Titel: Eine neue Entdekung in der Bereitung des Stärke-Zukers.
Fundstelle: Band 18, Jahrgang 1825, Nr. LXXV., S. 384
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LXXV. Eine neue Entdekung in der Bereitung des Staͤrke-Zukers. Hesperus Nr. 263. Allgemeiner Anzeiger der Deutschen Nr. 301. Eine neue Entdekung in der Bereitung des Staͤrke-Zukers. Bekanntlich wird die Staͤrke nicht bloß durch Einwirkung des Klebers und Wassers beim Malzen des Getraides und bei der Zukergaͤhrung, sondern auch durch laͤngeres Kochen derselben mit Schwefelsaͤure und WasserDer erste, welcher die Bildung des Traubenzukers bei der Behandlung der Staͤrke mit Schwefelsaͤure bemerkte, war der Akademiker Kirchhof zu Petersburg, derselbe Chemiker hat auch diesen Gegenstand am weitesten verfolgt, und sich um die Aufklaͤrung desselben durch seine zahlreichen Versuche die groͤßten Verdienste erworden. Außer der Schwefelsaͤure koͤnnen noch Salpetersaͤure, Salzsaͤure und Sauerkleesaͤure, nicht aber Weinsteinsaͤure, Citronensaͤure, Phosphorsaͤure, Essigsaͤure und schwefelichte Saͤure nach ihm den gelatinoͤsen Zustand der Staͤrke zernichten und dieselbe bei anhaltender Waͤrme in Traubenzuker verwandeln. Diejenige Sorte von Staͤrke erklaͤrt er fuͤr die beste zu diesem Zweke, welche in kochendem Wasser aufgeloͤst, die klarste Aufloͤsung gibt, und dieß ist mit der aus Kartoffeln gewonnenen, besonders der Fall.D. in Zuker umgewandelt, der im reinen Zustande gleich dem Traubenzuker kugelfoͤrmig krystallisirt. Vom Rohrzuker unterscheidet er sich sowohl durch die Form seiner Krystalle, als auch dadurch, daß er bei gleicher Menge nur halb so stark versuͤßt, als dieser; wird er aber der Weingaͤhrung unterworfen, so entwikelt sich daraus eben so viel Weingeist, als aus dem Rohrzuker. Das Kochen der Staͤrke mit Schwefelsaͤure und Wasser geschah bisher entweder uͤber offenem Feuer in einem gut verzinnten kupfernen Kessel, wobei man auf 100 Theile Staͤrke 2 bis 3 Theile Schwefelsaͤure und 300 bis 400 Theile Wasser anwendet, und 6 bis 8 Stunden lang kocht, waͤhrend man das verdampfende Wasser nachgießen muß; oder es wurde durch Dampf in einem hoͤlzernen Gefaͤße gekocht, wobei man auf 100 Theile Staͤrke 6 bis 8 Theile Schwefelsaͤure und 200 bis 300 Theile Wasser anwendet, und die Fluͤssigkeit 8 bis 10 Stunden in der Temperatur des kochenden Wassers erhaͤltAus den von Kirchhof im Großen, im Beiseyn des zur Pruͤfung seiner Entdekung verordneten Comites, angestellten Versuchen, hat sich ergeben, daß das beste Verhaͤltniß der Saͤure zur Staͤrke ist, wenn man 1 1/2 Pfund starke Schwefelsaͤure mit 400 Pfund Wasser vermischt zu 100 Pfund Staͤrke nimmt und 24 bis 25 Stunden kocht. Die in sehr verschiedenen Quantitaͤten mit der Staͤrke vermischte Schwefelsaͤure bringt, nach gehoͤrigem Kochen, Zuker hervor. Die zum Kochen erforderliche Zeit haͤngt von der Menge der Schwefelsaͤure ab. Wenn z.B. zu 100 Pfd. Staͤrke 10 Pfd. concentrirte Schwefelsaͤure mit 600 Pfd. Wasser verduͤnnt, genommen werden, so sind nur 7 bis 8 Stunden zum Kochen erforderlich, um die Staͤrke in Zuker umzuwandeln. Es werden 20 Stunden Zeit zum Kochen erfordert, wenn zu 100 Pfund Staͤrke 2 1/2 Pfd. Schwefelsaͤure, mit 400 Pfd. Wasser vermischt, genommen werden. Eine Mischung von 100 Pfd. Staͤrke, 1 Pfd. Schwefelsaͤure und 400 Pfd. Wasser erfordert wenigstens 36 bis 40 Stunden zum Kochen, damit die ganze Quantitaͤt der Staͤrke in Zuker umgewandelt werde.D.. Das erste Verfahren sollte schon deswegen nie angewendet werden, weil, wenn man auch nur 2 Proc. Schwefelsaͤure nimmt, der kupferne Kessel sehr schnell an einzelnen Stellen von der Verzinnung entbloͤßt, und alsdann das Kupfer von der Schwefelsaͤure aufgeloͤst wird. Das andere, besonders von Lampadius empfohlene Verfahren, ist zwar zwekmaͤßiger, man muß aber, wenn der Prozeß in 10 Stunden beendigt seyn soll, wenigstens 6 Proc. Schwefelsaͤure anwenden, und der hoͤlzerne Kochbottig wird von dieser groͤßeren Menge Schwefelsaͤure so stark angegriffen, daß er bald unbrauchbar wirdKirchhof selbst hat gut verzinnte kupferne Kessel zum Kocken empfohlen und glaubt, daß ein gewoͤlbter Boden des Kessels und eine allmaͤhlig enger werdende Muͤndung desselben, sehr zwekmaͤßig sey, weil in diesem Falle nicht leicht viel Wasser verduͤnsten koͤnne. Das von Kirchhof empfohlene Verfahren, den Staͤrkezuker zu bereiten, findet man ausfuͤhrlich beschrieben, in Scherers Nordischen Blattern fuͤr die Chemie, Halle 1817, S. 145 bis 149.D.. Der Verfasser dieses hat sich seit einiger Zeit mit der Bereitung des Staͤrkezukers beschaͤftigt, und dabei folgende Entdekung gemacht, die er dem sich dafuͤr interessirenden Publikum hiermit oͤffentlich mittheilt: „Wenn man die Staͤrke mit Wasser und Schwefelsaͤure bei einer Temperatur kocht, die nur um einige Grade hoͤher ist, als die des kochenden Wassers, so braucht man nur 1 bis 2 Proc. Schwefelsaͤure anzuwenden, und die Staͤrke ist schon nach 2 bis 3 Stunden vollstaͤndig in sehr leicht krystallisirbaren Zuker umgewandeltEinen hierzu ganz geeigneten Dampfkochapparat findet man in meiner Schrift: Beschreibung und Abbildung mehrerer Dampfkochapparate beschrieben und auf Taf. 1. daselbst vollstaͤndig abgebildet. Von Hrn. Ludwig Gall in Trier ist vor Kurzem eine Schrift unter dem Titel: „Anleitung fuͤr den Landmann zur Syrup- oder Zukerbereitung aus Kartoffeln mittelst gewoͤhnlicher Branntweinbrennerei-Geraͤthe, worin zugleich die Darstellung der Kartoffelstaͤrke und des Zukerbranntweins gelehrt wird. Mit Abbildungen in Steindruk.“ erschienen. Der Verfasser nimmt auf 100 Pfd. Staͤrke 3 Pfd. Schwefelsaͤure, und laͤßt den zur Gleichfoͤrmigkeit gebrachten Brei noch 5 bis 6 Stunden kochen. Die Nuͤrnberger Handlungszeitung (Nr. 132) sagt bei diesem Gegenstande „daß dieß Kochen neueren Erfahrungen zufolge nicht noͤthig ist, und die Arbeit dadurch sehr vereinfacht werden kann. Man braucht nur 2 Pfund Schwefelsaͤure zu nehmen, bei 80° Waͤrme das Staͤrkmehl einzuruͤhren, und wenn es eine gleichartige Fluͤssigkeit bildet, und 80° Waͤrme hat, die Kufe gut zu bedeken, oder selbst ganz fest zu schließen, und so 6 Stunden stehen zu lassen. Erhaͤlt sich hierbei die Waͤrme auf ungefaͤhr 80°, was man durch Bedeken mit Tuͤchern und Verhindern jeder Abkuͤhlung leicht bewirken kann, so erfolgt die Umaͤnderung in Zuker, ohne daß weiteres Kochen noͤthig ist.“ Ist diese Angabe richtig, so kann die Veraͤnderung der Staͤrke in Zuker bei einer hoͤheren Temperatur in der oben angegebenen Zeit auch leicht statt finden.D.. Die auf diese Entdekung gegruͤndete Bereitungsart hat große Vorzuͤge vor der bisherigen. Man kann mit einem Kochapparat von gleicher Groͤße in derselben Zeit drei Mal mehr Staͤrke in Zuker umwandeln; man braucht nur etwa halb so viel Brennmaterial, und den vierten Theil der gewoͤhnlichen Schwefelsaͤure und der Kreide zur Abscheidung derselben (der Bodensaz ist daher auch um eben so viel geringer); der Kochbottig dauert weit laͤnger, weil die Holzfaser von der geringen Menge Schwefelsaͤure nur schwach angegriffen wird; uͤberhaupt kann man annehmen, daß die Bereitungskosten um etwa zwei Drittel vermindert werden, und fuͤr den Centner nur etwa 1 Rthlr. betragen. – Aus 100 Pfund Kartoffeln (die beste Frucht zur Gewinnung der Staͤrke) erhaͤlt man 10 bis 15 Pfund noch nicht raffinirten Zuker, und die Abfaͤlle dienen als Viehfutter. Da die ganze Bereitung sehr leicht ist, und da dieser so aͤußerst wohlfeile Zuker sowohl zum Versuͤßen der Speisen und Getraͤnke, als auch bei der Bereitung des Obst- und Johannisbeerweins, des BiersWozu wir in Baiern weder den Staͤrkezuker, oder einen andern verwendet wissen wollen.D. und des Essigs mit großem Vortheil gebraucht werden kann, was die Erfahrung bereits bestaͤtiget hat: so ist zu erwarten, daß die Bereitung des Staͤrkezukers kuͤnftig viel allgemeiner als bisher, als landwirthschaftliches Gewerbe wird betrieben werden, und daß ein Theil der Millionen baaren Geldes, welche jaͤhrlich fuͤr Zuker in's Ausland gehen, der inlaͤndischen Landwirthschaft zu Gute kommen wird. Um die Anwendung der obigen Entdekung zu erleichtern, bin ich gerne bereit, jedem, der dieselbe benuzen, und das ganze darauf gegruͤndete zwekmaͤßigste Fabrikations-Verfahren nicht selbst durch kostspielige Versuche ausfindig machen will, eine ausfuͤhrliche Beschreibung davon durch Zeichnungen erlaͤutert, nebst der Beschreibung einer sehr einfachen im Großen und im Kleinen anwendbaren Muͤhle, zur Ausscheidung der Staͤrke aus den Kartoffeln, mitzutheilen. Ich muß aber bitten, sich deßfalls in portofreien Briefen an mich zu wenden, und 3 Rthlr. beizulegen, um die Abschrift oder Drukkosten der Beschreibung und Zeichnungen davon bestreiten zu koͤnnenUnsers Dafuͤrhaltens verdient der Runkelruͤbenzuker noch vor dem Staͤrkezuker beachtet zu werden, weßhalb wir auf den Artikel Nahrungsmittel im vorigen Hefte S. 261. wiederholt aufmerksam machen.D.. Hof Rechtenbach bei Wezlar, im Oktober 1815. Karl Weinrich.