Titel: Wie man Aepfel- und Birnbäume, die man sich aus Samen erzieht, früher tragbar machen kann. Von Joh. Williams, Esqu. zu Pitmaston, bei Worcester.
Fundstelle: Band 5, Jahrgang 1821, Nr. LIX., S. 332
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LIX. Wie man Aepfel- und Birnbäume, die man sich aus Samen erzieht, früher tragbar machen kann. Von Joh. Williams, Esqu. zu Pitmaston, bei Worcester. Aus den Transactions of the London Horticultural Society; im Repertory of Arts, Manufactures et Agriculture. II. Series. N. CCXXIX. Junius 1821. S. 43. Williams über Erziehung der Aepfel- und Birnbäume. Mehrere, die sich geneigt fuͤhlten Versuche anzustellen, um Obstbaͤume aus Samen zu erziehen, und dadurch neue, veredelte und dauerhaftere Sorten zu erhalten, wurden von ihrem Unternehmen durch die ermuͤdende Laͤnge der Zeit abgeschrekt, waͤhrend welcher man hier dem Resultate seines Fleißes entgegen sehen muß: der Apfelbaum, auf die gewoͤhnliche Weise aus Kernen gezogen, bluͤht selten vor seinem achten oder zehnten Jahre, und der Birnbaum braucht noch laͤnger, da sehr oft zwoͤlf bis fuͤnfzehn Sommer vergehen, ehe die Blaͤtter der Saͤmlinge im Stande sind ihre ersten Tragknospen zu bilden. Als ich vor einigen Jahren uͤber Hrn. Knight's Theorie des Kreislaufes der Saͤfte nachdachte, und die Veraͤnderungen an den Blaͤttern meiner Saͤmlinge, so wie die Baͤumchen im Alter fortruͤkten, beobachtete, dachte ich, daß es doch vielleicht moͤglich seyn koͤnnte die Entwikelung der Pflanzen zu beschleunigen, und den Blaͤttern zu jener ganz eigenen Organisation zu verhelfen, welche zur Erzeugung der Tragknospen in einer fruͤheren Periode ihres Lebens nothwendig ist. Folgende Versuche scheinen mir die Gruͤnde meiner gehegten Erwartungen vollkommen zu rechtfertigen. Im November und December 1809 baute ich Kerne von verschiedenen Sorten reifer Birnen in einzelne Toͤpfe, und stellte diese waͤhrend des Winters in meine Orangerie. Die Kerne singen im folgenden Hornung an zu keimen, und im Maͤrz brachte ich sie in mein Traubenhaus, wo sie bis Mitte Sommers blieben. Sie wurden dann sorgfaltig reihenweise in das Samenbett einer Baumschule ungefaͤhr vierzehn Zoll von einander ausgesezt, und blieben daselbst bis zum Herbste 1811, wo sie wieder, aber 6 Fuß weit voneinander, in eine Baumschule verpflanzt wurden. Jeden folgenden Winter schnitt ich alle kleine unbedeutende Seitentriebe weg, und ließ nur die staͤrkeren Seitentriebe bis zum Ende der Pflanze hinab unberuͤhrt. Die Zweige ordnete ich im Allgemeinen so, daß die Blaͤtter der oberen Schoͤßlinge die der unteren nicht beschatten konnten, und jedes Blatt also, indem es dem Lichte so gut wie moͤglich ausgesezt wurde, zum kraͤftigen Organe werden konnte, wie es Hr. Knight in den Horticultural Transactions (Repertory XXIV. p. 220.) an den Pfirsichen beschrieb. Als die Baͤumchen sechs Fuß hoch wurden, hatte ich das Vergnuͤgen zu sehen, daß die Aeste aufhoͤren Dornen zu bilden, und die Blaͤtter mehr den Charakter der Kultur annahmen. Mehrere dieser Baͤume brachten im vorigen Jahre (1819) Bluͤthen und Fruͤchte. Ein Sibirier-Saͤmling (von einer Apfelsorte, Siberian) der auf diese Weise behandelt wurde, trug mit 4 Jahren schon Fruͤchte, und mehrere andere trugen im fuͤnften und sechsten Jahre ihres Alters. Mir scheinen diese Thatsachen von Wichtigkeit, indem sie die Erzielung neuer Obstsorten aus Samen foͤrdern, und die schaͤzbaren Entdekungen unseres Praͤsidenten (Hr. Knight) in Bezug auf die sonderbaren und wundervollen Vorgaͤnge in den Blaͤttern, einem der wichtigeren Theile der Pflanzen-Physiologie, bestaͤttigen, wenn anders diese Entdekungen eines Knight Bestaͤtigung beduͤrfen koͤnnten. Zwei meiner neuen Birnen wurden aus Samen des Schwaneneyes (Swan's egg; einer Birnensorte) gezogen, und mit dem Blumenstaube von Gansells Bergamotte (eine Sorte, die die Franzosen bonne rouge nennen) befruchtet. Die Birnen haben, ihrer Gestalt nach, auffallende Aehnlichkeit mit Gansell's Bergamotte, und insofern ein so unguͤnstiger Sommer, wie jener des lezten Jahres, mir ein Urtheil hieruͤber gestatten kann, glaube ich, daß, wenn diese Baͤumchen aͤlter werden, ihre Fruͤchte sowohl an Geschmak als Groͤße das Schwaneney uͤbertreffen werdenDiese Kunst, Baͤume fruͤher tragbar zu machen, ist wohl auch unseren deutschen Pomologen bekannt, so wie man auch bei uns wohl weiß, daß ein Baum desto fruͤher ausstirbt, je fruͤher man ihn zu tragen noͤthigte. Es geht mit Baͤumen, wie mit Menschen: kein Fruͤhegelehrter hat ein hohes Alter erreicht. Das Verfahren aͤltere Fruchtbaͤume durch Ringeln fruchttragend zu machen, verdient dagegen allgemeiner angewendet zu werden. Hierzu wird die Kreisnarbe ein Viertelszoll breit und bis auf den Splint (die unterste zarte Bedekung des Baums, doch ohne diesen zu verlezen), gemacht, und zwar nicht am Stamm oder am Hauptaste, sondern an Seitenaͤsten und an den Aesten der hohen Krone. Die angemeßenste Zeit ist im April, wenn milde Witterung eingetreten ist, bis in den Mai. Das Baumringeln kann an den Zweigen sowohl alter als junger Baͤume, die aus gesunden edlen Kernen gezogen sind, mit erwuͤnschtem Erfolg vorgenommen werden. Ausfuͤhrliche Belehrung findet man in dem Allgemeinen Anzeiger der Deutschen Jahrgang 1821. Nr. 105. S. 1149–1156. und in Nr. 110. S. 1213–1215. D..