Titel: | Beschreibung eines Spiegelchens als Hülfsmittel zum Zeichnen, sowohl mit bloßem Auge als durch's Fernrohr oder Mikroskop gesehener Gegenstände. Von Dr. Wilhelm Sömmerring. |
Autor: | Wilhelm Sömmerring |
Fundstelle: | Band 7, Jahrgang 1822, Nr. LVIII., S. 385 |
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LVIII.
Beschreibung eines Spiegelchens als Hülfsmittel zum Zeichnen, sowohl mit bloßem Auge als durch's Fernrohr oder Mikroskop gesehener
Gegenstände. Von Dr. Wilhelm Sömmerring.
Mit Abbildungen auf Tab. VIII.
Sömmerring's Beschreibung eines Spiegelchens als Hülfsmittel zum Zeichnen.
Unter den mannigfaltigen Vorrichtungen, deren man sich bisher
bediente, um verschiedene Gegenstaͤnde auf eine mechanische Art mit
Leichtigkeit richtig nachzuzeichnen, behauptet unstreitig Wollaston's sinnreiche
Erfindung, seine sogenannte camera lucida durch
Bequemlichkeit ihres Gebrauches und Schaͤrfe des Bildes bei weitem den
Vorzug.
Da man sie auch vorgeschlagen hat, um das sehr muͤhsame Zeichnen durch
Mikroskope stark vergroͤßerter Gegenstaͤnde zu erleichtern, wozu
bisher noch ein allgemein brauchbares, leicht und bequem anzuwendendes,
moͤglichst scharfe Umrisse gebendes Instrument gaͤnzlich mangelte; so
machte ich einige Versuche damit, indem ich eine vortreffliche camera
lucida von Fraunhofer aus Benediktbaiern vor einem sehr
guten Dollond'schen zusammengesezten Mikroskope aufstellte; fand aber zumal bei
starken Vergroͤßerungen ihre Anwendung zum Zeichnen der Objekte mit vielen
Schwierigkeiten verbunden, wo nicht unmoͤglich. Selten kann man das ganze
Bild damit uͤberschauen, weil entweder das Prisma so groß ist, und der Focus
des Ocular-Glases so nahe vor dasselbe faͤllt, daß man beide einander
nicht genug naͤhern kann, oder weil bei einem kleineren Glas-Prisma
die Spiegelflaͤchen desselben zu schmal werden wuͤrden, um das ganze
Bild aufzufangen; ferner geht durch die doppelte Zuruͤkwerfung der Strahlen
so viel Licht verloren, daß dunkle Objekte bei staͤrkeren
Vergroͤßerungen nicht deutlich mehr gesehen werden, endlich wird das Erkennen
des Bleistiftes auf dem Papier durch die enge Oeffnung des Diopters sehr erschwert,
und das Zeichnen fuͤrs Auge hoͤchst anstrengend.
Indem ich daher auf ein anderes Huͤlfsmittel sann, fand ich nach mancherlei
Versuchen, daß ein einfaches rundes metallnes Planspiegelchen, von einer bis zwei
Pariser Linien im Durchmesser, mit einem duͤnnen Stielchen versehen, hiebei
die gewuͤnschten Dienste vollkommen leistete. Man kann es eben so gut als die
camera lucida zum Zeichnen naher und entfernter
Gegenstaͤnde mit freiem Auge gebrauchen, bequemer und besser aber als jenes
Instrument anwenden, um sowohl durch Fernrohre verschiedener Art, als durch einfache
und zusammengesezte Mikroskope eine moͤglichst genaue Abbildung der
vergroͤßerten Gegenstaͤnde zu erhalten.
Bei diesem einfachen Spiegel wird weniger Licht verloren, als bei dem Durchgang der
Lichtstrahlen durch das Glasprisma und der Zuruͤkwerfung derselben von zwei
Spiegelflaͤchen; daher lassen sich schwaͤcher beleuchtete
Gegenstaͤnde damit erkennen; das Gesichtsfeld ist viel groͤßer, weil
das Auge der Spiegelflaͤche mehr genaͤhert werden kann; man bedarf
keines Diopters, daher strengt es das Auge weniger an; sowohl das Bild, als der
zeichnende Bleistift erscheinen deutlicher auf dem Papier, und endlich ist es weit
leichter und wohlfeiler in groͤßter Vollkommenheit zu verfertigen.
Mein Spiegelchen zeigte ich zu Muͤnchen den Herrn Akademikern von Yelin, von
Soldner, von Reichenbach, und Fraunhofer, welche mich durch ihren Beifall zu dessen
Bekanntmachung aufmunterten.
Lezterer hatte selbst die Guͤte, mir mehrere hoͤchst vollkommene Spiegelchen zu
verfertigen und einige Bemerkungen daruͤber mitzutheilen, von denen ich bei
dieser Beschreibung Gebrauch machen werde.
Im Maͤrz 1818 zeichnete ich vermittelst meines Spiegelchens durch ein
Dolland'sches zusammengeseztes Mikroskop fuͤnf und zwanzigmal im Durchmesser
vergroͤßerte Stuͤkchen der feinsten eingespruͤzten
Gefaͤßneze aus der Aderhaut des Augapfels eines erwachsnen Mannes, eines
Kindes, eines Kalbes, eines Hahnes und eines Wassersalamanders. Mein Vater
begleitete diese Zeichnungen mit einer Abhandlung und wies die
Original-Praͤparate sowohl, als deren Abbildungen und meine
Vorrichtung, mittelst welcher sie gefertigt waren, den 9. Mai 1818 der
koͤnigl. baier. Akademie der Wissenschaften vor.
In dieser Abhandlung, welche sich in dem im Jahre 1821 herausgekommenen 7ten Bande
der Denkschriften derselben befindet, ist die Art, durch das vor dem Mikroskope
angebrachte Spiegelchen zu zeichnen, kurz angegeben. Herr Dr. Chladni, welcher das Spiegelchen zuerst in Muͤnchen bei meinem
Vater sah, und dem ich es nachher in Wien selbst zu zeigen das Vergnuͤgen
hatte, erwaͤhnte dessen ebenfalls in Gilberts Annalen der Physik, Jahrgang
1819, Stuͤk 1. S. 102.
Hieraus entlehnt scheint die Notiz in den Annales
générales des
sciences
physiques par Bory de St. Vincent, Drapiez et van Mons,
Bruxelles, 1819. Tome I. premiere Livraison p. 18. worin dieselbe Angabe wiederholt ist, daß ich
mich des Spiegelchens zum Zeichnen der horizontalen (nicht wie dort steht
perpendiculaͤren) Durchschnitte der in meiner Commentatio de oculorum hominis animaliumque sectione horizontali
abgebildeten Augen bedient haͤtte, welches nicht der Fall war, da ich
mittelst desselben nur die vergroͤßerten Gefaͤßneze der Aderhaut des
Auges (Choroidea) zur oben erwaͤhnten Abhandlung meines Vaters
gezeichnet habe.
Da man sich jedoch aus diesen kurzen Notizen kaum einen hinlaͤnglichen Begriff
von meiner Vorrichtung und deren Anwendungsart machen kann, so entschloß ich mich
nun, nachdem ihre Brauchbarkeit von Sachverstaͤndigen, denen ich sie
vielfaͤltig mittheilte, anerkannt worden, sie durch eine
ausfuͤhrlichere Beschreibung in dem polytechnischen Journal bekannt zu
machen.
Hauptsaͤchlich wuͤnschte ich dadurch im Zeichnen wenig geuͤbten
Naturforschern ein einfaches, auf Reisen leicht mit zu nehmendes Huͤlfsmittel
zu verschaffen, um merkwuͤrdige Naturgegenstaͤnde als: Landschaften,
Gebirgsketten, National Phisionomien, Thiere, Pflanzen, Schedel oder ganze Skelette,
besonders aber mikroskopische Objekte als: kleine Insekten, Wuͤrmer, Moose,
Saͤaͤmereien, oder Theile von Pflanzen und Thieren kuͤnstlich
ausgespruͤzte Gefaͤßneze u.s.w. mit großer Leichtigkeit,
moͤglichster Wahrheit und einer Genauigkeit abzubilden, die auf eine andere
Weise ohne bedeutenden Aufwand von Zeit und Muͤhe kaum zu erreichen
waͤre.
Obgleich auch Kuͤnstler beim Zeichnen nach der Natur, um einen perspektivisch
richtigen Entwurf zu erhalten, beim Copiren von Kunstsachen, Verkleinern oder
Verkehrtzeichnen von Bildern u.s.w. von diesen Spiegelchen Gebrauch machen
koͤnnen; so macht es, wie jede Vorrichtung solcher Art, im Ganzen doch
weniger Anspruͤche, den Dank derer zu verdienen, welche der aͤngstlich
genauen mechanischen Huͤlfsmittel so wenig als moͤglich
beduͤrfen sollen, damit der freiere Geist der Kunst bei ihnen stets
vorwaltend wirke.
Beschreibung des Apparates.
Der ganze Apparat besteht aus zwei Theilen; erstens dem Spiegelchen, und zweitens dessen Traͤger
oder
Stativ. Dieses Stativ ist verschieden, je nachdem man es
gebraucht, um mittelst des Spiegelchens mit freiem Auge oder vor einem Mikroskop
oder Fernrohr zu zeichnen.
Das Spiegelchen kann am leichtesten und sehr gut aus
feinem Stahl gearbeitet werden, in der Form, welche Fig. 1. Tab. VIII. von
Oben, Fig. 2.
von Unten, und Fig.
3. von der Seite in ganzer Groͤße darstellt.
Die Spiegelflaͤche Fig. 1. a muß rund, vollkommen plan geschliffen und
moͤglichst fein polirt seyn, so, daß alle Gegenstaͤnde hell und klar
sich in ihr zeigen, und wenn man sie unter einer Neigung von etwa 45 Graden sehr
dicht ans Auge haͤlt, sowohl senkrechte als horizontale gerade Linien an
Objekten voͤllig gerade und scharf gesehen werden. Die mindeste
Unvollkommenheit der Spiegelflaͤche z.B. eine dem Auge beim Betrachten des
Spiegels selbst fast unbemerkliche Convexitaͤt oder Concavitaͤt, oder
(was meistens bei der gewoͤhnlichen Art des Polirens von Stahlarbeiten der
Fall ist) eine wellenfoͤrmige Oberflaͤche, veranlaßt sogleich eine
sehr merkliche Undeutlichkeit des Bildes der Gegenstaͤnde oder eine
Unrichtigkeit in der Zeichnung derselben.
Der Durchmesser der Spiegelflaͤche soll nicht groͤßer seyn, als der
Durchmesser des mittelmaͤßig erweiterten Lichtloches (Pupille) des Auges. Man
thut am besten, Spiegelchen von verschieden Durchmessern z.B. von 1, von 1 1/2 und
von 2 Pariser linien sich anzuschaffen. Fuͤr den gewoͤhnlichen
Gebrauch wird die mittlere Groͤße von 1 1/2 Linie den meisten Zeichnern am
angemessensten seyn.
Die Ruͤkseiten des Spiegelchens Fig. 2. a ist matt, etwas convex, der Rand ziemlich scharf, nur
so viel abgerundet, daß er das ihn zufaͤllig beruͤhrende Auge nicht
schneidend verlezen koͤnne.
Die Dike Fig.
3. a.d betraͤgt in der Mitte des Spiegels
nicht viel uͤber 1/2 Linie.
Dieses Spiegelchen hat einen Stiel b.c in Fig. 1. 2 und 3., welcher 1 bis 1 1/2
Zoll lang aber nicht uͤber 1/2 Linie breit seyn darf duͤnn, glatt und
durchaus matt, etwa blau angelaufen, oder mit einem schwarzen nicht
glaͤnzenden Firniß uͤberzogen ist. Die Spiegelflaͤche Fig. 3. a ragt etwas uͤber die obere matte Flaͤche
des Stieles b.c hervor, damit sie desto schaͤrfer
von ihr abgesondert erscheine.
Eine zweite vollkommnere Art, das Spiegelchen zu verfertigen, die aber auch mehr
Schwierigkeiten hat, ist folgende: von einer Metallcomposition, wie man sie zu
astronomischen Spiegeln gebraucht, verfertigt man einen Cylinder von etwa 1 1/2
Pariser Linien im Durchmesser und eben so viel Hoͤhe. Diesen schleift man so
an, daß die Spiegelflaͤche Fig. 4. a. und Fig. 5. a.b.d.e. eine elliptische Gestalt erhaͤlt, mit
seiner Achse einen Winkel von 45 Grad bildet, und vollkommen plan ist. Auf die
untere Seite Fig.
4 . b oder die Kreisflaͤche, welche die
Basis des Cylinders bildet, loͤthet man ein duͤnnes staͤhlernes
Stielchen Fig.
7. a.b von 1 bis 1 1/2 Zoll Laͤnge, und
zwar so, daß es mit dem Querdurchmesser der elliptischen Spiegelflaͤche Fig. 5. b.e parallel laͤuft. Sieht man nun, wie es der
Gebrauch erfordert, in der Richtung der Cylinderachse auf die elliptische
Spiegelflaͤche, so wird sie durch die Verkuͤrzung vollkommen kreisrund
erscheinen, und von der cylindrischen Oberflaͤche Fig. 4. c und Fig. 6. a nichts gesehen werden.
Das Stativ kann als der außer wesentliche Theil der Vorrichtung verschieden
eingerichtet werden, wenn es nur die beiden Hauptzweke erfuͤllt, erstens, daß
man dem Spiegelchen mit Leichtigkeit die erfoderliche Stellung geben koͤnne,
und zweitens, daß es dadurch waͤhrend des Gebrauchs unverruͤkt in
derselben erhalten werde.
Das in halber Groͤße Fig. 8. genau abgebildete
fast wie bei der gewoͤhnlichen camera lucida
eingerichtete messingene Stativ ist wohl schon aus der Zeichnung so deutlich, daß
es kaum einer kurzen
Beschreibung bedarf. Der duͤnne platte Stiel des Spiegelchens a.b wird in der conisch zulaufenden Klemme b.e durch Vorschieben des Ringes d befestigt. Das cylindrische Ende dieser Klemme e.c stekt in der Klammer f.g, und kann darin
sowohl um seine Achse gedreht, als vor- und ruͤkwaͤrts
geschoben werden. Durch eine Schraube f wird diese
Klammer f.g zusammengezogen und das Ende der Klemme b.e.c in deren Spalt festgehalten. Diese Klammer f.g ist in dem Knopfe g
durch ein Cirkelgewinde auf und abwaͤrts beweglich, und kann durch die
Schraube h in jeder Stellung fixirt werden.
Der Knopf g ist das obere Ende des Rohres g.i, welches in dem Rohr i.k, so wie dieses wieder in dem Rohre k.l
gedreht, und auf- und nieder geschoben werden kann: doch duͤrfen diese
Auszuͤge sich nicht leicht vorschieben, damit die ihnen jedesmal gegebene
Stellung sich nicht veraͤndere; daher sind die unteren Enden, der Rohre g.i und i.k gespalten, und
muͤssen gehoͤrige Federkraft zum Widerstand gegen die Waͤnde
des Rohres, worin sie laufen, besizen.
Durch diese zwei Auszuͤge laͤßt sich g.l
fast um das Dreifache verlaͤngern. Wenn man indessen k.l etwas laͤnger machen laͤßt, so reicht ein Auszug
vollkommen hin, und der Apparat gewinnt an Festigkeit.
Das saͤulenfoͤrmige Rohr k.l ist durch das
Gewinde bei l, welches durch eine Schraube schwerer oder
leichter beweglich, oder ganz fest gestellt werden kann, mit der Zwinge l.m.n.o.p so verbunden, daß
man ihm die erforderliche Neigung leicht geben und es darin erhalten kann. Soll
diese Zwinge l.m.n.o.p nun dazu dienen, um den ganzen
Apparat an einen Tisch oder an ein Reißbrett durch die Schraube q.r fest anschrauben zu koͤnnen, so wird sie
solid von Messing gearbeitet; will man aber das Stativ auch gebrauchen, um mitten
auf einem Tisch bloß aufstellen zu koͤnnen, ohne es anzuschrauben; so muß das Still
l.m an dem Stuͤk m.n.o.p vermittelst einer von n bis m hindurchgehenden Schraube beweglich angebracht seyn,
so, daß es sich drehen laͤßt und der Theil k.l.m
aufrecht stehen bleibt, waͤhrend der Theil m.n.o.p horizontal auf dem Tische liegt, und vermoͤge seiner
Schwere allein oder durch ein darauf gelegtes Gewicht den Apparat aufrecht
haͤlt.
Dieses ganze Stativ laͤßt sich so zusammenlegen, daß es in einem
hoͤlzernen Kaͤstchen von 8 1/2 Zoll Laͤnge, 2 1/2 Zoll Breite
und 1 Zoll Hoͤhe bequem verwahrt werden kann; zwei bis drei Spiegelchen von
verschiedener Groͤße werden in ein darin angebrachtes Buͤchschen
besonders verwahrt, und so kann man die ganze Maschine leicht in der Tasche bei sich
tragen.
Viel wohlfeiler und eben so brauchbar, nur etwas minder compendioͤs und
dauerhaft, ist ein von Holz gearbeitetes Stativ.
In eine l.m.n.o.p aͤhnliche Zwinge von Holz wird
beim das saͤulenfoͤrmige Stuͤk k.l
senkrecht eingeschraubt; es ist hohl und am bequemsten von 6–8 Zoll
Laͤnge. In sich nimmt es einen runden 7–9 Zoll langen, nicht zu
duͤnnen Stab auf, der durch eine Stellschraube hoͤher und tiefer darin
fixirt werden kann, und sich oben in eine Kugel von einem Zoll Durchmesser endigt.
Diese Kugel ist horizontal durchbohrt, und in ihr schiebt sich ein wenigstens 9 Zoll
langer und 3 Linien im Durchmesser haltender runder Stab hin und her, welcher
ebenfalls durch eine an der Kugel angebrachte Stellschraube befestigt werden kann.
Duͤnner als 3 Linien darf er nicht seyn, damit er nicht wanke. Vorne endigt
er sich in eine aͤhnliche conische Klemm, wie b.e.c so, daß man in deren Spalt vermoͤge eines vorgeschobenen
Ringes den Stiel eines Spiegelchens einklemmen kann.
Man kann sich dieser Stative zwar auch bedienen, um das Spiegelchen mittelst
derselben dicht vor dem Ocular eines horizontal aufgestellten Fernrohres oder
Mikroskops in gehoͤriger Stellung anzubringen, und so mittelst desselben die
vergroͤßerten Gegenstaͤnde zu zeichnen; bequemer und sicherer ist es
indessen, das Spiegelchen am Tubus jener Instrumente selbst zu befestigen. Die
einfachste Weise, dieses zu bewerkstelligen, ist die, daß man wie Fig. 10. zeigt, das
Spiegelchen a mit einem etwas laͤngeren, sich in
ein breites Blaͤttchen c endigenden Stiele b.c versieht, diesen so umbiegt, daß er mit dem breiten
Ende c unter dem Dekel des Oculars etwas eingeklemmt
werden kann, waͤhrend das Spiegelchen dem Mittelpunkt des Oculars
gegenuͤber und in einem Winkel von 45 Graden gegen dessen Achse geneigt
steht. Statt das Ende c einzuklemmen, kann man es mit
einer kleinen Schraube versehen, und es durch diese oder auf irgend eine andere Art
an der Seite des Tubus befestigen; nur muß es leicht abgenommen, und ohne das
Instrument zu ruͤken wieder angebracht werden koͤnnen.
Um indessen ein und dasselbe Spiegelchen an verschiednen Instrumenten anbringen und
ihm leicht die bei jedem derselben erforderliche Stellung geben zu koͤnnen,
oder um schnell ein Spiegelchen mit dem andern vertauschen zu koͤnnen, dient
folgender Fig.
9. in halber Groͤße abgebildeter von Messing gearbeiteter
Apparat.
Das Spiegelchen Fig.
9. a.b ist in eine Klemme b.c eingespannt, welche ganz dieselbe ist, wie sie oben
(Fig. 8.
b.e.c) bei dem groͤßeren messingnen Stativ
beschrieben worden ist. Sie kann in dem dikeren durchbohrten Ende des Stabes d.e gedreht, hin- und hergeschoben, und durch die
Stellschraube d darin befestigt werden. Dieser Stab d.e ist auf aͤhnliche Art in das obere Ende der
kleinen Saͤule f.g eingestekt, darin beweglich,
und durch die Schraube f festzustellen. Diese Saͤule steht mit
einem starken Ringe g.h.i.k in VerbidnungVerbindung, der durch drei Schrauben h, i und k leicht an den Hals des Rohres eines Teleskops oder
Mikroskopes xy in der Nahe des Oculars x angeschraubt werden kann, wenn sich der Ring
uͤber denselben schieben laͤßt. Der Ring wuͤrde dem Auge,
welches man nahe uͤber das Spiegelchen halten muß, hinderlich werden, falls
er uͤber 1 1/2 Zoll im Durchmesser haͤtte; man kann ihn auch ganz
entbehren, wenn man die Saͤule f.g an eine
Klammer befestigt, welche genau dem Hals eines bestimmten Instrumentes angepaßt ist,
und durch eine einzige Schraube an der entgegengesezten Seite zusammengehalten
wirdHoͤchst vollkommene elliptische Spiegelchen von
Spiegelmetallcomposition verdanke ich der Guͤte des Herrn Professors
Fraunhofer. Die runden Stahlspiegelchen kann jeder Uhrmacher bei einiger auf
das genaue Planschleifen und Poliren verwendeten Sorgfalt verfertigen, die
besten welche ruͤksichtlich der Politur nichts zu wuͤnschen
uͤbrig ließen, wurden mir in der Uhrenfabrik des Herrn Borle in
Chaudefond in der Schweiz, nach einem Modell gearbeitet. Den ganzen Apparat,
naͤmlich Spiegel und Stativ zum Zeichnen mit freiem Auge und vor dem
Mikroskop, verfertigen die Herrn Optiker und Mechaniker Tomschiz und Olff in
Frankfurt am Main, und der Herr Universitaͤts Mechanikus Apel in
Goͤttingen..
Gebrauch des Apparates zum Zeichnen mit freiem Auge.
Will man vermittelst des Spiegelchens einen nahen oder fernen Gegenstand zeichnen, so
bestimme man vor allen Dingen genau die Ansicht desselben; indem man sucht, wohin
man den perspektivischen Augenpunkt legen, und wie weit man das Auge von ihm
entfernen muß, um ihn unter einem Gesichtswinkel von hoͤchstens 45 Graden
ganz uͤbersehen zu koͤnnen. Ist so der Standpunkt fuͤr's Auge
des Zeichners bestimmt, so wird der Spiegel so gerichtet, daß er sich dicht unter
demselben befindet, und
das Bild des Gegenstandes ins Auge zuruͤkwirft, indem er einen Winkel von 45
Graden mit der Gesichtslinie bildet, welche man in Gedanken vom Auge zur Mitte oder
eigentlich zum Augenpunkt des Gegenstandes zieht.
Man befestigt naͤmlich das Stutiv Fig. 8. an die Seite eines
Tisches oder darauf festliegenden Reißbrettes vermoͤge der Zwinge; man gibt
nun dem oberen Theile des Apparates eine solche Neigung, und zieht die Rohre so weit
aus, als erforderlich ist, damit das Spiegelchen genau dem gewaͤhlten
Standpunkte des Auges entspreche, und sich in einer bequemen Hoͤhe (etwa von
8–12 Zoll) senkrecht uͤber der Mine x des
untergelegten Papieres s.t.u.w, oder der Stelle
desselben befinde, wohin der Augenpunkt in der Zeichnung fallen soll. Man kann das
Stativ, wie es dem Zeichnen bequemer fuͤr Auge oder Hand duͤnkt,
rechts oder links am Tasche anschrauben; das Spiegelchen muß aber recht gerade in
die Klemme eingestekt, und sein Stiel so wie der ganze Theil a.b.e.c. horizontal gerichtet seyn.
Durch Drehen der Klemme b.e.c um ihre Achse gibt man nun
der Spiegelflaͤche eine Neigung von 45 Graden gegen den Gegenstand, daß die
Mitte desselben, wenn man von oben auf den Spiegel a
sieht genau auf der Mitte des untergelegten Papieres im Bilde erscheint.
Haͤlt man nun das Auge wie es Fig. 8. zeigt
moͤglichst nahe, hoͤchstens in einer Entfernung von einem halben Zoll,
senkrecht uͤber den oberen Rand des Spiegelchens, indem man nach dem Papier
hinblikt; so wird das Spiegelchen selbst wegen seiner Kleinheit und Naͤhe,
dem Auge verschwunden scheinen, d.h. keine Stelle des untergelegten Papieres
verdeken oder unsichtbar machen; auf diesem wird man dagegen das vom Spiegel
zuruͤkgeworfene Bild des Gegenstandes deutlich, mit scharfen Umrissen, allen
Schatten und Faͤrben verkehrt erscheinen sehen; zu gleicher Zeit kann man aber
auch auf diesem Papier, die Hand und die Spize eines Bleistiftes hinreichend
deutlich wahrnehmen, um die Umrisse des Spiegelbildes genau damit zu
uͤberfahren und so eine vollkommen richtige perspektivische Zeichnung des
Objectes zu erhalten.
Diese Erscheinung beruht darauf, daß durch einen Theil der Pupille das vom Spiegel
zuruͤkgeworfene Bild des Gegenstandes, und durch den andern Theil das Bild
des gerade unter dem Auge befindlichen Papieres zur Markhaut (Retina) gelangt, aber beide Bilder sich hier nicht nebeneinander legen,
sondern auf und uͤbereinander fallen, so, daß auf derselben Stelle der Retina
beide zugleich empfunden werden, und folglich als ein einziges Bild erscheinen.
Um daher das Gesichtsfeld durch das Spiegelchen so wenig als moͤglich zu
beschranken, und doch ein hinreichend großes und helles Bild zu erhalten, ist es am
besten, demselben eine dem Pupille aͤhnliche Gestalt zu geben, d.h. die
Spiegelflaͤche rund und oben kleiner, als die mittelmaͤßig erweiterte
Pupille zu machen, so, daß sie nie ganz davon verdekt werden koͤnne.
Z.B. der Durchmesser der Pupille sey 1 1/2 Par. Linien, der Durchmesser des
Spiegelchens 1 Linie, der Abstand des Spiegels von ihr 6 Linien, vom Papier 8 Zoll;
so wird das Spiegelbild auf dem Papier etwa einen Kreis von 3 Zoll 4 Linien im
Durchmesser bilden. Ist der unter 45 Graden geneigte Spiegel, wie oben angegeben
worden, elliptisch, so wird dieses Spiegelbild einem vollkommnen Kreis gleichen; ist
er dagegen selbst kreisrund, so wird sein Bild elliptisch ausfallen, welches
indessen im Ganzen keinen großen Unterschied fuͤr das Zeichnen macht.
Dieses Spiegelbild der Gegenstaͤnde wird in der Mitte am hellsten seyn;
weniger hell nach dem Rande zu, wo es so blaß und matt wird, daß es sich gleichsam
auf dem Papiere zu
verlieren scheint. Gerade umgekehrt verhaͤlt sichs mit der Deutlichkeit, der
auf dem Papier befindlichen Objecte, z.B. einer schwarzen darauf gezogenen Linie,
einer darauf gehaltenen Bleistiftspize; diese wird naͤmlich deutlicher nach
der Peripherie zu, weniger deutlich oder fast gar nicht am Mittelpunkt des
Spiegelbildes gesehen werden. Hieraus folgt natuͤrlicher Weise, daß der
mittlere Raum zwischen der Peripherie und dem Centrum, wo man das Bild der
Gegenstaͤnde im Spiegel und die Spize des zeichnenden Bleistiftes
ungefaͤhr mit gleicher Deutlichkeit erkennt, die beste Stelle abgibt, um mit
diesem die Umrisse von jenen nachzufahren. Indem man das Auge etwas vor- oder
ruͤkwaͤrts, oder zur einen und anderen Seite wendet, kann man nicht
allein ein sehr großes Gesichtsfeld uͤbersehen, sondern auch jede einzelne
Parthie desselben, welche man eben zeichnen will, in dem dazu vortheilhaften
Halblicht erscheinen lassen.
Je mehr man das Auge dem Spiegel naͤhert, um so groͤßer erscheint
dessen Bild auf dem Papier, um so breiter also der Halbschatten an seinem Rand, und
um desto besser laͤßt sich zeichnen. Am breitesten wird jener Halbschatten
immer am oberen dem Auge zunaͤchst liegenden Rande des Spiegels seyn,
deßhalb, und damit die Zeichnung an Genauigkeit gewinne, ist es rathsam, sich zu
gewoͤhnen das Auge vorzugsweise beim Zeichnen uͤber diesen Theil des
Randes zu halten.
Die Groͤße der Zeichnung verhaͤlt sich zur Groͤße des
Gegenstandes wie die Entfernung des Spiegels vom Papier zur Entfernung des Spiegels
vom Gegenstande: also wird er in natuͤrlicher Groͤße gezeichnet, wenn
beide Entfernungen gleich sind, ist er dem Spiegelchen naͤher als das Papier,
so wird er vergroͤßert, im umgekehrten Fall verkleinert abgebildet.
Der Abstand des Spiegelchens vom Papiere kann indessen nur in so weit verschieden
gewaͤhlt werden, als man dabei die Bleistiftspize gut zu erkennen und bequem
damit zu zeichnen
vermag. Unter 6 Zoll und uͤber 2 Fuß ist dieses kaum moͤglich, eine
mittlere Entfernung des Spiegels vom Papier fuͤr die meisten Augen ist die
von 8–12 Zoll.
Um in der Zeichnung gar zu auffallende perspektivische Verkuͤrzungen zu
vermeiden, darf der Gesichtswinkel, unter dem man den zu zeichnenden Gegenstand
sieht, nicht uͤber 45 Grad betragen. Wenn man den Gegenstand unter einem
Winkel von etwa 36 Graden sieht, so ist die Entfernung des Auges vom Gegenstande um
die Haͤlfte groͤßer als der auf der Sehachse senkrecht stehende
Durchmesser desselben; man kann also dieses Verhaͤltniß des Abstandes zur
Regel beim Stellen des Spiegelchens annehmen, um eine gefaͤllige Ansicht zu
erhalten. Ist der Abstand im Verhaͤltniß zum Durchmesser des Objectes noch
groͤßer als um 1/3, so faͤllt die Zeichnung um so besser aus. Z.B. man
wollte einen Gegenstand von 2 Fuß im Durchmesser in einem Drittheil der
natuͤrlichen Groͤße zeichnen, so stellt man das Spiegelchen in eine
Entfernung von 3 Fuß von demselben, und 1 Fuß hoch uͤber dem Papiere auf;
dann wird die Zeichnung desselben 8 Zoll oder 1/3 der wahren Groͤße
haben.
Da auf dem Papier eigentlich das umgekehrte Spiegelbild erscheint, so sieht man z.B.
eine aufreckt stehende Figur nicht nur umgekehrt d.h. mit dem Kopf zum Zeichner hin
mit den Fuͤßen von ihm abgewendet, sondern auch wie im Spiegel verkehrt, d.h.
die rechte Seite derselben wird zur linken. Dieser Umstand hindert in keinem Fall
das ohnehin ganz mechanische Nachfahren der Umrisse, oft kann es
gleichguͤltig seyn ob der Gegenstand verkehrt oder nicht gezeichnet ist; wie
z.B. bei den meisten mikroskopischen Objekten. Ist die Zeichnung zum Stiche
bestimmt, so ist es sogar ein Vortheil, wenn sie verkehrt ist, indem sie dann der
Kupferstecher nicht verkehrt auf der Platte zu kopiren braucht, damit sie im Abdruk
wieder in ihrer wahren Ansicht erscheine. So kann sich z.B. auch der Lithograph des
Spiegelchens bedienen, um den Gegenstand sogleich verkehrt auf dem Stein zu
entwerfen. Beim Ausfuͤhren der verkehrten Skizze kann man sich dann eines
gewoͤhnlichen groͤßeren Planspiegels bedienen, in welchem der
Gegenstand wie in der Zeichnung verkehrt gesehen wird.
Waͤre es aber nothwendig, daß die Zeichnung nicht verkehrt sey, z.B. beim
Kopiren einer Landkarte, der Aufnahme einer Landschaft u.s.w. so kann man die Skizze
sogleich auf durchsichtigem Papier entwerfen, und auf der entgegengesezten Seite
nach dem Original weiter ausfuͤhren, oder sie erst auf ein anderes Papier
verkehrt durchpausen, eine Muͤhe die bei ausgefuͤhrteren Arbeiten
ohnehin nicht wohl umgangen werden kann. Dieß geschieht sehr leicht, indem man z.B.
auf sogenanntes Pariser Stroh oder Holzpapier die Umrisse der Skizze mit einem
reichen Blei etwas stark zeichnet, nun dieses Strohpapier mit der bezeichneten Seite
auf einem andern weißen Papier befestigt, und die auf der nicht bezeichneten
Ruͤkseite durchscheinenden Umrisse mit einem halbstumpfen Griffel
uͤberfaͤhrt: so wird die Zeichnung nicht mehr verkehrt,
moͤglichst reinlich und genau auf das weiße Papier uͤbertragen
seyn.
Ruͤksichtlich der Beleuchtung ist es am vortheilhaftesten zum Zeichnen, wenn
Gegenstand und Papier moͤglichst gleichmaͤßig hell erleuchtet sind;
z.B. beide weiß und durch gewoͤhnliches Tageslicht erhellt. Ist der
Gegenstand hell z.B. von der Sonne beschienen, und das Papier liegt im Schatten, so
erkennt man den Bleistift zu schwer, im umgekehrten Fall sind die Umrisse des Bildes
zu undeutlich. Dem lezteren Fehler kann man oft eher, als dem ersten abhelfen, indem
man das Papier ebenfalls beschattet. Ist der Gegenstand ungleich erleuchtet, oder
zum Theil sehr hell zum Theil sehr dunkel gefaͤrbt, so kann man entweder beim
Zeichnen der zu hellen
Parthieen einen Halbschatten auf dieselben werfen, die dunklen hingegen durch einen
Spiegeloskop erleuchten, oder, wo dieses nicht angeht, das Papier durch Vorhalten
der linken Hand an der Stelle, wo man gerade etwas dunkles zu zeichnen hat, so viel
beschatten, als noͤthig ist, um die Umrisse besser zu erkennen. Dieser kleine
Vortheil erleichtert sehr das Zeichnen.
Wollte man sich bei unserem Spiegelchen wie bei Wollaston's Camera lucida eines Diopters bedienen, so waͤre dessen Anbringung
nicht schwer; nach mehreren Versuchen scheint er nur indessen nicht allein von
keinem Nuzen bei unserem Instrumente, sondern fuͤr das Erkennen des
Bleistiftes nur hinderlich, man erreicht dadurch auch keine groͤßere
Genauigkeit der Zeichnung, indem die ganze Spiegelflaͤche selbst nicht
groͤßer zu seyn braucht, als die Oeffnung des Diopters bei der Camera lucida; dabei hat man noch den Vortheil eines
weit groͤßeren Gesichtsfeldes, welches man freier und bequemer
uͤberschauen kann. Dagegen koͤnnten bei dem Spiegelchen wie bei der
Wollaston'schen Camera lucida ebenfalls concave oder
convexe Glaͤser angebracht werden, welche durch eine aͤhnliche
Vorrichtung vor und zuruͤkgeschoben wuͤrden; das eine zwischen den
Spiegel und das Object, um dieses deutlicher zu sehen, das andere zwischen den
Spiegel und das Papier, um den Bleistift auf demselben besser zu erkennen: beide
muͤßten nach dem Grade der Fernsichtigkeit oder Kurzsichtigkeit des Zeichners
gewaͤhlt werden, sind aber einem gesunden, in verschiedenen Entfernungen
gleich scharfsichtigen Auge entbehrlich.
Gebrauch des Apparates zum Zeichnen vergroͤßerter Gegenstaͤnde.
Um das Spiegelchen vor einem Fernrohr oder zusammengesezten Mikroskope zu gebrauchen,
ist es am bequemsten, wenn der Tubus dieser Instrumente horizontal aufgestellt
werden kann, und das Ocularglas derselben sich 8 bis 12 Zoll hoch uͤber der Mitte
des zum Zeichnen bestimmten, auf einem Tische oder Reißbret befestigten Papieres
befindet.
Ist nun das vergroͤßernde Instrument genau nach dem Auge des Zeichners auf den
Gegenstand gerichtet, so, daß man ihn bei guter Beleuchtung moͤglichst
deutlich sieht, so befestigt man den zum Tragen des Spiegelchens bestimmten Apparat,
wie Fig. 9.
zeigt, durch die drei Schrauben h.i.k an den Hals des
Tubus x.y, bringt das Spiegelchen a vor das Ocular x etwas naͤher, als
man das Auge beim Hineinsehen daran halten muͤßte, d.h. zwischen das Ocular
und dessen Focus, und wendet die Spiegelflaͤche unter einem Winkel von 45
Graden gegen das Ocular; so wird man senkrecht gegen die Achse des Tubus von oben in
das Spiegelchen sehend, das ganze Feld des Objectivs und darin das vollkommen
deutliche vergroͤßerte Bild des Gegenstandes auf dem Papiere erbliken, und
durch Ueberfahren der Umrisse nachzeichnen koͤnnen. Um das ganze Feld des
Objectivs zu uͤbersehen, ist Genauigkeit im Stellen aller einzelnen Theile
der Vorrichtung, besonders der Spiegelflaͤche, nothwendig, was einige Uebung
erfordert; das Zeichnen ist dann aber eben so leicht, und erheischt nicht mehr
Uebung oder Anstrengung, als wenn man einen mit freiem Auge gesehenen Gegenstand
mittelst des Spiegelchens zeichnet.
Nach der Verschiedenheit der Vergroͤßerung, der Focal-Distanz des
Ocularglases u.s.w. leistet bald ein etwas groͤßerer, bald ein kleinerer
Spiegel bessere Dienste; man kann sich mit drei solchen Spiegeln, etwa von 1 Linie,
von 1 1/2 und von 2 Linien im Durchmesser versehen. Weil man hier stets einen
vollkommen runden Gegenstand, naͤmlich das Feld des Objektives zu
uͤbersehen hat, so ist die elliptische Form der Spiegel nach Fig. 5. 6. und 7. vorzuͤglicher,
indem diese auch ein vollkommen rundes Spiegelbild geben. Man kann sich auch
Stahlspiegel von
elliptischer Form zu diesem Gebrauch verfertigen lassen, obgleich runde auch dabei
zu gebrauchen sind.
Bei groͤßeren Spiegelchen ist es besser, wenn der Mittelpunkt des Oculars
nicht genau dem Mittelpunkt des Spiegelchens, sondern dessen oberem Rande
gegenuͤber steht.
Um bequem zu zeichnen, darf der Focus des Oculars nicht gar zu nahe vor dasselbe
fallen, wenn der Hals des Tubus sehr dik ist, z.B. uͤber 1 1/2 Zoll im
Durchmesser haͤlt, weil alsdann das Auge dem Spiegelchen nicht genug
genaͤhert werden kann.
Herr Oberfinanzrath Ritter von Yelin machte einen Versuch, den Mond, wie er durch ein
stark vergroͤßerndes astronomisches Fernrohr erscheint, mittelst des
Spiegelchens zu zeichnen.
Ich selbst habe auf aͤhnliche Art bei der Mondfinsterniß, den 21. April 1818,
von Viertelstunde zu Viertelstunde den Erdschatten auf dem Monde schnell gezeichnet,
ehe er merklich aus der Stelle ruͤkte.
Entfernte Berge, Gebaͤude u.s.w. kann man auf diese Art durch ein Fernrohr
mittelst des Spiegelchens abzeichnen, um eine dem geometrischen Aufriß sich
naͤhernde Ansicht derselben zu erhalten. Um Schedel, Skelette u. d. gl. auf
diese Art unter einem sehr kleinen Gesichtswinkel zu zeichnen, so, daß die
Proportionen der Theile des Bildes untereinander sich den wirklichen
Verhaͤltnissen der entsprechenden Theile moͤglichst naͤhern,
ohne die dem Auge gefaͤlligere perspektivische Ansicht in einen vollkommen
geometrischen Aufriß zu verwandeln, habe ich mich mit Vortheil eines
gewoͤhnlichen Opernglases bedient, vor welchem ich das Spiegelchen anbrachte.
Auch zum Zeichnen von Maschinen kann man sich dessen bedienen, wo man mit freiem
Auge die einzelnen Theile in der noͤthigen Entfernung des Gegenstandes nicht
mehr scharf genug zu unterscheiden vermag.
Die wichtigste Anwendung des Spiegelchens ist indessen, wie mir scheint, die
fuͤr das zusammengesezte Mikroskop, weil es hier meines Wissens
ruͤksichtlich seiner Einfachheit, Bequemlichkeit und Manigfaltigkeit des
Gebrauchs, und des dadurch zu erlangenden Grades von Genauigkeit der Zeichnung der
vergroͤßerten Objecte durch keine mir bis jezt bekannte Vorrichtung ersezt
wird. Warum selbst Wollaston's Camera lucida, wenigstens
bei der gewoͤhnlichen Einrichtung, ihm hierin nachsteht, ist oben auseinander
gesezt. Die Sonnenmikroskope gaben zwar ein sehr vergroͤßertes Bild, allein
mit so wenig Schaͤrfe der Umrisse, daß es keine genaue Zeichnung liefert; sie
bestehen ohnehin aus einem umstaͤndlichen nicht zu jeder Zeit und
uͤberall anwendbaren Apparate.
Adams Lucernal oder Lampen-Mikroskop hilft der Ungenauigkeit und
Unbequemlichkeit im Gebrauch zwar etwas, doch nicht hinreichend ab; bei starken
Vergroͤßerungen ist das Bild noch sehr unrein, die Stellung des Zeichners ist
sehr unbequem, und das Bild muß vom matten Glase erst wieder auf Papier
uͤbergetragen werden. Aehnliche Schwierigkeiten sind mit der Anwendung der
Camera obscura bei dem zusammengesezten Mikroskop
verbunden, und nicht leicht zu heben.
Die neueste, mir bis jezt nur aus der Beschreibung und Abbildung bekannte Vorrichtung
zu aͤhnlichen Zweken, hat Hr. Professor Amici an dem von ihm construirten
katadioptrischen Mikroskop angebrachtGiambattista Amici sul' microscopio
cattadiottrico in den Memorie della
Société italiana, mit Abbildung des Instrumentes.
– Vollstaͤndig uͤbersezt mit copirter Abbildung in den
Annales de Chemie et de Physique par M. M. Gay
Kussac et Arago Tome XVII. pag. 412.
Aout. 1821.. Da er ebenfalls die
Camera lucida von Wollaston nicht anwendbar fand,
hat er ihr eine gewissermaßen umgekehrte Einrichtung gegeben, indem dicht vor dem Ocular des
Mikroskops ein kleiner Planspiegel mit einem engen Spalt, durch welchen man das
vergroͤßerte Object sieht, so angebracht ist, daß das Bild des untergelegten
Papieres und der den Bleistift fuͤhrenden Hand durch ein Glasprisma gebrochen
dem Auge im Spiegel erscheint, so, daß man die Hand im Tubus des Mikroskops zu sehen
glaubt. Der Erfinder scheint indessen selbst nicht in Abrede zu stellen, daß das
Zeichnen auf diese Art, indem man Hand und Papier im Spiegel sehen muß, der
Ungewohnheit wegen seine Schwierigkeiten habe, und viele Uebung erfodere.
Um so mehr scheint seine neue Konstruktion des katadioptrischen Mikroskops zu
versprechen, wie er denn selbst schon durch damit angestellte treffliche
Beobachtungen uͤber die Cirkulation des Saftes in der Chara bewiesen hat. Die
horizontale Stellung desselben ist zugleich die bequemste, um dabei unser
Spiegelchen anzubringen, falls man es dem von Amici selbst angegebnen Apparat zum
Zeichnen vorzoͤge. Man kann zwar den meisten zusammengesezten Mikroskopen
z.B. den nach der von Cuff angegebnen Art, von Dollord, oder von Nairne und Bluut
verfertigten ebenfalls leicht eine horizontale Stellung geben, und sie so
fuͤr das Zeichnen mittelst des Spiegelchens benuzen; sollte dieß aber auch
nicht thunlich seyn, z.B. wenn das Object unter einer Fluͤssigkeit gesehen
werden muͤßte, so kann man vor dem Ocular des senkrecht stehenden Mikroskopes
das Spiegelchen so anbringen, daß man horizontal hineinsehend das Bild auf einem
Papier erblikt, welches man an einer senkrecht hinter dem Mikroskop aufgestellten
Tafel befestigt hat, und es auf dieser senkrechten Flaͤche eben so genau und
fast eben so leicht nachzeichnen, als auf dem gewoͤhnlich horizontal
liegenden Papier.
Bei horizontal stehendem Mikroskop ist die Beleuchtung eines dunklen Gegenstandes
durch Kerzenlicht leichter, da man bei senkrechtem Stande das Licht dem Object nicht
so gut naͤhern
kann; weil man so die Beleuchtung leicht verstaͤrken oder schwaͤchen,
von der einen oder andern Seite geben kann, so ist sie zum Zeichnen besonders
vortheilhaft. Auch dem Papier kann man dann durch Naͤhern und Entfernen des
Lichtes bestaͤndig den rechten Grad der Helle geben, worin man Bild und
Bleistift gleich gut erkennt.
Da man auf einem dunklen Grunde das Bild besser, als auf einem hellen erkennt, so
kann man sich bei sehr matt beleuchteten Gegenstaͤnden eines dunklen z.B.
schwarzen Papieres bedienen, und mit einem weißen Stift daraufzeichnen. Dieß ist oft
ein großer Vortheil. Die feinen mit Zinnobermasse ausgespruͤzten
Gefaͤßneze z.B. mahle ich gleich mit Zinnober auf schwarzes Papier, ohne sie
erst zu zeichnen, wodurch die wahre verhaͤltnißmaͤßige Dike und
Verjuͤngung der Gefaͤße weit leichter und richtiger zu treffen ist,
als wenn man erst alle Umrisse derselben mit Blei auf weißes Papier zeichnen, und
sie dann ausmahlen wollte.
Endlich kann man sich unseres Spiegelchens sehr gut zum Messen vergroͤßert
gesehener Gegenstande, und zur Bestimmung der Staͤrke der
Vergroͤßerung der verschiednen Objective oder Oculare bedienen. Da das
Verfahren hiebei im Wesentlichen ganz dasselbe ist, wie es Amici bei dem Apparat zum
Zeichnen von seinem Mikroskop angibt, so sey es mir erlaubt, dessen Beschreibung von
ihm zu entlehnen:
„Um die wahre Groͤße der Theile eines mikroskopischen Objectes zu
erfahren, bedient man sich einer der schwaͤchsten Objectivlinsen, in
deren Gesichtsfeld das vergroͤßerte Bild einer Pariser Linie erscheint,
welche mittelst eines feinen Diamanten auf ein Glastaͤfelchen gerizt ist,
das man auf den Objectentraͤger befestigt hat.
Hierauf zeichnet man mittelst des zum Copiren bestimmten Apparates (unserem
Spiegelchen) auf ein untergelegtes Papier die beiden Endpunkte dieser
vergroͤßerten Linie, die nun den Maaßstab fuͤr alle mit dieser
Objectivlinse ausgefuͤhrten Zeichnungen abgibt. Es ist naͤmlich
klar, daß das Verhaͤltniß der Distanz von zwei bestimmten Punkten der
Zeichnung zu jenem Maaßstabe, gleich ist dem Verhaͤltniß der wirklichen
Entfernung der entsprechenden Punkte des Originals zu der Laͤnge einer
Pariser Linie.
Will man nun eine schaͤrfere Objectivlinse anwenden, womit die auf Glas
gerizte Pariser Linie nicht mehr ganz uͤbersehen werden kann, so
erhaͤlt man auf folgende Art, den der neuen Vergroͤßerung genau
entsprechenden Maßstab: Mit der schwaͤcheren Objectivlinse
naͤmlich, welche zum ersten Maaßstabe diente, betrachtet man den
Durchmesser irgend eines so kleinen Objectes, daß man es auch noch mit der
schaͤrferen Linse ganz uͤbersehen kann. Man bemerkt die
Groͤße dieses Durchmessers auf dem Papier und indem man diese nun mit der
Zeichnung der ganzen Pariser Linie des ersten Maaßstabes vergleicht, untersucht
man, wie vielmal dieser Durchmesser in der Linie enthalten ist, und erfahrt so
die wirkliche Groͤße desselben.
Entwirft man nun, indem man sich der schaͤrferen Objectivlinse bedient,
dasselbe Object, so kann dessen Durchmesser offenbar als Maaßstab fuͤr
alle mit dieser neuen staͤrkeren Vergroͤßerung gezeichneten
Gegenstaͤnde dienen. Auf dieselbe Art kann man auch den Maaßstab
fuͤr noch staͤrker vergroͤßernde Objectivlinsen bestimmen.
Hat man einmal fuͤr jede Objectivlinse den entsprechenden Maaßstab
gefunden, so ist es leicht, darnach die wirkliche Groͤße der Objecte zu
bestimmen, voraus gesezt, daß die Zeichnungen derselben jederzeit bei gleichem
Abstand entworfen seyen, d.h. daß der Raum zwischen dem Ocular und dem Tische
immer genau derselbe sey.
Will man die zu messenden Gegenstaͤnde nicht zeichnen, so kann man sich
zum Voraus ein Nez auf einem Stuͤk Carton entwerfen, und es so auf den Tisch legen, daß
das Bild des vergroͤßerten Gegenstandes darauf erscheine. Dieß Nez
scheint dann das mikroskopische Object zu deken: also kann man nach der Zahl der
bedekten Felder des Nezes und deren zum Voraus bestimmten Maaße leicht die
wahren Dimensionen der Gegenstaͤnde berechnen.
Es ist dienlich, dieses Nez mit weißen Linien auf schwarzem Grunde zu entwerfen,
weil auf diesem das Bild des vergroͤßerten Objectes deutlicher gesehen
wird. –“
So weit Amici. – Schließlich kann ich nicht umhin, den Wunsch
hinzuzufuͤgen, daß sein so viel versprechendes, neues katadioptrisches
Mikroskop, welches an Bequemlichkeit beim Gebrauch, an besserer Beleuchtung
undurchsichtiger Objecte, an Farbenlosigkeit, Deutlichkeit der Bilder und weit
staͤrkerer Vergroͤßerung derselben, die bisherigen dioptrischen
Mikroskope uͤbertreffen soll, mehr bekannt und auch von unsern geschikten
deutschen Optikern der Aufmerksamkeit gewuͤrdigt werde, um aus ihren
Haͤnden vielleicht noch vollkommner hervorzugehen.
Erklaͤrung der Kupfertafel.
Fig. 1. 2. und 3. Tab. VIII.
Das runde Planspiegelchen von Stahl in wirklicher Groͤße gezeichnet; Fig. 1. von
Oben, Fig. 2.
von Unten, und Fig.
3. von der Seite angesehen. a ist die
Spiegelflaͤche, b.c der platte Stiel, und d die untere etwas convexe Ruͤkseite des
Spiegelchens.
Fig. 4. 5. 6. und 7. ein
elliptisches Spiegelchen aus Spiegel-Metallcomposition in wirklicher
Groͤße von verschiedenen Seiten abgebildet. Fig. 4. das cilindrische
Stuͤkchen Metall woraus der Spiegel geschliffen, von der Seite angesehen, so,
daß es als rechtwinkliches, gleichschenkliches Dreiek erscheint: a die Spiegelflaͤche, b die Grundflaͤche, c die Peripherie
des Cilinders.
Fig. 5. das am
Stiel b.c befestigte Spiegelchen von Oben senkrecht auf die
elliptische Spiegelflaͤche a.b.e.d angesehen.
Fig. 6. a der hohe zum Zeichnen hingekehrte Rand des
Spiegelchens. b.c der platte Stiel, worauf dieses fest
geloͤthet ist.
Fig. 7. a die untere runde Flaͤche des Spiegelchens,
worauf der Stiel b.c mit dem Plaͤttchen a aufgeloͤthet ist.
Fig. 8. das
Stativ, um mittelst des Spiegelchens a.b mit freiem Auge
zu zeichnen, in halber Groͤße abgebildet, um die Art der Aufstellung und des
Gebrauchs zu versinnlichen. Das Stativ gedenke man sich an ein horizontal liegendes
Reißbrett geschraubt, auf welchem das Papier s.t.u.w so
befestigt ist, daß dessen Mitte x senkrecht unter der
Spiegelflaͤche a liegt. Es wird bei dieser
Stellung des Apparates angenommen, das Spiegelchen a.b
sey so gerichtet, daß dem nahe daruͤber gehaltnen Auge das Bild eines
Gegenstandes unter dem 36 graͤdigen Winkel y.a.z
auf dem Papier s.t.u.w erscheine, daß also y.z den Durchmesser dieses Bildes vorstelle, welcher ein
und einhalbmal in a.x oder in dem Abstand des
Spiegelchens vom Papier enthalten sey.
Fig. 9. die
Vorrichtung, wie das Spiegelchen a.b vor dem Ocularglase
x eines horizontal gerichteten Mikroskopes x.y aufgestellt wird. Man haͤlt das Auge dicht
uͤber die geneigte, im Focus des Oculars x
stehende Spiegelflaͤche a, und sieht senkrecht
gegen die Axe des Tubus x.y, nach dem in
gehoͤriger Entfernung zum bequemen Zeichnen untergelegten Papiere.
Fig. 10.
statt der Vorrichtung Fig. 9. kann man das
Spiegelchen a bloß mit einem laͤngeren, gebognen
Stiele b.c versehen, welches sich in ein breites
Blaͤttchen c endigt, um dieses unter den Dekel
des Ocularglases eines Fernrohres oder Mikroskopes zur Seite einzuklemmen. Es
versteht sich von selbst, daß man dem Stiele ein fuͤr allemal die
gehoͤrige Biegung gegeben habe, damit die Spiegelflaͤche a wie in
Fig. 9.
unter einer Neigung von 45 Graden nahe vor den Focus des Oculars zu stehen
komme.