Titel: Versuche über die Einwirkung des Wassers auf das Glas, nebst einigen Bemerkungen über die langsame Zersezung desselben. Von Hrn. T. Griffiths, Assistenten an dem Laboratorium der Royal Institution.
Fundstelle: Band 20, Jahrgang 1826, Nr. CXXXIV., S. 537
Download: XML
CXXXIV. Versuche über die Einwirkung des Wassers auf das Glas, nebst einigen Bemerkungen über die langsame Zersezung desselben. Von Hrn. T. Griffiths, Assistenten an dem Laboratorium der Royal Institution. Aus dem Quarterly Journal of Science Literature and the Arts, N. 40. 1826. Gill's technical Repository N. 50. S. 71. Griffiths's, Versuche über die Einwirkung des Wassers auf das Glas. Es ist eine allgemein angenommene Meinung, daß Glas in einem sehr hohen Grade den Einwirkungen kraͤftiger chemischer Aufloͤsungsmittel zu widerstehen vermag, und daß sein Alkali weder leicht ausgeschieden, noch in isolirter Form dargestellt werden kann, außer man unterzieht es dem Einfluße kraͤftiger chemischer, zersezender Mittel. Hinsichtlich des gemeinen Glases, ohne Ruͤksicht auf die verschiedenen sogenannten Glaͤser, welche aus aufloͤslichen Mischungen bestehen, kann es daher als neue Thatsache in der Chemie gelten,Die Annales de Chimie, Febr. 1826. S. 223. bemerken, daß Scheele in der Vorrede zu seinem Werke uͤber Luft und Feuer schon vor 45 Jahren durch aͤhnliche Versuche auf aͤhnliche Resultate kam. Allein schon vor Scheele wußte dieß unser unsterbliche deutsche Landsmann Kunckel (was den Annales entgangen zu seyn scheint), und vor Kunckel van Helmont. S. Kunckel's Ars vitraria oder Glasmacherkunst S. 198. A. d. Ueb. wenn man beweist, daß dieser sonderbare Koͤrper hoͤchst alkalische Eigenschaften besizt, die man leicht durch die gewoͤhnlichen Reagentien darstellen kann. Dikes Flintglas, maͤßig fein in einem Moͤrser aus Steingut zur Analyse gepulvert, wurde auf Curcuma-Papier gebracht, um zu sehen, ob es alkalische Eigenschaften besizt, und in dieser Hinsicht mit Wasser befeuchtet: das gelbe Papier wurde auf der Stelle rothbraun, und zwar beinahe so stark, als ob matt gebrannten Kalk angewendet haͤtte. Man hielt diese Wirkung fuͤr zufaͤllig, vielleicht von irgend einem aus Versehen hinzugekommenen Koͤrper, z.B., etwas Seife, die an den Gefaͤßen haͤngen blieb, hervorgebracht. Man rieb also noch ein Mahl Glas in einem achatenen Moͤrser; das Resultat war dasselbe, und noch auffallender, weil das Pulver noch feiner war. Glas, auf vollkommen reinen und polirten Eisen-, Stahl-, Zink-, Kupfer-, Silber- und Platinn-Platten gepuͤlvert, gab dieselben Resultate, und mit derselben Leichtigkeit: man fand aber, daß die Gegenwart von etwas wenigem Eisen-Oxid diese Eigenschaft bedeutend verminderte, indem, wie es sich spaͤter zeigte, der Zutritt des Wassers zu dem Glase dadurch gehindert wurde. Da es nun mehrere salzige Koͤrper und metallische Verbindungen gibt, welche wie Alkalien auf das Curcuma-Papier wirken, obschon sie vollkommen neutrale Verbindungen sind; da reine Bittererde dieses Papier rothbraun faͤrbt, wenn sie mit Wasser befeuchtet wird, obschon man beweisen kann, daß keine Aufloͤsung Statt hatte; so konnte dieß vielleicht eine aͤhnliche Wirkung seyn, da es kaum wahrscheinlich schien, daß durch bloßes Aufgießen von reinem Wasser etwas Aufloͤsliches aus dem Glase ausgezogen werden konnte. Man wendete also mit einer Saͤure geroͤthetes Lackmuß-Papier, und mit blauem Kohl-Aufguße gefaͤrbtes Papier an; ersteres ward wieder blau, und lezteres gruͤn. Fein gepuͤlvertes Flintglas wurde einige Stunden lang in Wasser gekocht; nachdem es abgekuͤhlt war, und sich gesezt hatte, wurde die klare Fluͤßigkeit abgegossen und abgedampft; sie schmekte stark alkalisch, und wirkte auch so auf die gewoͤhnlichen Reagentien. Ein Tropfen dieser concentrirten Aufloͤsung, allmaͤhlich auf einer Glastafel abgeraucht, zerfloß an der Luft in kurzer Zeit. Weinsteinsaͤure veranlaßte ein Aufbrausen, und spaͤter einen Niederschlag in dieser Aufloͤsung, so wie auch kochsalzsaure Platinna. Aus diesen Versuchen ist es demnach erlaubt zu schließen, daß das aus dem Glase abgeschiedene Alkali Pottasche in unverbundenem Zustande war, und die im ersten Falle beobachtete alkalische Wirkung nicht von der Gegenwart alkalischer Salze oder Verbindungen, die an dem Glase anhiengen, oder demselben beigemischt waren, herruͤhrte. Der Bodensaz aus obiger Aufloͤsung wirkte, nachdem er wiederholt in Wasser ausgewaschen wurde, gar nicht mehr aus die gefaͤrbten Papiere; nachdem man ihn aber neuerdings rieb, wirkte er wieder alkalisch, was offenbar davon herruͤhrte, daß dadurch eine neue unzersezte Oberflaͤche dargebothen wurde. Wenn man das Wasser nur etwas erhizte, entwikelte das Alkali sich desto leichter. Um zu sehen, wieviel Alkali sich aus einer gegebenen Menge Salzes durch langes und anhaltendes Sieden entwikeln laͤßt, wurden 100 Gran fein gepulvertes Flintglas durch einige Wochen beinahe taͤglich in zwei bis drei verschiedenen Portionen Wassers nach und nach gekocht: am Ende fand man den Ruͤkstand beinahe um 7 Gran vermindert. Dieses Resultat ist indessen eine bloße Annaͤherung, denn es koͤnnen auch feine Glastheilchen mit weggegangen seyn in der daruͤber schwimmenden Fluͤßigkeit, und es wuͤrde vielleicht, wenn man waͤhrend dieses Processes, der sich eine unbestimmte Zeit uͤber fortsezen laͤßt, immer gerieben haͤtte, mehr Alkali entwikelt haben. Reiner verduͤnnter Kochsalzsaͤure wurde feines gepuͤlvertes Flintglas bis zur vollkommenen Saͤttigung der alkalischen Wirkung zugesezt. Nachdem sich alles gesezt hatte (was indessen erst nach Wochen geschah, da immer kleine Theilchen in der Fluͤßigkeit schwammen), gab die klare Fluͤßigkeit bei dem Abrauchen krystallisirtes Salz, welches sich als salzsaures Kali erwies. Man muß bemerken, daß diese Aufloͤsung, wo sie vollkommen klar war, kein Blei enthielt; sobald man sie aber schuͤttelte, oder das fein gepuͤlverte Glas in Wasser einruͤhrte, in welchem sich geschwefeltes Wasserstoffgas befand, wurde es alsogleich entfaͤrbt oder schwaͤrzlich. Kronen- und Tafel-Glas, weißes Email, gruͤnes Newcastler-Bouteillen-Glas, welches verhaͤltnißmaͤßig wenig Alkali enthaͤlt, Reaumure's Porzellan aus gruͤnem Bouteillen-Glase besizt ebenso, wie Flintglas, die Eigenschaft auf vegetabilische Farben als Alkali zu wirken. Da diese Versuche bewiesen, daß Glas eine unregelmaͤßige Verbindung ist, welche ihr Alkali durch Einwirkung des Wassers leicht fahren laͤßt, so war es der Muͤhe werth zu bestimmen, in wiefern gewisse natuͤrliche Verbindungen von Pottasche mit Kieselerde auf Reagentien als Alkalien wirken, um so mehr, da gruͤnes Bouteillen-Glas, welches nur wenig Alkali enthaͤlt, auf diese Weise wirkt. Man erhielt indessen keine aͤhnliche Wirkung, weder durch Feldspath, Basalt, Gruͤnstein, Granit, Opsidian, Bimsstein und einige andere, selbst wenn man sie fein gepuͤlvert mit Wasser kochte: ein Verfahren, das bei Glas, obschon kaltes Wasser vollkommen hinreicht, augenbliklich Resultate gab. Aus obigen Versuchen lassen sich einige interessante Schluͤsse zur Erklaͤrung verschiedener bekannter Erscheinungen ableiten. Wasser muß, in den Laboratorien wie im Hausgebrauche, auf das Glas wirken, und Alkali auf der Oberflaͤche desselben aufloͤsen, dann aber einen unaufloͤslichen Theil als Ueberzug uͤber diese Flaͤche zuruͤklassen, wodurch das Glas gegen fernere unmittelbare Einwirkung geschuͤzt wird. Wenn man dieser Wirkung Zeit genug laͤßt, so beschrankt sie sich nicht bloß auf die Oberflaͤche allein. In Sammlungen alter Glaͤser findet man Exemplare, welche zeigen, wie tief eine aͤhnliche Einwirkung waͤhrend der Zeit, als sie in der Erde vergraben lagen, in dieselben eindrang. Die Reste der Glaͤser des Alterthumes sind oͤfters in einer bedeutenden Dike mit schoͤnen opul- oder perlartigen Schuppen bedekt, die fast bloß aus Kieselerde bestehen, deren Alkali wahrscheinlich durch die Wirkung des Wassers entfernt wurde.Opal ist ein Kiesel-Hydrat: koͤnnte er nicht durch eine aͤhnliche Ginwirkung auf natuͤrliche Verbindungen entstanden seyn? Die Entfernung des Alkali von den kieselartigen Verbindungen konnte den Opal zuruͤkgelassen haben. A. d. O. Ein Stuͤk altes Glas wurde in Hinsicht auf Alkali gepruͤft, welches in einem starken Verhaͤltnisse in demselben vorkam, indem es gepuͤlvert alkalisch schmekte, und in heißer Aufloͤsung auf die Haut wirkte. Es schien beinahe gaͤnzlich aus Kali und Kieselerde zu bestehe; man konnte nicht die mindeste Spur von Blei darin entdeken; verschiedene Exemplare von gefaͤrbtem antiken Glase zeigten sich bei der Untersuchung weit mehr alkalisch, als irgend ein neues bleihaltiges Glas, das bisher untersucht wurde. Die specifische Schwere des Flint-Glases war 3,208: die des antiken Glases 2,375. Lezteres wirkte, auch ungepuͤlvert, sobald man es nur befeuchtete, auf die gefaͤrbten Papiere wie Alkali. Man darf sich also nicht wundern, daß antikes Glas, das man beinahe reines Kali-Silicat nennen kann, (kieselsaures Kali) zuweilen so schnell in einen Zustand von Verwitterung uͤbergeht, wie die gefundenen Exemplare zeigen. Einen anderen Beweis der Einwirkung des Wassers unter beguͤnstigenden Umstaͤnden auf die Zersezung des Glases gibt der in Bd. J. S. 135. dieses Journales beschriebene Zustand einiger Weinstaschen, die man in dem schwarzen Schlamme eines alten Brunnens fand, der voll verbranntem Holze war, das nach sicheren Quellen, aͤlter gewesen ist, als der Brand von London. Die Kieselerde loͤste sich hier von der Oberflaͤche der Flaschen in Gestalt feiner Haͤutchen, weil das Alkali durch Einwirkung des Wassers, vielleicht anfangs noch durch Waͤrme unterstuͤzt, so wie durch die Laͤnge der Zeit, waͤhrend welcher es sich in einer die Zersezung beguͤnstigenden Lage befand, ausgezogen wurde. Wenn das Glas in Beruͤhrung mit Ammonium oder sich zersezenden thierischen Koͤrpern gebracht wird, so geschieht die Zersezung noch weit schneller. Stahl-Fenster und Flaschen unter solchen Umstaͤnden aufbewahrt, bekommen oͤfters ein sehr schoͤnes Regenbogen-Farbenspiel auf ihrer Oberflaͤche, weil die Kieselerde sich auf lezterer in sehr duͤnnen Blaͤttchen hebt; zuweilen bekommt das Glas einen Perl- und selbst einen Metallglanz an seiner Oberflaͤche; eine Wirkung, die, wie es scheint, bisher noch nicht gehoͤrig untersucht wurde.Eine Notiz hieruͤber, so wie das Verfahren, solche blind gewordene Fensterglaͤser wieder zu reinigen, ist im polytechn. Journale Bd. XII. S. 466. enthalten. A. d. R. Pottasche-Aufloͤsung wirkt sehr schnell auf Glas, wie der Chemiker nur zu oft an seinem Thermometer wahrnimmt, mit welchem er den Siedepunct derselben bestimmt; die Kugel ist nach dem Versuche immer mehr oder minder angegriffen.Auch der fluͤßige Chlorinkalk wird zum Theil vom Glas zersezt, und der abgesonderte Kalk legt sich so fest an das Glas, daß er nur mit Huͤlfe von Salpetersaͤure oder Salzsaͤure wieder weggeschafft werden kann. A. d. R. Jemand, der festes kohlensaures Ammonium in Flaschen von Flintglas eine laͤngere Zeit uͤber aufbewahrt hat, bemerkte oͤfters, daß das Glas dadurch sehr bruͤchig wurde, und bei dem leichtesten Ruͤtteln in Stuͤke ging. Hr. Gill bemerkt, daß er mittelst des Mikroscopes regelmaͤßige Krystalle in Buͤscheln und Gruppen, die sich durchkreuzten, und auch viele kleine runde, eifoͤrmige und unregelmaͤßige Fleken auf der Oberflaͤche dieser Glaͤser fand.