Titel: Ueber eine neue Methode, Stachelbeer-Sträuche an Geländern zu ziehen. Von Hrn. Stephan Jevees, F. H. S., Gärtner bei Lord Oacre zu Hoo bei Welwyn, Herfordshire.
Fundstelle: Band 13, Jahrgang 1824, Nr. LV., S. 261
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LV. Ueber eine neue Methode, Stachelbeer-Sträuche an Geländern zu ziehen. Von Hrn. Stephan Jevees, F. H. S., Gärtner bei Lord Oacre zu Hoo bei Welwyn, Herfordshire. Aus den Transactions of the London Horticultural Society. Im Repertory of Arts, Manufactures and Agriculture. November 1823. S. 357. Methode, Stachelbeersträuche an Geländern zu ziehen. Der Plan, die Stachelbeeren an Gelaͤndern aufzuziehen, den ich seit einiger Zeit an dem unter meiner Aufsicht stehenden Garten befolgte, gewaͤhrt mehrere Vortheile, und da er, wie ich glaube, nur wenig bekannt ist, indem ich ihn nirgendwo ausgefuͤhrt sehe, so veranlaßte mich dieses der Horticultural Society folgende Nachricht hieruͤber zu unterlegen. Der Zwek der Operationen, die ich jezt beschreiben will, besteht darin, die Zweige zuerst gerade aufwaͤrts zu leiten und bann an dem Gelaͤnder so zu ziehen, daß sie einen Bogengang bilden. Zu diesem Zweke werden zwei Reihen junger Stachel-Beer-Straͤucher gepflanzt, welche in jeder Reihe drei Fuß weit von einander abstehen. Die Reihen selbst sind fuͤnf und einen halben Fuß von einander entfernt. Man waͤhlt diejenigen Sotten, die am schnellsten und staͤrksten wachsen, weil ihre Zweige dann leichter die erforderliche Laͤnge erreichen. Wenn die Aeste gehoͤrig gestellt werden sollen, so muͤssen sie ungefaͤhr neun Zoll weit von einander kommen, und da die Staͤmme selbst 3 Fuß weit von einander entfernt sind, so duͤrfen jedem derselben nur 4 Aeste gelassen werden. Indessen ist es raͤthlich, anfangs einen oder zwei Aeste mehr zu lassen, damit man zufaͤllig entstehende Luͤken damit ausfuͤllen kann. Man stekt in derselben Linie mit den Stachelbeer-Straͤuchen eine hinlaͤngliche Anzahl ungefaͤhr 5 Fuß hoher Latten in die Erde, und bindet jeden einzelnen Ast an eine solche Latte: wenn diese Aeste endlich bis zur Hoͤhe derselben herangewachse sind, wird das Gelaͤnder aufgesezt und befestigt. Es kann aus Pfosten und Zimmerholz oder aus Eisen gebaut werden. Die Hoͤhe von der Erde bis zum Mittelpuncte des Bogens soll volle sieben Fuß betragen, damit man leicht unter den Boͤgen hingehen kann. Nachdem das Gelaͤnder aufgesezt ist, kann man die Latten wegnehmen, und die Aeste an das Gelaͤnder in gleicher Entfernung anbinden, und dann in gerader Richtung aufwaͤrts fortziehen, bis sie oben zusammenstoffen. In sechs Jahren nach der ersten Anlage ist das ganze Gelaͤnder uͤberwachsen. Die Behandlung der auf diese Weise gezogenen Pflanzen ist hoͤchst einfach; im Fruͤhlings und Sommer muͤssen die Seitentriebe in einer kleinen Entfernung von ihrem Ursprunge abgekneipt werden, so daß die Aeste alle rein von einander entfernt bleiben, und zur Zeit des Schnittes schneidet man alle Schoͤßlinge weg, so daß nur Sporne an den Hauptaͤsten zuruͤk bleiben. An jedem Ende eines Astes muß man jedoch einen guten Leitschoͤßling zuruͤk lassen, bis jener die gehoͤrige Laͤnge erreicht hat, und dieser muß im Winter bis zur ersten Knospe niedergeschitten werden. Wenn ein Ast aus was immer fuͤr einer Ursache ausblieb, muß ein neuer vom Grunde herauf zugeleitet werden, um die Stelle desselben zu ersezen. Wo die Fruͤchte haͤufig kommen, muß zu gehoͤriger Zeit ausgelichtet werden. Wenn die Fruͤchte reif sind, gewaͤhrt ein solcher Bogengang einen sehr schoͤnen Anblik, indem jede Beere dem Auge derjenigen sich darbiethet, die unter demselben spaziren gehen. Dieser Umstand, und die Leichtigkeit, mit welcher die Fruͤchte hier gepfluͤkt werden koͤnnen, sind allein schon Empfehlung genug fuͤr diese Art von Anzucht. Ueberdieß werden die Beeren dadurch stets rein gehalten, und bleiben frei von allem Kothe, mit welchem Plazregen sie so oft bedeken, wenn die Aeste nahe an der Erde gehalten werden; und ich kann mit Vergnuͤgen versichern, daß Stachelbeere auf diese Weise gezogen, mehr Fruͤchte tragen, als auf die gewoͤhnliche Art. Die Leichtigkeit, mit welcher man den Grund umgraben und duͤngen kann, ist eine Empfehlung mehr fuͤr diese Art, die Stachelbeeren zu ziehen. Wenn man mehr Stachelbeeren noͤthig hat, als in einem Bogengange wachsen koͤnnen, so koͤnnen zwei und drei solcher Gaͤnge neben einander angelegt, und die Zwischenraͤume mit Garten-Gewaͤchsen bestellt werden: denn diese Raͤume werden dann nicht mehr niedergetreten, indem der Gaͤrtner die Stachelbeeren von dem Bogengange aus besorgen kann. Die Wirkung der reifen Fruͤchte fuͤr das Auge ist dann am Schoͤnsten, wenn gleiche Sorten einander gegenuͤber gepflanzt werden, so daß beide Seiten und der Bogen daruͤber dieselben Fruͤchte tragen. Ich habe es nicht versucht, Johannisbeeren auf eben dieselbe Weise zu ziehen; ich denke aber, daß man dieselbe mit eben soviel Vortheil anwenden kannDie Stachelbeeren sind ein National-Gewaͤchs der Englaͤnder, die mehr als 300 Sorten derselben in ihren Gaͤrten ziehen, wovon einige Fruͤchte von der Groͤße eines Tauben-Eyes tragen. Diese Sorten sind in der Ausgabe von Linne's Systema Vegetabilium von Roͤmer und Schultes verzeichnet, und in Bertuch's Garten-Magazin sind einige der schoͤnsten Sorten derselben abgebildet. Es bestand einmahl in Deutschland eine Stachelbeerfreunde-Gesellschaft, die sich aber aufgeloͤst hat. Wir besizen in Deutschland kaum den dritten Theil der englischen Sorten. – Zwei Fragen wird die Erfahrung uͤber diese neue Methode Stachelbeeren zu ziehen noch entscheiden muͤssen: 1tens, ob die Fruͤchte eben so schmakhaft werden (vorausgesezt, daß man Stachelbeeren schmakhaft finden kann: denn im suͤdlichen Frankreich essen sie nur die Kinder); 2tens, ob die Stachelbeer-Raupe in diesen Bogengaͤngen sich nicht noch leichter einnistet, und die Straͤucher noch mehr als gewoͤhnlich verheeren wird. A. d. Ueb..