Titel: Ueber die specifische Schwere der Gerste und jener Sorte, die in England Scotch Bigg heißt, nebst der Beschreibung eines neuen Instrumentes zur Bestimmung derselben. Von dem hochw. Georg Skene Keith, D. D.
Fundstelle: Band 6, Jahrgang 1821, Nr. LXV., S. 409
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LXV. Ueber die specifische Schwere der GersteEs ist gewiß, daß alle auf das Hohl-Maß der Kornfruͤchte gegruͤndete Preise und Abgaben nur ein konventioneller Betrug sind, den man sich wechselweise gefallen laͤßt. Jeder Versuch, den wahren Werth der Kornfruͤchte, d.h. ihre specifische Schwere, zu bestimmen, muß, selbst dann, wann er mißlungen, d.h. im Großen unausfuͤhrbar waͤre, die Aufmerksamkeit des Menschenfreundes, wie des kalten Financier erregen, zumal in einem akerbauenden Staate. A. d. Ueb. und jener Sorte, die in England Scotch Bigg heißt, nebst der Beschreibung eines neuen Instrumentes zur Bestimmung derselben. Von dem hochw. Georg Skene Keith, D. D. Aus dem Edinburgh Philosophical Journal im Repertory of Arts, Manufactures, et Agriculture. Novemb. 1821. N. 234. S. 362. Mit einer Abbildung auf Tab. V. Fig. 8. Skene Keith über die specifische Schwere der Gerste und jener Sorte, die in England Scotch Bigg heißt etc. Die Verordnungen vom Jahre 1802 und 1819, welche gleiche Abgaben auf das aus diesen beiden Koͤrner-Sorten bereitete Malz legten, obschon diese in Hinsicht ihres Gewichtes im Bushel, in Hinsicht ihres Marktpreises, ihres Gehaltes an Zukerstoff fuͤr den Brauer, und an Geistigem fuͤr den BrantweinbrennerDer hochwuͤrdige Herr scheint nicht zu wissen, daß die Menge des aus dem Malze zu erhaltenden Brantweines gleichfalls nur von der Menge Zukerstoffes abhaͤngt. A. d. Ueb. hoͤchst verschieden sind, bestimmten mich die relativen Werthe der Gerste und des sogenannten Scotch Bigg zu untersuchen: ich habe in allen oben beruͤhrten Hinsichten, schon vor dem J. 1804, Versuche angestellt, und Berechnungen darauf gegruͤndet. In dem Berichte uͤber die Versuche der DD. Hope, Coventry und Thompson, die auf Befehl des Hauses der Gemeinen im Junius 1806 gedrukt wurdenEine Uebersezung dieses Berichts findet man im deutschen Gewerbsfreund von 1820 in mehreren fortlaufenden Nummern. D., fand ich aber, in der Tabelle der rauhen Koͤrner (Raw-Grains), unter anderen Anomalien, daß die Suffolker Gerste von zweiter Guͤte eine specifische Schwere von 1,307 besize, waͤhrend sie doch im Bushel nur 49,250 Pfund wiegt, waͤhrend die Berwikshirer Gerste vom ersten Range, und 52,062 Pfund Schwere im Bushel, nur dieselbe specifische Schwere hatte, und Bigg von Kirkudbright von zweiter Guͤte eine specifische Schwere von 1,265 zeigte; ja waͤhrend sogar die zweite Sorte von Haddingtoner Gerste, welche 52,265 Pfund im Bushel wog, eine specifische Schwere von 1,333 haben soll, und die dritte Sorte von Linlithgower Gerste, die nur 46,375 Pfund das Bushel wiegt, genau dieselbe specifische Schwere besizt. Nach den Versuchen, die ich angestellt habe, hat der beste Weizen nur eine specifische Schwere = 1,333, waͤhrend die specifische Schwere der Gerste nach ihrem Gewichte im Bushel verschieden ist. Auch die unter dem Namen Scotch Bigg Bigg ist eine Getreide-Gattung, welche in vielen Staͤken ihres Charakters der Gerste gleich kommt; sie ist mehr abgehaͤrtet, waͤchst schneller und kommt im allgemeinen um zehen Tage fruͤher als die Gerste zur Reife, ob sie gleich um zehn Tage spaͤter als die Gerste gesaͤet wird; sie vertraͤgt einen kaͤlteren Boden, und erfodert beim Anbau weniger Sorgfalt als Gerste, daher sie in kalten und hochliegenden Gegenden gebaut wird; auch laͤßt sie den Saamen weniger fallen. Die Bigg wird schon seit undenklichen Zeiten in Schottland gebaut, und ob sie gleich daselbst nicht einheimisch ist, so ist sie doch dem dasigen Klima vollkommen angemessen. Gerste wird erst seit 60 Jahren als Handelsgetreide in Schottland gebaut. So lange die Bigg im Stroh ist, kann man sie leicht von der Gerste unterscheiden; ausgedroschen ist sie aber schwieriger zu unterscheiden. Im Allgemeinen ist die Bigg von Farbe dunkler als Gerste, und viel kleiner und leichter; ihre Huͤlse ist diker und glatter, und das davon gemahlne Mehl von etwas groͤberer Qualitaͤt. Diese Differenzen sind aber oft großen Aenderungen unterworfen, und diese beide Fruchtgattungen kommen einander oft so nahe, daß sie das geuͤbteste Kennerauge kaum zu unterscheiden vermag. D. vorkommende Sorte, obschon in jeder Hinsicht schlechter als Gerste, wenn sie auch im Bushel gleich viel mit derselben wiegt (denn sie liegt im Maße dichter an einander und pakt sich besser, weil ihr Kern kleiner ist), besizt eine specifische Schwere, welche beinahe mit der relativen Schwere ihrer verschiedenen Sorten, welche ich untersuchte, im Verhaͤltnisse steht. Folgende Tabelle gewaͤhrt eine vergleichende Uebersicht der verschiedenen specifischen Schweren von fuͤnf Sorten sogenannter Scotch-Bigg, und eben so vielen Sorten Gerste, welche im gleichen Verhaͤltnisse fortzuschreiten scheinen. 1. Scotch Bigg. Specif. Schwere. von 41,713 Pfund im Bushel. 1,067 44,464 Pfund im Bushel. 1,093 44,971 Pfund im Bushel. 1,113 Im Mittel: 45,199 pr. Bushel. 1,109 spec. Schwere. 46,457 Pfund im Bushel. 1,125 48,390 Pfund im Bushel. 1,146 2. Gerste. Specif. Schwere. von 49,418 Pfund im Bushel. 1,173 50,166 Pfund im Bushel. 1,181 50,652 Pfund im Bushel. 1,206 Im Mittel: 51,172 pr. Bushel. 1,205 spec. Schwere. 52,383 Pfund im Bushel. 1,227 53,243 Pfund im Bushel. 1,242 Das Instrument, mit welchem diese specifischen Schweren bestimmt wurden, besteht aus zwei Stuͤken. Das erste ist ein messingener Cylinder Fig. 8. Tab. V. von drei Zoll im Durchmesser, und etwas mehr als drei Zoll Tiefe, welcher so verfertigt wurde, daß er genau ein Hundertel eines Winchester-Gersten-Bushel faßte. Drei solche Maße einer jeden Sorte von Gerste und Bigg wurden gewogen, und das Mittel der drei erhaltenen Gewichte mit 100, als dem Durchschnitts-Gewichte eines Bushel, multiplicirt. Das zweite ist ein Dekel, welcher, wie der Dekel einer Tobakdose auf den Cylinder paßt und so zugeschliffen ist, daß er denselben genau schließt: in der Mitte ist er aber erhoben. Drei messingene Roͤhren sind in diesem Dekel eingefuͤgt, eine an der obersten Stelle oder in der Mitte, und eine zu jeder Seite: alle drei stehen aber gleich hoch mit ihrem oberen Ende und sind mit dem Cylinder oder mit dem kleinen Bushel in Verbindung. Der Cylinder wiegt, mit seinem Dekel, 7898 Grane, und die Menge distillirten Wassers, welche er faßt, 6114 Grane englischen Troy GewichtesDas englische Apothekergewicht: 1 Pfund = 12 Unzen. A. d. Ueb. bei 60° Fahrenheit. Cylinder und Wasser wiegen also zusammen 14012 Grane. Der Dekel wird hieraus abgenommen, der groͤßte Theil Wassers ausgegossen, und 1000 Grane Troy Gewicht Gerste oder Scotch Bigg mit dem in dem Cylinder zuruͤkgebliebenen Wasser gemengt, und ein paar Minuten lang mit einer glaͤsernen Roͤhre umgeruͤhrt, um das Anhaͤngen von Luftkuͤgelchen an den Koͤrnern zu hindern. Nun wird wieder Wasser zugegossen, bis der Cylinder beinahe voll ist, und dann der Dekel aufgesezt, und mehr Wasser durch eine Glasroͤhre, welche man in eine der messingenen an der Seite stehenden Roͤhren einfuͤhrt, so lang zugegossen, bis das Wasser an der gegenuͤber stehenden Seitenroͤhre aufsteigt. Steht das Wasser nicht gleich hoch, so laͤßt man einige Tropfen desselben durch die mittlere Roͤhre einfallen, und wenn zuviel davon darin waͤre, so nimmt man es aus dieser Roͤhre heraus. Dann wiegt man das Ganze. Nachdem man nun auf diese Weise das durch die hinzugesezte Menge von Gerste oder Bigg neu hinzugekommene Gewicht gefunden hat, zieht man das erste Gewicht des Cylinders und des Wassers von dem zweiten Gewichte des Cylinders und des Wassers, und noch 1000 Gran von dem Gewichte des Cylinders und des Wassers ab, um das Gewicht des von der Gerste verdraͤngten Wassers zu finden. Dann theilt man die 1000 Grane durch die Zahl der Grane, welche das verdraͤngte Wasser wiegt, und der Quotient ist die specifische Schwere. Die Wage, deren ich mich bei diesen Abwaͤgungen bediente, ist sehr empfindlich: sie ist von Durward zu Aberdeen, und ich bezahlte sie mit 2 Pfund 5 Schill. Die Gewichte sind von Messing, und von Wilh. Spring, damals bei den HH. Gordon, Barron und Comp.: sie bestehen aus 24 Stuͤken, naͤmlich 1000, 2000, 3000 und 4000 Gran; 100, 200, 300, 400 Gran; 10, 20, 30, 40 Gran; 1, 2, 3, 4 Gran; 1/10, 1/20, 1/30, 1/40 Gran; und 1/100, 1/200, 1/300, 1/400 Gran, Troy GewichtDiese 24 Metallstuͤke geben 1,111000 verschiedene Gewichte A. d. O. Unsere Physiker sind selten so genau in Angabe ihrer Wagen und Gewichte. A. d. Ueb.. Sie wurden nach einem Mittelgewichte von 32 Pfund Troy Gewicht gefertigt, als legales Gewicht der Stadt Aberdeen, welches im J. 1707 zu der Union gesandt wurde, wo die kleineren Gewichttheile nicht hinkamen. Man fand das Avoir-du-pois Pfund = 7000 Pfund solcher Troy-Grane, es ist aber einen ganzen Gran schwerer, als das jezige legale Avoir-du-pois PfundDas Avoir-du-pois-Gewicht hat 16 Unzen, im Pfund, und verhaͤlt sich zum Troy-Gewichte: : 17 : 14. A. d. Ueb.. Es kostete diesem talentvollen Manne viele Muͤhe ein Mittel Troy-Pfund und einen Mittel-Troy-Gran herauszubringen, da die legalen Gewichte so ungleich sind; ich lohnte ihn aͤrmlich genug dafuͤr mit einer Fuhr Hafermehl, die ich ihm fuͤr seine Arbeit gabSo sieht's noch jezt, 114 Jahre nach der Union, in Schottland aus! A. d. Ueb.. Auch der messingene Cylinder wurde von Wilh. Spring im J. 1804 verfertigt; ich erhielt aber anfangs einen flachen Dekel, welcher nicht so gut taugte, und spaͤter erst den gegenwaͤrtigen, der in seiner Mitte erhaben ist und von einem Taschenuhrmacher in der Burg von Juverary gemacht wurde. Ich werde vielleicht noch einige Verbesserungen an demselben anbringen koͤnnen: indessen ist die hier beschriebene Methode neu; sie gewaͤhrt alle Vortheile einer hydrostatischen Wage, und gibt nicht bloß die specifische Schwere eines einzelnen kleinen Koͤrpers, sondern mehrerer solchen Koͤrper zugleich, wie hier mit den Koͤrnern der Fall ist. Es ist bekannt, daß ein Bushel Gerste, Bigg, oder was immer fuͤr eine Art von Korn aus dem mehligen Bestandtheile, aus den Spelzen und aus der Menge atmosphaͤrischen Luft besteht, welche sich zwischen den Zwischenraͤumen der Koͤrner befindet. Wo daher, alles Uebrige gleich gesezt, der mehlige Bestandtheil die groͤßte specifische Schwere besizt, dort ist auch die groͤßte Menge Extractiv-Stoff, und solches Korn ist in seiner Art das beste. Ich muß hier noch bemerken, daß jeder Versuch in gleichem Zeitraume gemacht wurde, naͤmlich binnen drei Minuten, damit das Wasser von dem Korne, welches mit demselben gemengt ward, nicht ungleichfoͤrmig eingesogen werden konnte. Wenn man bedenkt, daß Bigg auf eine so auffallende Weise der Gerste nachsteht, nicht bloß in Hinsicht des Klima, welches dasselbe erzeugt, und in Hinsicht der Menge und Guͤte des Extractivstoffes, welchen dasselbe dem Brauer, des Geistigen, welches dasselbe dem Brantweinbrenner liefert, sondern auch in Hinsicht seines Marktpreises, wenn es ja (was gegenwaͤrtig nicht der Fall ist) einen Kaͤufer findet, daß ferner noch seine specifische Schwere, seinem Gewichte im Bushel nach, weit geringer ist, als bei der Gerste, so will ich hoffen, daß es der Regierung gefaͤllig seyn wird keine hoͤhere Abgabe auf dasselbe zu legen, als seinem Gehalte angemessen ist. Das Volk muß Abgaben bezahlen; die Abgaben muͤssen aber auch im gehoͤrigen Verhaͤltnisse stehen. Wenn ich noch einige Verbesserungen an dem von mir erfundenen Instrumente wachen werde, werde ich mir die Freiheit nehmen dieselben mitzutheilen, und wenn irgend Jemand eine andere Vorrichtung oder Verbesserung an demselben anbringen kann, so werde ich ihm dafuͤr Dank wissen. Wo es sich um Wahrheit und Wissenschaft handelt, da muͤssen alle Reibungen des Partei-Geistes, Neides oder Eigennuzes fern bleiben: nur Geradheit und Offenheit, sowohl im Gestaͤndnisse begangener Fehler als in Geneigtheit zur besseren Ueberzeugung, und tugendhafter Wetteifer, der schoͤnste Reiz fuͤr einen wahren Philosophen, sollte diejenigen beseelen, die dem Publikum wahrhaft nuͤzen und ein wohlverdientes Andenken zu erhalten wuͤnschen.