Titel: | Verfertigung des Birkenweins in Lief- und Ehstland. Von Prof. D. C. Petri. |
Autor: | Prof. Johann Christoph Petri [GND] |
Fundstelle: | Band 7, Jahrgang 1822, Nr. LXXVII., S. 484 |
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LXXVII.
Verfertigung des Birkenweins in Lief- und Ehstland. Von Prof. D. C. Petri.
Petri über Verfertigung des Birkenweins.
Man benuzt zwar auch in Deutschland das suͤßliche
Birkenwasser zu allerlei Getraͤnken; gleichwohl erinnere ich mich nicht,
irgendwo ein so liebliches und erquikendes Getraͤnk genossen zu haben, als
der Birkenwein ist, den man in Kurland, Lief- und
Ehstland vom Birkensafte macht, und der kaum vom Champagnerwein zu unterscheiden
ist, so uͤberaus lieblich schmekt und perlt er. Ich habe ihn auf vielen
adelichen Landguͤtern und bei Landpredigern getrunken, aber auch in
Staͤdten, doch seltener. Er ist selbst zu St. Petersburg ein beliebtes und
sehr gesuchtes Getraͤnk, und wird haͤufig dahin gebracht. Mit Honig,
(oder statt dessen mit Zuker) und Franzbranntwein gaͤhrt er zum
schoͤnsten Champagner, und auf vielen Guͤtern wird er in Menge und in
solcher Vollkommenheit gebrauet, daß selbst Kenner ihn fuͤr aͤchten
Champagner tranken. Hier ist das Recept dazu.
Auf einen Anker frischen Birkenwassers nimmt man 6–7 Pfund Zuker, oder eben so
viel gelaͤuterten Honig, und laͤßt beides zusammen in einem Kessel
kochen, bis der vierte Theil eingekocht ist, und gehoͤrig geschaͤumt
hat. Nachdem der Schaum sorgfaͤltig abgenommen worden ist, und das Wasser
noch etwas gekocht hat, legt man 6–8 wohl abgeschaͤlte Zitronen in ein
reines Ankerfaß, gießt 6 oder 7 Bouteillen weissen guten Franzwein, und alsdann das
kochend heisse Birkenwasser, (das man denselben Tag, oder hoͤchstens den Tag
zuvor abgezapft haben muß, ) darauf. Nachdem es sich etwas abgekuͤhlt hat, so
daß es noch laulich warm ist, thut man 2 Loͤffel voll gute reine Bierhefe
hinzu, laͤßt es so 3–4 Tage lang stehen, und bringt alsdann das Faß in
den Keller. Nach 4 Wochen fuͤllt man alles in Bouteillen oder
Selterkruͤge, und nach Verlauf etlicher Tage kann man diesen moussirenden
Birkenwein schon trinken. Er haͤlt sich mehrere Jahre, und wird, je
aͤlter, desto beßer.
Das Birkenwasser zapft man durch Einschnitte in den Baum, oder vermittelst gebohrter
Loͤcher und hineingestekter Roͤhrchen, in untergesezte
Gefaͤsse. Nur Schade, daß durch dieses Abzapfen die Birke, dieser so
schoͤne und nuͤzliche Baum, ungemein leidet und nicht selten davon
abstirbt. Um dieses zu
verhuͤten, muß man die OeffnungOefnnng sorgfaͤltig wieder zustopfen, weil sonst der Saft bis auf den
lezten Tropfen ausfließt. Durch hinein geschlagene hoͤlzerne Zapfen, oder
starkes Verbinden der gemachten Einschnitte kann man es verhindern, so daß dem Baum
diese Aderlaͤsse wenig oder gar nichts schaden.