Titel: Ueber die Natur und Vortheile der Räder und Federn an Kutschen; über den Zug der Thiere an denselben, und über die Form der Straßen. Von Davies Gilbert, Esqu., F. R. S. etc.
Fundstelle: Band 16, Jahrgang 1825, Nr. VIII., S. 28
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VIII. Ueber die Natur und Vortheile der Raͤder und Federn an Kutschen; über den Zug der Thiere an denselben, und über die Form der Straßen. Von Davies Gilbert, Esqu., F. R. S. etc. Aus dem Quarterly Journal of Science, Literature and the Arts, im Repertory of Arts, Manufactures and Agriculture. November 1824, S. 352. Gilbert, über die Natur und Vortheile der Räder und Federn an Kutschen. Wenn man die Raͤder rein in abstracto betrachtet, so muͤssen sie unter zwei verschiedenen Gesichtspuncten angesehen werden: 1tens, sie uͤbertragen die Reibung, die zwischen einem geschleiften Koͤrper und der verhaͤltnißmaͤßig rauhen und unebenen Oberflaͤche, uͤber welche derselbe geschleift wird, Statt hat, auf die glatten und geoͤhlten Peripherien der Achse und der Buͤchse, wo die absolute Quantitaͤt der Reibung, die noch immer Widerstand leistet, durch einen Hebel im Verhaͤltnisse des Rades zur Achse vermindert wird. 2tens, gewahren sie mechanische Vortheile zur Ueberwindung der Hindernisse, uͤber welche sie rollen, und zwar in dem Verhaͤltnisse der Quadrat-Wurzel ihrer Durchmesser, wenn die Hindernisse verhaͤltnißmaͤßig klein sind, indem sie die Zeit, waͤhrend welcher das Rad aufsteigt, in eben diesem Maße vermehren: uͤber kleine Quer-Geleise, Hoͤhlungen, Loͤcher laufen sie mit dem absoluten Vortheile weg, daß sie nickt anders, als in dem Verhaͤltnisse ihres Durchmessers einsinken, und mit dem oben erwaͤhnten mechanischen, den Quadrat-Wurzeln ihrer Durchmesser angemessenen, aus denselben emporsteigen. Unter diesen Gesichtspuncten betrachtet, koͤnnen die Roͤder nie zu groß seyn; indessen beschraͤnkt den Gebrauch der großen Raͤder ihr Gewicht, ihr Preis und die Bequemlichkeit. In Hinsicht auf die Erhaltung der Straßen sollen die Raͤder breit und so gebaut seyn, daß sie mit ihrer ganzen Breite zugleich tragen; jeder Theil derselben, der mit dem Boden in Beruͤhrung kommt, soll auf diesem rollen, und nicht im Mindesten sich schleppen oder schleifen. Allein, es erhellt aus den wohlbekannten Eigenschaften der Cycloide, daß obige Bedingungen nur dann vereint Statt haben koͤnnen, wann die Strassen vollkommen hart und flach und eben sind, und die Felgen des Rades mit ihren Reifen vollkommene Cylinder bilden: Diese Formen der Straßen und der Raͤder sind also das Ideal, welchem sie sich soviel moͤglich naͤhern muͤssen. Bisher wurden die Straßen, damit das Wasser ablaufen kann, in der Mitte convex gebaut. Es ist offenbar, daß in diesem Falle die Peripherien der Raͤder in ihren Querdurchschnitten Tangenten der krummen Linie werden, welche der Querdurchschnitt der Oberflaͤche der Straße bildet; und daher entstand die Nothwendigkeit die Achsen zu kruͤmmen, und die Raͤder etwas schief zu stellen. Hierdurch erhielt man nebenher einige Vortheile im Drehen, im Beschuͤzen der Nabe, und Raum, um obenauf mehr laden zu koͤnnen. Allein, neuere Erfahrungen haben gelehrt, daß die gekruͤmmte Form der Strassen durchaus nicht hinreicht, den gewuͤnschten Zwek zu erlangen, indem das kleinste Geleise an der Seite den Abfluß des Wassers aufzuhalten vermag, und gerade durch die gewoͤlbte Form der Straße die Wagen gezwungen werden in der Mitte derselben zu bleiben, wodurch diese Geleise entstehen. Man baut nun die Straßen vollkommen flach und eben, damit die Wagen uͤberall auf denselben fahren koͤnnen; sie werden dadurch uͤberall gleichfoͤrmig abgenuͤzt, und es entsteht auch nicht eine Spur einer Laͤngen-Furche. Man kann daher mit Sicherheit hoffen, daß Raͤder, welche sich der Cylinder-Form naͤhern, bald allgemein werden gebraucht werden koͤnnen. Die Linie des Zuges ist, in mechanischer Hinsicht, dann am besten gelagert, wann sie genau parallel mit der Richtung der Bewegung liegt: bei jeder Neigung dieser Linie vermindert sich die Kraft in dem Verhaͤltnisse des Cosinus des Winkels zu dem Radius. Wo haͤufig Hindernisse auf dem Wege vorkommen, ist es vielleicht besser, dieser Linie eine kleine Neigung nach aufwaͤrts zu geben, um bei Uebersteigung dieser Hindernisse mit mehr Vortheil wirken zu koͤnnen. Es ist aber wahrscheinlich, daß verschiedene Thiere ihre Kraft am vortheilhaftesten in verschiedenen Richtungen in Thaͤtigkeit sezen, und daher kann Erfahrung allein bestimmen, welche Neigung diese Linie bei Pferden, und welche sie bei Ochsen mit der zwekmaͤßigsten Genauigkeit haben muß. Diese Betrachtungen finden indessen nur dort ihre Anwendung, wo die Thiere unmittelbar an dem Wagen ziehen: damit aber die Zuglinie von ihrem Einfuͤgungspuncte an verlaͤngert, durch die Achse der Raͤder laufen kann, muß die Groͤße der lezteren nothwendig beschraͤnkt werden. Die Federn wurden wahrscheinlich anfangs nur zur Bequemlichkeit der Fahrenden angebracht; allein man fand bald, daß man noch andere wichtige Zweke durch dieselben erreichen kann. Sie verwandeln jeden Stoß in eine bloße Vermehrung des Drukes, d.i., das Zusammenstoßen zweier harter Koͤrper wird durch die Dazwischenkunft eines elastischen Koͤrpers in eine bloße Vermehrung des Gewichtes verwandelt. Auf diese Weise wird der Wagen vor Beschaͤdigung verwahrt, und das Straßenbau-Materiale wird nicht zerrieben; wo es uͤber Hindernisse weggeht, wird die Feder, statt daß die ganze Last mit dem Wagen uͤber dieselben gehoben werden muß, den Raͤdern ein Aufsteigen erlauben, waͤhrend die von ihr getragene Last kaum aus ihrer horizontalen Lage kommt. Wenn daher das ganze Gewicht von den Federn getragen werden koͤnnte, und die uͤbrigen Theile keine Traͤgheits-Kraft besaͤßen, wenn die Federn lang und biegsam genug waͤren, so wuͤrde, so sonderbar auch diese Behauptung scheinen mag, ein solcher Wagen uͤber jede Straße voll kleiner Hindernisse ohne Schuͤtteln, und ohne daß irgend eine Vermehrung der Zugkraft noͤthig waͤre, gefahren werden koͤnnen. Es scheint daher wahrscheinlich, daß, unter gewissen Veraͤnderungen an Form und Material, auch an den schwersten Wagen die Federn mit Vortheil angewendet werden koͤnnen, und daß folglich, wenn irgendwo Fiscal-Verordnungen entweder zu Gunsten des oͤffentlichen Schazes oder einzelner Oerter bestehen, wodurch der Gebrauch der Federn beschraͤnkt wird, diese fortan aufgehoben werden sollten. Obschon die Ebene des Weges und die Anwendung der Federn fuͤr alle Arten von Wagen vortheilhaft sind, so werden sie es doch dort ganz besonders, wo es sich um schnelles Fortkommen handelt, indem, wenn keine Federn angebracht sind, die Hindernisse auf dem Wege selbst eine Vermehrung der Zugkraft fordern, die dem Gewichte der Last, multiplicirt mit dem Sinus des Winkels zwischen den Puncten der Peripherie des Rades, die mit dem Grunde und mit dem Hindernisse in Beruͤhrung stehen, gleich ist, oder dem Quadrate der Hoͤhe desselben; eine noch weit groͤßere Kraft ist noͤthig, wenn die Geschwindigkeit bedeutend groß ist, wo die Traͤgkraft uͤberwunden werden muß; diese Kraft muß im Verhaͤltnisse des Quadrates der Hoͤhe des Hindernisses und des Quadrates der Schnelligkeit der Bewegung vermehrt werden. Wenn man sich aber der Federn bedient, so verschwindet die Nothwendigkeit der Vermehrung dieser lezteren Kraft beinahe gaͤnzlich, und die wohlthaͤtigen Wirkungen in Vermeidung der Nachtheile des Stoßes stehen dann im Verhaͤltnisse des Quadrates der Geschwindigkeiten. Die Vortheile, die fuͤr die Zugkraft dadurch entstehen, daß man schwere Paͤke auf die Federn bringt, hat man seit ungefaͤhr 40 Jahren, seit Einfuͤhrung der Mail-Coaches, kennen gelernt; man hat dann erst die Koͤrbe hinten am Wagen und vorne an demselben wegwerfen gelernt, und das Gepaͤke oben auf den Kutschen-Kasten legen gelernt. Da indessen dadurch die Hoͤhe der Kutsche bedeutend vergroͤßert wurde, so entstand das Vorurtheil, daß dieses zu vielen Ungluͤksfaͤllen Veranlassung gibt, und dieses Vorurtheil herrscht noch jezt; indessen wird auch nur ein Augenblik ruhiger Betrachtung hinreichen, jedem zu uͤberzeugen, daß, wenn der Kasten der Kutsche an gewissen gegebenen Puncten befestigt ist, durch das Aufthuͤrmen der Lasten auf demselben oder durch das Versenken derselben innerhalb desselben keine andere Wirkung hervorbracht werden kann, als daß der Wagen mehr oder minder leicht umwirftEs waͤre also Vorurtheil, die Wagen nicht so hoch zu erhoͤhen, wie dieß durch das Paken oben auf dem Dekel der Kutsche geschieht?A. d. Ueb.. Der haͤufige Gebrauch von Wagen, die an Federn haͤngen, um schwerere Guͤter von einem Orte auf den anderen zu bringen (ein Gebrauch, der erst zwei bis drei Jahre alt ist) wird Epoche in der Geschichte der Verbindung des Binnenlandes machen, und vielleicht nicht weniger wichtig werden, als die Epoche der Einfuͤhrung der Mail-Coaches selbst. Die Ausdehnung der Fluͤgel der Hauptstadt in die aͤußersten Puncte der Provinzen in so kurzer Zeit gewaͤhrt uns die Hoffnung, daß, wie die Straßen besser werden, auch die Mittel zu deren Erhaltung in demselben Maße sich bessern werden, so daß Dauerhaftigkeit und Wohlfeilheit, zugleich mit der Leichtigkeit des Fuhrwerkes, Hrn. M'Adam's System auszeichnen werden.