Titel: Ueber ein neues Mineral (Thénardit), von Hrn. J. L. Casaseca, Prof. der Chemie am königl. Conservatorium zu Madrid.
Fundstelle: Band 21, Jahrgang 1826, Nr. CXLI., S. 535
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CXLI. Ueber ein neues Mineral (Thénardit), von Hrn. J. L. Casaseca, Prof. der Chemie am königl. Conservatorium zu Madrid. Aus dem Journal de Pharmacie. Juli. S. 393. (Im Auszuge.) Casaseca, über ein neues Mineral (Thénardit). Hr. Rodas, einer der geschiktesten Fabrikanten in Spanien, entdekte vor ungefaͤhr 9 Jahren in den Salinas de Espartinas, eine halbe franzoͤsische Meile von Aranjuez, und 5 franzoͤsische Meilen von Madrid, ein Mineral, das er sehr bald als schwefelsaure Soda mit sehr wenig beigemengter basisch kohlensaurer Soda erkannte. Im Winter schwizt ein salziges Wasser aus dem Boden eines Bekens, und im Sommer saͤttigt sich diese Salzaufloͤsung durch Verduͤnstung, und laͤßt, nachdem sie einen gewissen Grad erreicht hat, einen Theil des aufgeloͤsten Salzes in mehr oder minder regelmaͤßigen Krystallen fallen. Hr. Rodas erhielt von Ihrer allerkatholischsten Majestaͤt ein Privilegium auf die Ausbeute dieses Minerales, und errichtete an Ort und Stelle eine herrliche Seifen-Fabrik, deren Producte sicher mit der schoͤnsten Marseiller-Seife wetteifern koͤnnten. Er wendet zu deren Verfertigung kuͤnstliche Soda an, die er sich aus der schwefelsauren Soda bereitet, welche ihm die Natur ganz gebildet darbiethet, so daß er nicht, wie in Frankreich bei aͤhnlichen Fabriken der Fall ist, Kochsalz erst in Glaubersalz verwandeln muß. Die Menge schwefelsaurer Soda, die man aus den Espartinas zieht, ist so bedeutend, daß sie nicht bloß durch 9 Jahre fuͤr die Fabrik des Hrn. Rodas hinreichte, sondern daß er eine große Menge seiner kuͤnstlichen Soda, als natuͤrliche, in den lezteren Jahren verkaufen konnte, wo die Barillen-Ernte so spaͤrlich ausfiel. Die Entdekung dieser natuͤrlichen schwefelsauren Soda ist um so wichtiger, als man auf den Glashuͤtten heute zu Tage dieselbe lieber anwendet, als die kohlensaure Soda. Da man bisher noch keine von Kochsalz, von bittererdigen und kalkerdigen Salzen vollkommen freie schwefelsaure Soda fand, so schien mir die Entdekung des Hrn. Rodas auch in wissenschaftlicher Hinsicht wichtig, und ich theile die von ihm erhaltenen Krystalle Hrn. Cordier zur mineralogischen Bestimmung mit. Dieser konnte zwar wegen der zu großen Unebenheit der Flaͤchen die Winkel nicht genau messen, fand aber, bei einem dreifachen Blaͤtter-Durchgange, als Grundform ein Prisma mit rhomboidaler Basis, deren Winkel beinahe 125 und 55 Grade messen. Die Hoͤhe des Prisma ist zur Seite der Basis, wie 13 : 15. Nach der Richtung der Vasen ist der Blaͤtter-Durchgang am deutlichsten. Die Krystalle kommen noch unter zwei anderen verschiedenen Formen vor: 1) als Oktaëder. Diese Form entsteht durch Abnahme zweier Reihen von Grundtheilchen in der Hoͤhe auf den Seiten der Vasen des primitiven Prisma. Das Oktaëder ist symetrisch, und in der Richtung der kleinen Diagonale der Basen des primitiven Prisma sehr abgeplattet. Sein senkrechter Durchschnitt nach der großen Diagonale der Vasen des Prisma ist ein sehr wenig zugespizter Rhombus, dessen kleiner Winkel mit der Spize des Krystalles zusammenfallt. 2) in basischer Form, wo naͤmlich jede der beiden Spizen eine rhomboidale Flaͤche aufgesezt hat, die parallel mit den Basen der Grundgestalt ist. Die Krystalle haben, nach ihrem Baue zu urtheilen, sicher doppelte Brechung der Lichtstrahlen; allein, sie waren undurchsichtig. Ihre specifische Schwere ist beinahe die des Glauberites, d.h., sie naͤhert sich 2,73. Chemische Eigenschaften. Der Einwirkung der Luft ausgesezt, verliert dieses Salz seine Durchsichtigkeit, und bedekt sich an der. Oberflaͤche mit einem staubigen Beschlage, den man leicht wegschaffen kann. So sehr uͤbrigens diese Erscheinung jener aͤhnlich ist, die an der kuͤnstlichen krystallisirten schwefelsauren Soda Statt hat, so entsteht sie doch aus einer ganz-entgegengesezten Ursache. Bei der kuͤnstlichen schwefelsauren Soda entsteht sie naͤmlich durch Entweichung eines Theiles des Krysiallisations-Wassers, bei dem Thénardit hingegen durch Einsaugung eines geringen Theiles des Wassers der atmosphaͤrischen Luft, wie dieß an geschmolzener und verglaster Borax-Saͤure der Fall ist. Wenn diese Krystalle der natuͤrlichen schwefelsauren Soda in einer vollkommen trokenen Luft aufbewahrt werden, so behalten sie lang noch ihre Durchscheinenheit; sie verlieren dieselbe aber in einer feuchten Atmosphaͤre. Der Einwirkung der Waͤrme ausgesezt, erleidet Thénardit nur einen unbedeutenden Gewichtsverlust, indem 10 Gramme, in einem Platinna-Tiegel roth gegluͤht, nur 1 Centigramm verlieren; dieset aͤußerst geringe Verlust kann nur der Verdampfung des Wassers, welches den wenigen Beschlag an der Oberflaͤche bildet, zugeschrieben werden. In destillirtem Wasser loͤset er sich ohne Ruͤkstand auf. Die Aufloͤsung ist etwas alkalisch.Ich uͤberzeugte mich hiervon, indem ich Lakmus-Papier in einem Glase Wasser roͤthete, welchem ich nur Ein Troͤpfchen Schwefelsaͤure zugesezt hatte, und das auf diese Weise geroͤthete Papier lang in Beruͤhrung mit Thénardit-Aufloͤsung ließ. A. d. O. Mit geschwefeltem Wasserstoffgase, mit salpetersaurem Silber, mit Aezkali, mit neutralen kohlensaurem Kali, mit Ammonium und sauerkleesaurem Ammonium, mit hydrochlorsaurer Platinna blieb die Aufloͤsung unveraͤndert; zum deutlichen Beweise, daß sie weder metallische Salze, noch hydrochlorsaure Soda, noch bittererdige, thonerdige oder kalkerdige Satze oder Kali-Salze enthielt. Salpetersaurer Baryt bildete in derselben einen Niederschlag, der aus schwefelsaurem mit etwas weniger kohlensaurem Baryt bestand. Ein Stuͤkchen dieses Salzes in Beruͤhrung mit etwas verduͤnnter Schwefelsaͤure gebracht, brachte ein leichtes, durch Entweichung der Kohlensaͤure veranlaßtes. Aufbrausen hervor. Hieraus erhellt, daß dieses neue Mineral, wie Hr. Rodas vermuthete, aus schwefelsaurer Soda besteht, welcher etwas weniges kohlensaure Soda beigemengt ist, und daß es zugleich wasserfrei (anhydre) ist. Wirklich ist es auch so gierig nach Wasser, daß, wenn man einem feinen Pulver desselben nur einige Troͤpfchen Wasser zuͤsezt, es auf der Stelle krystallisirt, und eine Rinde bildet, die fest an dem Glase anhaͤngt, in welchem man den Versuch macht, und eine bedeutende Waͤrme entwikelt. Der wasserfreie Zustand dieser natuͤrlichen schwefelsauren Soda ist sehr merkwuͤrdig; denn es ist auffallend, daß ein Salz, welches unter den gewoͤhnlichen Umstaͤnden 0,56 Krystallisations-Wasser enthaͤlt, sich in Krystall-Form in seiner waͤsserigen Aufloͤsung niederschlaͤgt, und nicht die mindeste Spur von Wasser in sich schließt. Dieß koͤnnte vielleicht von der Temperatur der Fluͤßigkeit, von der Natur des Bodens, auf welchem der Niederschlag sich bildet, von den Salzen, die in den Mutterlaugen zuruͤkbleiben, herruͤhren. Zehn Gramm dieser natuͤrlichen und wasserfreien schwefelsauren Soda wurden gegluͤht, und in destillinem Wasser aufgeloͤst. Der Aufloͤsung wurde salpetersaurer Baryt im Ueberschusse zugesezt. Der gut ausgewaschene und getroknete Niederschlag hing so fest am Filtrum, daß man ihn nicht von demselben losbringen konnte. Das Filtrum wurde stuͤkweise in freier Luft eingeaͤschert, und, um jede moͤgliche Irrung zu vermeiden, wurde der Ruͤkstand dieser Einaͤscherung heiß mit Koͤnigswasser behandelt, um die Baryt-Schwefelleber in schwefelsauren Baryt zu verwandeln, wenn sich ja eine solche waͤhrend der zum Verbrennen des Papieres nothwendigen Hize haͤtte bilden koͤnnen. Der im Koͤnigswasser unaufloͤsbare Ruͤkstand gab, auf ein Filtrum geworfen und gehoͤrig ausgewaschen, genau den urspruͤnglichen schwefelsauren Baryt, indem der kohlensaure in der sauren Fluͤßigkeit aufgeloͤst blieb. Dieser lezteren, die zu dem Absuͤß-Wasser hinzugegossen wurde, wurde reine Schwefelsaure zugesezt, und es zeigte sich kaum eine leichte Truͤbung. Nachdem man alles sich sezen ließ, wurde der groͤßte Theil der Fluͤßigkeit abgegossen, und die lezten Troͤpfchen derselben wurden in einem Uhrglase, das nach der Operation genau gewogen wurde, bis zur Trokenheit abgedampft. Nachdem das Uhrglas sorgfaͤltig abgewaschen wurde, zeigte sich an demselben ein Gewicht-Verlust von 0,05 Grammen, als Abgang an schwefelsaurem Baryt waͤhrend des Aussuͤßens; die Basis dieses Barytes war in dem erstell Niederschlage der salzigen Aufloͤsung als kohlensaurer Baryt enthalten. Diese 0,05 Gramme geben 0,033 Gramme Baryt, welcher, um kohlensaurer Baryt zu werden, 0,009 Kohlensaͤure fordert, und diese gibt mit Soda verbunden, 0,022 basisch kohlensaure Soda. Hiernach besteht dieses neue Mineral aus den Espartinas aus   99,78 schwefelsaurer Soda,     0,22 basisch kohlensaurer Soda. ––––– 100,00 Man haͤtte auch umgekehrt verfahren, und zuerst den Gehalt an schwefelsaurer Soda bestimmen koͤnnen; der Abgang an Gewicht wuͤrde aber die kohlensaure Soda nicht so genau gegeben haben; denn bei dem Abrauchen der sauren Fluͤßigkeit ging nichts vom Niederschlage verloren, was bei dem umgekehrten Verfahren nicht der Fall gewesen seyn wuͤrde. Dieses neue Mineral ist von allen bisher bekannten, und namentlich vom Glauberit bei Villa Rubia in der Mancha, verschieden. Glauberit ist wasserfreie schwefelsaure Soda und Kalkerde, waͤhrend der Thénardit reine, wasserfreie, schwefelsaure Soda ist; denn, da die basisch kohlensaure Soda kaum Ein Fuͤnfhundertel betraͤgt, so kann man sie als zufaͤllig betrachten. Ueberdieß sind beide Koͤrper auch durch ihre Krystallisation verschieden; der Glauberit krystallisirt in schiefen rhomboidalen Prismen; der Thénardit, nach Cordier, in rhomboidalen Oktaëdern.Wahrscheinlich wird dieses Salz auch in den Salz-Ebenen Ungarns sich finden. A. d. Ueb.