Titel: Ueber Wartung und Pflege der Bart- oder Lamperts-Nüsse, und die Art, dieselben zu beschneiden. Von dem hochw. Hrn. Wilh. Williamson, A. M. zu Westbore.
Fundstelle: Band 10, Jahrgang 1823, Nr. LXIII., S. 355
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LXIII. Ueber Wartung und Pflege der Bart- oder Lamperts-Nüsse, und die Art, dieselben zu beschneiden. Von dem hochw. Hrn. Wilh. Williamson, A. M. zu Westbore. Aus den Transactions der London Horticultural-Society in Gill's technical Repository. N. X. S. 247. Im Auszuge uͤbersezt. Williamson über Wartung und Pflege der Bart- oder Lamperts-Nüsse. Die Bart- oder Lamberts-Nuͤsse werden am haͤufigsten und schoͤnsten in der Grafschaft Kent, vorzuͤglich in der Gegend um Maidstone und gegen die Graͤnze von Sussex gezogen. Der zur Anzucht dieser Baͤume noͤthige Grund ist brauner Lehmen von einiger Tiefe mit trokenem Unterboden: wenn lezterer zu feucht ist, schießen die Baͤume zu sehr ins Holz, und treiben nicht die kurzen Tragreiser. Ueberall, wo in Kent die Bartnuͤsse vorzuͤglich gedeihen, ist der Unterboden troken, und es gilt als Grundsaz im ganzen Lande: Hopfenboden, LambertsbodenWir haben wohl viel Hopfenboden, aber wenig Lamberts- oder Bartnuͤsse, und begnuͤgen uns statt der lezteren, mit der gewoͤhnlichen kleinen, harten Haselnuß. A. d. Ueb.. Die Vermehrung derselben geschieht durch Wurzelsproßen, Ableger, Pfropfreiser und durch Anbau der Nuͤsse. Um Maidstone vermehrt man sie vorzuͤglich durch Wurzelsproßen, weil sie dann fruͤher tragen und staͤrker werden. Man nimmt sie gewoͤhnlich im Herbste von der Mutterpflanze, und pflanzt sie in der Baumschule in Beete (nachdem man sie vorlaͤufig bis auf 10–12 Zoll kuͤrzte), wo sie drei bis vier Jahr lang gelassen werden. Man kuͤrzt sie jaͤhrlich etwas ein, damit sie desto staͤrkere Seitenaͤste bilden, deren man ihnen 4 bis 6 laͤßt. Die am uͤppigsten wachsenden Baͤume sind die, die aus Samen gezogen werden; allein, es geht so viel Zeit verloren, bis sie tragen, und sie arten so leicht in minder edle Sorten aus, daß man sich nur selten dieser Methode bedient, wo man eine dauerhafte Anlage machen will. Die aus Ablegern und durch Pfropfreiser erhaltenen Baͤumchen sind niederer, und schiken sich daher besser fuͤr kleine Gaͤrten, wo Raum sparen Alles gewinnen heißt. Die Lamberts-Nuß fodert viel Duͤnger, und wird in Kent alle Jahre, oder wenigstens alle 2 Jahre geduͤngt. Jede Art von Duͤnger ist gut; alte Wollen-Lappen bringen aber die beßte Wirkung hervor: man lernte dieß von den Hopfen-Bauern, die die Wollen-Lappen fuͤr den Hopfen sehr zutraͤglich findenDa Wolle so aͤußerst schwer verfault, so kann sie wohl schwerlich als Duͤnger taugen, sondern muß auf eine andere Art wirken. A. d. Ueb.. Die Weise, die Lamberts-Nuß zu beschneiden, weicht gar sehr von der Methode ab, nach welcher andere Baͤume beschnitten werden muͤßen, und ist in Kent anders als irgend anderswo. Die Rebe traͤgt bekanntlich nur Fruͤchte an den Schoͤßlingen des vorigen Jahres; Kirschen tragen vorzuͤglich an den kurzen Spornen, die an den Seiten der staͤrkeren Zweige hervorkommen: man darf also an den ersteren weder die Triebe des vorigen Jahres, noch an diesen die Spornen wegschneiden, wo man Fruͤchte haben will. In gewisser Hinsicht hat die Lamperts-Nuß in Bezug auf die Tragreiser Aehnlichkeit mit diesen beiden Holzarten; die Tragreiser sind immer, wie an der Rebe, vom vorigen Jahre, und, wenn man die Bartnuß gehoͤrig beschneidet, so kann man sie allerdings Sporne nennen. Diese kurzen Zweige oder Sporne sind kaum mehr als ein paar Zoll lang, und eine jede Knospe an denselben bringt in einem guten Jahre Fruͤchte. Die Kunst des Beschneidens besteht nun darin, zu machen, daß diese Baͤume solche Sporne treiben muͤßen, was, sobald sie tragbar sind, leicht in hinlaͤnglicher Menge geschehen kann. Herr Williamson raͤth, die Wurzelsproßen, statt sie in die Beete einer Baumschule zu pflanzen, alsogleich dorthin zu sezen, wo sie in der Zukunft fuͤr immer bleiben sollen, und, nachdem man sie ohne allen Zwang 3 oder 4 Jahre lang wachsen ließ, bis auf einige Zoll uͤber der Erde nieder zu schneiden. Aus dem uͤbrig bleibenden Stoke kommen nun, wenn er gehoͤrig eingewurzelt ist, 5–6 starke Schoͤßlinge, welche, in jedem Falle und bei jeder Methode, auf folgende Weise behandelt werden muͤßen. Im zweiten Jahre nach dem Niederschneiden des Stokes werden die Schoͤßlinge um ein Drittel eingekuͤrzt. Waͤren diese auch dann noch schwach, so raͤth Hr. Williamson die Baͤume noch einmal nieder zu schneiden, wie im vorigen Fruͤhjahre; er meint jedoch, es waͤre noch besser, mit dem Niederschneiden zu warten, bis der Baum deutliche Beweise seiner Faͤhigkeit, Triebe von hinlaͤnglicher Staͤrke hervorzubringen, gegeben hat. Wenn die Schoͤßlinge auf obige Weise eingekuͤrzt wurden, und eine Art von regelmaͤßiger Stellung haben, so bringt man innerhalb derselben einen leichten kleinen Reifen an, an welchem man die Zweige anbindet, und wodurch man den doppelten Vortheil erhaͤlt, daß der Baum mehr regelmaͤßig waͤchst, und daß er in der Mitte hohl bleibt, so daß Luft und Sonne auf ihn wirken koͤnnen. In kleineren Gaͤrten ist dieses Verfahren durchaus nothwendig. Im dritten Jahre kommt aus jeder Knospe ein Reis, das man bis zum folgenden Herbste, oder bis zum vierten Jahre, wachsen lassen muß: dann muß es aber nahe an dem Aste abgeschnitten, und der Hauptschoͤßling des lezten Jahres um zwei Drittel eingekuͤrzt werden. Im fuͤnften Jahre kommen kleine Triebe aus der Basis der Seitenaͤste, welche im vorigen Jahre abgeschnitten wurden. Diese entstehen aus kleinen Knospen, und diese Knospen wuͤrden sich nicht entwikelt haben, waͤren die Aeste, aus welchen sie entspringen, nicht eingekuͤrzt worden, indem, ohne diese Vorsicht, der ganze Nahrungsstoff derselben in den oberen Theil des Astes gefuͤhrt worden seyn wuͤrde. Von diesen kurzen Trieben hat man die Fruͤchte zu erwarten, und diese Trag-Reiser werden in wenigen Jahren sehr zahlreich erscheinen, so daß man mehrere derselben, und vorzuͤglich die staͤrksten, ausschneiden muß, um den Wachsthum der kleineren zu beguͤnstigen: denn die vom vorigen Jahre sind erschoͤpft, und sterben gewoͤhnlich ab. Der Hauptschoͤßling muß jedes Jahr um zwei Drittel, und wo der Baum schwach ist, auch um mehr eingekuͤrzt, und die Zweige duͤrfen uͤberhaupt nicht uͤber 6 Fuß hoch belassen werden. Jedes Fruchtreis muß uͤberdieß an der Spize eingekuͤrzt werden, damit der Baum sich nicht durch Bildung von Holz am Ende der Zweige erschoͤpft. Da die Lamberts-Nuß ein einhaͤusiges Gewaͤchs ist, so bringt sie maͤnnliche und weibliche Bluͤthen auf denselben Stamme: die duͤnnen scharlachrothen Faden, die man im ersten Fruͤhlings aus den Enden der Knospen hervorkommen sieht, sind die weiblichen oder eigentlich Frucht bringenden Bluͤthen; die unfruchtbaren oder maͤnnlichen Bluͤthen sind die langen walzenfoͤrmigen Kaͤzchen, die, sobald sie ihr Geschaͤft vollendet haben, abfallen. Bei'm Beschneiden muß man dafuͤr sorgen, daß man so viel von diesen Kaͤzchen stehen laͤßt, als zur Befruchtung der weiblichen Bluͤthen noͤthig ist: denn sonst ist alle fruͤhere Arbeit vergebens. Dieß kann sehr leicht geschehen: denn man steht diese Kaͤzchen bereits zur Zeit des Schnittes. Diese Art zu beschneiden, wodurch Tragreiser erzeugt werden, die sonst nie entstanden seyn wuͤrden, nennt Hr. Williamson das Sporn-Sistem. Es ist haͤufig der Fall, daß ein starker Schoͤßling von der Wurzel aus treibt. Sollte einer der Hauptaͤste des ersten Jahres abgestorben seyn, oder kein Tragholz mehr erzeugen, so ist es raͤthlich, denselben ganz wegzuschneiden, und den neuen Schoͤßling unter derselben Behandlung die Stelle desselben vertreten zu lassen. Alte Lamberts-Nuͤsse kann man leicht dadurch wieder tragbar machen, daß man eine hinlaͤngliche Anzahl der Hauptaͤste auswaͤhlt, und die Seitenzweige beinahe dicht an denselben wegschneidet, außer wenn der eine oder andere so gelagert waͤre daß er die anderen nicht hindert, und dann darf kein Hauptast dahin geleitet werden. Es vergeben indessen zwei, drei Jahre, bis man auf diese Weise seinen Zwek erreicht. Obschon diese Weise, die Lamperts-Nuͤsse zu ziehen, sehr alt und sehr gepriesen ist, so scheint sie Hrn. Williamson doch nicht jenes Lob zu verdienen, das man derselben ertheilte. Man hat zwar auf diese Art 30 Ztr. auf einem Acre (1125 □ Kl.) auf gewißen Gruͤnden und in manchem Jahre geerntet; allein 20 Ztr. gelten schon fuͤr eine reichliche Ernte, und etwas mehr als die Haͤlfte von dieser ist die gewoͤhnliche. Und auch dann schlaͤgt die Ernte in 5 Jahren dreimal fehl, so daß man den Jahres-Ertrag im Durchschnitte auf nicht mehr dann 5 Ztr. rechnen kann. Die Ursache der drei Fehljahre unter fuͤnf Jahren findet Hr. Williamson in der außerordentlichen Fruchtbarkeit der beiden anderen Jahre, wo der Baum seine Nahrung in Erzeugung der Frucht erschoͤpft, so daß er in der Folge die Bluͤthen nicht mehr entwikeln kann. Er bemerkt, daß man Pfirsich-Baͤume so schneiden kann, daß sie in einem Jahre eine ungeheuere Menge von Fruͤchten bringen, daß sie aber dadurch fuͤr mehrere darauf folgende Jahre unfruchtbar werden. Um jedem Jahre seine Frucht zu sichern, laͤßt er eine ziemliche Anzahl solcher Triebe stehen, von welchen er ihrer Staͤrke nach vermuthet, daß sie nicht so viele Tragknospen bringen werden, als die kuͤrzeren, und laͤßt sie in einem mehr natuͤrlichen Zustande, als man ihnen gewoͤhnlich goͤnnt. Er schneidet sie nicht so kurz daß der Baum durch Tragen erschoͤpft werden koͤnnte, und laͤßt sie nicht ganz so der Natur uͤber, daß ihre jaͤhrliche Fruchtbarkeit durch uͤberfluͤßige Holz-Erzeugung erschoͤpft werden koͤnnte, sondern schneidet sie im Fruͤhjahre gewoͤhnlich bis auf eine Tragknospe zu. Da die große Kunst des Beschneidens darin besteht, die moͤglich groͤßte Menge von Frucht zu erzeugen, ohne dadurch die Fruchtbarkeit des folgenden Jahres zu beeintraͤchtigen, was durch hie oben beschriebene Kent'sche Methode geschieht, so findet Herr Williamson dieselbe fehlerhaft, und die seinige, die fuͤr jaͤhrlichen sicheren Ertrag berechnet ist, vortheilhafter. Er erndete im Jahr 1819, das ergiebig war, von 57 Baͤumen, von welchen der groͤßte Theil kaum vor 6 Jahren erst niedergeschnitten wurde, und die 360 □ Yards Grund (1080 □ Fuß) einnahmen, 2 Ztr. Nuͤsse; also ungefaͤhr 27 Ztr. per Acre. Aas darauf folgende Jahr gab wieder einen weit geringeren Ertrag. Um den Baum soviel moͤglich zu staͤrken, muͤssen die Wurzel-Schoͤßlinge fleißig ausgerottet werden, was dadurch am beßten geschieht, daß man die Wurzel in einiger Entfernung von dem Baume der Einwirkung, des Frostes waͤhrend des Winters aussezt, und das dadurch, entstandene Loch im Fruͤhlinge mit Duͤnger ausfuͤllt. Da die Lamberts-Nuͤsse mehrere Jahre brauchen, bis sie zur Vollkommenheit gelangen, so pflanzt man Hopfen, hochstaͤmmige Aepfel und Kirschen zwischen dieselben, und wenn sie anfangen zu tragen, nimmt man den Hopfen weg, und laͤßt die Baͤume stehen. An die Stelle, des Hopfens, kommen Stachel- und Johannis-Beeren und niedere Gewaͤchse, um auch in jenen Jahren den Grund zu benuͤzen, wo die Lamberts-Nuͤsse nicht gedeihen. Die Entfernung der Lamberts-Nußbaͤumchen von einander haͤngt von dem Zwischenbaue ab.