Titel: Ueber Phorium tenax oder den neuseeländ'schen Flachs,
Fundstelle: Band 22, Jahrgang 1826, Nr. LI., S. 257
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LI. Ueber Phorium tenax oder den neuseelaͤnd'schen Flachs, Ueber Phorium tenax oder den neuseelaͤnd'schen Flachs. welchen Baron von der Luͤhe, der unsterbliche Saͤnger des Hymnus an Flora und Ceres, dem Oesterreich soviel fuͤr Aufnahme seiner Garten-Cultur zu danken hat, der Erste auf dem Festlande von Europa in seinem Garten zu Wien zog, befindet sich ein sehr interessanter Aufsaz des Hrn. Henri (des Sohnes) im Journal de Pharmacie. Septembre 1826. S. 495, welcher eine chemische Analyse dieser wichtigen Pflanze enthaͤlt. Diese Analyse wird einst, wenn diese Pflanze in Europa haͤufiger zum technischen Gebrauche gezogen werden wird (an ihrem Gedeihen in leichter feuchter Erde in Weinlaͤndern ist nach den vielen bisherigen Versuchen nicht zu zweifeln), als Basis fuͤr die weitere technische Behandlung derselben dienen. Wir beschranken uns hier einstweilen bloß auf die Resultate dieser muͤhevollen Analyse, nach welcher „das Phorium tenax enthaͤlt Chlorophyll; Etwas Wachs; Etwas weniges harzigen Stoff; Eine bittere, ekelhafte, in Wasser und Alkohol aufloͤsliche Substanz; Eine gummiartige, gefaͤrbte, von dem Gummi etwas abweichende Substanz; An salzen Salzsaures Kali;detto Natrum;Schwefelsaures Natrum;Saures, aͤpfelsaures Natrum;Phosphor- und schwefelsauren Kalk in großer Menge; Eisen-Oxyd; Kieselerde; Eine große Menge Holz-Faser, welche das Werg liefert.“ „Diese Analyse erklaͤrt die Wirkung mehrerer Mittel, die man bei Roͤstung des Phorium tenax anwendete, z.B., der Samen und der Alkalien.“ „Die ersteren erhaͤrten diese Pflanze und machen sie troken; das Gewebe wird dadurch fester, und die Fasern lassen sich schwerer von einander sondern, waͤhrend die zweiten auf den Auszug-gummiartigen und harzigen Stoff wirken, der die Zwischenraͤume der Fasern ausfuͤllt, und, indem sie denselben aufloͤsen das Ausziehen und Zertheilen der Fasern um Vieles erleichtern.“ „Aus diesem Grunde hat die Seife, die immer etwas alkalisch ist, auf diese Pflanze gewirkt; wir haben auch gedacht, daß Aschenlauge, die wohlfeiler zu stehen kommt, als Seife, diese recht gut ersezen, und aͤhnliche Resultate liefern koͤnnte. Wir bemerken hier, daß mit diesen Alkalien gekocht werden muß, da Aufgießen und Maceriren allein, selbst in 10 und 12 gradigen Laugen, nicht hinreicht, wenn die Pflanze auch mehrere Tage darin verweilt.“ „Folgende Versuche waren die ersten, die wir mit dem Phormium anstellten, um es so zuzubereiten, daß man das Werg aus derselben erhalten kann.“ „1) eine gewisse Menge Phormium zu Toulon und zu Cherbourg gezogen, wurde drei Monate lang (vom Jaͤner bis Maͤrz) auf einer Wiese ausgebreitet, und bei trokener Witterung von Zeit zu Zeit begossen. Nach 14 Tagen schien die Pflanze einige Veraͤnderung erlitten zu haben: sie schwizte eine weiße, gallertartige, gummiaͤhnliche Masse aus. Nach drei Monaten wurde ein Theil davon mit einem hoͤlzernen Schlegel geklopft, und man erhielt Werg. Man brachte auch einen Theil davon in eine Trokenstube, und nach einiger Zeit erhielt man mit Leichtigkeit Werg.“ „Dieses Werg war aber, soviel man sehen konnte, nicht gut; wahrscheinlich wurde die Pflanze entweder nicht zu gehoͤriger Zeit geerntet, oder die Witterung war zu feucht und zu kalt. Die Faser hatte keine Zaͤhigkeit.“ „2) Man brachte zu Toulon und zu Cherbourg gezogenes Phormium auf dritthalb Monate in eine große Wasserkufe bei ungefaͤhr 15°, und sah oͤfters nach der Pflanze. Nach einem Monate hatte sie noch keine merkliche Veraͤnderung erlitten, und erst nach drei Monaten fing sie an, die Fasern fahren zu lassen: das Wasser hatte damahls einen sehr stinkenden Geruch, und war stark gefaͤrbt.“ „Man breitete dieses schon erweichte Phormium auf einer Wiese aus, wo es aber wieder zu erhaͤrten schien, und die Fasern schwerer los gingen, nachdem man es mit einem hoͤlzernen Schlegel leicht geklopft hatte.“ „Das Phormium von Cherbourg, welches ganz getroknet wurde, gab ein Werg, welches dem uͤbrigen weit vorzuziehen war; es ist wahrscheinlich, daß die Anwendung dieser Pflanze im frischen Zustande zum Roͤsten besser taugt, was wir jezt versuchen werden. Das Werg, welches das Phormium von Toulon unterbeiden Umstaͤnden gab, war schlecht, so daß wir glauben, daß das uns uͤbergebene Phormium von schlechter Qualitaͤt, oder waͤhrend des Troknens verdorben worden war.“ 3) Man kochte das Phormium mit Pottasche-Lauge von verschiedener Starke, von 3° bis auf 5–6°, und wusch es nach 3 bis 4 Stunden. Man erhielt verschiedene Arten von Werg, die nicht besser schienen, als die vorigen, die aber feiner waren, weil die Fasern besser zertheilt wurden.“ „Seife gab beinahe dieselben Resultate; man mußte aber langer kochen. Wir wiederhohlen es hier, daß das Aufgießen sehr starker Laugen und Einweichen in denselben nichts taugt, und daß gekocht werden muß.“ „Es scheint nicht, daß das Alkali, außer wenn es sehr stark ist, viel auf die Fasern wirkt; denn wir kochten sie in Wasser, das 25 p. C. Alkali enthaͤlt, und die Fasern waren so stark, wie vorher, nur waren sie mehr weiß.“ „Sonnenlicht bleicht diese Fasern auf eine merkliche Weise.“ „Die mit Phormium gekochte Lauge war dunkelbraun gefaͤrbt, bitter, gab mit Sauren einen grau gelblichen Niederschlag, und der Niederschlag schien Auszug-gummiartig, und war flokig. Auf einem Filtrum gesammelt und gewaschen und in Wasser aufgeloͤst, schlug der Alkohol aus der Aufloͤsung weiß gelbliche Floken nieder.“ „4) Man kann, durch bloßes Kochen im Wasser, das Phormium so erweichen, daß man die Fasern desselben trennen kann; allein diese Arbeit dauert wenigstens 18 bis 20 Stunden, was, wie man sieht, zu kostspielig waͤre. Mit einem sich selbst schließenden Digestor (digesteur autoclave) erhaͤlt man dasselbe Resultat schneller, aber auch noch mit geringem Vorteile.“ „Nach den bisher angestellten Versuchen ist es erwiesen, daß Roͤstung in Wasser durch eine Art von Faͤulniß die vorteilhafteste Methode zur Zertheilung der Fasern, und wahrscheinlich auch diejenige ist, die die Wilden auf Neu-Seeland, denen unsere kuͤnstlichen Mittel fehlen, anwenden.“