Titel: Ueber den gehörigen Schnitt der Pfirsichbäume in kalten Lagen, wo diese Bäume spät treiben und tragen. Von Th. Andr. Knight etc.
Fundstelle: Band 10, Jahrgang 1823, Nr. XVI., S. 111
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XVI. Ueber den gehörigen Schnitt der Pfirsichbäume in kalten Lagen, wo diese Bäume spät treiben und tragen. Von Th. Andr. Knight etc. Aus dem Repertory of Arts, Manufactures et Agriculture. Novemb. 1822. S. 360. Knight über den Schnitt der Pfirsichbäume in kalten Lagen. Die Bluͤthen- und Blattknospen sind in der ersten Periode ihrer Organisation, als Knospen, nicht von einander verschieden: beide enthalten nur die Anfaͤnge von Blaͤttern, welche sich spaͤter in die Bestandtheile der Bluͤthe, und, an einigen Arten, selbst in jene der Frucht verwandeln. Ich habe mich wiederholt uͤberzeugt, daß eine Bluͤthe eines Birn- oder Apfel-Baumes Theile enthaͤlt, welche vorlaͤufig als Anfaͤnge von 5 Blaͤttern vorhanden waren, deren Spizen spaͤter die 5 Einschnitte des Kelches bilden, und es gelang mir oͤfters, jeden Uebergang einer monstroͤsen Bildung aus 5 zusammengehaͤuften Blaͤttern (d.h. 5 kreisfoͤrmig auf einem unvollkommenen Blumenstiele vereinte Blaͤtter) bis zur vollkommenen Birn-Bluͤthe zu erhalten. Der Kelch der Rose stellt an einigen Abarten derselben, die Blaͤtter der Pflanze beinahe vollkommen dar, und die großen und langen Blaͤtter der Mispel scheinen in der eingewikelten Bluͤthe derselben mit der Laͤnge der Kelcheinschnitte in Verhaͤltniß zu stehen. Der Kelch an der Bluͤthe der Pflaume und des Pfirsiches ist durchaus so, wie in den vorigen Faͤllen, gebildet, nur mit dem Unterschiede, daß die Blaͤtter, die in den Kelch verwandelt werden, an der Basis der Frucht sich von einander trennen und abfallen, statt daß sie auswuͤchsen, und als Bestandtheil desselben stehen blieben. Jede Traube an der Rebe beginnt ihre Bildung als Ranke, und man kann, so oft man will, sie im Zustande einer Ranke fort erhalten. Die Bluͤthen sind nur Zusaͤze, deren Bildung immer von anderen Einfluͤßen abhaͤngt: wenn man eine bedeutende Menge von Blaͤttern fruͤhzeitig abbricht, oder wenn die Rebe nicht die gehoͤrige Menge von Waͤrme und Licht erhaͤlt, so behalten die Ranken ihre urspruͤngliche Form und Funktion. Man kann sehr oft wahrnehmen, daß, wenn Insecten viele Blaͤtter an den Obstbaͤumen zerstoͤrten, oder, wenn Kaͤlte und Naͤsse vor Entwikelung der Bluͤthe lang auf dieselben einwirkten, entweder gar keine Bluͤthen zum Vorscheine kommen, oder daß diejenigen, welche sich bideten, schwach und unvollkommen sind, und folglich abfallen muͤssen. Der Zustand, in welchem sich im Fruͤhjahr von 1817 die Pfirsiche und Reben beinahe uͤberall im ganzen Koͤnigreiche befanden, hat, wie ich glaube, die Wahrheit dieser Bemerkung bis zur Evidenz erwiesen. Es ist, wie es scheint, uͤberfluͤßig, Beweise dafuͤr anzufuͤhren, daß jene Knospen, welche zuerst im Fruͤhjahre sich bilden, diejenigen sind, von welchen man die oben angegebene Verwandlung in dem inneren Baue derselben mit der hoͤchsten Wahrscheinlichkeit erwarten, und folglich hoffen kann, daß sie mehr vollkommen entwikelte Bluͤthen liefern, als jene, welche sich erst in der Mitte des Sommers oder bei dem Eintritte des Herbstes entwikeln. Wenn man dieß zugeben muß, so wird es sich leicht erweisen lassen, daß die gewoͤhnliche Methode, Pfirsiche zu schneiden und aufzubinden, nur fuͤr guͤnstige Lagen allein passend seyn kann. Man hat sie von der Verfahrungs-Weise der franzoͤsischen Gaͤrtner abgeleitet, und sie ist, wahrscheinlich, fuͤr das Klima von Paris sehr passend, nicht aber, wie ich alle Ursache zu glauben habe, fuͤr die kaͤlteren Lagen Englands, fuͤr welche folgende Methode mehr empfohlen zu werden verdient. Jeder Baum bereitet im Sommer und im Herbste viele kleine Blaͤtter vor, welche sich als die ersten Blaͤtter im darauf folgenden Fruͤhlinge entwikeln, und die Knospen in den Blattwinkeln dieser Blaͤtter sind nothwendig (nach obiger Ansicht) diejenigen, welche, in kaͤlteren und unguͤnstigen Lagen und Gegenden, am meisten geeignet sind, wohlausgebildete und kraͤftige Bluͤthen zu erzeugen. Unter diesen Verhaͤltnissen habe ich mich mehr dann einmal von dem Vortheile uͤberzeugt, soviel als moͤglich von diesen Knospen zu erhalten, und folglich hierin von der gewoͤhnlichen Methode des Beschneidens der Pfirsichbaͤume abzuweichen. Statt einen so großen Theil von den jungen Schoͤßlingen abzuwerfen, und nur wenige, wie gewoͤhnlich, und wie ich selbst in der Naͤhe von London und in jeder guͤnstigen Lage großen Theils zu thun Pflege, aufzubinden, erhalte ich mir eine groͤßere Anzahl der jungen Schoͤßlinge, welche zeitig im Fruͤhjahre von den vorjaͤhrigen Trieben in gehoͤriger Richtung sprossen, und kuͤrze jeden, wo es noͤthig ist, dadurch ein, daß ich die kleinen saftigen Spizen meistens in der Laͤnge von 1–2 Zoll abkneipe. Auf diese Weise erzeuge ich dicht an der Wand anliegende Aestchen (Sporne,) auf welchen sich im darauf folgenden Sommer zahlreiche Bluͤthenknospen bilden: auf diesen beobachtete ich, selbst in der lezten hoͤchst unguͤnstigen Jahreszeit und in einer so kalten und hohen Lage, daß der Pfirsichbaum selbst in dem waͤrmsten Fruͤhlinge und Sommer gewoͤhnlich nur einige schwaͤchliche Bluͤthen entwikeln konnte, in dem lezten Fruͤhjahre so haͤufige und gesunde Bluͤthen, als ich nur in den schoͤnsten Jahren und in den gluͤklichsten Lagen gesehen habe. Ich bin uͤberzeugt, daß, wenn der Pfirsichbaum in den Gaͤrten um die Hauptstadt im vorigen Jahre auf obige Weise beschnitten worden waͤre, in diesem Fruͤhlinge eine Fuͤlle gesunder und starker Bluͤthen zum Vorscheine gekommen sehn wuͤrde. Ich empfehle indessen den Gaͤrtnern diese Methode, Tragreiser zu bilden, nicht unbedingt und in jeder Lage: in warmen guͤnstigen Lagen wuͤrde ich ihnen rathen das junge Holz des vorigen Jahres, wie gewoͤhnlich, aufzubinden, und nur in kalten Lagen die oben angegebene Methode zu befolgen. Wenn man beide Methoden in jeder Lage zugleich anwendet, so stellt man seine Baͤume dadurch in jeder Lage gegen die Einfluͤße der Witterung desto mehr sicher: man darf daher keine dieser Methoden unbedingt in jeder Lage anwenden oder verwerfen. Die Sporne duͤrfen weder im Herbste noch im Winter eingekuͤrzt werden, ehe man sich uͤberzeugte, welche Theile mit derselben Blattknospen versehen sind.