Titel: | Ueber die Weise, das Stärkmehl der Erdäpfel in Zuker zu verwandeln. Von Hrn. Dubrunfaut. |
Fundstelle: | Band 15, Jahrgang 1824, Nr. XLIV., S. 239 |
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XLIV.
Ueber die Weise, das Stärkmehl der Erdäpfel in
Zuker zu verwandeln. Von Hrn. Dubrunfaut.
Aus den Mém. de la Soc. roy. d'Agricult. 1823.
S. 146 in Gill's technical Repository. Septemb. 1824. S. 203 im
Auszuge.
Dubrunfaut über die Weise, das Stärkmehl der Erdäpfel in Zuker zu
verwandeln.
Der Verfasser faͤhrt bei dem Branntweinbrenner! aus
Erdaͤpfeln eine Reihe von Versuchen an, durch welche er beweiset, daß das
sogenannte Einweichen die wichtigste Operation ist, durch welche die Zukerbildung
geschieht. Er wuͤnschte zu sehen, was denn eigentlich mit den vegetabilischen
Stoffen im Zustande des Staͤrkemehles waͤhrend des Einweichens
geschieht, und mischte 500 Gramm Erdaͤpfel-Staͤrkmehl mit eben so viel
Gewichttheilen kalten Wassers, und goß nach und nach 3500 Theile siedenden Wassers
zu, worauf die ganze Masse einen gleichfoͤrmigen Brei von 50°
Réaum. (145° F.)Herr Gill sezt 50° R. = 124 F.; nach Neuman's Physik sind aber
50° R. = 145 F. nach der bekannten Formel: (F – 32)/2,25 =
R.A. d. Ueb. bildete. In diesem Zustande sezte er 150 Gramme geschrotenes Gersten-Malz
zu, ruͤhrte alles einige Minuten lang wohl durch einander, um es
gehoͤrig zu mischen, und ließ die Mischung in einem auf 50° R.
geheizten Ofen stehen. Nach einiger Zeit wurde die, anfangs dike und feste Masse
vollkommen fluͤßig; ihr Geschmak hatte sich geaͤndert, und sie
schmekte nach Zuker. Nachdem man sie der geistigen Waͤhrung uͤberließ,
indem man vorlaͤufig etwas Weizenbier-Hefen zugesezt hatte, gab sie bei der
Destillation 38 Centimeter herrlichen Branntwein von 19° spec. Gew. Herr
Dubruntfaut hat auf diese Art erwiesen, daß das Gerstenmalz die Eigenschaft besizt,
die Faͤcula fluͤßig und suͤß zu machen, und dieses zwar in Zeit
von einer Stunde.
Er versuchte diese Beobachtungen weiter auszudehnen, und eine einfachere und
wohlfeilere Methode zu finden, die Resultate derselben auf die Hauswirthschaft anzuwenden, und es
gelang ihm, das Starkmehl der Erdaͤpfel auf eine bequemere Weise
abzuscheiden. Die sehr fein geraspelten Erdapfel wurden zu 400 Grammen in
Breigestalt in eine Brau-Kufe mit doppeltem Boden geworfen, und, waͤhrend der
Arbeiter den Brei mit Rechen so viel moͤglich ruͤhrte, wurde siedendes
Wasser aufgegossen, und alles Starkmehl in einen Teig verwandelt. 20 Kilogramme fein
geschrotenen Malzes wurden zugesezt, und uͤberdieß noch etwas kurzes
Waizenstroh, das mit Vortheil beigemengt werden kann. In zwei Stunden ward alles
fluͤßig und zukerartig.
Die Fluͤßigkeit wird nun, wie bei dem Brauen, abgezogen, und in die
Gaͤhrungs-Kufe gebracht; man laͤßt hierauf die uͤbrig bleibende
Brei-Masse ablaufen, und sezt eine neue Menge Wassers von 50° Réaum.
Temperatur zu. Die Mischung wird, wie vorher, umgeruͤhrt, die
Fluͤßigkeit wieder abgezogen, und der Brei der Einwirkung einer Walzenpresse
unterworfen. Auf diese Weise wird der groͤßte Theil des
gaͤhrungsfaͤhigen Stoffes aus den Erdaͤpfeln ausgezogen; die
Fluͤßigkeit enthaͤlt nichts, was bei der Destillation hinderlich
werden koͤnnte, und man kann 54 Liter 19 gradigen Branntwein von
vortrefflichem Geschmake davon abziehenDurch diesen Versuch sagt uns Hr. Dubrunfaut nichts Neues, was folgende
Stelle aus einem Schreiben Doͤbereiner's an Schweigger, in lezteres
neuem Journal fuͤr Chemie und Physik Bd. 11. S. 457 beweist. Er sagt:
„Schon in der Periode, wo wir in Bayreuth vor etwa 16 Jahren
zusammen lebten, wirst Du Dich besinnen, daß ich Versuche anstellte
uͤber die von den Chemikern dortmahls noch bezweifelte
Gaͤhrungs-Faͤhigkeit des Amylons, und uͤber die
Natur des Gaͤhrungsprocesses selbst. Ich fand naͤmlich,
daß in allen meinen Versuchen das in Wasser aufgeloͤste Amylon
(duͤnner Amylonkleister) in die weinige Gaͤhrung
uͤberging, wenn ich die mit Ferment vermischte Aufloͤsung
desselben einer Temperatur von 25–30° R. aussezte und
sprach damahls schon die, nachher durch Kirchhoff bestaͤtigte,
Vermuthung aus, daß das Amylon, durch Reaction des Fermente,
wahrscheinlich erst in Zuker verwandelt werde.“
Nuͤzlicher ist es, wenn nach der Erfindung Kirchhoffs, die
Kartoffelstaͤrke vorher in eine suͤße, Gaͤhrung
faͤhige Masse umgewandelt wird. Hierauf hat der Gewerbsfleiß ein
vortheilhaftes Verfahren gegruͤndet, das sich nach
Chaptals Agrikulturchemie in Frankreich so sehr vervollkommnete, daß die auf
diese Art erhaltenen Producte gegenwaͤrtig die Concurrenz mit dem aus
Wein bereiteten Weingeist aushalten koͤnnen, obschon dieser leztere
in einem aͤußerst geringen Preise steht. Das Verfahren, welches wir
auch den deutschen Technikern nach eigener Erfahrung empfehlen
koͤnnen, ist folgendes: Man macht in einem bleiernen Kessel, (oder
besser in einem hoͤlzernen Gefaͤß, das mit einem Dampfapparate
in Verbindung gesezt ist), eine Mischung von concentrirter
Schwefelsaͤure (Vitrioloͤhl) und Wasser, so daß auf hundert
Theile Wasser, drei Theile Schwefelsaͤure kommen. Diese Mischung
bringt man zum Sieden, und laͤßt hierauf mittelst eines
Muͤhltrichters, nach und nach die anzuwendende Staͤrke troken
hineinfallen; daß siedende Gemisch ruͤhrt man tuͤchtig und
unaufhoͤrlich um. Nach Verfluß von sechs bis acht Stunden kann man
das Sieden beendigen, worauf man das Ganze ruhig stehen laͤßt. Nun
saͤttigt man die Saͤure mit Kreide, wodurch schwefelsaurer
Kalk (Gips) entsteht, der bald zu Boden faͤllt. So wie die ganze
Fluͤßigkeit hell geworden ist, und sich kein weiterer Bodensaz mehr
ablagert, laͤßt man sie unter Beobachtung der gehoͤrigen
Vorsicht ab, um sie in die Bottiche zu dringen, in denen die Gaͤhrung
vor sich gehen soll. Diese Bottiche haben fuͤnf Fuß Tiefe bei einem
Durchmesser von fuͤnftehalb. Man stellt sie an einen Ort, wo die
Waͤrme immer auf fuͤnf und zwanzig Graden erhalten wird. Die
Fluͤßigkeit muß am Araͤometer eine Schwere von sieben Graden
anzeigen. Sobald sie die Temperatur des Zimmers angenommen hat,
verduͤnnt man sie mit zwanzig Kilogrammen hollaͤndischer
Bierhefe, worauf sich die Gaͤhrung in kurzer Zeit zeigt, und einige
Tage fortwaͤhrt. Oefters bleibt sie stehen; aber sie tritt einige
Tage darauf wieder mit frischer Kraft ein. Fuͤnfzig Kilogramme
Staͤrke muͤssen zwanzig bis ein und zwanzig Litres-Brantwein
von 22 Graden geben, wenn man dabei recht zu Werke gegangen ist. Von dem
Staͤrkmehl kauft man zu Paris fuͤnfzig Kilogramme um acht bis
nenn Franken. (Bei uns kostet es bei wohlfeileren Getreide-Preisen leider
mehr als das Doppelte.) Der so gewonnene Branntwein hat weder in seinem
Geruch noch in seinem Geschmak etwas Unangenehmes; er ist lieblich und die
Likoͤrfabrikanten ziehen ihn dem aus dem Weine bereiteten vor. D.. Der Ruͤkstand dient als Viehfutter.
Dieser Versuch beweist, daß durch diese Veraͤnderung an dem
gewoͤhnlichen Verfahren mehr und schmakhafterer Branntwein gewonnen wird, als
wenn man die Erdaͤpfel durch Dampf und Umruͤhren in Brei verwandelt.
Die in die Blase eingetragene Materie ist vollkommen fluͤßig, und biethet
demnach bei der Destillation keine Schwierigkeit dar; die Arbeit wird weder umstaͤndlicher
noch kostbarer, und kann mit jedem gewoͤhnlichen Apparate verrichtet
werden.
Hr. Dubrunfaut beschraͤnkte sich nicht bloß auf die beste Weise das
Staͤrkmehl der Erdaͤpfel in Zuker zu verwandeln; er wollte sein
Verfahren auch auf verschiedene andere Kuͤnste, namentlich auf Brauerei,
anwenden. Nachdem er das Staͤrkmehl auf obige Weise behandelt hat, sezte er
Hopfen zu, verdichtete die Fluͤßigkeit auf 6° am Araͤometer,
und ließ sie dann gaͤhren: wenn die Gaͤhrung geendet ist, entwikelt
sich ein sehr angenehmer weinartiger Geruch. Die Fluͤßigkeit ward hierauf
nach einigen Tagen in Flaschen gezogen, wo die Gaͤhrung ihre Vollendung
erreicht, und wo sie dann dem Pariser BiereDas gute Pariser Bier ist ohne allen Vergleich besser als das Englische. A.
d. Ueb. hoͤchst aͤhnlich ist.
Wenn er die Fluͤßigkeit ohne Zusaz von Hopfen gaͤhren ließ und statt
desselben englischen Honig nahm, so erhielt er ein Bier, welches dem Geschmake und
allen Eigenschaften nach dem Loͤwener-Biere (bierre de Loewain) gleich kamAlso fuͤr einen Baier ekelhaft und durchaus nicht trinkbar ist.A. d. Ueb.. Vorzuͤglich fuͤr die zahlreiche Classe der Landbauern muß
diese so wohlfeile Bereitungsart des Bieres hoͤchst wohlthaͤtig
werden: Erdaͤpfel und Gerste sind uͤberall zu haben, und weder theuer
noch ungesund. Es ist nicht noͤthig ein starkes Bier aus denselben zu
bereiten, sondern nur einen leichten und erfrischenden Trank, der weder Kochen noch
Eindiken fordert. Man kann daher die durch das Einweichen erhaltene
Fluͤßigkeit mit Wasser verduͤnnen, wovon man, je nachdem die
Fluͤßigkeit mehr oder minder geistig seyn soll, mehr oder weniger zusezt. Die
Gaͤhrung kann durch einige Hefen, oder durch Baͤker Zeug erregt
werdenAuch hierinnen ist man in Deutschland laͤngst weiter gekommen, indem
man aus Staͤrke-Syrup ein geistiges Getraͤnk bereitet, das den
Wein leidlich surrogirt. Ein solches Etablissement hat der
Fabriken-Commissaͤr Dorn in Berlin, bei
dem ich vor 3 Jahren aus Staͤrke Syrup bereitete Weine kostete, die
alle Aufmerksamkeit verdienen. Naͤhere Anleitung uͤber die
Fabrikation des Staͤrkezukerwein findet man in der Schrift: Neue
Erfahrungen im Gebiete der Landwirthschaft und Gaͤrtnerei etc. von
Lampadius. Freiberg bei Craz und Gerlach 1823, aus der in
N°. 164 der Allgemeinen Handlungs-Zeitung ein Auszug entnommen ist.
Uebrigens verweise ich in Beziehung auf die wohlfeilste Methode Syrup aus
Vegetabilien zu gewinnen auf die Anm. 127. S. 490. B. XIV. in diesem
Journal. D..