Titel: | Ueber ein neues Verfahren, große Hizgrade mit einem Wedgwoodschen Pyrometer zu messen. Von J. L. Späth, K. Hofr. und Prof. |
Autor: | Prof. Johann Leonard Spaeth [GND] |
Fundstelle: | Band 15, Jahrgang 1824, Nr. XLI., S. 230 |
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XLI.
Ueber ein neues Verfahren, große Hizgrade mit
einem Wedgwoodschen Pyrometer zu
messen. Von J. L. Späth, K.
Hofr. und Prof.
Späth's Verfahren große Hizgrade mit Wedgwoodschen Pyrometer zu
messen.
Unter allen seither bekannt gewordenen Pyrometern, ist unstreitig der Wedgwoodsche der
einzige, durch welchen sich die eigentliche Dichte der
Intensitaͤt der Flamme vergleichen laͤßt! Es bestehet
derselbe bekanntlich aus einem Wuͤrfel von weißem Thon, der in den Bergen von Cornwallis gefunden
wird; und von Hrn. Wedgwood eine eigene Bereitung
erhaͤlt, die er in Phil. Transact. Vol. 72. 1782
beschreibet.
Dieser Thon hat, wie jeder andere, außerordentlich seine Grundstoffe, die von Natur
große Kraͤfte haben; von welchen jede seiner Elementarschichten jenen Theil auf die Einsaugung verwendet, welche ihre
Grunstoffe in ihrer Mischung und Nexus als vacante
uͤbrig haben – er sauget durch diese Kraͤfte das Wasser, und
andere tropfbar fluͤßige und gasartige Stoffe in solcher Quantitaͤt in
sich, daß er selbst dadurch in eine teigartige Substanz
uͤbergehet, die sich kneten und formen laͤsset; er verliert diese Weiche in so weit, und wird um so consistenter, je mehr er seine ihm incolirende
tropfbar fluͤßige und andere feste Stoffe verduͤnstet; und ziehet sich in seinem Volumen um jenen Raum enger
zusammen, weiche diese zuvor in ihm eingenommen haben; oder er schwindet um den Raum seiner aus ihm verfluͤchtigten Stoffe nach und
nach ein; und wird dadurch in seiner Substanz um so dichter, fester und um so cohaͤrenter,
je staͤrker sich nun seine Grundstoffe durch ihre Annaͤherung, durch
ihre Kraͤfte wechselseitig anziehen.
1. Wird der Thon in gewißer Form, z. E. der Kugel-Cylinder oder
Wuͤrfelform, der troknen, warmen, und durch warme Winde stetig sich
erneuernden Luft im Freien ausgesezt, so
verduͤnstet er von seinen naßen und uͤbrigen ihm incolirenden Stoffen
so viele, als die ihn umgebende trokene Luft sie starker aus ihm ansauget, als er diese durch seine Kraͤfte, oder
durch seine sogenannte wasserhaltende Kraft an sich
halten kann; und der Thon schwindet um den Raum ein, den diese
Stoffe zuvor in ihm als incolirende eingenommen hatten. – Wird er
noch außerdem seines Orts an der Sonne erleuchtet, so
dringen ihre Strahlen bis auf eine gewisse Tiefe in ihn ein, und verfluͤchtigen aus ihm jene Stoffe – es
gehen diese aus ihm dampfartig und gasartig aus, wo den Wuͤrfel in dem Brennraum eines Brennspiegels das verdichtete Sonnenlicht trifft.
Auf aͤhnliche Art verfluͤchtiget auch die Flamme eines brennbaren
Koͤrpers, die den Wuͤrfel ganz umgibt, aus
ihm um so mehr seiner ihm incolirenden Stoffe, je dichter die
Flamme ist, und elastischer ihre Feuertheile
sind, oder je groͤßer ihr Hizgrad ist; er
schwindet deßwegen auch um so mehr in seinem Volumen ein, wenn er nun auf einmahl im
kalten Wasser abgekuͤhlt wird.
Man kann daher annehmen, daß sich die Hizgrade der Flammen verkehrt wie die Volumen verhalten, auf welche der naͤmliche Wuͤrfel in ihnen
einschwindet.
Schwindet z. E. der Wuͤrfel in einer Flamme A auf
die Haͤlfte seiner Seite; in einer Flamme B aber
nur bis auf 2/3 derselben ein; so verhalten sich die Hizgrade der Flammen wie
1/(1/2)³ : 1/(2/3)³ = (2/3)³ : (1/2)²
= 64 : 27
oder der Hizgrad der Flamme B ist
nur 27/64 des Hizgrades der Flamme A.
2. Fuͤr die Vergleichung der Hizgrade des Feuers legt nun, Hr. Wedgwood die Hize des Eisens zum Grunde, welche kein
Wuͤrfel auf diesem annimmt, in Umstaͤnden, wo
das Eisen bei Tage gerade noch rothgluͤhend scheinet, oder in der
technischen Sprache nur noch die Gluͤhehize hat;
die nach den Bestimmungen der HHr. Neuton, Kraft,
Muschenbroeck und Lambert im Mittel genommen,
nahe zu fuͤnfmahl groͤßer, als der Hizgrad des siedenden Wassers, oder
1060 Grad nach Fahrenheit bei 28 Zoll
Barometerhoͤhe ist.
Er nimmt ferner seinen Wuͤrfel nur etwas uͤber einen Halben Zoll, damit
er von dem Feuer ganz umstoßen, und durchdrungen werden mag.
Uebrigens bestehet sein erster Pyrometer, außer diesem Wuͤrfel aus zwei
meßingenen Linialen, die auf einer Platte so feste sind, daß sie unter sich
gleichstark in einer Laͤnge von 60 Zollen congruiren wuͤrden. Auf
diese Liniale traͤgt der Erfinder eine Scale auf,
die von Zoll zu Zoll, und dabei jeder noch in 10 gleiche Theile abgetheilt ist; und
sezt den Anfangspunct der Theilung dorthin, wo sein Wuͤrfel, nachdem er die
Gluͤhehize des Eisens angenommen hat, in Wasser
geloͤscht, gerade bis auf 1/2 Zoll einschwindet, und in dieser
Groͤße zwischen die Lineale sich gerade einschieben laͤsset.
Bei dieser Anlage liegen also die Liniale in den Seiten eines gleichschenklichten
Dreieks, dessen Basis oder Weite 1/2 Zoll, und dessen
Seitenlaͤnge 60 Zolle oder 600 Theile bis zu ihrer Congruenz mißt.
Koͤnnte nun dieser Wuͤrfel in einer Flamme erhizt und abgekuͤhlt
bis auf (m) solche Theile zwischen die Liniale
hineingeschoben werden, so wuͤrde er noch (600 – m) Theile vom Congruenz-Punct abstehen, und noch (y) Zolle messen: es wuͤrde daher seyn
600 : 1/2 = 600 – m : y : y = 1/2 – (1
– m/600) Zolle.
Waͤre nun der Hizgrad des am Tage noch rothgluͤhenden Eisens als ein
Normaler = 1; der Hizgrad fuͤr die
Groͤße (y) des Wuͤrfels aber (t) mahl Groͤßer, so waͤre hier
1 : t = 1/(1/2)³ :
1/(1/2)³ (1 – m/600)³ = (600
– m)³ : 600³ = (1 – m/600)³ : 1.
Als der Wuͤrfel auf Eisen sich erhizte, das die Weiße oder Schmidhize hatte, oder so eben
geschmiedet wurde, schwand er so weit ein, daß er sich um 90 Theile, oder sogenannte
Grade des Pyrometers hineinschieben ließ.
Es verhaͤlt sich daher nach dem von mir hier aufgestellten Princip die
Gluͤhehize des Eisens zu der Schmidhize des naͤmlichen Eisens wie
510³ : 600³ wie 4913 : 8000; oder wie 1 : 1,6283.
Hebt daher jene Hize das Fahrenheitische Thermometer auf
1060 Grade, so wuͤrde daher die Hize des zu schmiedenden Eisens oder die
weiße Hize dasselbe auf 1726, 68 Grade heben.
3. Da ferner die groͤßte Hize, vermuthlich des schmelzenden geschmiedeten Stabeisens, welche Hr. Wedgwood seinem Wuͤrfel geben konnte, nur auf 160 Grade sich
erstrekt, so verhielt sich die Normalhize des bei Tag
noch Dunkelroth gluͤhenden Eisens zu dieser groͤßten Hize, wie (600
– 160)³ : 600³, oder wie 1331 : 5375, oder wie 1 : 2,536.
Hebt nun jene Normalhize das Fahrenheitische Thermometer nach Hrn. Wedgwood um 1077 Grade; so wuͤrde diese Hize ihn
auch auf 2731,272 Grade steigend machen.
Als Hr. Wedgwood seinen Wuͤrfel ferner in
schmelzenden Gold, Silber, Gußeisen, und in der Schweishize des Schmideisens erhizte, konnte er denselben
zwischen die Liniale um 32,, 28,, 130,, 95,, Grade hineinschieben.
Behandle ich nun auch diese Hizgrade nach dem bisher aufgestellten Princip; so
wuͤrden diese nach Fahrenheit folgende seyn.
Fuͤr Silber
1082. |
Weiße Hize des Schmideisens
1725,68.
Fuͤr Gold
1273. |
Schweishize
1806,00.
Schmelz-Gußeisen
2020. |
Schmelz. Stabeisen
2731,272.
Diese Hizgrade kommen daher den Hizgraden, welche die HHrn. Neuton, Kraft, Muschenbroeck und Lambert
fuͤr diese Metalle aufgestellt haben, bei weitem naher, oder sie sind mit
jenen harmonischer, als die von Hrn. Wedgawood selbst angegebenen.
Denn diese sezen die Hizgrade fuͤr schmelzend Silber auf 1000; fuͤr
Gold 1300; fuͤr Gußeisen 1600; statt dessen Herr Wedgwood fuͤr Silber 4717; fuͤr Gold 5237; fuͤr
Gußeisen 17918, und fuͤr Stabeisen 20800. Fahr. Grade ansezt.
4. Diese hohen Angaben beruhen zunaͤchst in der irrigen Theorie, auf welche
Hr. Wedgwood die Scale seines
Pyrometers gruͤndete!
Nach ihm ist naͤmlich der Hizgrad fuͤr siedend Wasser wie
uͤberhaupt 212 Fahrenheit, und die Normalhize seines Wuͤrfels 1077
solcher Grade; die beide eine Differenz von 865 Graden gewaͤhren.
Da nun diese thermometrische Differenz auf der Scale seines Pyrometers eine Differenz
von 6,65 Graden seiner Scale gibt, so nimmt er mit Verzicht auf alle hier
einschlagende Umstaͤnde an, daß ein Grad seines Pyrometers mit 8,85/6,65 oder
mit 130 Graden Fahrenheit correspondire.
Wenn also der Wuͤrfel in einer Flamme dermassen erhizt wuͤrde, daß er
nach seinem Einschwinden wirklich auf 24 halbe, oder 240 Grade seines Pyrometers
zwischen seine Liniale eingeschoben werden koͤnnte; so wuͤrde Hr. Wedgwood dieser Hize 240.130 oder 31200 Grade geben;
statt daß sie nach immer, wie ich glaube, der Sache mehr angemessenen Ansicht nur
[(600 – 240)/600]³. 1077 oder 4988 Grade nach Fahrenheit messen wuͤrde.
Muͤnchen den 22. Juli 1824.