Titel: Ueber die Fortschritte der Industrie in England.
Fundstelle: Band 20, Jahrgang 1826, Nr. LXXXIII., S. 305
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LXXXIII. Ueber die Fortschritte der Industrie in England. Aus den Annales de l'Industrie nationale. N. 74. S. 153. (Im Auszuge.) Ueber die Fortschritte der Industrie in England. „Ein Sieg auf dem Schlachtfelde gilt heute zu Tage weniger, als die Errichtung einer neuen Fabrik, als eine neue Erfindung in der Mechanik. Dieser Triumph der Industrie ist der sichere Buͤrge eines kuͤnftigen hoͤheren Wohlstandes. Wir wollen ihn in England betrachten nach einer in einer englischen Zeitschrift gegebenen Uebersicht.“ Vermehrung der Haͤuser. Im J. 1801 zaͤhlte England 1,580,923 bewohnte Haͤuser;   – 1821   –   – 2,083,156    –   – In zwanzig Jahren vermehrte sich demnach die Zahl der Haͤuser um beinahe ein Drittel. Merkwuͤrdig ist es, daß diese Zunahme der Hauserzahl, so sehr sie Reichthum verkuͤndet, nicht mit der Zunahme der Menschenzahl im Verhaͤltnisse steht. So hatte London im Jahre 1801, 121,229 Haͤuser und    864,845 Einwohner, 1821, 164,631   – 1,225,694    –. Im Verhaͤltnisse zur Zahl der Einwohner vom J. 1801 fehlen im J. 1821 noch 12,000 Haͤuser. Noch auffallender ist dieses Mißverhaͤltniß in den großen Fabrikstaͤdten Englands. Vom Jahre 1801 bis 1821 vermehrte sich die Zahl der Einwohner zu Manchester um 68 p. C.; der Haͤuser um 56 p. C. Birmingham 49   –     – 45   – Nottingham 48   –     – 40   – Zu Leads, Derby, Carlisle blieb das Verhaͤltniß von 1801 auch im J. 1821. Die im J. 1784 eingefuͤhrte Ziegeltaxe gibt die beste Uebersicht der Vermehrung der Haͤuser. Mittelzahl der bezahlten Ziegel. 1785,1801,1811,1821, 86,87  2,312,1322,23 ====    468,405,628.   728,447,055.   934,065,839.1,020,289,133. Canaͤle. „Man hat gesagt, es geht mit den Actien auf Canaͤlen, wie mit den Lotterie-Loosen; es kommen viele Nieten auf einen Treffer. Folgende Thatsachen sind die Resultate in England. 33 Compagnien legten   3,734,910 Pfd. Sterling aus; Dividende bisher 0. 14    –   –   4,073,678  –   92,281 Pfd. Sterl. 22    –   –   2,196,000  – 162,400   – 11    –   –   2,073,300  – 216,024   – 10    –   –   1,127,230  – 311,554   – –––––––––– ––––––– 13,205,113 782,257 Im Durchschnitte tragen also die 13 Millionen Pfund Sterling 5 3/4 p. C. Interesse.“ Dampfmaschinen. „Es sind kaum 50 Jahre, daß Watt seine erste Dampfmaschine baute. Im J. 1822 zahlte Hr. Partington deren 10,000, die so viel arbeiten, als 200,000 Pferde.“ Baumwolle, Wolle; Seide. „Erst im J. 1600 fing man an Baumwolle in England zu verarbeiten, und Manchester besaß bereits im J. 1641 bluͤhende Fabriken; man konnte aber noch im J. 1760 keinen Zeug aus bloßer Baumwolle allein verfertigen. In diesem Jahre fing man an mit Maschinen zu arbeiten, und nun stieg die Fabrikation in folgenden Verhaͤltnissen: Mittlere Baumwollen-Einfuhr in den Jahren –       – –       – 1765 – 6 – 7 =1804 – 5 – 6 =1822 – 3 – 4 =     4,241,364 Pf. Sterl.  59,998,673   –153,799,302   – Man berechne hiernach die mit jedem Jahre in gleichem Verhaͤltnisse zunehmende Anzahl der Arbeiter. Anfangs verfertigte man nur ordinaͤre Baumwollen-Waaren; noch vor 40 Jahren kamen alle feinen Musline aus Ost- und Westindien; gegenwaͤrtig fuͤhrt England seine feinen Musline nach beiden Indien, und erhoͤht den Werth der Baumwolle durch seine Arbeit um das Vierzigfaͤltige; aus Einem Pfunde Baumwolle, das 3 Shillings roh kostet (1 fl. 48 kr.), verfertigt es ein Stuͤk Muslin, das 6 Pfd. Sterling (72 fl.) kostet. Die Ausfuhr der Baumwollen-Waaren stieg in folgendem Verhaͤltnisse: Mittlere Baumwollen-Einfuhr in den Jahren –       – –       – 1765 – 6 – 7 =1804 – 5 – 6 =1822 – 3 – 4 =      223,154 Pf. Sterl.  8,734,919   –26,128,221   –“ „Tuch- und Wollenzeug-Ausfuhr fing erst im Anfange der Regierung Georg III. an. Bald reichte weder die spanische noch die englische Wolle mehr hin, und man mußte Wolle aus Deutschland holen. Die mittlere Wollen-Einfuhr fuͤr die Jahre 1788–89–90 betrug 2,911,499 Pfund; in den Jahren 1822, 23, 24 aber 18,884,876. Die Ausfuhr stieg nicht in demselben Verhaͤltnisse, was von steigendem inneren Verbrauche zeigt. Sie war im Durchschnitte in den Jahren 1765 6 7 = 4,630,384 Pfd. Sterl. 1804 5 6 = 5,667,551     – 1822 3 4 = 6,200,548     –“ „Folgende Anekdote, welche die Schnelligkeit beweiset, mit welcher man in England arbeitet, ist in England allgemein bekannt. Sir John Trogmorton praͤsidirte Abends 7 Uhr bei einer Sizung von Tuchfabrikanten. Er hatte einen Rok an, der an demselben Tage des Morgens um 4 Uhr noch als rohe. Wolle am Ruͤken des Schafes hing. In Zeit von 12 Stunden war das Schaf geschoren, die Wolle gewaschen, gekardaͤtscht, gesponnen, gewoben, das Tuch gewaschen und gewalkt, geschoren, gefaͤrbt und zugerichtet, und um 7 Uhr Abends war der Rok fertig.“ „Die Seidenzeug-Fabrication in England beschaͤftigt einige hundert Tausend Menschen, und bengalische Seide trat an die Stelle der italienischen. Man beging anfangs grobe Fehlers man war so einfaͤltig, die Einfuhr des rohen Materiales mit hoher Mauth zu belegen, und der Minister hatte die absurde Anmaßung, den Arbeitslohn gesezlich bestimmen zu wollen. Es entstanden Volks-Tumulte, die Fabrikanten verließen London, und so entstand Paisley's neuer Wohlstand. Folgende Resultate zeigen die Zunahme der Seidenzeug-Fabrication: Textabbildung Bd. 20, S. 307 Mittel d. Seiden-Einfuhr, nach Abzug d. Ausfuhr; in den Jahren 1765 rohe Seide Flachs. „Ungeachtet der jaͤhrlichen Zunahme der Flachs-Erzeugung in England stieg die Einfuhr des auslaͤndischen von 219,610 Ztrn. in den Jahren 1788, 9, 90, auf 414,246 Ztr. 1804, 5, 6, 601,887  – 1821, 2, 3. Die Ausfuhr stieg in einem weit groͤßerem Verhaͤltnisse; sie war in den Jahren 1765, 6, 7,   4,631,806 Yards (Yard = 3 Fuß), 1804, 5, 6, 10,387,543    –     – 1822, 3, 4, 32,287,543    –     – Auch in Ireland verdreifachte sich die Ausfuhr.“ Metalle. „England erzeugte im J. 1750,   22,000 Tonnen Eisen (Tonne = 20 Ztr.) 1806, 250,000     –     – 1816, 380,000     –     – 1824, 600,000     –     – Es fuͤhrte aus in den Jahren 1765, 6, 7, 11,375 Tonnen. 1804, 5, 6, 28,009     – 1822, 94,008     – Die Kupfer-Erzeugung ging nicht so rasch; sie verdoppelte sich jedoch in den lezten 25 Jahren. Um sich einen Begriff von der Aufnahme der Metallwaaren-Fabrication (hard-ware) in England zu geben, darf man nur das. Emporsteigen der Staͤdte beachten, in welchen sich vorzuͤglich Metall-Arbeiter niederließen. Birmingham hatte im J. 1801,   73,670 Einwohner; 1821, 106,722     – Sheffield 1801,   45,755     – 1821,   65,275     – Wolverhampton 1801,   12,565     – 1821,   18,380     –.“ Toͤpferwaaren-, Spiegel-, Leder- und Papier-Fabrication nahmen in aͤhnlichem Maße zu; die schweren Abgaben, die auf diesen Fabricaten ruhen, hinderten die Ausfuhr derselben.“ Die gesammte Ausfuhr der Kunst- und Natur-Producte Englands betrug, nach den Mauth-Registern, in den Jahren 1733, 4, 5 11,090,718 Pfd. Sterl. 1803, 4, 5 27,726,933    – 1821, 2, 3 45,233,359    – Einen anderen Beweis des zunehmenden Wohlstandes liefert die jaͤhrliche Zunahme der Erbsteuer; diese betrug im J. 1810, 520,983 Pfd. Sterl. 1815, 675,807    – 1819, 855,635    – 1823, 990,787    –. Dieser Wohlstand, dieser Reichthum fuͤllte indessen nicht die Saͤkel einiger Wenigen, sondern verbreitete sich soviel moͤglich durch das ganze Volk, und ward zum National-Reichthume. Das Verhaͤltniß der Staatsglaͤubiger scheint dieß so ziemlich zu erweisen. Nach einem dem Parlamente vorgelegten Status belief sich die Zahl der Staatsglaͤubiger im J. 1823 auf 288,473. Davon hatten     10 Pfd. Sterl. Renken   92,223     10   bis     20     –   42,083     20   –   100     – 101,274   100   –   200     –   26,410   200   –   400     –   15,604   400   –   600     –     5,170   600   – 1000     –     3,260 1000   – 2000     –     1,741 2000   – 4000     –        490 Ueber 4000     –        218 „Es ist also der groͤßte Theil der Staatsschuld in den Haͤnden der Mittelklasse. Die sogenannte Assesed Tax fuͤhrt zu denselben Resultaten. Die Zahl derjenigen, die Ein Luxus-Pferd haben, betraͤgt 148,788; die derjenigen, die deren zwei halten, 23,493; die 3 bis 8 halten, 15,704; die deren uͤber 8 halten, 1,168. Einen maͤnnlichen Dienstbothen halten 40,218 Individuen; 2 Bediente, 6761; 2 bis 5 ausschließlich, 4652; 5 bis 8 ausschließlich, 1,596. 618 halten mehr dann 10. 735,110 Haͤuser haben unter   10 Fenster; 178,334      – 10 bis   20   36,485      – 20   30   50,673      – 30   40     6,326      – 40   60     2,640      – 60 100        940      – uͤber 100 Vom Jahre 1804 bis 1823 hat die Zahl der vierraͤderigen Luxus-Waͤgen sich verdoppelt; sie ist von 13,250 auf 26,799 gestiegen; die der Gigs (zweiraͤderigen) hat sich um 125 p. C. vermehrt, und ist von 20,145 auf 45,856 gestiegen.“ Seit 30 Jahren hat die Zahl der Kaufleute zu London sich verdreifacht, die Geschaͤfte haben sich verzehnfacht, ohne daß die Bankerotte sich in demselben Maße vervielfaͤltigt haͤtten. Im Durchschnitte waren in den Jahren 1791,   2,   3,    816 Bankerotte, 1801,   3,   3, 1,163      – 1811, 12, 14, 2,223      – 1821, 22, 23, 1,134      –Das laufende Jahr gibt indessen andere Resultate. A. d. Ueb. Im J. 1764 baute man in England noch eben so viel Gerste als Weizen, gegenwaͤrtig steht die jaͤhrliche Gersten-Ernte in England zur Weizen-Ernte, wie 1 : 3, und fast Alles ißt Weizenbrot. Vom J. 1764 bis zum J. 1824 vermehrte sich die Bevoͤlkerung um 78 p. C., und die Fleisch-Consumtion um 115 p. C. Die Viehzucht verbesserte sich zugleich so sehr, daß das Schlachtvieh im Durchschnitte Stuͤkweise schwerer wurde. Im J. 1732 wog ein Rind im Durchschnitte 370 Pfd.; 1794   –   –       – 462   – 1824   –   –       – 800   –Merkwuͤrdig ist, daß bei uns auf dem festen Lande in neueren Zeiten nur das schwarze Hornvieh schwerer wird. A. d. Ueb. Die mittlere Schwere eines Hammels war im J. 1732, 28 Pfd.; 1794, 35 1824, 80 Der Verbrauch des Thees und Zukers hat sich verdoppelt, ohne daß die Menschenzahl sich verdoppelt haͤtte. Reinlichkeit wird mit jedem Jahre gewissenhafter gepflegt. Vor 40 Jahren brauchte man in England nur 35 Millionen Pfund Seife; gegenwaͤrtig aber 85 Millionen jaͤhrlich.“ „Dieß sind die Resultate der so sehr verschrieenen, in manchem Lande so tief gekraͤnkten Industrie. Welcher Abstand zwischen England im Mittelalter, dessen Finsternisse, Rohheit und Unwissenheit man jezt wieder hervorrufen will, und England im 19ten Jahrhunderte! Was wird es in 100 Jahren seyn, wenn es auf dieser Bahn fortschreitet, waͤhrend seine. Nachbarn zuruͤkschreiten? Der Einfluß eines solchen Reichthumes, einer solchen Volkskraft auf den gesellschaftlichen und politischen Zustand laͤßt sich nicht berechnen. Und wie ist England mitten in langwierigen Kriegen, zu dieser Hoͤhe in seiner Industrie emporgestiegen? Durch Fleiß, Arbeitsamkeit, Foͤrderung der Kenntnisse durch polytechnische Institute, durch Gewerbsfreiheit, und durch das strengste Einfuhr-Verbot, dessen jemahls die Fabriken irgend eines Landes sich zu erfreuen hatten; nicht aber durch freie Einfuhr auslaͤndischer Fabrikate, und auch nicht durch Congregationen, Missionare, Jesuiten etc. etc, die man in England seit Heinrich VIII. (1534) nur mehr den Nahmen nach kennt.“