Titel: Nachtrag zu dem Berichte über die Fortschritte in den Gräflich-Einsiedelschen Eisenwerken Lauchhammer und Gröditz, in Beziehung auf die daselbst gefertigten eisernen Geschüzröhre. Von Friedr. Gustav Rouvroy, Königl. Sächsischen Obersten der Artillerie und Commandanten der Militär-Akademie zu Dresden.
Autor: Friedrich Gustav Rouvroy [GND]
Fundstelle: Band 21, Jahrgang 1826, Nr. LXIX., S. 306
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LXIX. Nachtrag zu dem Berichte über die Fortschritte in den Gräflich-Einsiedelschen Eisenwerken Lauchhammer und Gröditz, in Beziehung auf die daselbst gefertigten eisernen Geschüzröhre. Von Friedr. Gustav Rouvroy, Königl. Sächsischen Obersten der Artillerie und Commandanten der Militär-Akademie zu Dresden. Rouvroy, über die Fortschritte in Verfertigung der eisernen Geschüzröhre. Dieser in dem November-Hefte des polyt. Journals S. 314 befindliche Bericht enthaͤlt bereits die Auszuͤge aus den Untersuchungs-Protokollen der 4 ersten eisernen Geschuͤzroͤhre, welche fuͤr die Koͤniglich Sachsische Militaͤr-Akademie auf den Graͤflich-Einsiedelschen Eisenwerken gegossen, gebohrt und abgedreht wurden, und wie jener Bericht zeigt, mit außerordentlicher Akkuratesse gearbeitet sind. Insofern nun die 2 lezten von den 6 fuͤr die Militair-Akademie gegossenen Rohren seit dieser Zeit auch abgeliefert wurden. Und den ersten 4 Rohren in Hinsicht der Richtigkeit ihrer Dimensionen nicht nachstehen, so haͤlt sich Einsender fuͤr verpflichtet, die Uebernahme-Protokolle dieser lezten 2 Geschuͤzroͤhre ebenfalls auszugsweise mitzutheilen, um den Beweis zu liefern, daß die bei den ersten Roͤhren gezeigte Genauigkeit der Arbeit in der That auch von Ausdauer sey. Es ergaben sich naͤmlich bei der Untersuchung der 2 lezten Geschuͤzroͤhre mit dem Etoile perfectionnée, mit der Stuͤkpruͤfungsgabel, u.s.w. folgende Resultate: 1) Bei der dreipfuͤndigen Kanone Nr. 4. Der Bohrungs-Durchmesser um 0,05'' zu groß. Die Bohrung gegen die linke Seite des Rohres, vorn um 0,013'', hinten um 0,03'' excentrisch, so daß dieses Rohr auf 1000 Ellen Schußweite 6 Zoll rechts schießt. Die Laͤnge der Seele vollstaͤndig richtig. Die Schellzapfenachsein Hinsicht der Hoͤhe vollstaͤndig richtig. –         –      –um 0,03'', zu weit zuruͤkwaͤrts.Der Metallunterschiedder Kopf- und Bodenfriesen, um 0,026'' zu groß. 2) Bei der Haubize Nr. 2 ist: Der Bohrungs-Durchmesser um 0,02'' zu groß. Die Bohrung um 0,015'' gegen die linke Seite excentrisch, jedoch vollstaͤndig parallel mit der Achse der Friesen, so daß aus dieser geringen Excentricitaͤt durchaus keine Abweichung im Schießen entsteht. Die Laͤnge des Rohres richtig. Die Schellzapfenachseum 0,01'' zu hochum 0,12'' zu weit zuruͤk. Der Friesen-Durchmesser, vorn und hinten am Rohre 0,05'' zu groß (der Metallunterschied also der Vorschrift nach = 0). Ob nun schon die mit jedem dieser Roͤhre angestellte Probe-Beschießung, bei den Kanonen durch 2 Schuß mit 2 Kugeln 2 Vorschlagen und 1/2 kugelschwerer Ladung, bei den Haubizen mit 2 Schuß mit 1 Grenade und kammervoller Ladung, die Haltbarkeit derselben verbuͤrgte, so wurde dennoch, um sich von der Beschaffenheit des dazu verwendeten Eisens noch besser zu uͤberzeugen, ein fuͤnftes 3pfuͤndiges Rohr, ganz so wie die ersten 4 Rohre gegossen, und nach einer starken Beschießung durch allmaͤhlige Verstaͤrkung der Ladungen zersprengt. Man that naͤmlich zuerst aus diesem Rohre 93 Schuß mit gewoͤhnlicher Feldladung (von 1/3 Kugelschwere) moͤglichst schnell hinter einander, naͤmlich binnen 3/4 Stunden. Das Rohr wurde hierbei hinten in der Gegend, wo die Patrone liegt, und die Metallstarke am groͤßten ist, aͤußerlich nur wenig erwaͤrmt, vorn nach der Muͤndung hin, war es zwar waͤrmer geworden, jedoch keineswegs so heiß, daß das Schießen nicht noch lange haͤtte ununterbrochen fortgesezt werden koͤnnen, ohne zuvor das Rohr abzukuͤhlen, was nicht ein einziges Mahl geschah. Nach dieser Beschießung, und nachdem man sich uͤberzeugt hatte, daß das Rohr dadurch nicht im geringsten verlezt worden war, wurde zu den Sprengversuchen geschritten. Man fing dieselben mit 1/3 kugelschwerer, d.i. mit 1 Pfund Pulverladung 2 Kugeln und 2 Vorschlaͤgen an; da dieß keine nachtheilige Wirkung gegen das Rohr aͤußerte, so vermehrte man die Pulverladung bis zu 1 1/2 Pfund, und nahm hierzu erst 1 Kugel mit 2 Vorschlagen, und sodann 2 Kugeln mit 2 Vorschlaͤgen. Da hierbei noch keine Beschaͤdigung des Rohres erfolgte, so schritt man zu der Ladung von 2 Pfund Pulver, 2 Kugeln und 2 Vorschlagen, und da auch hierdurch noch keine Verlezung des Rohres bewirkt wurde, so nahm man endlich 3 Pfund Pulver (d.i. die dreifache Feldladung), und einen 20 Pfund schweren geschmiedeten eisernen Cylinder, welcher an den Enden nicht abgerundet war, und fast gar keinen Spielraum hatte. Das Rohr sprang bei dieser Ladung in ungefaͤhr 50 theils groͤßere, theils kleinere Stuͤke (von 1/4 Pfund bis 70 Pfund Gewicht), indem sich der Cylinder im Rohre durch einen excentrischen Stoß des Pulvers etwas gedreht, und gleichsam eingeklemmt zu haben schielt, wie eine in der innern Wand des zersprungenen Rohres gefundene Vertiefung, in welche die Kante des Cylinders genau paßte, deutlich zeigte. Bei naͤherer Beruͤksichtigung der Beschaffenheit des Eisens zeigte nun erstens die Menge und die ganz unregelmaͤßige Form der Stuͤke, daß das Rohr nicht aus Sproͤdigkeit gesprungen, sondern daß es vielmehr durch die uͤberaus große Ausdehnungskraft des Pulvergases zerrissen wurde, welches Gas keinen hinlaͤnglich großen Ausgang fand, und sich folglich im Rohre selbst voͤllig, und bis zur gaͤnzlichen Aufloͤsung aller Pulverkoͤrner entwikelte. Zweitens, war die Bruchflaͤche aller Stuͤke des zersprungenen Rohres ohne alle Galle, und ohne die geringsten Spuren eines crystallinischen Gefuͤges, indem sie durchgaͤngig graue Koͤrner von maͤßiger Große und unregelmaͤßiger Form zeigte. Alle diese Umstaͤnde zusammen genommen, beweisen nun wohl unumstoͤßlich, daß das Eisen zu diesen Geschuͤzroͤhren von vorzuͤglicher Beschaffenheit ist, und daß diese Roͤhre auch in dieser Hinsicht eben so wenig etwas zu wuͤnschen uͤbrig lassen, als in Hinsicht der Glaͤtte ihrer Bohrungen und der Genauigkeit ihrer saͤmmtlichen DimensionenWir machen bei diesem Anlasse auf eine interessante Schrift: Gedanken uͤber die Vervollkommnung der Artillerie, mit Ruͤksicht auf von Scharnhorsts Ideen, von L. von Breithaupt, Oberstlieutenant in der koͤnigl. Wuͤrtembergischen Artillerie, kl. 8. Gmuͤnd 1826, in der Stahl'schen Buchhandlung S. 144. „welche sich uͤber den gleichen wichtigen Gegenstand verbreitet, aufmerksam. Der groͤßte Wohlthaͤter der Menschheit,“ sagte ein unsterblicher, verkannter Mann, „wird derjenige seyn, der die Kunst auf jenen Grad der Vollendung bringt, auf welchem man Hunderttausende mit einem Schuße vertilgen kann: denn dann wird man erst, und nicht ehe, der muthwilligen Kriege enthoben werden.“ Und in dieser Hinsicht verdient der Krieger, der rastlos an der Zerstoͤrungskunst des Menschen-Geschlechts arbeitet, eben so viel Dank, wie jener der fuͤr die Erhaltung desselben sein Leben opfert. Wir wuͤrden diese Schrift hier nicht anzeigen, wenn ihr hoͤchst achtbarer Verfasser nicht auf eine gleiche Weise dargethan hatte, daß in Deutschland so gut, wie in Schweden und England Eisen zu diesem Zweke benuͤzt werden kann. A. d. R. . Dresden am 1sten Juni 1826.