Titel: | Explosion des amerikanischen Dampf-Bootes Aetna. |
Fundstelle: | Band 15, Jahrgang 1824, Nr. XX., S. 138 |
Download: | XML |
XX.
Explosion des amerikanischen Dampf-Bootes
Aetna.
Aus dem London Journal of Arts and Sciences. Julius
1824. (Im Auszuge.)
Explosion des amerikanischen Dampfbootes Aetna.
Bekanntlich war das Dampfboot Aetna, welches gegen zehn Jahre
lang auf dem Fluße Delaware ohne den geringsten ungluͤklichen Zufall hin und
her gegangen, mit einer Dampfmaschine von hohem Druke (high.
pressure-Engine) versehen, und die schrekliche Explosion dieses Schiffes,
durch welche viele Menschen ihr Leben verloren, erregte in Amerika ein lautes und
allgemeines Geschrei gegen diese Art von Maschinen.
Dieses (vermeintliche) Vorurtheil zu bekaͤmpfen, tritt in der
Philadelphia National Gazette ein Ungenannter, welcher
sich Justice (Gerechtigkeit) unterzeichnet, auf, und
sucht zu beweisen, daß der hohe Dampf an jenem Ungluͤke keine, Schuld hatte.
Zu diesem Ende fuͤhrt er folgende Thatsachen und Gruͤnde an:
„Die Dampfkessel des Aetna sind einige Tage vor ihrer Explosion
gereinigt, und durch sachverstaͤndige Maschinisten sorgfaͤltig
untersucht und im besten Zustande befunden worden. Das Schiff ging zur Zeit der
Explosion nur mit 18 Umlaͤufen seiner Raͤder in jeder Minute,
waͤhrend dessen gewoͤhnlicher Gang, womit es so viele Jahre lang
mit aller Sicherheit betrieben wurde, 21 bis 22 Umlaͤufe erforderte. Man
hat vollen Grund zu glauben, daß der Dampfkessel, welcher zersprang, leer oder
beinahe leer von Wasser war. Das (gekruͤmmte) Rohr, welches diesem Kessel
sein Wasser zufuͤhrte, fand man fast gaͤnzlich verstopft durch
eine harte Substanz (Kalk oder Selenit aus dem Seewasser abgesezt) und dieser
Verstopfung, glaubt der Verfasser, sey das ganze Ungluͤk zuzuschreiben.
– Jedermann weiß, daß man auf allen Dampfschiffen es fuͤr
hoͤchst gefaͤhrlich haͤlt, wenn das Wasser in den Kesseln
zu seicht wird. Auch erhielt man die glaubwuͤrdige Nachricht, daß kein
Wasser aus dem geborstenen Kessel ausgeworfen ward, und daß die von dieser
Explosion getoͤdteten Personen nicht durchnaͤßt und verbrannt
waren, so daß es sehr wahrscheinlich ist, daß dieselben durch die Wirkung einer
toͤdtlichen Luftart erstikt sind. – Der Verfasser bemerkt nun, daß
die Watt'schen Dampfmaschinen, welche auf einen Druk von 7 Pfund auf jeden
Quadratzoll berechnet sind, auf einigen Dampfschiffen wirklich mit einem Druke
von 10 bis 20 Pfund betrieben werden, da hingegen die Kessel der Maschinen mit
hohem Druke auf eine Pressung von 500 bis 600 Pfund auf den Quadratzoll
eingerichtet und erprobt werden, wirklich aber nur mit 500 Pfund arbeiten, und
daß also die Leztern in der That sicherer als die ersten sind. – Wirklich
seyen auch schon auf Dampf-Booten, welche durch Maschinen mit niedrigem Druke
bearbeitet wurden, Explosionen erfolgt, wie z.B. auf der Atalanta, der Bollona, dem Adler, und neuerlich auf der Distel nebst andern; und die Wirkungen dieser Explosionen
waͤren eben so schreklich gewesen. – Wenn man nun hieraus die Folge ziehen wollte,
daß alle Dampf-Schiff-Fahrt so gefaͤhrlich
sey, daß man sie einstellen sollte, so haͤtte man Unrecht. Solche
Ungluͤks-Faͤlle zeigen nur, daß Sorgfalt und Aufmerksamkeit hier
noͤthig sey, wie uͤberall, und, wenn auch bei der groͤßten
Sorgfalt nicht alle Gefahr ganz und mit voller Gewißheit verhuͤtet werden
koͤnne, so sey zu bedenken, daß jeder Reisende mehr oder weniger Gefahren
sich aussezen muß, z.B. dem Scheuwerden der Pferde, dem Umwerfen oder Brechen
des Wagens u. d. gl. Wollte man alle Ungluͤksfaͤlle, welche auf
diese Art sich ereignen, zusammen zahlen, so wuͤrde sich zeigen, daß
hiedurch von Zeit zu Zeit mehr Menschen ihr Leben verloren haben, als auf
Dampfschiffen. Was endlich das Reisen zu Wasser betraͤfe, so
waͤren auf dreien, seit Kurzem gescheiterten, Schiffen (deren Namen der
Verfasser anfuͤhrt) mehr Menschen umgekommen, und mehr Eigenthum zu
Grunde gegangen, als auf allen Dampfbooten in den vereinigten Staaten seit ihrer
Einfuͤhrung, d.i. in einem Zeitraͤume von mehr als 16 Jahren.
Man beobachte jede Behutsamkeit im Baue der Dampf-Maschinen, sowohl mit hohem als
mit niedrigem Druke, und untersuche fleißig und oft ihre Staͤrke und
ihren Zustand, und man wird finden, daß Dampfschiffe die sicherste, so wie die
leichteste, wohlfeilste und schnellste von allen Arten von Transport
sind.“
Das London Journal fuͤgt diesem Aufsaze noch Folgendes bei:
Durch Versuche mit Dampf, welche Hr. Perkins
unlaͤngst angestellt hat, ist entdekt worden, daß Explosionen zuweilen durch
Zersezung des Wassers geschehen. Herr Perkin haͤlt
dafuͤr, daß viele von den Ungluͤksfaͤllen, welche durch das
Bersten von Dampfkesseln, mit hohem oder niedrigem Druke, sich ereignet haben, nicht
durch die Gewalt des Wasserdampfes, sondern durch die Explosion eines Gases entstanden sind. Er stuͤzt diese Meinung auf
verschiedene Thatsachen, welche wir hier anfuͤhren wollen. Es ist in diesem
Journale bereits erwaͤhnt worden, daß des Hrn. Perkins Methode, Dampf zu erzeugen, darin bestehet, daß er Wasser in einem
zugeschraubten cylindrischen Gefaͤße unter starkem Druk erhitzt, und von da in ein sehr starkes
eisernes Rohr ausdruͤkt, welches er den Recipienten nennt, und worin dieses
Wasser in Dampf zerplazt (flashes into Steam). Das
Ventil, wodurch das Wasser in seinem erzeugenden Gefaͤße eingeschlossen wird,
ist mit einem viel schwereren Gewichte beladen, als das Ventil, welches den Dampf im
Recipienten zuruͤk haͤlt. Wenn nun die Speisungs-Pumpe (feed-pump) (durch welche naͤmlich das Wasser in
den Generator gedruͤkt wird) zu arbeiten aufhoͤrt, so Hirt auch das
Wasser in lezteren auf, in den Recipienten zu dringen, waͤhrend der Dampf aus
demselben unter dem beladenen Ventile entwischt. So wie nun aber der Dampf in diesem
Recipienten durch Abnahme seiner Dichte zu schwach wird, um das Ventil zu heben,
verwandelt derselbe sich bald in ein explodirendes Gas, welches, sobald es Feuer
faͤngt, den Recipienten zersprengt, obwohl das Sicherheits-Ventil nur mit
1000 Pfund auf den Quadratzoll belastet ist, waͤhrend der Recipient stark
genug ist, um einen Druk von 30,000 Pfund aus jeden Zoll auszuhalten. Diese Art von
Explosion erfolgt zu augenbliklich, als daß solche durch irgend ein Sicherheits-Ventil koͤnnte verhuͤtet
werden. Verschiedene Zufaͤlle dieser Art haben sich in den Oefen des Hrn. Perkins ereignet, ohne den geringsten Nachtheil (?),
ausgenommen das Verderben des Recipienten. In der That sind die Gefaͤße des
Herrn Perkins so außerordentlich stark, und die darin
enthaltene Quantitaͤt von Gas ist so unbedeutend, daß ihre Schnellkraft sich
in der Bewirkung eines Bruches erschoͤpft (1). Diese Gas-Explosionen fanden
nie Statt, wenn die Maschine arbeitete, sondern waͤhrend dem Experimentiren
mit der Dampf-Kanone, wobei die Speisungs-Pumpe oͤfter stille stand, folglich
der Recipient, welcher nicht mehr mit Wasser versehen wurde, rothgluͤhend
warBei diesen Versuchen ward also die kleine Drukpumpe, durch welche das Wasser
in den Generator gepreßt werden muß, absichtlich gehemmt, und man war sohin
auf die Folgen im Recipienten vorbereitet Wie leicht kann aber an einer
wirklich und ununterbrochen arbeitenden Perkin'schen Maschine durch ein
zufaͤlliges Gebrechen am Kolben oder an den Ventilen dieser Pumpe
eine unwillkuͤhrliche und unbemerkte Hemmung ihrer Wirkung entstehen?
und wer buͤrgt dann fuͤr die schreklichste Explosion nicht nur
des kleinen Recipienten, sondern des weit groͤßern, aus dem diksten
Metalle verfertigten Generators, wenn die Temperatur des darin
verschlossenen Wassers durch keine neue Zustroͤmung gemaͤßigt
und graͤnzenlos gesteigert wird? – Ist dann nicht zu erwarten,
daß dieses Wasser sich in einen Dampf von ungeheurer Staͤrke
verwandeln, und, nachdem dieser einen Theil des Wassers durch das beladene
Ventil ausgestossen hat, den obern Raum im Generator einnehmen, und diesen,
sey es: als Dampf von dem ungeheuersten Druke, oder, zersezt, als
explodirendes durch die gluͤhenden Waͤnde entzuͤndetes
Gas mit der fuͤrchterlichsten Gewalt zersprengen werde? –
Ueberhaupt liegt eine der groͤßten Gefahren aller Dampfmaschinen mit
hohem Druke darin, daß der Kessel durch eine besondere Drukpumpe (feeding pump) gespeiset, d.i. mit dem
noͤthigen Zufluße von Wasser versehen werden muß, auf deren
bestaͤndige und regelmaͤßige Wirkung man sich nie mit
Sicherheit verlassen kann, da hingegen bei den Maschinen mit niedrigem Druke
das Nachfuͤllen des Dampfkessels durch den bloßen hydrostatischen
Druk eines Speiserohres (feeding pipe)
geschieht, dessen Wirkung immer von Aussen sichtbar und leicht zu reguliren
ist, und durch welches zugleich, wenn allenfalls das Sicherheits-Ventil
verstopft werden sollte, der zu hoch gespannte Dampf mit einem Theile des
Wassers ohne alle Gefahr sich entladen kann. A. d. Ueb..
In einer Note, welche wir so eben von Hrn. Perkins
erhalten haben, finden wir folgende Bemerkungen: „Als ich zuerst von dem
Ungluͤke des Dampfschiffes Aetna hoͤrte, fuͤhlte ich mich
uͤberzeugt, daß die Explosion nicht durch Dampf verursacht wurde, da mir
die Kessel in jenem Schiffe wohl bekannt sind. Ich hatte Einmahl das
Vergnuͤgen (the Satisfaction) von einer
Dampf-Explosion an Bord desselben Schiffes auf seiner Reise den Dalaware hinab
Zeuge zu seyn, welche den Passagieren nur durch den Stillstand des
Maschinenwerkes bemerklich ward.“
Wir koͤnnen nicht umhin, dem Publikum zu der vollkommenen Sicherheit der
Perkin'schen Dampf-Erzeugungs-Methode Gluͤk zu wuͤnschen, welche durch
das hier Angefuͤhrte auf die befriedigendste Art als erwiesen erscheint, die
Bruͤche in den Gefaͤßen moͤgen durch Dampf oder Gas verursacht
werden.
Zusaz des Uebersezers.
Wir koͤnnen nicht umhin, troz Allem, was hier zu Gunsten des neuen
Ultra-Systems in der Anwendung des Wasser-Dampfes gesagt worden ist, an der vollkommenen Sicherheit des Perkin'schen Apparates noch
immer zu zweifeln. Wir koͤnnen uns nicht uͤberreden lassen, daß bei
einer Vorrichtung, wo das Wasser in einem gluͤhenden metallenen
Gefaͤße, als gewaltsam condensirter Dampf, mit
einem Druke von ein Paar hundert Atmosphaͤren eingeschlossen ist, nicht mehr
Gefahr als bei einem gewoͤhnlichen Kessel seyn sollte, in welchem die
Elasticitaͤt des Dampfes nie uͤber 1 1/2 Atmosphaͤren steigt,
wie dieses bei den gehoͤrig
angeordneten und betriebenen Watt'schen Maschinen der Fall ist. Von vielen
hundert Dampfmaschinen dieser Art, welche in England seit 50 Jahren im Gange waren,
ist keine einzige zersprungen, und Schreiber dieses hat waͤhrend seines
neunjaͤhrigen Aufenthaltes in Großbritannien nie von einer Explosion einer
Watt'schen Maschine gehoͤrt Solche Ungluͤksfaͤlle sind
eigentlich erst seit der Einfuͤhrung des hohen Drukes (high pressure) durch den Ingenieur Trevithick bekannt, und gleichsam zur
Tagesordnung geworden. Die vom Hrn. Justice in der Philadelphia National-Gazette angefuͤhrten
Beispiele von geborstenen Watt'schen Maschinen, bei welchen; wie er selbst bemerkt,
die Staͤrke des Dampfes uͤbertrieben worden ist, sind nur ein neuer
Beweis der Gefaͤhrlichkeit des hohen Drukes. Die Entdekung des Hrn. Perkins daß der in einem roth gluͤhenden
Gefaͤße eingeschlossene Wasserdampf in ein aͤußerst
gefaͤhrliches explodirendes Gas sich verwandelt, gegen dessen augenblikliche Wirkung kein Sicherheits-Ventil
schuͤzen kann, ist allerdings merkwuͤrdig. Es ist aber auch offenbar,
daß eine solche Zersezung und Verwandlung eben nur bei seinem Dampf-Apparate
moͤglich und zu befuͤrchten ist, da bei den Watt'schen und andern
Maschinen mit niedrigem Druke der Dampf nie in gluͤhende Gefaͤsse,
oder mit solchen in Beruͤhrung kommt. Wenn daher auch seine Erklaͤrung
uͤber die Explosion des Dampf-Schiffes Aetna vollkommen richtig ist, so hat
er damit fuͤr die Unschaͤdlichkeit seines Ultra-Systems Nichts
bewiesen, und es ist ein
schlechter Trost fuͤr die Zuruͤkgelassenen der auf jenem Schiffe
umgekommenen Reisenden, daß ihre Freunde nicht durch hohen Dampf, sondern durch Gas
ihr leben verloren haben! –
J. v. B.