Titel: | Ueber die mechanische Kraft des Dampfes. |
Fundstelle: | Band 21, Jahrgang 1826, Nr. CXV., S. 481 |
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CXV.
Ueber die mechanische Kraft des
Dampfes.
Ueber die mechanische Kraft des Dampfes.
Der Bulletin des Sciences technologiques,
Julius, 1826, S. 40–45, liefert uns zwei Aufsaͤze
uͤber diesen wichtigen Gegenstand; den ersteren unter der Aufschrift: N. 34. Tableau de M. Clément Desormes,
relatif à la théorie générale de la puissance
mécanique de la vapeur (extrait par M.
Hachette); den zweiten unter der Aufschrift: N. 35. De la puissance mécanique de la vapeur d'eau:
beide aus dem Bulletin
d. l. Soc. philomath. April 1826. p. 50. 51. Wir theilen hier
beide mit.
N, 34. Hr. de Bétancourt versuchte im Jahre 1790 die elastische Kraft des
Wasserdampfes bei verschiedenen Temperaturen zu bestimmen, und machte bei dieser
Gelegenheit verschiedene interessante Bemerkungen, als z.B.
1) Daß ein Wechsel-Verhaͤltnis und eine wechselseitige Abhaͤngigkeit
zwischen Temperatur und Druk des Dampfes Statt hat, so zwar, daß derselbe Druk immer
mit derselben Temperatur correspondirt, der Dampfkessel mag was immer fuͤr
eine Ausdehnung besizen, wenn anders dieses Gefaͤß das Wasser nur im
fluͤßigen Zustande und in Dampf-Gestalt enthaͤlt.
2) Daß die elastische Kraft des Dampfes schneller, als die Temperatur des Wassers,
zunimmt, die denselben erzeugt. Im Jahre 1810 erwies ein beruͤhmter
englischer Physiker, Dalton, durch genauere Versuche, das
correspondirende Verhaͤltniß der Temperaturen und des Drukes des
Wasserdampfes.
Seit dieser Zeit haben mehrere Physiker die von Dalton
erhaltenen Resultate bestaͤtigt, und dieselben auf noch hoͤheren Druk
ausgedehnt.
Hr. Clément Desormes, Prof. der Chemie am Conservatoire des arts et métiers, hat eine
Tabelle druken lassen, welche das Verhaͤltniß des Drukes, der Temperaturen
und der mechanischen Kraft des Dampfes zeigt. Nimmt man den Druk einer
Queksilber-Saͤule von 76 Centimeter Hoͤhe als Einheit an, so gibt
diese (im Maͤrz 1826 herausgegebene) Tabelle fuͤr den wachsenden Druk von 1 bis 10
Atmosphaͤren folgende Temperaturen (am hundertgradigen Thermometer, und in
ganzen Zahlen: 100°, 121°, 135°, 145°, 153°,
160°, 166°, 172°, 177°, 182°.
Wenn man nun annimmt, daß ein gewisses Volumen Dampf von 100° Waͤrme
mit dem Druke Einer Atmosphaͤre in einem Gefaͤße, welches fuͤr
den Warmestoff undurchdringlich ist, zusammengedruͤkt sey, und durch den
neuen Druk auf ein 10 Mahl kleineres Volumen, als dieser erste Druk, zusammengepreßt
wird, wird sich die Temperatur dadurch auf 182°, durch diese Vermehrung des
Drukes allein, erheben, oder ist eine Vermehrung der Waͤrme noͤthig,
um allen Dampf in dem Zustande eines Drukes von 10 Atmosphaͤren zu
erhalten?
Ein englischer Physiker, Southern, beschaͤftigte
sich lang mit dieser Frage, und nach seinen Versuchen sollte man die beiden auf
diese Druke von 1 bis 10 Atmosphaͤrelt folgenden Volumen des Dampfes, als
Volumen Wassers von gleichem Gewichte halten, die von einer Temperatur = 0, bis zur
Temperatur t + 100° und t + 100° + 82°, erhoͤht wurden, wo t den gebundenen Waͤrmestoff des Dampfes
ausdruͤkt, den die Physiker noch nicht in aller Strenge bestimmt haben, und
der, nach ihren Versuchen, von 530° bis 567° spielt.
Nimmt man denselben, mit Hrn. Clément, zu
550° an, und sezt man, daß eine Masse Wassers, m,
in ein Volumen Dampfes von gleichem Gewichte bei einem Druke von 10
Atmosphaͤren verwandelt wurde, so wird die Hize, die dem fluͤßigen
Wasser zuzusezen ist, wo es sich auf 0 befindet, um dasselbe in Dampf zu verwandeln,
nach Southern= m,
(550° + 100° + 82°) = 732°. M; nach Clément aber fuͤr jeden Druk, nur
650° m. Hr. Clément versichert, daß ein gegebenes Gewicht Dampf immer denselben
Grad Waͤrme haͤlt, das Volumen des Dampfes mag was immer betragen; daß
also, wenn man ein dem Waͤrmestoffe undurchdringliches Gefaͤß mit
Daͤmpfen so fuͤllte, daß es die moͤglich groͤßte Menge
derselben unter irgend einer Temperatur enthaͤlt, man, wenn das Gefaͤß
biegsam und ausdehnbar ist, nach Belieben das Volumen der Daͤmpfe vermehren
oder vermindern kann: diese Daͤmpfe werden natuͤrlich, ohne Vermehrung
oder Verminderung der Hize, die Temperatur annehmen, die ihnen zukommt, um in Masse
die Dampfgestalt zu behalten, und den Raum zu saͤttigen, in welchem sie
verbreitet sind.
Eine Commission, welche die Akademie der Wissenschaften zu Paris hiermit beauftragt
hat, beschaͤftigt sich in diesem Augenblike mit einem sehr wichtigen
Gegenstande, welcher das Gesez Mariotte's uͤber
die bleibenden Gase (gaz permanens
Wie viele bleibende Gasarten (gaz permanens),
haben wir wohl noch seit Davy's und Faraday's Entdekungen? A. d. Ueb.), Dalton's Gesez uͤber die Daͤmpfe,
und die Folgen aus diesen beiden Gesezen umfaßt.
N. 35. Obschon der Wasserdampf nur dann erst eine
mechanische Kraft wird, wenn man denselben in einer Maschine anwendet, die mit einer
Menge von Vorrichtungen verwikelt ist, so kann man sich doch leicht eine genaue Idee
von dieser Kraft bilden, wenn man nur den Haupttheil einer Dampf-Maschine
betrachtet; den hohlen Cylinder naͤmlich, in welchem ein Staͤmpel von
gleichem Durchmesser sich bewegt, der genau in denselben paßt, und dessen Stiel, der
durch den oberen Dekel desselben laͤuft, sich in einer ledernen Scheide
schiebt, die man die Leder-Buͤchse, (boîte
á cuir) nennt. Der Zwek dieser Buͤchse ist, den Zutritt der
aͤußeren Atmosphaͤre zu dem Inneren des Cylinders abzusperren. Der
Staͤmpel theilt, er mag sich in was immer fuͤr einer Lage befinden,
den Hohlraum des Cylinders in zwei Hoͤhlungen; wenn er in der Mitte des
Cylinders steht, so sind diese beiden Hoͤhlungen gleich groß. Sezen wir nun,
daß er sich in dieser Lage befinde, und daß jede dieser beiden Hoͤhlungen mit
Wasserdampf von einer Temperatur von 100° und einem Druke, der einer
Queksilbersaͤule von 76 Centimeter gleich ist, erfuͤllt sey, so ist es
offenbar, daß, wenn man nur eine dieser Hoͤhlungen abkuͤhlt, und den
Dampf in derselben in tropfbar fluͤsigen Zustand uͤbergehen
laͤßt, der Dampf, welcher seinen elastischen Zustand in der anderen
Hoͤhlung behalten wird, auf den Staͤmpel druͤken, den
Widerstand, der au dem Stiele des Staͤmpels angebracht wurde, besiegen, und
den Staͤmpel gegen eines der beiden Enden des Cylinders treiben wird, von
welchem er nur mehr durch die Schichte Fluͤßigkeit, die durch den verdikten
Dampf entstanden ist, getrennt ist.
Wenn man diese Schichte von Fluͤßigkeit von außen erhizt, um sie neuerdings in
Dampf zu verwandeln, und zugleich den Dampf in der gegenuͤberstehenden
Hoͤhlung abkuͤhlt, so wird der Staͤmpel gegen das Ende dieser Hoͤhlung
getrieben, und so bei jeder Bewegung, oder wie man sagt, bei jedem Stoße oder
Schlage des Staͤmpels eine dynamische Wirkung hervorgebracht, deren Maßstab
das Volumen des Raumes ist, welchen der Staͤmpel durchlaͤuft,
multiplicirt mit dem mittleren Ducke des Dampfes waͤhrend des Laufes des
Staͤmpels.
Dieselbe Wirkung wuͤrde Statt haben, wenn man statt des Dampfes irgend eine
elastische Fluͤßigkeit waͤhlte, z. V., kohlensaures Gas, welches
abwechselnd durch aͤußere Erhizung und Erkuͤhlung gasfoͤrmige
und tropfbar fluͤßige Form annimmt, wie Hr. Brunel, ein franzoͤsischer zu London angesessener Mechaniker erwiesen
hat.
Bei den gewoͤhnlichen Dampf-Maschinen ist der Cylinder mit beweglichem
Staͤmpel abwechselnd auf der einen Seite mit dem Kessel, auf der anderen mit
einem Verdichter in Verbindung, in welchem der Dampf in den Zustand einer tropfbaren
Fluͤßigkeit uͤbergeht, indem er sich mit kaltem Wasser verbindet. Man
entfernt mittelst einer sogenannten Luftpumpe das in den Verdichter geleitete
Wasser, sammt der aus demselben entwikelten Luft, und das Spiel des Staͤmpels
in dem Cylinder wird durch einen bestaͤndigen Dampfstrom unterhalten, der die
eine Hoͤhlung des Cylinders erfuͤllt, waͤhrend der Dampf aus
der anderen Hoͤhle in den Verdichter uͤbergeht. Die dynamische Wirkung
des Dampfes, die auf diese Weise dem Staͤmpel uͤbertragen wird,
berechnet sich fuͤr diesen Fall auf dieselbe Weise, wie unter der
Voraussezung aͤußerer Erwaͤrmung und Abkuͤhlung.
Man sagt, daß eine Dampf-Maschine einfachen oder hohen Druk habe, je nachdem der Dampf in dem Kessel den
Druk einer oder mehrerer Atmosphaͤren aͤußert. Wenn der Dampf nur den
Druk Einer Atmosphaͤre aͤußert, so sind die Waͤnde des Kessels,
in welchen der Dampf sich bildet, von innen so sehr gedruͤkt, wie von außen;
wenn aber der Dampf hoͤheren Druk hat (hohen
Druk), so werden sie von innen nach außen gedruͤkt.
Diese Ursache des Springens der Kessel, die bei Maschinen mit einfachem Druke nie
Statt hat, wird durch Anwendung des Gußeisens zu Dampfkesseln noch
vervielfaͤltigt. Man hat indessen gefunden, daß Dampfmaschinen mit hohem
Druke weniger Feuer-Material brauchen, um dieselbe Wirkung hervorzubringen, und,
ungeachtet der Gefahr des Springens, wendet man dieselben uͤberall an, wo das Brenn-Material in
hohem Werthe steht.
Die ersten Dampf-Maschinen mit hohem Druke und kraͤftiger Verdichtung verdankt
man dem englischen Mechaniker. Woolf, der im Jahre 1804
sich ein Patent auf dieselben ertheilen ließ. Hr. Edwards, Director des Gußwerkes zu Chaillot bei Paris, verpflanzte sie zuerst
nach Frankreich.
Hr. Woolf hat ein neues Mittel ersonnen, den Dampf zu verduͤnnen, ehe er
verdichtet wird; er bedient sich zweier Cylinder, wovon der eine kleiner ist, als
der andere. Der Dampf tritt zuerst in den kleineren Cylinder, und aus diesem in den
groͤßeren, wo er sich vor der Verdichtung verduͤnnt: jeder dieser
beiden Cylinder hat seinen Staͤmpel, der mir dem Widerstande in Verbindung
steht, und beide sind von einer gemeinschaftlichen cylindrischen Huͤlle
umgeben, die mit dem Kessel Gemeinschaft hat. Diese Cylinder-Huͤlle wurde
zeither auch bei den Cylindern mit einfachem Druke angewendet.
Die Idee, die Kraft, welche durch die Entwikelung oder Ausdehnung des Dampfes erzeugt
wird, vor der Berichtung anzuwenden, gehoͤrt Hrn. Watt; allein diese Entwikelung vermindert die Regelmaͤßigkeit der
Bewegung der Staͤmpel, wenn nur Ein Dampf-Cylinder vorhanden ist: die
Anwendung zweier benachbarter Cylinder zur ausgedehnteren Entwikelung des Dampfes,
ohne die Regelmaͤßigkeit der Bewegung der Staͤmpel zu
beeintraͤchtigen, ist Hrn. Woolf's Erfindung.
Hr. Edwards hat Hrn. Woolf's
Maschine im Jahre 1815 in Frankreich eingefuͤhrt, und im Jahre 1817 trieb
eine solche Maschine, von der Kraft von 6 Pferden, die Woll-Krempelei des Hrn.
Richard, rue Charonne N. 95. (Bullet. d. l. Soc. d'Enc. 1817. p. 267.)
Man kennt keine verlaͤßige Angabe uͤber den Verbrauch an Brenn-Material
bei dieser Maschine: die Eigenthuͤmer derselben versichern aber, daß sie viel
dabei ersparen, ohne zu wissen warum. Hr. Hachette las am
6. Junius 1817 in der Société
philomathique eine Abhandlung uͤber die Art, die dynamischen
Wirkungen der Dampfmaschinen mit hohem und mit einfachem Druke zu vergleichen.
Obschon er nichts von den Erfahrungen des Hrn. Southern
wußte, nahm er doch an, daß gleiche Mengen Dampfes, dem Gewichte nach, so ziemlich
gleiche Mengen Waͤrme-Stoff enthalten; und da die Daͤmpfe mit hohem
Druke, bei gleichem
Gewichte, als Federn betrachtet werden koͤnnen, deren Spannung durch den Druk
bemessen wird, so zeigte er, daß das Loslassen dieser Federn eine desto
groͤßere dynamische Wirkung hervorbringen muß, als die urspruͤngliche
Spannung groͤßer war. Man warf Hrn. Hachette in
derselben Sizung (6. Jun. 1817.) ein, daß er einen Grundsaz aufstelle, der nicht
erwiesen ist; daß die Capacitaͤt fuͤr den Waͤrmestoff bei
erhoͤhten Daͤmpfen unbekannt ist; daß man nicht weiß, was geschieht,
wenn der Dampf sich erweitert, waͤhrend er aus dem kleinen Cylinder der
Maschine des Hrn. Woolf in den großen uͤbergeht:
diese Einwuͤrfe widerlegten aber Hrn. Hachette's
erwiesene Behauptung nicht, daß die Vergroͤßerung der dynamischen Wirkungen
des Dampfes, die durch die hoͤhere Spannung desselben entsteht, hinreicht, um
die Ersparung des Brenn-Materiales bei Maschinen von hohem Druke zu
erklaͤren.
Der Verwaltungs-Ausschuß der Société
d'Encouragement hat auf Antrag des Hrn. Hachette
am 16. Decbr. 1818 beschlossen, daß man sich eines Kessels der Dampfmaschinen des
Hrn. Edwards bedienen soll, um die Mengen des
verduͤnsteten Wassers bei verschiedenem Druke und gleichem Gewichte
Brenn-Materiales zu vergleichen. (Bulletin d. l. Soc.
d'Encouragement 1818. p. 385, 1819. p. 252–255.) Die HHrn. Désormes und Clément haben diesen
Versuch angestellt, und im August 1819 der Académie
roy. des Sciences eine Abhandlung uͤber die Theorie der
Dampf-Maschine vorgelegt, wovon sich ein Auszug im Bulletin
de la Société philomathique desselben Jahres, S. 115,
befindet. Sie glaubten nach ihren Versuchen folgendes allgemeine Gesez aufstellen zu
koͤnnen: daß naͤmlich eine gegebene Masse Dampfes auf dem
Saͤttigungspuncte des Raumes immer dieselbe Menge Waͤrmestoffes
enthaͤlt, die Temperatur und Spannung mag wie immer verschieden seyn.
Die oben in N. 34. erwaͤhnte Tabelle
enthaͤlt die Resultate der Versuche und Berechnungen der HHrn. Désormes und Clément uͤber die allgemeine Theorie der mechanischen Kraft
der Wasserdaͤmpfe; man findet darin diese Kraft in Zahlen ausgedruͤkt,
sowohl fuͤr den Fall, daß die elastische Kraft des Dampfes bestaͤndig
ist, als wo sie zunimmt. (Bullet. d. l. Société
Philomathique. April. 1826. p. 51.)