Titel: Beschreibung der großen Soolenhebungs-Maschine zu Illsang bei Berchtesgaden.
Fundstelle: Band 9, Jahrgang 1822, Nr. XII., S. 146
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XII. Beschreibung der großen Soolenhebungs-Maschine zu Illsang bei Berchtesgaden. Mit Abbildungen auf Tab. III. Beschreibung der großen Soolenhebungs-Maschine zu Illsang bei Berchtesgaden. Der Zwek dieser im Jahre 1817 vom Hrn. Salinenrath Ritter von Reichenbach erbauten Maschine war: ein bestimmtes Quantum gesaͤttigter Soole aus dem Salzberge von Berchtesgaden zum Behufe der neuen Soolenleitung nach Reichenhall uͤber den hoͤchsten Punkt zwischen beiden Orten, das sogenannte Soldenkoͤpfel bei Illsang, zu gewaͤltigen, von wo sodann die Soole durch ein sehr starkes natuͤrliches Gefaͤlle in hoͤlzernen Roͤhren von selbst nach Reichenhall laufen kann. Die senkrechte Drukhoͤhe der zu hebenden Wassersaͤule vom Fuße der Maschine zu Illsang bis zum Ausgusse am Reservoir auf dem Soldenkoͤpfel betraͤgt (angeblich) 1218 Fuß, und das senkrechte Gefalle des zum Betriebe der Maschine benuͤzten Aufschlagwassers, oder die vertikale Hoͤhe der bewegenden Wassersaͤule uͤber 400 Fuß. Da am Fuße von Illsang dicht an der Maschine ein ziemlich starker Bach, der Ramsauer Alben mit einem bedeutenden Gefaͤlle vorbei stießet, so haͤtte man sich allerdings dieser mehr als hinlaͤnglichen Bewegungskraft zum Betriebe eines gewoͤhnlichen und wohlfeilern Drukwerkes bedienen koͤnnen; und da das herbei geleitete Aufschlagwasser fast eben so hoch abwaͤrts faͤllt, als die Soole zu heben ist, so duͤrfte es vielleicht leichter gewesen seyn, die ganze Drukhoͤhe in zwei oder drei gleiche Wassersaͤulen abzutheilen, und so den hoͤchsten Punkt durch zwei oder drei uͤbereinander gestellte gewoͤhnliche Maschinen mit der vollkommensten Sicherheit, und ohne alle Schwierigkeit zu uͤbersteigen, wie dieses bei der alten Soolenleitung von Reichenhall nach Traunstein mir dem beßten Erfolge beobachtet worden ist. Herr von Reichenbach nahm indessen von dieser bisher bewaͤhrten, leichten und sichern Methode Umgang, um etwas außerordentliches zu leisten, und er unternahm, (was vor ihm noch kein Hydrauliker gewagt hat), die ganze Hoͤhe von 1218 Fuß auf einen Druk zu gewaͤltigen. Groß und gefaͤhrlich war allerdings dieses Unternehmen, bei welchem Hr. v. Reichenbach, außer einem vom Staate ihm anvertrauten Kapitale von 300,000 fl., auch seine Kuͤnstler-Ehre, in Ueberlegung zu nehmen hatte. Der Erfolg hat indessen seinen Muth gekroͤnt, und durch die von den geschiktesten Kuͤnstlern mit der mathematischen Genauigkeit eines astronomischen Instrumentes vollendete Ausfuͤhrung seines Planes, gelang es ihm, die von den gruͤndlichsten Mechanikern fuͤr unuͤberwindlich gehaltenen Schwierigkeiten zu besiegen, und ein in seiner Art einziges Werk zu Stande zu bringen, was jedem Andern, welchem jene außerordentlichen Mittel nicht zu Gebote stuͤnden, unfehlbar mißlingen muͤßte. Selbst dann auch, wenn diese Maschine die zugesicherte Wirkung nicht ganz leisten sollte, und ihre Unterhaͤltung beschwerlich, kuͤnstlich und kostbar waͤre, wenn ihr Gang durch oͤftere Reparaturen an den sehr belasteten Kolben und an der zusammengesezten Steuerung unterbrochen wuͤrde, so hat Hr. v. Reichenbach hiebei doch seinen Zwek erreicht. Wir muͤßen es uͤbrigens Sachverstaͤndigern uͤberlassen, ob diese Maschine als Muster auch da zur Nachahmung empfohlen werden kann, wo es darauf ankoͤmmt, die groͤßtmoͤgliche Wirkung mit dem moͤglich geringsten Aufwande zu erhalten, und wo man den hoͤchsten Werth und die vorteilhafteste Anordnung einer zu fortwaͤhrendem Gebrauche bestimmten Maschine darin sucht, daß selbe von gewoͤhnlichen Arbeitern hergestellt und leicht unterhalten werden kann. Doch muß auch das Seltene und Außerordentliche gewuͤrdigt, und das Verdienst des Herrn von Reichenbach anerkannt werden, bei dieser Gelegenheit gezeigt zu haben, daß die Kunst selbst das Unmoͤgliche zu leisten vermag, wenn man nur Geld und Muͤhe nicht scheuen darf. – In dieser lezten Hinsicht wird man die Maschine zu Illsang, als ein Pracht-Kunstwerk bewundern, das in der That fuͤr ein National-Werk gilt, und wir sind, auf ein so kostbares Monument in unserm Vaterlande stolz zu seyn, um so eher berechtigt, als wir nicht befuͤrchten duͤrfe, daß uns der alleinige Besiz desselben in irgend einem andern Lande, selbst nicht in England, je streitig gemacht werde. – Fig. 3. Tab. III. ist der vertikale Durchschnitt dieser beruͤhmten Wassersaͤulen-Maschine, nach der Original-Zeichnung des Erfinders genau kopirt, und von einem geschiktengeschikteu Mechaniker an Ort und Stelle berichtigt. ABCD – der von Messing gegossene große Treib-Cylinder, oben geschlossen, unten offen; EE – der von Messing massiv gegossene, abgedrehte und eingeschmiergelte (eingeriebene) große Treibkolben. FGHI – der kleinere, oben offene Treib-Cylinder, mit seinem geliederten Kolben K. LMNO – der Cylinder oder Stiefel des Drukwerkes, mit dessen Kolben P: aa – die gemeinschaftliche, von Messing massiv gegossene, Kolbenstange, an welcher die beiden Kolben EE und P befestigt sind; bbb – die eiserne abgedrehte Stange, welche die beiden Treibkolben EE und K mit einander verbindet. Diese Stange geht durch die zwischen beiden Cylindern angebrachte Stopfbuͤchse cc, und ist an ihren untern Ende mit einem Kugelgelenke d versehen, welches in der ausgehoͤhlten Pfanne des Kolbens EE durch eine messingene Platte mit Schrauben niedergehalten wird. QRST, VWXY – drei senkrecht aufeinander geschraubte Steuerungs-CylinderSteurungs-Cylinder mit eben so vielen, von Messing gegossenen, mit Zinn uͤberzogenen, abgedrehten und eingeschmiergelten Kolben s, t, v, wovon die beiden Untern an einer Stange befestigt, und mit dem Obern durch ein aͤhnliches Kugelgelenk verbunden sind. ff – Verbindungsrohr zwischen dem großen Treib-Cylinder und den Steuerungs-Cylindern. gg – Verbindungsrohr zwischen dem kleinen Treib-Cylinder und dem obern Steuerungs-CylinderSteurungs-Cylinder. hh das Einfallrohr, durch welches das Aufschlags Wasser in die Maschine eindringt. i – Regulirungs-Klappe, die um ihre vertikale Achse gedreht werden kann, nach Art der in dem eisernen Ofen-Roͤhren angebrachten Zugklappen. kk – das Abfallrohr, durch welches das Wasser aus dem großen Treib-Cylinder ausgeleeret wird. ll – ein kleines Rohr, durch welches, mittelst der Verbindungsroͤhre m das Wasser aus dem Einfallrohr h von Unten in den Steuerungs-Cylinder tritt. nn – ein kleiner sekondaͤrer Steuerungs-Cylinder, unten offen, und durch die beiden Seiten-Oeffnungen q und r mit dem großen Steuerungs-Cylinder communizirend. o, p – zwei kleine, an einer eisernen Stauge befestigte, Steuerungs-Kolben. w – der obere Dekel der Steuerungs-Cylinder mit einer Stopfbuͤchse, durch welche eine kleine Kolbenstange herfuͤre geht, die bloß dazu dienet, das Spiel der Maschine zu beobachten. x – Seiten-Oeffnung, durch welche das Wasser aus dem kleinen Treib-Cylinder abstießet. α α – ein kleines, am Einfallrohr angebrachtes Seitenrohr mit einem Hahnen β, wodurch beim Anlassen der Maschine die Luft ausgelassen wird. ε – ein Hahn, durch welchen der Zufluß aus dem Einfallrohr in die sekondaͤre Steuerung regulirt, und durch dessen Verschließung der Gang der ganzen Maschine gehemmt werden kann. γ γ γ γ – sechs massive, von Messing gegossene Saͤulen, welche die ganze Maschine tragen, in dem solche auf einer messingenen Platte ψ ψ stehen. α α – ein starker Kranz von Gußeisen, welcher die Platte ψ ψ traͤgt, und auf Mauerwerk ruhet. κ λ ξ – ein kleiner doppelarmiger eiserner Hebel, an dessen einem Ende ξ die Stange der kleinen Steuerungs-Kolben befestigt ist. 1, 2 – an der großen Kolbenstange aa angebrachte eiserne Stange, oben und unten mit kleinen vorragenden Naͤgeln versehen, durch welche das Zirkel-Segment γ des Hebels ξ aufwaͤrts oder niederwaͤrts geschoben wird. μ μ – das Seitenrohr, welches den Druk-Cylinder LMNO mit dem Ventil-Kasten verbindet. ν – das Einzug-Ventil, π – das Ausleerungs-Ventil, φ – das Einzugrohr, ρρ – das Steigrohr fuͤr die Salzsoole. Gang und Wirkungsart der Maschine. Wenn saͤmmtliche Treib- und Steuerungs-Kolben in der hier gezeichneten Stellung sich befinden, so tritt das Aufschlagwasser aus dem Einfallrohre h durch das Verbindungs-Rohr ff in den obern Raum des großen Cylinders ABCD, die ganze Kraft der treibenden Wassersaͤule wirkt daher von Oben auf den Kolben EE, und druͤkt ihn, nebst dem Kolben P des Drukwerkes LMNO, nieder, wodurch die, von lezterm vorher eingezogene, Soole durch das Seitenrohr μ μ und das Ventil π in das Steigrohr ε gepreßt wird. Zu gleicher Zeit geht auch der Kolben K im kleinen Treib-Cylinder FGHI nieder, und das unter demselben befindliche Wasser entweicht durch das Rohr gg und die Ausfluß-Oeffnung x. Sobald nun die drei mit einander verbundenen Kolben ihre tiefste Stelle erreicht haben, und der Treibkolben EE nahe am untersten Rande des Cylinders angekommen ist, stoͤßt der Nagel I der an der großen Kolbenstange a, b befindlichen eisernen Leitstange 1–2, auf das Zirkel-Segment y druͤkt dieses einige Zoll nieder, und hebt so das entgegengesezte Ende des Hebels z, wodurch die beiden kleinen Steuerungs-Kolben o und p aufwaͤrts geschoben werden, so daß der obere dieser Kolben p, an der Seiten-Oeffnung q vorbei, in die mit punktirten Linien angedeutete Lage 3 zu stehen koͤmmt. Hierdurch wird sogleich die Communikation zwischen den kleinen Einfallrohr ll und dem untern Raͤume des großen Steuerungs-Cylinders w hergestellt; die treibende Wassersaͤule wirkt nun gegen die untere Flaͤche des Kolbens s, und da die zwischen diesem und dem Kolben t befindliche, durch k frei abfließende, Wassermasse von oben keinen Widerstand leistet, so wird der Druk der Wassersaͤule auf den Kolben t von Oben durch den Gegendruk auf s von Unten vollkommen balanzirt, und dieselbe Wassersaͤule wirkt jezt mit ihrer ganzen Kraft gegen die untere Flaͤche des Kolbens v, welchem von Oben das durch die Oeffnung x ausfließende Wasser keinen Widerstand leistet. Dieser Kolben v wird also aufwaͤrts geschoben, und steigt, nebst den beiden Kolben t und s so lange, bis derselbe, die Seiten-Oeffnung 4 vorbei, und uͤber dieselbe in die mit punktirten Linien bezeichnete Stelle v, der Kolben t aber, an der Seitenoͤffnung f vorbei, und uͤber dieselbe in die mit punktirten Linien angedeutete Lage T gekommen ist. Durch diese Veraͤnderung in der Stellung der Steuer-Kolben wird jezt auch die bisher Statt gefundene Communikation des ein- und austretenden Aufschlagwassers mit den beiden Treib-Cylindern veraͤndert. Das im großen Treib-Cylinder uͤber dem Kolben befindliche Wasser hat durch den nach T vorgeschobenen Steuerungs-Kolben t seine Verbindung mit der bruͤtenden Wassersaͤule im Einfallsrohre h verloren, dagegen ist ihm durch das Seitenrohr ff unter dem Kolben T der Ausweg in das Ausleerungsrohr k geoͤffnet. Auf der andern Seite aber dringt nun die treibende Wassersaͤule aus h, unter dem Kolben v, durch die geoͤffnete Seitenroͤhre 4 – gg unter dem kleinem Treibkolben k (den man sich jezt an seiner tiefsten Stelle denken muß) und schiebt diesen Kolben und mit solchem auch den großen Treibkolben EE, und den Kolben des Drukwerkes P aufwaͤrts; das im großen Cylinder uͤber dem Treibkolben befindliche Wasser entleeret sich durch das Ausflußrohr K. und der Kolben p zieht durch das Rohr φ und das Saug-Ventil v von neuem Soole ein. – So steigen nunmehr die drei Kolben K, EE, und P miteinander, bis sie ihre hoͤchste Stelle erreicht haben, wo dann das Hebelende y von dem Leitnagel 2 aufwaͤrts geflossen, die Kolben der sekondaͤren Steuerung p und o wieder in die hier gezeichnete erste Stellung kommen, und dasselbe Spiel der ganzen Maschine von vorne anfaͤngt. – Aus dieser Abbildung und Beschreibung geht herfuͤr, daß die Maschine in Illsang eine einfach wirkende Wassersaͤulen-Maschine mit doppelter Kolbensteuerung, und ohne Hebel oder Balancier ist, mit dem wesentlichen Unterschiede, daß hier zwei Treib-Cylinder und eben so viele Kolben angebracht sind, da die gewoͤhnlichen Maschinen dieser Art, selbst wenn sie doppelt, d.h. im Auf- und Niedergehen der Kolben, arbeiten, nur einen Cylinder und einen Treibkolben haben. Die durch eine sekundaͤre Kolbensteuerung betriebene Kolbensteuerung (welche der saͤchsische Maschinen-Direktor Mende bei den von ihm am Erzgebuͤrge erbauten Wassersaͤulen Maschinen schon vor 40 Jahren, und Winterschmidt am Harze vor 60 Jahren eingefuͤhrt habenMan sehe deren Beschreibung und Abbildungen in dem großen Werke des Hrn. Heron de Villefoße, de la Richesse minerale, und in Henning Calvoͤes Acta historico-chronologico-mechanica etc. I. Theil, S. 159 u. f ist zwar die bei den ersten von Hall in Ungarn vorgerichteten Wassersaͤulen Maschinen angebrachten Hammersteuerung (mit Schlagwerke) weit vorzuziehen, weil der Wechsel der Bewegung nicht, wie bei diesen, ploͤzlich und mit einer heftigen Erschuͤtterung aller Theile, sondern ganz allmaͤlig, ruhig und sanft vor sich gehet. Dagegen ist aber auch zu bemerken, daß eine so gebaute Maschine nicht anders als aͤußerst langsam arbeiten kann, wegen des bedeutenden hydraulischen Widerstandes, welchen das Aufschlagwasser bei seinem Durchgange durch die sehr engen Roͤhren und Oeffnungen, mit vielen rechtwinkelichten Beugungen, in der sekondaͤren Steuerung leidet, und wegen des noch weit groͤßer Widerstandes, welchen die Traͤgheit der in dem uͤber 3000 Fuß langen Steig- und Einfall-Roͤhren enthaltenen ungeheuren Wasser- und Soolen-Massen verursacht. – Wollte, oder koͤnnte man diese Maschine so schnell wie die ungar'schen, saͤchsischen und englischen Saͤulen-Maschinen arbeiten lassen, so wuͤrden durch die gewaltige Reaktion der Traͤgheit jener Massen, welche am Ende eines jeden Kolbenschubes zur Ruhe kommen, und mit Anfang des naͤchst folgenden Schubes wieder von Neuem in Bewegung gesezt werden muͤßen, alle ihre Theile sehr bald Roth leiden, wie dann auch wirklich gleich Anfangs, als man den Gang der Maschine ein wenig beschleunigen wollte, mehrere der staͤrksten eisernen Roͤhren zerbarsten. – Bei ihrem gegenwaͤrtigen langsamen, und oͤfters unterbrochenem Gange, wobei Unfaͤlle weniger zu befuͤrchten sind, ist daher die Wirkung dieser Maschine, im Verhaͤltnisse zu ihrer Groͤße und Kostbarkeit, gering; und so duͤrfte ein weit kleineres, leichteres und wohlfeileres Drukwerk, mit einem lebhaften Kolbenspiele, und einer ununterbrochenen und gleichfoͤrmigen Wirkung, an derselben Stelle und mit demselben Kraft-Aufwande eine viel groͤßere Soolen-Mange auf dieselbe Hoͤhe ohne Gefahr oder Schwierigkeiten gewaͤltigen. –

Tafeln

Tafel Tab. III
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