der Essen vorgerichteten Schieber oder
Klappen (Regulators oder Dampers) nicht so vollkommen geschehen kann.
3tio. Kann die Hize in einem solchen Ofen auf einen weit hoͤhern Grad
getrieben werden, als es bei gewoͤhnlicher Anordnung mit dem hoͤchsten
Schornsteine moͤglich ist, und von einer so lebhaft angeblasenen, mit der
groͤßten Intensitaͤt auf einen Brennpunkt hingerichteten und
koncentrirten Flamme lassen sich, gleichsam als von einem Loͤthrohre im
Großen, ganz neue Wirkungen und Resultate erwarten, von welchen wir bis jetzt
vielleicht noch keinen Begriff haben.
4to. Da die Wirkung jedes Schmelzprozesses bei gleichem Aufwande von Brennmaterial
desto groͤßer, schneller und vollkommener ist, je heftiger die erzeugte Hize
(wie dann aus eben
dieser Ursache das Umschmelzen in Cupolo-Oefen viel weniger Brennmaterial
erfordert, als in den gewoͤhnlichen Flammenoͤfen) so wird man durch
die hier vorgeschlagene neue Anordnung auch von dieser Seite eine sehr bedeutende
Ersparniß erzielen.
Die Einwendung, daß zum Betriebe eines solchen Schmelzofens eine besondere Maschine
und Bewegungskraft erfordert werden, deren die gewoͤhnlichen
Flammenoͤfen nicht beduͤrfen, ist von keinem Belange; denn
fuͤrs Erste kann die Maschine, deren Wirkung mehr Volumen, als Staͤrke
erfordert, mit geringen Kosten allenfalls ganz von Holz, hergestellt werden, und
zweitens ist auch der zu ihrer Bewegung erforderliche Kraftaufwand nicht sehr
bedeutend, und duͤrfte fuͤr einen Schmelzofen der ersten Groͤße
die Kraft eines einzigen Mannes dazu hinreichen. Da endlich in jeder
wohleingerichteten Gießerei wenigstens ein Cupolo-Ofen sich befinden,
folglich ohnehin fuͤr Bewegungskraft gesorgt seyn muß, und selten der Fall
eintritt, daß die Flammen- und Windoͤfen zugleich betrieben werden, so
kann dieselbe Bewegungskraft, durch welche das Geblaͤse des
Cupolo-Ofens in Gang gesezt wird, abwechselnd zum Betriebe des neuen
Flammenofens, der nun erst eigentlich Windofen genannt
werden duͤrfte, benuͤzt werden. Ein entscheidender Versuch im Großen
koͤnnte an einen neu zu bauenden oder schon vorhandenen Flammenofen mit einem
Aufwande von ein Paar Hundert Gulden gemacht werden. –