Titel: | Uebersicht der Fortschritte der Wissenschaften und nüzlichen Künste in Italien, in den lezten 5 Jahren. |
Fundstelle: | Band 20, Jahrgang 1826, Nr. CXXVI., S. 488 |
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CXXVI.
Uebersicht der Fortschritte der Wissenschaften
und nüzlichen Künste in Italien, in den lezten 5 Jahren.
Uebersicht der Fortschritte der Wissenschaften und nüzlichen Künste
in Italien.
Die Bibliotheca
italiana, welche, seit der Versezung ihres trefflichen
bisherigen Redacteurs, (des Hrn. Acerbi), als
oͤsterreichischen Consul nach Aegypten, nun durch eine Gesellschaft von
angesehenen Gelehrten
redigirt wird, liefert in den ersten beiden Heften des gegenwaͤrtigen Jahres
(Gennajo e Febbrajo), welche aber erst am 7. April
ausgegeben wurden, eine gedraͤngte Uebersicht des wissenschaftlichen und
technischen Zustandes von Italien in dem lezt verflossenen Lustrum von 1821 bis
1825.
Wir wollen aus dieser lehrreichen Uebersicht (die man leider von vielen anderen
Laͤndern bisher noch immer vermißt), nur dasjenige ausheben, was wir nicht
schon fruͤher der polytechnischen Litteratur aus
der Bibliotheca italiana zu seiner Zeit einverleibten,
und was eigentlich zur Technik im weitesten Umfange gehoͤrt.
Oeffentliche Erziehung. Es wird Niemanden befremden, wenn
es in Italien tout comme chez nous ist, d.h., wenn man
dort fuͤr Bildung kuͤnftiger Gelehrten durch Gymnasien, Lyceen,
Universitaͤten, Seminarien, Akademien etc. sorgt, die Bildung der
eigentlichen Bevoͤlkerung eines Landes aber, der als Handwerker und als
Landbebauer arbeitenden Classe, (den religioͤsen Unterricht abgerechnet),
gaͤnzlich vernachlaͤßigt, so daß die Fortschritte anderer
Voͤlker in Kuͤnsten und Gewerben, und in der Landwirthschaft
fuͤr das Land so gut wie verloren sind. So lange wir auf dem festen Lande von
Europa nicht das Beispiel unserer westlichen Nachbarn auf der Insel und der
Nord-Americaner nachahmen, so lange die Kinder unserer Handwerker und Bauern in den
Schulen bloß bethen, und nicht auch arbeiten lernen, so lange werden wir die
Riesen-Fortschritte der Englaͤnder und Americaner in Kuͤnsten und
Gewerben, und in der Landwirthschaft bewundern, aber nie erreichen. So wie der
Bergmann, der Forstmann, der rauhe Seemann, der Artillerist etc. seine Bergschulen,
Forstschulen, Seeschulen, Artillerieschulen etc. zu seiner zwekmaͤßigen
Bildung noͤthig hat; so braucht auch der Handwerker, der Landwirth seine
Schulen, in welchen er die zur Betreibung seines Gewerbes und seiner Wirthschaft
noͤthigen Grundsaze und Kenntnisse lernen kann. Wie und wo soll der Bauer
lernen, wie er sein Vieh ziehen und veredeln soll? Bei uns ist die mittlere Schwere
des Ochsen seit 80 Jahren dieselbe geblieben; in England hat sie sich, wie wir
neulich zeigten, seit dieser Zeit von 370 Pfund auf 800 Pfund gehoben. Woher kommt
dieß? Der Unterricht der Kinder des Landmannes beschraͤnkt sich dort nicht
auf bloßes Bethen, sondern auch auf Arbeiten; der Schulmeister kann nicht bloß Orgel
spielen und singen,
sondern er besizt auch die noͤthigen Kenntnisse in allen Zweigen der
Landwirthschaft, in der Viehzucht, im Akerbaue, im Gartenbaue etc., und theilt sie
seinen Schuͤlern mit; man wird gestehen, daß diese Kenntnisse an einem
Dorfschulmeister wohl eben so wichtig sind, als Orgelspiel und Gesang. Oder fordert
man vielleicht zu viel, oder macht man sich gar des Verdachtes der
Irreligiositaͤt schuldig, wenn man wuͤnscht, daß die Kinder nicht bloß
in der Religion, d.h., in dem, was fuͤr jene Welt, sondern auch in
demjenigen, was fuͤr diese Welt Noth thut, gehoͤrig unterrichtet
werden? „Man muß das Eine thun, und das Andere nicht
unterlassen“, lehrt uns der Apostel, und wie konnten wir dieser
goͤttlichen Lehre bei einem der wichtigsten Gegenstaͤnde fuͤr
den Menschen, bei dem Volks-Unterrichte, seit den Zeiten der Apostel beinahe
gaͤnzlich uneingedenk leben! Bethet, aber arbeitet auch, und arbeitet mit
Verstand: „Besehet das Land, wie es ist, und was es fuͤr ein Land
sey; ob's fett oder mager sey, und ob Baͤume darinnen sind, oder
nicht.“
Mose IV, 13. – Wir finden in dieser Uebersicht
uͤber Volks-Erziehung in Italien in den lezten 5 Jahren nichts, als folgende
beide Werke: Ginnastica elementare, o sia Corso analitico e
graduato degli esercizi atti a sviluppare et a fortificare l'organizzazione
dell' uomo etc. compilato da E. Young, 8.
Milano 1825. (Dieser Hr. Eduard Young ist k. k. Oberst und Direktor der k. k.
Militaͤr-Schule zu Mailand, wo man also endlich auch anfing von der
Nothwendigkeit eines Unterrichtes in gymnastischen Uebungen fuͤr die Jugend
sich zu uͤberzeugen, so wie jezt auch zu Paris, wo sie Hr. Amoros leitet. (Aus Deutschland wurde dieser wichtige
Zweig des Unterrichtes, den ein Deutscher (Guts Muths)
zuerst wieder in Anregung brachte, eines Fantasten wegen verbannt.) Sull' insegnamento delle arti meccaniche da farsi avere a
preferenza di qualsivoglia altra facoltà ai sordo-muti allievi dell J. R.
Istituto di Genova. 8. Torino. 1823.
Staats-Wirthschaft. Man muß den Italiaͤnern die
Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß sie, so wie sie die Ersten im Besize
classischer Cultur in allen Zweigen der Wissenschaften und der schoͤnen und
nuͤzlichen Kuͤnste gewesen sind, so auch die Staats-Wirthschaft nicht
bloß in gelehrten Abhandlungen, sondern in der Praxis, weit fruͤher, als in
den meisten Reichen des festen Landes und auf der Insel, die das feste land
beherrscht, gehandhabt
haben. Beinahe Alles, was in den neueren Zeiten die Fuͤrsten und ihre
Regierungen zu ihrer unsterblichen Ehre Gutes fuͤr das Wohl ihrer
Voͤlker dadurch thaten, daß sie die privilegirten Blutegel, vom
zunftmaͤßigen Schuster an, bis zum steuerfrei seyn wollenden Rector
Magnifikus, Praͤlaten und Reichs-Baron etc., gleichen Pflichten fuͤr
das Wohl des Vaterlandes unterzogen; daß sie, je nachdem es die erst aufkeimende,
mit aller Zaͤrtlichkeit zu pflegende, oder bereits bis zur Riesenkraft
herangewachsene, Industrie ihres Landes forderte, bald jede fremde Waare verbrennen,
bald alle Voͤlker der Erde ihre Waaren frei einfuͤhren ließen; mit
einem Worte, Alles, was die heutigen Obscuranten revolutionaͤr, und die
Staatsumwaͤlzler Despotismus nennen, wurde in Italien, und vorzuͤglich
in Sicilien, in jenen Zeiten, die wir die Zeiten der Barbarei nennen, allgemein
gehandhabt, und wenn wir Scrofani's vortreffliches Werk
della Dominazione degli Stranieri
(vorzuͤglich der Deutschen, der Schwaben), in Sicilia, das kein Minister des Inneren von
seinem Pulte sollte wegkommen lassen, durchblaͤttern; so werden wir finden,
daß nichts in unserer Staats-Wirthschaft neu ist, was nicht in Italien schon schon
vor vielen Jahrhunderten alt gewesen waͤre, und nur durch jene Kasten
untergraben worden ist, die den Glanz der Fuͤrsten eben so wenig ertragen
koͤnnen, als den Wohlstand der großen Masse des Volkes. – Unter den
neueren staatswirthschaftlichen Schriften in Italien zeichnen wir hier die Memoria sulla rendita rurale, di Salvatore
Scuderi, 8. Palermo,
1824, und La magià del credito svelata,
istitutione fondamentale di pubblica utilià da Guiseppe de Welz. 4.
Napoli. 1824, 2 vol. an,
ein Werk, das wir unseren Stok-Jobbers und allen jenen,
die Lust haben, im Handel mit Staatspapieren bankerott zu werden, nicht dringend
genug empfehlen koͤnnen. Auch das Werkchen dell'
utilità di estendere all'estero il commercio dei vini toscani e del modo
di migliorarne la manifattura, Memoria di
F. Tartino
Selvatici, 8. Firenze,
1825. p. Piatti, die Storia de' principj, delle massime e regole seguite nella
formazione del castato prediale, di C
. Lupi
, 8. Milano. 1825. Stamp. l.
R. die Memoria intorno al censimento dello
Stato di Milano nel 1700 e
della succesiva applicazione nel 1785 a
quello di Mantova, Mantova, 1823, verdient eben
so sehr die Aufmerksamkeit der Techniker, als die der Finanzmaͤnner.
Statistik. „Ein Schuster“, sagte Schloͤzer vor 30 Jahren zu Goͤttingen,
„kann eben so wenig ohne Statistik mit Vortheil Schuhe machen, als ein
Minister einen Friedens-Traktat schließen.“ In dieser Hinsicht wird
es uns vergoͤnnt, unsere Techniker im Geiste der alten
Goͤttinger-Schule auf die Storia della
statistica dalle sue origini sino alla fine del secolo 18 per servire d'introduzione ad un prospetto statistico
delle provincie venete, di A. Quadri. 8.
Venezia. 1824, auf die Libri dodici delle scienze statistiche, del A.
Padovani, 8. Pavia. 1824; auf die Annali di Statistica,
d'economia
etc. 8. Milano. 1824,
25; auf das Saggio di una Statistica della città di
Verona, d' Ign. Conte
Bevilacqua-Lazise. 8. Venezia. 1824; auf die Notizie statistiche
della
R. città di
Vicenza. 4 Fasc. 4. 1820–22, und die Notizie statistiche della provincia di Vicenza. 5
Fasc. 4. Padova.
1823–25 aufmerksam zu machen.
Mathematik. Ohne der Ehre des Vaterlandes eines Keppler, ohne dem Ruhme der Landsleute eines Newton und eines Laplace zu
nahe zu treten, darf man gestehen, muß man dankbar bekennen, daß kein Volk auf Erden
so viele und so große Mathematiker aufzuweisen hat, als das italiaͤnische,
welchem, was vielleicht nicht alle wissen, auch Lagrange
angehoͤrt. Es darf uns daher nicht befremden, wenn die Ausbeute fuͤr
Mathematik (abgesehen von Astronomie), in diesen 5 Jahren nicht unbedeutend war. Wir
bemerken hier nur des beruͤhmten Vincenzo Flauti
– Del metodo in matematiche e della maniera di ordinare gli
elementi di queste scienze. Napoli. 1822, und sein Elogio storico di Nicola
Fergola. Napoli. 1822; die Soluzioni geometriche di alcuni difficili problemi
solidi condotti a fine col metodo degli Antiche geometri
da Fr. Bruno, Napoli. 1824; den Discorso intorno ad Archimede, dell' abate D.
Scina. 8. Palermo.
1823; das voluminoͤse Werk: La scienza del calcolo, di P. Franchini. 8. Livorno.
1826. 5 Baͤnde; desselben Trattato algebrico de' massimi e minimi e dei poligoni rettilinei con un
supplemento
alla scienza del calcolo. 8. Lucca. 1823. und ein Supplement zu seinem Saggio sulla storia delle Matematiche. Lucca.
1824. Wir uͤbergehen hier die vielen und interessanten Abhandlungen des
Marchese Rangoni in den Memorie de la Società italiana, des Hrn. Gisa di Gresy, des hoffnungsvollen jungen
Toscaners Gugl. Libri,
den in Memoires de l'Acad. de Turin, und des
beruͤhmten Carlini in den Effemeridi di Milano
etc.
Mechanik. Das k. k. Institut zu Mayland hat im Jahre 1822
einen Preis auf die Anwendung der in des beruͤhmten Italiaͤners Lagrange analytischen Mechanik, aufgestellten,
Grundsaͤze auf die wichtigsten Probleme der Mechanik und Hydraulik
ausgeschrieben. Dieser Preis wurde Hrn. Gabrio Piola
zuerkannt, von welchem wir jezt die interessante Schrift: „sull' applicazione dei principj della meccanica analitica
del Lagrange ai principali problemi: memoria di Gabrio
Piola
presentata al concorso del premio e coronata dall' I. R.
Istituto di Scienze etc. il di 4. Ottobre
1824. 4. Milano 1825, dall I.
R. Stamperia“ besizen. Eine sehr schwierige Aufgabe aus der
hoͤheren Mechanik, welche Biret und Poisson beschaͤftigte, loͤste Prof. Bordoni im 19ten Bande der Atti della Società italiana. Eben diesem thaͤtigen Professor
verdanken wir auch die Annotazioni agli Elementi di meccanica e d'idraulica del
Sig. Prof. Gius. Venturolli; fatte dal Prof. Ant Bordoni. 8. Milano. 1821. p. Giusti, die
fuͤr Schuͤler der hoͤheren Mechanik sehr brauchbar sind. Diese
Elementi des Hrn. Venturolli erschienen zu Mayland in einer
dritten Auflage im Jahre 1817 und 1818 in 2 Baͤnden. – Auch die Werke
des Hrn. Borgnis, der Italiaͤner und Prof. der
Mechanik zu Pavia ist, gehoͤren Italien an. Wir verdanken diesem
thaͤtigen Gelehrten: 1. Traité complet de
Mécanique appliquée aux arts, contenant l'exposition des
théories et des expériences les plus utiles pour diriger le choix,
l'invention la construction et l'emploi de toutes les espèces de
machines, par J. A. Borgnis. 4. Paris.
1818–20. 8 Baͤnde. 2. Traité de la
Mécanique usuelle, ou introduction à l'étude de la
Mécanique appliquée aux arts. 4. Paris. 1821. 3. Dictionnaire de Mécanique
appliquée aux arts etc. Ouvrage faisant suite au Traité complet de
Mécanique appliquée aux arts. 4. Paris, 1824. 4. Traité
élémentaire
de construction appliquée à l'Architecture
civile. 8. Paris. 1823. mit 30 Tafeln.
Wasserbaukunst. Die Italiaͤner waren seit
undenklichen Zeiten Meister in diesem schwierigen Theile der Baukunst. Prof. Bordoni schrieb in dem lezten Lustrum eine lehrreiche
Abhandlung „sugli argini di terra. 8. Milano. 1820. p. Giusti;“ und eine neue Art von Faschinenbau lehrte uns der Ingenieur Philipp Ferranti in seinem „Saggio d'un nuovo sistema pratico di lavori economici in fascinate per
frenare le corrosioni de fiumi correnti, specialmente in letti di ghiaje ed
arene. 4. Milano. 1824.“ Man
baute in den lezten 5 Jahren in Italien, und baut noch gegenwaͤrtig, eine
Menge herrlicher Bruͤken, unter welchen die gegenwaͤrtig uͤber
die Doria Riparia von Hrn. Mosca erbaute einen Bogen von mehr als 50 Meter in der Laͤnge
bildet. Zu den herrlichsten Bruͤken gehoͤren jene, welche Ihre Kais.
Hoheit, Maria Louise, als Denkmahl ihrem unsterblichen Gatten an den Ufern jener
beiden Fluͤße erbauen ließ, die durch seine Siege so beruͤhmt geworden
sind: vergleiche Descrizione dei progetti e lavori dei due ponti sul Taro e
still a Trebbia, publicata dal architetto Ant
Coconcelli
etc. 4. Parma. 1825. c. 7 tavole.
Hydraulik. Auch in diesem Zweige hatten die
Italiaͤner sich von jeher ausgezeichnet, und sie sind in den lezten
fuͤnf Jahren nicht muͤßig geblieben. Prof. Venturolli gab seine Ricerche geometriche ed
idrometriche fatte nella scuola degl' ingegneri pontificj d'acque e strade
l'anno 1821. Milano 1822 in 4 heraus. Bonati's arte ritrometriche
haben wir bereits im polytechnischen Journale unseren Lesern mitgetheilt. Hr.
Bidone hat im 27. Bd. der Abhandlung der Akademie zu
Turin Experiences sur divers cas de la contraction de la
veine fluide, et remarque sur la manière d'avoir égard à la
contraction dans le calcul de la dépense des orifices bekannt
gemacht. Brunacci hat in einer, erst nach seinem Tode
erschienenen Abhandlung in den Memorie dell' Istituto I. R.
Lombardo-Veneto, vol. III. die Phaͤnomene der Ruͤkwirkung des
Wassers bei seinem Ausfluße aus Gefaͤßen berechnet, so wie Cav. Morosi im I. Bd. derselben Abhandlungen den Stoß des
Wassers auf eine Flaͤche berechnete. Geminiano Poletti lehrte in den Memorie della Società
italiana delle Scienze XIX. Bd. eine neue Methode, die Schnelligkeit des
Laufes eines Flußes zu
berechnen. Ueber das Trokenlegen der Suͤmpfe hat Hr. Manetti in den Collezione di carte
idrauliche 1823, und uͤber die Anlage von Canaͤlen. Hr. Bruchetti in seiner Storia dei
pragetti o delle opere per la navigazione interna del Milanese sehr
interessante Winke gegeben.
Chemie. Es wundert uns sehr, hier bloß des Hrn. Profs.
Casp. Brugnatelli brauchbare Guida
allo studio della chimica generale angefuͤhrt zu sehen, da uns, als
Auslaͤndern, so viele hoͤchst interessante Abhandlungen
italiaͤnischer Chemiker bekannt sind, und wir selbst die
gemeinnuͤzigeren hiervon unserem Journale einverleibten.
(Beschluß
folgt.)