Titel: Ueber die Seidencultur in Rußland. Von Profesor I. C. Petri.
Autor: Prof. Johann Christoph Petri [GND]
Fundstelle: Band 11, Jahrgang 1823, Nr. LXXVII., S. 479
Download: XML
LXXVII. Ueber die Seidencultur in Rußland. Von Profesor I. C. Petri. Petri, über Seidencultur in Rußland. In fruͤheren Zeiten war der Seidenhandel, so wie der Seidenbau im russischen Reiche ein Monopol der Zaarn von Moskau. Die hiezu bevollmaͤchtigten Kaufleute von Seiten des Hofes erhandelten dieses Product gegen Tuͤcher, edles Pelzwerk und Gold von den Persern. Damit aber diese Artikel immer ihren Werth bei den Persern behalten moͤchten, war es allen andern Kaufleuten verboten, mit denselben nach Persien zu handeln. Das Pud (40 Pfund Leipz. Gewicht) kam der Kasse des Zaars auf diese Weise nicht hoͤher als etwa 35-40 Rubel damal. Waͤhrung (den Rubel zu 1 Rthlr. 4-6 Pf. Saͤchs.) bis Moskau zu stehen, und wurde oft wieder zu 50 und mehr Rubel verkauft. Alexni Michailowitsch, Peter des Großen Vater, hob aber dieses druͤkende Monopol auf, und gab den Seidenhandel allen seinen Unterthanen frei, wie er es denn auch noch bis jezt ist. Allein die Aufhebung dieses zeither bestandenen zaarischen Alleinhandels half den russischen Kaufleuten nur wenig, weil nunmehr die im Merkantil-Wesen sehr schlauen und erfahrnen Armenier diesen Handelszweig an sich zogen, und sich uͤberhaupt des persischen Handels auf dem kaspischen Meere zu bemeistern wußten, welches ihnen desto leichter gelang, da sie der persischen Sprache maͤchtig waren, und in allen drei Laͤndern, Persien, Armenien und Rußland, besonders zu Astrachan ihre Comtoire hatten; ja sie suchten sogar um ein Monopol des persischen Seibenhandels in Moskau an, welches ihnen damals auch zugestanden und einige Jahre nachher unter dem Namen der persisch-armenischen Compagnie aufs Neue zugesichert und bestaͤtiget wurde. Doch nunmehr war man darauf bedacht, auch den Seidenbau in Rußland einzufuͤhren, ohne deßwegen den Seidenhandel aufzugeben, oder zu vernachlaͤßigen. Peter der Große war auch in diesem Zweige der staͤdtischen Industrie das erste Muster fuͤr sein Volk. Wohl wissend, daß Rußland dem Vaterlande der Maulbeerbaͤume und der ersten Quelle der Seide und des Seidenbaues, Persien, von woher ganz Asien und Europa nach und nach die Seide empfing, nach Suͤden zu angraͤnzet, ertheilte er den Befehl, die Seidencultur auch in Rußland einheimisch zu machen und Maulbeerbaͤume zu pflanzen. Die erste Anpflanzung dieser Art geschah in der Ukraͤne, in der Naͤhe der Stadt und Festung Belew, auch bei Kiew und in der Umgegend. Um die an der Achtuba (einem Nebenarme der Wolga) wachsenden Maulbeerbaͤume – ein Ueberbleibsel der alten Einwohner dieser Gegend, der Bulgaren von der Wolga, – die noch gruͤnten, nuͤzlich zu machen, wurde die erste Seidenanlage und Manufactur von einem Kaufmanne im Jahre 1720 eingerichtet. Rußland erhielt also spaͤter, als alle andere Reiche Europa's, den Seidenbau. Es ließ dieser große Regent, so wie seine naͤchsten Nachfolger, es auch nicht an Ermunterungen bei den am Terek wohnenden Kosaken fehlen, um dem Seidenbau Eingang zu verschaffen. Hier und da fand er willige Aufnahme und gewann in mehr als einer Gegend festen Fuß. Im Jahre 1750 entstand nicht weit von Kislaͤr eine mit mehreren besonderen Freiheiten beguͤnstigte Seidenmanufactur, desgleichen sollte im Jahre 1756 eine neue Ansiedelung mehrerer Kolonisten an der Achtuba, vornaͤmlich aber in Besrodnaja, die wohlgemeinten Absichten der Kaiserin Elisabeth in eifrigerer Betreibung des Seidenbaues befoͤrdern. Im Jahre 1773 ward diese Kolonie auf Befehl der Kaiserin Katharina II. mit 1300 Familien von Kronbauern, welche der Sache kundig waren, vermehrt, und die Seidenwuͤrmerzucht hatte den erwuͤnschtesten Fortgang. Der Seidenbau ward aus der Ukraͤne bis in das Neu-Russische Gouvernement ausgebreitet, und mehreren gewonnenen auswaͤrtigen Unternehmern die erfoderlichen bedeutenden Geldsummen zur Unterstuͤzung und groͤßerer Ausbreitung dieses Culturzweiges verabreichet. Gleichwohl fand sich bei einer im Jahre 1797 auf Befehl des Kaisers Paul daruͤber angestellten Untersuchung, daß sowohl Kron- als Privatanstalten dieser Art ihren Zwek keinesweges erreicht hatten, und beide die haͤufigen und betraͤchtlichen Geldunterstuͤzungen ohne sonderlichen Gewinn aufzehrten. Hiezu kam, daß in einigen sehr kalten Wintern in den kaiserl. Plantagen an der Achtuba und in der Gegend von Kiew beinahe alle Seidenraupen und Maulbeerbaͤume erfroren. Bei der Begierde und dem Luxus, seidene Kleidungsstuͤke zu tragen, die auch in Rußland, selbst unter den gemeinen Volksclassen, besonders beim weiblichen Geschlechte, eingerissen ist, waren schon laͤngst Seide und seidene Zeuche ein so nothwendiges und allgemeines Beduͤrfniß geworden, daß man nun immer mehr, selbst von Seiten der Regierung, mit Ernst und Eifer ihre Cultur zu befoͤrdern suchte. Die Summen, welche alle Jahre fuͤr Seide und Seidenwaaren ins Ausland gingen, verursachten eine erstaunliche Ausgabe. Nach Guͤldenstaͤdts Versicherung kaufte Rußland schon im Jahre 1768 fuͤr 343,000 Rubel rohe, und fuͤr 671,000 Rubel verarbeitete Seide, aber in diesen Summen ist schwerlich die Einfuhr der persischen Seide zu Lande begriffen, und da alle Artikel der Einfuhr seit jener Zeit betraͤchtlich gestiegen sind, so ist zu vermuthen, daß auch diese Ausgabe jezt weit staͤrker ist, ungeachtet der Seidenbau seitdem weit fleißiger betrieben worden ist, und bedeutend zugenommen hat. Rußland hat in seinem unermeßlichen Umfange, vorzugsweise innerhalb der mittaͤgigen Provinzen, große Landstriche, wo der Seidenbau mit Vortheil betrieben werden kann. Alle Laͤnder bis zum 53ten Grade noͤrdlicher Breite sind zum Anbau der Maulbeerbaͤume geschikt. Von diesen allein haͤngt bekanntlich die Nahrung der Seidenraupen und die Seidencultur ab. Eine Gegend aber, die zur Maulbeerzucht geeignet ist, kann und muß auch den Seidenbau beguͤnstigen. Die Beschaͤftigungen bei demselben erfodern keine harte angreifende Arbeit, blos eine genaue Aufmerksamkeit von ungefaͤhr 6-7 Wochen. Kinder und zu anderen Arbeiten unbrauchbare Personen koͤnnen bei der Wartung und Pflege der Seidenraupen angestellet werden. Von einer Unze Seidenschmetterlings-Eyern erhaͤlt man etwa 12,000 Raupen. Diese koͤnnen sehr bequem von zehnjaͤhrigen Kindern, Knaben sowohl als Maͤdchen, gefuͤttert und gereiniget werden. 12,000 Raupen geben in der Regel 6 Pfund Seide, welche mit 50-60 Rubel Silbermuͤnze bezahlt werden. Dieß waͤre der Gewinn von einer Person, und noch dazu von einem Kinde. Je mehrere Menschen sich aber damit beschaͤftigen, desto geringer wird die Arbeit und desto groͤßer der Gewinn. Aus dieser kurzen Angabe kann man sich von der Wichtigkeit und Richtigkeit des Seidenbaues, so wie von der Eintraͤglichkeit dieser laͤndlichen Nebenbeschaͤftigung uͤberzeugen. Daß das russische Reich nichts weniger als ungeschikt zur Cultur der Seidenraupen sey, und daß man daselbst kuͤhn und mit Gluͤk den Seidenbau unternehmen koͤnne, beweisen die bereits vorgenommenen Anpflanzungen und das gute Gedeihen der weißen und rothen Maulbeerbaͤume in mehreren Gegenden des Reichs, so wie der gluͤkliche Fortgang des Seidenbaues an mehr als einem Orte. Es fehlt nur immer noch an arbeitenden Haͤnden in dem unermeßlichen Lande. Die Schuld der weniger allgemeinen Verbreitung und des geringern oder langsamern Vorschreitens dieses nuͤzlichen Industriezweiges liegt nicht an der Unmoͤglichkeit der Ausfuͤhrung, sondern an dem Mangel an Arbeitern, und der schlechten Befolgung der Vorschriften von Seiten derer, welchen die Aufsicht uͤber dergleichen Anstalten anvertraut ist. Ein Beispiel gibt die kaiserl. Seidenplantage bei Zarizuͤn, wo von 7000 dabei angestellten, oder wenigstens auf dem Papiere stehende Menschen, in den Jahren 1790-1796 jaͤhrlich kaum 4-5 Pud (160-200 Pfund) Seide gewonnen und gesponnen wurden Vergl. das Journal von und fuͤr Rußland, Jahrgang 1794. Jul. S. 41. . Jezt ist jedoch bei genauerer Aufsicht daruͤber der Ertrag betraͤchtlicher. Seit einer Reihe von Jahren gedeihen die Anpflanzungen des Maulbeerbaumes, so wie dessen Wachsthum von Natur, und zwar nicht etwa einzeln, sondern in uͤberfluͤssiger Menge, in und um Kiew, in mehreren Bezirken der Ukraͤne, in der Krimm (jezigen Staathalterschaft Taurin), welche schon seit langer Zeit jaͤhrlich 400-450 Pfund Seide liefert; Peysonel versichert, daß die Krimm zum Seidenbau eines der vorzuͤglichsten Laͤnder der Erde sey. Vergl. dessen Beschaffenheit des Handels aus dem schwarzen Meere, S. 154. an den Ufern des Terek, zwischen Mosdok und Kislaͤr; an der Kuna bei Madschar, an der Sarpa (etwa 5 Meilen von der herrenhuthischen Kolonie Sarepta); an der Wolga zu Astrachan, Saratow und Zarizuͤn; am Don bei Tscherkask, der Hauptstadt der don'schen Kosaken, zu Asow, und an den Ufern des Choper bei Nowochspersk; ferner in der Staathalterschaft Jekatharinoslaw in mehreren Gegenden z.B. bei Poltawa, Neschin, Baturin, Glechow u.a. a. O.; in und bei Cherson, Charkow, zu Tiflis in Grusien (Georgien) u.s.w. In allen diesen Landstrichen des suͤdlichen Rußlands gedeihet der Maulbeerbaum in freier Luft, so daß man die Anpflanzung und Vermehrung desselben in der großen, zwischen der Dnepe und Ural liegenden Streke, unterhalb des 53sten Grades noͤrdlicher Breite uͤberall ohne Gefahr des Erfrierens unternehmen kann, und auch bereits hin und wieder angefangen hat, naͤmlich in den Staathalterschaften Kaukaͤsien, Taurien, Jekatherinoslaw, Wosnesensk, Kiew, Charkow, Tscheringow, Saratow, Woronesch, Simbirsk und in den mildern Gegenden von Kasan und Ufa. In vielen dieser Gegenden hat man zwar schon lange Anpflanzungen vorgenommen, und den Seidenbau getrieben, aber noch lange nicht mit dem Fleiße und Erfolge, welchen die Wichtigkeit der Sache erfodert, und die Natur so sehr beguͤnstigt. Bei Belowskaja in der Ukraͤne fand schon Guͤldenstadt allein 1200 Baͤume, die ohne Pflege eine ansehnliche Hoͤhe erreicht hatten Vergl. Guͤldenstaͤdts Reise, Bd. 2. S. 211 und akademische Rede, S. 43. . Auch in Charkow und in der Umgegend kommen die Maulbeerbaͤume vortrefflich fort, daher man auch ziemlich gelungene Versuche, (wiewohl erst nur im Kleinen,) mit dem Seidenbaue gemacht hat. Um den Seidenbau allgemein zu verbreiten, wuͤrde die Aufmunterung dazu durch Praͤmien, wie es vielfaͤltig im preußischen Staate unter Friedrich dem Großen geschah und zum Theil noch geschiehet, unfehlbar das beßte und sicherste Mittel seyn. Nur dadurch kann er in der Folgezeit auch in Rußland auf eine hoͤhere Stufe der Vollkommenheit gebracht werden. Eigener Fleiß durch Belehrungen belebt, leistet in jedem Verhaͤltnisse und allemal mehr, als erzwungener in fremden Diensten. Einzelne Privatplantagen, aber vervielfaͤltiget, moͤgen sie auch noch so klein seyn, produciren immer mehr, als ein paar große herrschaftliche Pflanzungen. Kaukasien bringt wilde Maulbeerbaͤume in Menge hervor und laͤngs dem Flusse Terek, so wie in Georgien, findet man in allen Weingaͤrten gepflanzte tatarische und weiße Maulbeere, davon der Saame urspruͤnglich aus Persien kommt. Wer wollte zweifeln, daß der Seidenbau hier weit staͤrker getrieben und groͤßere Anpflanzungen gemacht werden koͤnnten? – Man weiß, daß die Seidenraupen mehr die Blaͤtter der weißen als schwarzen Maulbeerbaͤume lieben; da man aber die Entdekung gemacht hat, daß sie nach dem Genusse der leztern eine staͤrkere Seide spinnen, so gibt man ihnen anfaͤnglich Blaͤtter von weißen und zulezt von schwarzen Baͤumen. – Die Maulbeere, welche nicht frisch gegessen werden, bereitet man in den dortigen Laͤndern durch Gaͤhrung zu einem lieblichen dem Kirschweine aͤhnlichen, geistigen Getraͤnke, welches sehr wohlfeil ist, eimerweise verkauft wird, und sich lange haͤlt Man sehe Falks Beitraͤge etc. Th. 2. S. 234 und mehrere Abhandlungen in den Werken der freien oͤkonomischen Gesellschaft zu St. Petersburg. . Laͤngs der Achtuba, im zarizuͤnschen Kreise der Staathalterschaft Seratow, faͤngt der Maulbeerbaum zuerst an, sich unter die gemeinen Holzarten zu mischen; doch hat er hier meistens nur einen schlechten Wuchs, und da er auch den Ueberschwemmungen der Wolga und dem Feuer der jagdlustigen Kalmuͤken und Kosaken ausgesezt ist, so kann er begreiflich in dieser Gegend ohne Pflege der Menschen nicht sonderlich gedeihen. Seit mehreren Jahren und noch zulezt unter der gegenwaͤrtigen Regierung hat man deßwegen ordentliche Pflanzungen auf stach erhoͤhten Stellen in den Niedrigungen angelegt, wo der Boden feucht genug ist, ohne den Ueberschwemmungen ausgesezt zu seyn; auch sind, durch die Veranstaltung der dasigen Aufseher uͤber den Seidenbau, Scheuern erbaut, wo die Seidenraupen bequem erzogen werden. Bis jezt wird jedoch dieser eintraͤgliche Nahrungszweig blos erst in drei oder vier Doͤrfern an der Achtuba getrieben, er koͤnnte aber viel weiter ausgebreitet werden. Auf Kosten der Krone ist er neuerdings wieder in mehr Thaͤtigkeit gesezt worden; demnach ist sein Ertrag noch immer nicht so, wie er seyn koͤnnte, wenn es eine Privatunternehmung waͤre. Doch kommt auch vieles dabei auf die Schuld des unguͤnstigen Klima, indem bisweilen alle Seidenwuͤrmer erfrieren Oserezkowskoi vom Zustande des Seidenbaues an der Achtuba, in seiner Reise. S. 317. – Journal von Rußland, 2ter Jahrgang, 1. 41. – Herrmanns statistische Schilderung von Rußland, S. 251, folg. . Von Kiew an kann der Seidenbau bis nach Taurien, das in dieser Hinsicht mit Ober-Italien wetteifern kann, ohne Schaden und Gefahr, unbedenklich und mit Vortheil betrieben werden. In und um Kiew wachsen die Maulbeerbaͤume schon zu einer ansehnlichen Hoͤhe und in solcher Menge, daß sie nicht allein im kaiserl. Garten einen eigenen kleinen Wald bilden, sondern auch beinahe in jedem Privatgarten gefunden werden. Sie sind in solcher Staͤrke, daß sie gemeiniglich 1-1 1/2 Fuß im Durchmesser haben. In Podol einer Vorstadt von Kiew, ist eine kaiserl. Maulbeerpflanzung, die 500 ansehnliche Baͤume und ein Gebaͤude zur Pflege der Seidenraupen enthaͤlt, und doch wird der Seidenbau nicht als eigentlicher Erwerbszweig getrieben. Auch in Astrachan, so nahe an Persien, dem Vaterlande der Seide, ist er noch kein Gegenstand großer Unternehmungen, obgleich Kaiser Paul viel zum Emporbringen desselben that. Durch diesen Monarchen erhielt der Seidenbau erst neues Leben und neue Staͤrke. Ein am 8ten November 1797 bestaͤtigtes Manifest wies demselben zwar ungern, aber dafuͤr desto sichere Schranken an. Das astrachansche Gouvernement und der gebirgige Theil der Krimm (der Staathalterschaft Taurien) Die Krimm lieferte schon fruͤher jaͤhrlich 300-400 Pfund Seide. Vergl. Peysonals vorhin angefuͤhrte Schrift. waren die Gegenden, wo von nun an der Seidenbau vorzuͤglich begruͤndet und ausgedehnt werden sollte. Der Privatfleiß in Anpflanzung des Maulbeerbaumes wurde durch Belohnungen, wie im Brandenburgischen unterstuͤzt, auch wohl durch verhaͤltnißmaͤßige Strafen in reger Thaͤtigkeit erhalten, und so gelang es am Ende der Regierung, den Seidenbau in hoͤhere Aufnahme zu bringen, und seine jaͤhrlichen Productionen bedeutend zu vermehren. Schon ein Jahr darauf, nachdem Pauls Verordnungen in den genannten Gegenden in Ausuͤbung gebracht worden waren, befanden sich in denselben nahe an 700,000 Maulbeerbaͤume. In demselben Jahre wurden 112,731, und im darauf folgenden 140,087 neue Baͤume hinzu gepflanzt, und die Quantitaͤt der gewonnenen Seide betrug in beiden Jahren 255 Pud, 25 1/4 Pfund. Gegen das Beduͤrfniß des ganzen großen Reichs und seiner Fabriken gehalten, war dieses Product dennoch sehr unbedeutend; denn im Jahre 1798 wurden noch 14,594 Pud fremde Seide, am Geldwerthe fuͤr 1,936,619 Rubel, und uͤberdieß fuͤr 486,762 Rubel Seidenwaaren eingefuͤhrt. Nach einer zweiten Verordnung desselben Kaisers vom 22. Febr. 1800 wurden neue Vorschlaͤge und Maaßregeln angenommen. Die Regierung beschloß, fernerhin keine eigene Seidenanlagen mehr zu unterhalten, sondern sich bloß darauf zu beschraͤnken, eine allgemeine Aufsicht uͤber die Privatindustrie in diesem Fache zu fuͤhren. Zu dem Ende wurden Inspectoren uͤber die Seidencultur gesezt und ihnen die noͤthigen Unterbeamten beigegeben. Sie stehen unter einem Oberaufseher und dieser unter der Expedition der Staatsoͤkonomie. Nach dieser neuen Einrichtung zaͤhlte man schon im Jahre 1802-1'16,370 neu angepflanzte Baͤume und hatte 364 Pud Seide gewonnen. Der Seidenbau wurde nun unter Alexanders I. alles neu belebender Herrschaft ebenfalls weiter ausgedehnt, und zieht sich gegenwaͤrtig durch Kaukasien hin, besonders nach Kislaͤr, (wo bisher das kleinste Quantum der jaͤhrlich gewonnenen Seide 62 Pud, 32 Pfund, das mittlere 100 Pud, und das groͤßte 228 Pud 11 Pfund betrug) Astrachan, Taurien, Cherson, Jekatharinoslaw, nobodische Ukraͤne, (besonders Nowowodolaji) Saratow (vorzuͤglich die schon sehr alte Plantage an der Achtuba, seit 1720, erneuert seit 1756), Kiew, Podolien, in den neuesten Zeiten auch durch Minsk und Klein-Rußland. In den erst genannten 8 Gouvernements belief sich im Jahre 1803 die Zahl der wirklich vorhandenen Maulbeerbaͤume auf 2,766,993 Staͤmme, die durch neue Anpflanzungen und ausgestreuten Saamen aufgezogenen Baͤume im Jahre 1807 bis gegen 5 Millionen Staͤmme vergroͤssert worden war, und gegenwaͤrtig wahrscheinlich das Doppelte erreicht haben wird. Das Product der Seide, welche seit 1797 und im Laufe von 10 Jahren gewonnen wurde, betrug: Im Jahre 1798 65 Pud 14 1/4 Pfund. Im Jahre 1799 190 Pud 11 Pfund. Im Jahre 1800 194 Pud 21 1/2 Pfund. Im Jahre 1801 285 Pud 34 1/2 Pfund. Im Jahre 1802 364 Pud 3 1/4 Pfund. Im Jahre 1803 229 Pud 18 3/4 Pfund. Im Jahre 1804 238 Pud 4 1/2 Pfund. Im Jahre 1805 Grusien lieferte in diesem Jahre allein von 1,328,951 Maulbeerbaͤumen nahe an 552 Pfund Seide. 305 Pud – Pfund. Im Jahre 1806 270 Pud – Pfund. Im Jahre 1807 193 Pud 31 1/2 Pfund. –––––––– –––––––– –––––––– –––––––– –––––––– Ueberhaupt 2336 Pud 18 1/2 Pfund. Also jaͤhrlich im Durchschnitte uͤber 233 Pud, nach ihrem Geldwerthe ungefaͤhr 32,620 Rubel jaͤhrlich. Dennoch wurde an roher Seide eingefuͤhrt: Im Jahre 1802 fuͤr 2,608,892 Rubel. Im Jahre 1803 fuͤr 2,272,781 Rubel. Im Jahre 1804 fuͤr 1,130,738 Rubel. Im Jahre 1805 fuͤr 2,004,619 Rubel. –––––––– –––––––– –––––––– –––––––––––– Im Durchschnitt folglich fuͤr 2,005,250 Rubel jaͤhrlich. In den 9 suͤdlichen Gouvernements gehoͤrten im Jahre 1810 dem Seidenbau 16,835 Bauernhoͤfe und 12,453 Desaͤtinen 1 Desaͤtin hat 3,200 Quadratklafter und ist 80 Klafter lang und 40 Klafter breit. Landes zu, worauf beinahe 6 Millionen Maulbeerbaͤume standen. Immer aber liefert Georgien verhaͤltnißmaͤßig die reinste und schoͤnste Seide. Auch das Land der Kalmuͤken (ebenfalls eine Kaukasische Voͤlkerschaft) bringt sehr gute Seide hervor. Das wirksamste Mittel, den Seidenbau empor zu bringen, ist unstreitig; daß die Regierung, (wie es auch zum Theil, nur noch nicht uͤberall geschehen ist) die Privat-Industrie belebe, und sie vor allen Dingen durch Belohnungen hebe. Zu dem Ende muß man die Leute von dem Nuzen und Gewinne, der Leichtigkeit dieses Gewerbes und der beßten Art es zu betreiben, zu uͤberzeugen suchen. Eine faßliche Anweisung zum Seidenbau, unterstuͤzt durch das Beispiel sachkundiger Auslaͤnder, Praͤmien fuͤr die Anpflanzung der Maulbeerbaͤume, angemessene Belohnungen fuͤr ein gewisses Quantum gelieferter Seide, Sorge fuͤr den leichten und sichern Absaz der erzeugten Waare, und noch mehr andere Mittel dieser Art, stehen der Regierung und selbst den Gouvernements-Vorstehern und Oekonomie Directoren offen, von deren thaͤtiger Mitwirkung ein sehr großer Theil des Erfolgs abhaͤngt. Wieviel durch solche und aͤhnliche Maßregeln ausgerichtet werden kann, davon hat der ehemalige Staats-Minister, Graf von Herzberg, in den preußischen Staaten ein Beispiel hinterlassen, das uͤberall Nachahmung verdient, und wodurch der Seidenbau in der preußischen Monarchie eine hohe Stufe der Vollkommenheit erreichte, auch noch bis auf den heutigen Tag bluͤhet. Die in Astrachan verarbeitete Seide kommt aus Persien. Die Naͤhe dieses Landes und die Leichtigkeit, die Seide von daher zu beziehen, wird immer ein Hinderniß des rechten Aufbluͤhens der eignen Plantagen in jenem Gouvernement bleiben, wenigstens wird niemals so viel Seide gebauet werden, als der Bedarf der inlaͤndischen Manufacturen erfodert. Die meisten derselben (groͤßere und kleinere uͤber 40) besizen die Aremenier, ein emsiges, speculirendes Volk; die wichtigste aber mit 6 Werk-Stuͤhlen gehoͤrt der Krone. Am meisten werden Taffete, seidene Tuͤcher, Struͤmpfe, Baͤnder, Handschuhe, Schaͤrpen und verschiedene andere leichte Zeuche und Waaren verfertiget, die in Rußland selbst den beßten Absaz finden. Von 3000 Pud Seide, die etwa jaͤhrlich aus Persien kommen, wird mehr als die Haͤlfte in Astrachan selbst verarbeitet, die uͤbrige aber nach Moskau und St. Petersburg versendet, wo sehr viele und bedeutende Seidenmanufacturen sind. Der Umsaz, den allein die astrachanschen Seidenhaͤndler machen, betraͤgt nahe an 400,000 Rubel, der in Moskau und St. Petersburg weit uͤber 1 Million; doch werden aus dem Auslande noch eine Menge Seiden-Waaren eingefuͤhrt. Uebrigens hat man es in Verfertigung seidener Tuͤcher und Zeuche in Rußland schon sehr weit gebracht. Die meiste Rohseide wird zwar, wie mehrmals erwaͤhnt ist, noch immer aus der Fremde, aus Italien, China, aus der Tuͤrkei und Bucharei, besonders aber aus Persien gezogen, allein der Gewinn bei der Veredlung bleibt immer auf Seiten der Unternehmer. Ausser vielen andern Gattungen von Seidenwaaren zeichnen sich vorzuͤglich die schoͤnen seidenen moskau'schen Tuͤcher und Shawls aus, die von verschiedener Groͤße, Guͤte und Feinheit verfertigt werden, und wovon einige Sorten wegen ihrer Festigkeit und der Dauer ihrer Farben uͤberaus geschaͤzt sind. Die wichtigsten Seidenmanufacturen in Rußland aber befinden sich in Moskau, und zwar in der ganzen gleichnamigen Statthalterschaft; im Jahre 1818 waren fuͤr seidene Tuͤcher und Zeuche 108, fuͤr seidene Struͤmpfe und Handschuhe 5, fuͤr andere Seidenwaaren 10, mit 2537 Werkstuͤhlen und 6807 Arbeitern, welche 552,876 Arschinen und 88,912 Stuͤk geliefert haben Zur Litteratur gehoͤrig sind hieher zu nehmen: Guͤldenstaͤds akademische Rede uͤber die Producte Rußlands etc. im St. Petersburger Journal, IV. 25. 2) Dessen Reisen durch Rußland und auf dem kaukasischen Gebirge, besonders der 2te Band. 3) Palles Reisen, Th. 3. 4) Falks Beitraͤge etc. Th. 2. 5) Geremanns statist. Schilderung von Rußland. 6) Storchs statist. Uebersicht der Staathalterschaften des russisch. Reichs. 7) Desselben Gemaͤlde des russisch. Reichs, Bd. 2. 8) Dessen Rußland unter Alexander I. Bd. 1. 9) Das compte rendu von 1803 bei Storch a. a. O. B. VI. von 1804 ebendas. Bd. VIII. von 1805 im St. Petersb. Journal, Jahrg. 1807 Nro. 2. von 1806 ebendas. 1807, Nro. 10 von 1807 ebendas. 1809, Nro. 3. von 1808 (besonders gedrukt). 10) St. Petersburg. Journal, Bd. III. 11) Pirsonals Beschaffenheit des Handels auf dem schwarzen Meere. 12) Wichemanns Darstellung der russisch. Monarchie, Bd. J. S. 95 folg. u.a.m. .