Titel: Bemerkungen, als Antwort auf den (vorstehenden) Aufsaz des Hrn. Berthier, Ingénieur en chef des Mines, über die Theorie des Mörtels. Von Hrn. Vicat, Ingénieur des Ponts et Chausées.
Fundstelle: Band 11, Jahrgang 1823, Nr. LVI., S. 363
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LVI. Bemerkungen, als Antwort auf den (vorstehenden) Aufsaz des Hrn. Berthier, Ingénieur en chef des Mines, über die Theorie des Mörtels. Von Hrn. Vicat, Ingénieur des Ponts et Chausées. Aus den Annales de Chimie. Mai 1823. S. 69. Vicat's Bemerkungen über Berthier's Theorie des Mörtels. Eine zufaͤllige Verspaͤtung in Erneuerung meines Abonnement auf die Annales de Chimie beraubte mich des Vergnuͤgens, den interessanten Aufsaz des Hrn. Berthier uͤber den fetten Kalk, die hydraulischen Kalke und den Moͤrtel fruͤher kennen zu lernen. Das Detail, bis zu welchem dieser gelehrte Chemiker herabsteigt, der gutmuͤthige und unpartheische Ton, mit welchem er Meinungen abwiegt, erlauben mir den lebhaften Wunsch, daß er mir bei Besiegung jener Zweifel beistehen moͤchte, welche noch uͤber eine Theorie walten, die, bei dem gegenwaͤrtigen Zustande unserer Kenntnisse, nicht mehr laͤnger zweifelhaft bleiben darf. Es sind bereits 5 Jahre, daß ich meine ersten Untersuchungen uͤber diesen Gegenstand bekannt gemacht habe Sie befinden sich in diesem Journal Bd. 4. S. 230. u. f. D. und seit dieser Zeit war ich stets beflissen, dieselben zu erweitern, und die Reihe von Thatsachen zu vergroͤßern. Ich beeile mich zu erklaͤren, daß sie die Erfahrungen des Hrn. Berthier uͤber das Verhalten der Kieselerde, Thonerde, und des mit Kreide gebrannten Eisen- und Braunstein – Oxides auf das Genaueste bestaͤtigen. Ich habe uͤberdieß schon (bereits in meinem Mémoire. S 5) nach vielfaͤltigen Versuchen bemerkt, daß Eisen und Braunstein bei hydraulischen Kalken nicht durchaus nothwendig sind. Hr. Berthier schließt seinen Aufsaz mit einigen kritischen Bemerkungen uͤber die Erklaͤrung, welche ich uͤber die Erhaͤrtung der Steinmoͤrtel (bétons) und der Moͤrtel uͤberhaupt zu geben versuchte. Ich gestehe, daß meine Ideen nicht uͤber allen Einwurf erhaben sind, muß aber auch bekennen, daß Hr. Berthier sich taͤuschte, wenn er behauptete, daß ich dieselben auf keine Thatsache stuͤzte. Ich will nur in Kuͤrze an diejenigen Thatsachen erinnern, die sie zu rechtfertigen scheinen, und diesen noch diejenigen neueren Facta anreihen, die ich zeither gesammelt habe: 1tens. Gips hat gar nichts Aezendes; man kann ihn ohne allen Nachtheil mit den Haͤnden bearbeiten; er haͤngt nur durch Ansezung seiner Theile an den Koͤrpern; auf welche er aufgetragen wird, und aͤußert auf dieselben gar keine chemische Wirkung. 2tens. Eben dieß gilt auch vom Thone, der sich uͤbrigens physisch vom Gipse dadurch unterscheidet, daß er sich bei seinem Erhaͤrten zusammenzieht, waͤhrend der Gips waͤhrend desselben mehr oder minder am Umfange zunimmt. 3tens. Nimmt man diese beiden Stoffe als Bindungs-Mittel (gangue) und sezt denselben. Sand oder feines Geroͤlle in verschiedenen Mengen zu, so wird der Widerstand (die Festigkeit) dieses Aggregates im Verhaͤltnisse der Menge des ihnen beigemengten Zusazes abnehmen. 4tens. Ein sehr fetter, d.h., sehr reiner Kalk wird dasselbe Resultat geben: geloͤschter Kalk (hydrate de chaux) kann, ohne Zusaz, eine mittlere Festigkeit von 3800 erhalten, waͤhrend diese, nachdem man dem Kalke Sand zugesezt hat, unter den guͤnstigsten Umstaͤnden hoͤchstens nur bis auf 2000 steigen kann. 5tens. Ein guter hydraulischer Kalk verhaͤlt sich aber ganz anders: wenn man ihn fuͤr sich allein geloͤscht (als Hydrat), anwendet, und allen Einfluͤssen der Witterung aussezt, erreicht er eine mittlere Festigkeit von 2000; mengt man ihn aber mit Sand, so kann er, unter denselben Umstaͤnde und in dem guͤnstigsten Verhaͤltnisse, eine Festigkeit von 7700 erreichen. 6tens. Ein hydraulischer Kalk, der fuͤr sich allein und geloͤscht unter frischer Erde angewendet wird, erreicht daselbst eine mittlere Festigkeit von 4000; mit Sand gemengt kann er unter gleichen Umstaͤnden und unter den guͤnstigsten Verhaͤltnissen eine Festigkeit von 5300 erreichen. 7tens. Ein fetter Kalk, welcher unmittelbar nach dem Loͤschen angewendet wird, wo er noch so viel moͤglich seine ganze Aezkraft besizt, wird mit dem Sande einen Moͤrtel bilden, der hoͤchstens eine Festigkeit von 1500 zeigen wird. Derselbe Kalk aber wird, wenn er ein Jahr lang unter einem Dache der Luft ausgesezt liegt, und sich nach und nach von selbst loͤscht, unter gleichen Umstaͤnden einen Moͤrtel liefern, dessen Festigkeit bis 2700 steigt. 8tens. Die so eben unter 4, 5, 6, 7 angefuͤhrten Thatsachen haben gleichfalls bei Kalk- und Quarz-Sand Statt. 9tens. Grober Sand bildet mit fettem Kalke einen besseren Moͤrtel als feiner Sand: lezterer ist bei hydraulischem Kalke besser. 10tens. Die natuͤrliche Puzzolane und der leicht gebrannte Thon verhaͤlt sich mit dem fetten Kalke auf eine vollkommen aͤhnliche Weise. 11tens. Gemenge aus fettem Kalke und Puzzolane erhaͤrten desto schneller unter Wasser, je hoͤher die Temperatur des lezteren ist. 12tens. Das Wasser greift diese Mischungen nie an, wenn sie in gehoͤrigen Verhaͤltnissen bereitet wurden: im entgegengesezten Falle aber beschraͤnkt es sich darauf, den uͤberschuͤssigen, darin enthaltenen Kalk aufzuloͤsen, und laͤßt den Sand ganz rein zuruͤk, wenn es sanft uͤber einen gewoͤhnlichen, aus fettem Kalke bereiteten, Moͤrtel hinfließt, der ganz frisch in dasselbe versenkt wurde. 13tens. Der Stein- oder Grund-Moͤrtel aus fettem Kalke und aus einer sehr guten Puzzolane nimmt am Umfange zu, waͤhrend er erhaͤrtet, wenn er anders sorgfaͤltig angeruͤhrt wurde. Diese Vergroͤßerung des Umfanges zeigt sich oͤfters durch das Bersten der Gefaͤße, in welche man den Grundmoͤrtel (béton) geschuͤttet hat. 14tens. Die Puzzolane wirkt gleich kraͤftig, sey es, daß man sie in trokenem oder bis zur Saͤttigung angefeuchteten Pulver anwendet. 15tens. Der durch Eintauchung geloͤschte Kalk (wodurch uͤberhaupt die Erhaͤrtung hydraulischer Moͤrtel durch die absorbirende Kraft desselben beschleunigt wird) fuͤhrt, wenn man ihn auch mit der trefflichsten Puzzolane mengt, nicht auf jenen Grad von Haͤrte, wenn man nicht vorlaͤufig die Zertheilung durch die gewoͤhnliche Loͤschung vervollkommnet hat. 16tens. Hydraulische Puzzolan-Moͤrtel erhaͤrten langsam. Man bemerkt, daß sie vom zweiten zum dritten Jahre hierin kraͤftiger fortschreiten, als vom ersten zum zweiten. Durch Analyse derselben erhaͤlt man nichts, als eine weit geringere Menge Kohlensaͤure, als zur Saͤttigung des Kalkes, den sie enthalten, nothwendig ist. Mein Nachdenken uͤber diese durch zehnjaͤhrige ununterbrochene Erfahrungen erwiesene, Thatsachen leitete mich zu jenem ersten Schlusse, dessen Richtigkeit man nicht bestreiten wird: daß die Kraft, welche den hydraulischen Kalk mit den mit ihm gemengten quarzigen oder talkartigen Theilchen verbindet, groͤßer ist als die Kraft, mit welcher die Theilchen dieses Kalkes selbst unter sich zusammenhaͤngen; und ich gestehe aufrichtig, daß es mir immer unmoͤglich schien, dieses Phaͤnomen anders als durch die Kraft der chemischen Wahlverwandtschaft zu erklaͤren. Hr. Berthier durchhaut diese Frage und sagt: „Dieses Phaͤnomen darf uns nicht befremden. Sieht man nicht, daß angestrichene Farbe und Firniß an dem Holze, der Leim an den meisten Koͤrpern, das Gold an dem Email etc. mit solcher Staͤrke anhaͤngt, daß man, mit chemischen Mitteln, dieselbe nicht zu uͤberwaͤltigen vermag? Und ist es nicht offenbar, daß, in allen diesen Faͤllen, keine chemische Verbindung Statt hat, indem, wenn man die Farbe, den Leim etc. zerstoͤrt, und wegnimmt, der Koͤrper, auf welchem sie auflag, nicht die mindeste Veraͤnderung erlitt, daß er sogar, wenn er polirt war; noch seinen ganzen Glanz behielt?“ Ich sagte in meinem Memoire S. 73. „Die Veraͤnderungen (sie moͤgen worin immer bestehen), welche die Einwirkung des Feuers an den Verhaͤltnissen der mit dem reinen Kalke gemengten Kiesel- und Thonerde hervorzubringen vermag, geben der daraus hervorgehenden Mischung die Faͤhigkeit, durch Einwirkung des Wassers, chemisch auf die neuen im Zustande des Quarzes sich befindenden kieselartigen Stoffe zu wirken.“ Es ist moͤglich, daß ich mich anderswo auch des Ausdrukes chemische Verbindung (combinaison) bediente; es kam mir aber dabei niemals in den Sinn zu behaupten, daß das Resultat dieser Verbindung (combinaison) eine Veraͤnderung, ein Angreifen der Politur, oder ein bemerkbares Anfressen der Oberflaͤche des Quarzes seyn muͤßte. So deutlich ausgezeichnete Wirkungen sind nicht eine nothwendige Folge der Molecular-Anziehung. Diese kann mit großer Kraft bei unendlich kleinen Abstaͤnden so zu sagen oberflaͤchlich wirken, waͤhrend eine Beiziehung der Poren, Unebenheiten etc. bei Erklaͤrung der angegebenen Phaͤnomene nicht einen Augenblik Stich haͤlt. Ich will mich hieruͤber noch deutlicher erklaͤren. Es seyen zwei Koͤrper, A und B, nach einer Flaͤche S, bloß durch rein physische Adhaͤsion unter einander verbunden; so entsteht diese Adhaͤsion offenbar nur durch ein Eingreifen der Unebenheiten oder durch ein in einander Schlingen der Fasern etc. Wenn man sich nun denkt, daß jede Unebenheit oder Faser des Koͤrpers A durch einen Porus oder durch eine Faser des Koͤrpers B, als durch eine kleine Kraft, angehalten wird, so wird die gesammte Adhaͤsion der Summe dieser Kraͤfte gleich seyn. Nun moͤgen aber dieser Unebenheiten noch so viele seyn, so ist es offenbar, daß sie auf der Anhaͤngungs-Flaͤche S nie zahlreich genug seyn koͤnnen, um der Summe der derselben anliegenden Kraͤfte, die uͤber einen gleichen Durchschnitt S des Koͤrpers A vertheilt sind, gleich zu werden. Wenn also der Koͤrper A vollkommen homogen ist, und an den Theilen dieses Koͤrpers, die mit B in Beruͤhrung stehen, nichts Außerordentliches vorgegangen ist, so muß nothwendig, so bald man diese beiden an einander anliegenden Koͤrper von einander trennen will, die Trennung nach der Flaͤche der Beruͤhrung, und nicht anderswo, erfolgen. Wenn nun aber im Gegentheile bei gleichem Durchschnitte die Trennung in A oder B, und nicht in der Richtung der Beruͤhrungs-Flaͤche erfolgt, so wird man zu dem Schlusse berechtigt seyn, daß eine fremde Kraft dazwischen gekommen seyn muß, oder daß diese an dieser Flaͤche anliegenden Theile mehr Dichtheit, mehr Festigkeit bekommen haben muͤssen, als jene der uͤbrigen Masse, und daß sie folglich modificirt worden sind. Welchen Namen soll man nun dieser Modification geben, und welchem Grunde soll man dieselbe zuschreiben? Wenn ich mich taͤuschte, da ich sie als das Resultat einer Verwandtschaft oder einer starken Molecular-Attraction betrachtete, so wird man gestehen, daß dieses um so verzeihlicher ist, als große Physiker keinen Anstand nahmen jener unbekannten Kraft, welche, nach einiger Zeit, den Widerstand vermehrt, den zwei vollkommen glatte Koͤrper aͤußern, wenn man sie uͤber einander schieben will, denselben Namen beizulegen: Sie sind also hierin noch weiter gegangen, als ich. Ich wuͤnschte, daß Hr. Berthier diese Gruͤnde wuͤrdigen und untersuchen moͤchte, ob der kleine Streit, der sich zwischen uns hieruͤber erhoben hat, nicht vielleicht mehr uͤber Worte, als uͤber die Sache selbst gefuͤhrt wird. Das angefuͤhrte Beispiel von den Firnissen, Leimen, Oelen, ist, wenn man mir erlaubt, nach meiner Ansicht weit entfernt, meine Behauptung zu widerlegen. Es scheint mir, daß wenn das Aufsteigen des Wassers in dem engen Raume zweier an einander liegenden Glastafeln einer Molecular-Attraktion zuzuschreiben ist, man dieselbe Ursache bei dem starken Streben des Leimes und der Oele in die Poren der Koͤrper einzudringen, nicht verkennen kann; sagen, ein Koͤrper ist fett oder klebrig, ist, wie es mir scheint, eben so viel, als wenn man sagt, seine Molekeln werden von anderen Koͤrpern sehr leicht angezogen. Wenn ich also meine Schluͤsse wiederhole, so sage ich vom Gipse, vom Thone und von dem gemeinen Kalke, daß diese Substanzen nur wenig oder gar keine Verwandtschaft mit dem Quarze besizen, weil sie mit demselben weniger stark zusammenhaͤngen, als ihre Theile unter sich; und aus einem ganz entgegengesezten Grunde sage ich von einem ausgezeichneten hydraulischen Kalte, daß er sich an dem Quarz in Folge der Wirkung eines chemischen Verbandes anhaͤngt. Wenn man eine Handvoll Gassenkoth oder Thon gegen ein Bret oder einen Stein wirft, so ist es wohl moͤglich, daß vor oder nach dem Vertroknen desselben man ehe die Theilchen des Koches oder des Thones von einander, als von dem Brette und dem Steine weg, bringt; und dieser Umstand beweiset, ich gestehe es, durchaus nicht fuͤr Verwandtschaft; er beweiset aber, daß dadurch das Homogene in dem Koche oder Thone beseitigt wurde, und daß die Wirkung des Schlages darin bestand, daß die der Vereinigungsflaͤche zunaͤchst gelegenen Theile zusammengedruͤkt, und dadurch dichter und fester anliegend wurden. Ich werde noch, uͤberdieß, meinen Proceß verlieren, wenn man es dahin bringt zu beweisen, daß zwei Koͤrper bloß durch ihre Porositaͤt fester unter einander verbunden werden koͤnnen, als die eigenen Theile dieser Koͤrper im natuͤrlichen Zustande nicht unter einander verbunden sind: da hier alles in dieser Frage physisch ist, so laͤßt es sich berechnen. Es wird merkwuͤrdig seyn zu sehen, wie man folgende Thatsachen erklaͤren kann, fuͤr deren genaue Beobachtung ich buͤrgen kann. Ein ein Jahr altes Prisma von Gips zeigte 6120 Widerstand oder Festigkeit. 100 Theile dieses Gipses wurden mit 150 Theilen Sand angeruͤhrt, und zeigten unter gleichen Umstaͤnden, nur 2401. Ein Prisma hydraulischen Kalkes, geloͤscht, und 14 Monate alt, zeigte 1950 Widerstand. 100 Theile desselben geloͤschten Kalkes, mit 150 Theilen desselben Sandes gemengt, zeigten, unter gleichen Umstaͤnden, 7009. Hr. John, dessen Theorie Hrn. Berthier mehr Beifall zu verdienen scheint, als die meinige, hat die Unthaͤtigkeit des fetten Kalkes auf den Quarz durch einen directen Versuch erwiesen; allein, seine Schluͤsse in Hinsicht auf Puzzolanen sind eine bloße Induction, und dieser Induction koͤnnen wir folgende Thatsachen entgegen stellen, welche nur weitere Entwikelungen derjenigen sind, die bereits unter N. 14, 15 und 16 aufgestellt wurden. 1. Wenn man gepuͤlverten Kalk, gepuͤlverten Quarz, und Puzzolan-Pulver von gleichem Korne, und beilaͤufig von derselben Haͤrte, nimmt, und diese drei Pulver durch mehrere Tage Wasser einsaugen laͤßt, und dieselben sodann in aͤhnlichen Verhaͤltnissen mit einer gleichen Menge fetten Kalkes mischt, und diese drei Mischungen auf der Stelle eintaucht, so werden die Grund-Moͤrtel aus gepuͤlvertem Kalke und Quarze immer weich bleiben, waͤhrend der aus Puzzolan erhaͤrten wird. 2. Wenn man einem Grund-Moͤrtel an seiner Oberflaͤche einen Theil seines Kalkes entzieht, so wird diese augenbliklich einen Theil ihrer Consistenz verlieren; allein nach 5-6 Jahren wird sie sich mit einer leichten Kruste von kohlensaurem Kalke bedeken, deren langsame Bildung dem kohlensauren Gase zuzuschreiben ist, mit welchem alle Wasser mehr oder minder geschwaͤngert sind; und, unter dieser Art von Schild, wird sie Festigkeit gewinnen, und endlich so hart werden, wie die inneren Theile, auf welche die aufloͤsende Kraft des Wassers nicht wirken konnte. Wenn man diese Phaͤnomene durch die Porositaͤt und durch die absorbirende Kraft der pulverartigen Theile der Puzzolane erklaͤren kann, so wollen wir gern das Verdammungs-Urtheil uͤber das ergehen lassen, was wir uͤber die chemische Wirkung dieser Substanzen geaͤußert haben. Hr. Berthier glaubt nicht, daß gebrannter Thon Aehnlichkeit mit Puzzolane habe; er hat aber wenigstens in der Weise, in welcher er auf fetten Kalk wirkt, eine sehr große; und, was die chemische Zusammensezung betrifft, so ist es gewiß, daß, wenn die vulcanischen Gebirgsarten Pottasche enthalten, der Thon, so wie die Natur ihn darbiethet, dieselbe gleichfalls oͤfters enthaͤlt. Ich habe aber in meinem im Institute am 1ten Februar 1819 vorgelesenen „Recherches sur les pouzzolanes artificielles“ durch directe Versuche erwiesen, daß die Gegenwart der Pottasche oder der Soda in dem gebrannten Thone keinen merklichen Einfluß auf die Staͤrke derselben hat: dieselben alcalischen Oxide koͤnnen sich also zufaͤllig in den vulcanischen Gebirgsarten finden, ohne daß man schließen kann, daß diese wesentlich von dem kieselsauren Thone verschieden sind. „Wenn“, sagt Hr. Berthier, „wirklich eine Verbindung zwischen dem Kalte und dem Thone Statt haͤtte, wuͤrden die daraus gebildeten Grund-Moͤrtel, die in dem Wasser erhaͤrten, nicht ihre Haͤrte allmaͤhlich bei Beruͤhrung der atmosphaͤrischen Luft verlieren; denn man weiß, daß der roͤmische Moͤrtel, der nichts anderes als eine aͤhnliche, auf trokenem Wege erhaltene Verbindung ist, bei Beruͤhrung der Luft, so wie unter Wasser, erhaͤrtet.“ Dieser Einwurf ist, wie ich denke, nicht gegruͤndet, indem Verbindungen auf dem nassen Wege nicht durch dieselben Kraͤfte entstehen, wie Verbindungen auf dem trokenen. Es liegt also in der angefuͤhrten Thatsache kein Widerspruch. Uebrigens wird Niemand laͤugnen, daß die Luft ein Koͤrper ist, welcher gewisse chemische Verbindungen zerstoͤren kann Ich habe beobachtet, daß die der Luft ausgesezten Grundmoͤrtel desto schneller und kraͤftiger zerstoͤrt werden, je mehr der, als Puzzolane angewendete, Thon rein ist. Diese Zerstoͤrung wird auf eine hoͤchst merkwuͤrdige Weise durch Eisen-Oxid gemaͤßigt, und dieß ist vielleicht die Ursache, warum sie in Hinsicht auf den roͤmischen Kitt und den Boulogner Kitt wenig merkbar ist. Ich habe ferner noch bemerkt, daß der Grundmoͤrtel, der aus hydraulischem Kalke und aus Sand gebildet und nur der trokenen Luft ausgesezt ist, in einem Jahre nach seiner Einsenkung so zerreiblich wird, wie Moͤrtel aus fettem Kalke, waͤhrend eben dieser Moͤrtel, nachdem er auf dieselbe Weise ein Jahr lang unter frischer und leichter Erde lag, keine Spur einer Veraͤnderung zeigte. A. d. O. . Ohne diese Betrachtungen noch weiter zu verfolgen, wollen wir nur noch eine Thatsache anfuͤhren: man nehme 100 Theile Kiesel-Hydrat, welche man durch natuͤrliches Vertroknen einer Kiesel-Gallerte erhielt, und menge sie mit ungefaͤhr 50 Theilen geloͤschten fetten Kalk zu einem etwas festen Teige, und versenke dieses Gemenge alsogleich. In weniger als zwoͤlf Stunden wird sich Erhaͤrtung zeigen, und die Verbindung offenbar seyn. Hier kann man zu keiner Porositaͤt Zuflucht nehmen; die Erhaͤrtung wird solang dauern, als die Einsenkung und wenn dieses Gemenge einen oder zwei Monate lang der Luft ausgesezt blieb, so wird es matt und zerreiblich. Eben dasselbe geschieht auf eine beinahe aͤhnliche Weise, wenn man die Kieselerde noch als Gallerte anwendet, jedoch etwas dichter als sie unmittelbar nach dem Waschen ist. Je tiefer man in diesen Gegenstand eindringt, desto unwahrscheinlicher wird die Theorie der Unebenheiten und der Einsaugung. Wenn ein Ziegel, heiß wie er aus dem Ofen kommt, sich, wo er eingetaucht wird, in einer Viertel-Stunde vollkommen traͤnkt: wie viel Zeit wird man den beinahe unmerklichen Theilchen der Puzzolane hiezu anweisen koͤnnen, die in Kalkbrei versenkt werden? Sie haben Zeit genug sich hundertmal zu traͤnken, ehe man mit der gehoͤrigen Genauigkeit die Mischung der Ingredienzen vollenden kann. Was koͤnnen sie also noch weiteres thun, wenn man dieses Gemenge noch ganz in teigartigem Zustande versenkt, aus welchem sie bereits kein Atom Wasser mehr einzusaugen vermoͤgen; und wie kann dieses teigartige Gemenge sich immerfort waͤhrend drei auf einander folgender Jahre erhaͤrten? Hr. Berthier fragt, warum der rohe Thon, der uͤberhaupt mehr zu Verbindungen geneigt ist, als der gebrannte, nicht dieselben Wirkungen hervorbringt? Ich habe mir sehr oft dieselbe Frage gestellt, ohne sie beantworten zu koͤnnen. Niemand kann diese Schwierigkeiten besser loͤsen, als Hr. Berthier, wenn er diese Muͤhe uͤbernehmen wollte: wir wuͤrden ihm dann die Erklaͤrung einer nicht minder merkwuͤrdigen Erscheinung, als diejenige ist, die er uns an der Wirksamkeit der Thonerde, des Eisen-Oxides etc., wenn diese Koͤrper der Kiesel-Erde bei Bereitung kuͤnstlicher Kalke zugesezt wird, kennen lehrte, zu verdanken haben.