Titel: | Ueber vierfüßige wiederkäuende Dampfkessel, als Vorläufer unserer Dampfbothe. Von Wilh. Kleemann. |
Autor: | Wilh. Kleemann |
Fundstelle: | Band 17, Jahrgang 1825, Nr. XLVIII., S. 231 |
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XLVIII.
Ueber vierfüßige wiederkäuende Dampfkessel, als
Vorläufer unserer Dampfbothe. Von Wilh.
Kleemann.
Aus einem Schreiben an den
Herausgeber.
Mit einer Abbildung auf Tab. V.
Kleemann, über vierfüßige wiederkäuende Dampfkessel.
Sie werden verzeihen, wenn ich Ihnen in einem, mir ganz
fremden, Fache, eine Notiz mittheile, von welcher sie am Besten beurtheilen werden,
ob sie fuͤr ihr Publicum taugt, oder nicht. Wir wenigstens scheint die
Geschichte der Erfindungen in mancher Hinsicht eben so wichtig, als Erfindung
selbst. Die Technologie hat in Deutschland schon seit vielen Jahren ihren Janus, den
unsterblichen Beckmann, verloren, der uns nicht bloß lehrte, was
stuͤndlich im Osten und Westen neu ward, sondern der uns auch in seinen
kostbaren Beitragen zur Geschichte der Erfindungen an
dasjenige erinnerte, was die Welt langst vergessen zu haben scheint.
Die Erfindung der Dampfbothe, welche eine so wichtige Epoche in der Geschichte des
Welthandels bilden, und bald noch eine wichtigere im Seekriege bilden werden, ist,
was die Ruder-Raͤder betrifft, keine neue Erfindung. Schon die Alten
trieben ihre Kriegs-Schiffe, ihre Liburnen, mit Raͤdern, welche sie
von Ochsen drehen ließen, die sie am Borde dieser Schiffe hatten, und sie konnten
weit richtiger, wie wir heute zu Tage sagen, sie haben ein Both von der Kraft von 10
Ochsen, wenn sie 10 solche Thiere wirklich am Bord hatten.
Ich muß gestehen, daß es mich sehr befremdete, in den vielen von so vielen gelehrten
MaͤnnernNicht einmahl Hr. Guilbaud erwaͤhnt dieser
Vorrichtung der Alten, obschon er dieselbe bei seinem bateau zoolique anwendete. A. d. B. uͤber die Dampfbothe geschriebenen Werken nichts von dem
Umstaͤnde gelesen zu haben, daß auch die Alten ihre Schiffe mittelst
Raͤder fortzutreiben wußten. Daß indessen die so oft vergessenen und
verkannten Alten in dieser Hinsicht uns eben so gut, als in chronologischer, voraus
gewesen sind, werde ich Ihnen sogleich zu erweisen die Ehre haben. Vielleicht
uͤberzeugen Sie sich auch mit mir von der Wahrheit des Ausspruches des alten
Lord-Kanzlers Bacon: „daß es besser ist
eine wiederkaͤuende Akademie im Stalle zu haben, als eine solche, die
darauf ausgeht, ein neues Blau am Himmel zu entdeken.“ (Malo Academiam ruminantem, quam quae nova delegat.)
Glauben Sie nicht, daß alle Akademien in allen Welttheilen voll auf ein Jahrhundert
lang mit ihren gelehrten Kinnbaken zu arbeiten haben wuͤrden, wenn sie das
wiederkaͤuen wollten, was in den gelehrten Speichern des klassischen
Alterthumes, des Zeitalters der Kalifen und selbst der spaͤteren Zeiten
aufgethuͤrmt liegt, und nur hier und da von irgend einem literarischen
Nußbeisser, gleichsam im Fluge, wegstibizt wird?
Den Beweis, daß die Raͤder-Bewegung an Schiffen keine neue Erfindung
ist, den ich oben Ihnen zu liefern versprach, finden Sie in Godescalci Stewechii
Commentarius ad Flavii
Vegetii
Renati libros de re militari. 4. Antverp 1585. typ. Plantini S. 135. Wer dieser Stewechius war, weiß ich nicht: ich fand nicht mehr uͤber ihn in
den Gelehrten Lexicis, als ich aus seinem Werke selbst
entnehmen konnte. Er war zu Pont-à Mousson
an der dortigen Akademie, als er im Jahre 1584 die Vorrede zu seiner Ausgabe des Vegetius schrieb, welche im folgenden Jahre
gleichfalls bei Plantin zu Antwerpen erschien. Seinen Commentarius schrieb er im J. 1584 zu Toul (Tullo
Leucorum), und widmete denselben Illustr. Heroi
Joanni Comiti Slamensi, Lotharingiae Marescalco. Ob er, (er nennt sich Heusdanus) aus Heusden oder Huesden an der
hollaͤndischen Graͤnze (Heudena) oder aus Heust in Wermeland war, wofuͤr sein nicht batavischer Name zu
sprechen scheint, weiß ich nicht. Er sagt a. a. O. uͤber die
Raͤder-Schiffe Folgendes: „Admirable,
et novum plane navigii seu Liburnae genus, quod miro artis effectu rotarum
radiis, remorum loco adhibitis, movetur; hujus figuram ab incerto
auctore
Es ist sehr zu bedauern, daß der alte Stewech
diesen „incertus
auctor“ nicht genauer anfuͤhrt. Vielleicht
findet ihn Jemand, der mit den auctoribus
de rebus bellicis genauer bekannt ist, als meine Wenigkeit. A.
d. B.
De rebus belicis
mutuati sumus: eamque ob oculos
primum
inspiciendam proponore libuit; inde ejusdem scriptoris de
illa navi sententiam ad verbum sumus expressuri.“
„Liburnae rotatae figura.“ Man sehe die Abbildung auf Tab. V.
„Expositio ejusdem Liburnae.“
„Liburnam navalibus idoneam bellis, quam pro magnitudine sui virorum
exerceri manibus quodammodo imbecillitas humana prohibebat, quocumque
utilitas vocet, ad facultatem cursus ingenii ope subnixa animalium virtus
impellit. In cujus alveo vel capacitate bini boves machinis adjuncti
adhaerentes rotas navis lateribus volvunt; quarum supra ambitum vel rotunditatem
extantes radii, currentibus hisdem rotis, in modum remorum aquam conatibus
elidentes, miro quodam artis effectu operantur, impetu parturiente
discursum. Haec eadem tamen Liburnae pro mole sui, proque machinis in semet
operantibus tanto virium fremitu pugnam capessit, ut omnes adversarias
Liburnas, cominus venientes facili attritu comminuat.“
Ich uͤberseze diese Stelle nicht, da Hr. Bernouilli
zu Basel so eben in einer gelehrten Schrift erwiesen hat, daß man kein Latein zu
verstehen braucht. Fanden es die Leser noͤthig, so werden es vielleicht ihre
Soͤhne koͤnnen, wie sie anders nach unserem neuen oder alten
Gymnasial-Studienplane soviel Latein lernen koͤnnen, daß sie dieses
koͤnnen; denn, soweit meine Erfahrung seit 14 Jahren reicht, haben
Vaͤter sich nicht zu beklagen, daß unsere Jungen auf den
gegenwaͤrtigen Gymnasien in literis latinis zu
warm geritten worden sind.
Vielleicht bedauern Sie mit mir, daß eine der schoͤnsten Unternehmungen jenes
großen und wahrhaft edlen Mannes, dem sein Vaterland, das unsrige, und ich darf wohl
sagen ganz Deutschland, so viel verdankt,Der Briefsteller wollte hier vermuthlich Hrn. Baron Cotta von Cottendorf bezeichnen. D. fuͤr unser Vaterland verloren ging, und daß das fuͤr unser
Vaterland zunaͤchst bestimmte Dampfboth, Max Joseph, das uns wenigstens einen
Theil des Transito-Handels mit der Schweiz und mit Italien gerettet hatte,
der jezt durch Wuͤrtemberg geht, an Baden abgetreten wurde.Der Baiern durch das Dampfboth Friedr. Wilhelm entzogene
Transito-Handel ist fuͤr unser Vaterland ein uͤberaus
großer Verlust; denn alle Waarensendungen nach Wuͤrttemberg, den
Rhein-Gegenden u.s.w. gehen nun durch dieses regelmaͤßig
fahrende Dampfboth nach Friedrichshasen, und von da nach ihren
Bestimmungsorten, ohne Baiern zu beruͤhren, wovon wir uns zum
groͤßten Leidwesen an Ort und Stelle selbst zu uͤberzeugen
Gelegenheit hatten. D. Vielleicht finden Sie es aber auch mit mir nicht unwahrscheinlich, daß die
Lindauer ihre Schiffe mit Ochsen bemannen, vorher aber, damit keinem Dritten ein
Praͤjudiz erwachse, dieselben in die Schiffer-Zunft zu Lindau
einkaufen werden. Fuͤr jeden Fall ist bei diesen vierfuͤßigen
wiederkaͤuenden Dampfkesseln keine Explosion zu befuͤrchten, indem
nicht zu besorgen steht, daß man sie auf dem Bodensee so leicht mit Klee
uͤberfuͤttern wird. Ob man anderswo Gebrauch von diesen Dampfkesseln
machen wird, wird die Zeit lehren.
Ich habe die Ehre etc.