Titel: Ueber die Mittel, den wahren Zustand der Augen zu bestimmen, und jedes Individuum in den Stand zu sezen, sich die für seine Augen passenden Brillen selbst zu wählen. Von Hrn. Joh. Js. Hawkins, Hampstead-Road.
Fundstelle: Band 24, Jahrgang 1827, Nr. XXIX., S. 130
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XXIX. Ueber die Mittel, den wahren Zustand der Augen zu bestimmen, und jedes Individuum in den Stand zu sezen, sich die fuͤr seine Augen passenden Brillen selbst zu waͤhlen. Von Hrn. Joh. Js. Hawkins, Hampstead-Road. Aus dem Repertory of Patent-Inventions. Dec. 1826. S. 347. Hawkins, uͤber die Mittel, den wahren Zustand der Augen zu bestimmen. Da ich nicht zu berechnende Vortheile von Brillen empfand, die drei Grad Vergroͤßerung-Kraft besizen, und wuͤnsche, daß auch andere diese Vortheile benuͤzen koͤnnten, so theile ich hier eine Beschreibung der Art mit, wie diejenigen, deren Augen eine solche Huͤlfe fordern, sich dieselbe verschaffen koͤnnen. Ehe ich mich aber in weiteres Detail einlasse, finde ich es nothwendig, den Leser von der Unerlaͤßlichkeit zu uͤberzeugen, diesen Gegenstand fuͤr sich selbst zu studieren, wenn er anders alle Vortheile, die man von den Brillen erhalten kann, zu erlangen wuͤnscht. Denn 1) darf man wohl Hundert gegen Eins wetten, daß man keinen Brillen-Verkaͤufer findet, der Kenntnisse oder guten Willen genug besaͤße, den Zustand der Augen desjenigen zu untersuchen, der eine Brille kauft, und alle Kleinigkeiten, worauf es zum gehoͤrigen Sehen durch die Brillen ankommt, den Umstaͤnden gehoͤrig anzupassen. 2) ist es unmoͤglich, daß man den Optiker seine Art zu sehen mittheilen kann, so daß er sich einen so deutlichen Begriff hiervon machen koͤnnte, als man selbst hat. 3) ist es in mehreren Faͤllen nothwendig, den wahren Zustand der Augen durch Versuche, die mehrere Tage, ja zuweilen wochenlang fortgesezt werden muͤssen, zu bestimmen, um eine genaue Kenntniß von demselben zu erlangen. Man muß nie bei einer einzelnen Beobachtung so lang verweilen, daß die Augen dadurch ermuͤdet werden. Diese Versuche kann nur derjenige mit dem gehoͤrigen Eifer fortsezen, dem es an den Wohlthaten des Resultates gelegen seyn muß. 4) endlich aͤndert sich der Zustand der Augen oͤfters, und Brillen, die jezt sehr gut seyn koͤnnen, koͤnnen ein Jahr oder ein Paar Jahre spaͤter nichts mehr taugen. Aus diesen Betrachtungen erhellt, daß diejenigen, welche sich alle Vortheile verschaffen wollen, die man durch Brillen erlangen kann, selbst und mit Umsicht und Beharrlichkeit bei den hierzu noͤthigen Versuchen zu Werke gehen muͤssen, und daß diejenigen, die dieß unterlassen, sich die wahrscheinlichen Folgen ihrer Nachlaͤßigkeit, Jahre langes schlechtes Sehen, Augenkrankheiten, Truͤbsehen, und am Ende vielleicht gar Blindheit selbst zuzuschreiben haben. Diese Bemerkungen gelten fuͤr Brillen jeder Art, vorzuͤglich aber fuͤr Brillen von drei Grad Vergroͤßerung, weil hier die Umstaͤnde sich mehr vervielfaͤltigen. Wer sich nicht die Muͤhe geben will, diese Versuche anzustellen, mag sich auch die Muͤhe ersparen, hier eine Zeile weiter zu lesen: denn, so ungereimt es waͤre zu fordern, daß Einer fuͤr den Anderen essen soll, so ungereimt ist es zu erwarten, daß ein Optiker im Stande seyn soll fuͤr einen anderen zu sehen. Ich verweilte hierbei laͤnger, weil ich weiß, wie schwer es ist, das Publicum aus seinem Schlendrian aufzuruͤtteln. Das Erste, was vor der Auswahl der Brillen zu geschehen hat, ist die Bestimmung der Brenn-Weite eines jeden Auges. Man bildet sich nur zu allgemein ein, daß beide Augen an einem und demselben Menschen einerlei Brennweite haben; allein, die Ungleichheit der Brennweite nicht bloß in beiden Augen, sondern auch an einem und demselben Auge in verschiedenen Richtungen ist so gewoͤhnlich, und zuweilen so groß, daß dadurch allein das unangenehme Gefuͤhl entsteht, das sich an vielen aͤußert, wenn sie Brillen vor die Augen nehmen, so wie auch die Undeutlichkeit im Sehen, woruͤber so viele sich beklagen, die keiner Brillen beduͤrfen, hiervon herkommt. Es waͤre sehr zu wuͤnschen, daß alle diejenigen, die die mindeste Schwierigkeit im deutlich Sehen fuͤhlen, oder die eine unangenehme Empfindung wahrnehmen, wenn sie ihre Augen eine laͤngere Zeit uͤber anstrengen, genau die Entfernung bestimmten, in welcher sie mit jedem Auge am deutlichsten sehen. Im Falle eines bedeutenden Unterschiedes sollten sie alsogleich zu Brillen mit zwei verschiedenen Glaͤsern ihre Zuflucht nehmen, deren Vergroͤßerungs- oder Verkleinerungs-Kraft die Entfernung, in welcher sie deutlich sehen, in jedem Auge gleich stellt. Ich sah vor 30 Jahren einen Mann, der mit einem Auge in der groͤßten Entfernung deutlich sah, mit dem anderen aber nur in der Entfernung von drei Zoll deutlich sehen konnte. Durch diesen Fehler in den Augen bekam er eine ganz eigene Physiognomie, und er klagte oͤfters uͤber Unbehaglichkeit und Schmerz in den Augen. Er hatte sich angewoͤhnt, mit dem kurzsichtigen Auge zu lesen, und sah auf Personen und Gegenstaͤnde gewoͤhnlich mit jenem Auge, mit welchem er in die Ferne sah. Er versicherte, daß Brillen ihm nichts nuͤzen; vielleicht daß er, wenn er seine Augen studirt, und mit Beharrlichkeit Versuche angestellt haͤtte, eine Brille gefunden haben wuͤrde, die ihm gut gethan haͤtte. Das zwekmaͤßigste und genaueste Mittel, welches ich zur Bestimmung der wahren Brennweite der Augen fand, ist das Instrument, welches Dr. Thom. Joung in seinem vortrefflichen Werke on Natural Philosophy, Bd. II. S. 575. unter dem Namen Optometer beschrieb. Ich wuͤrde den Optikern rathen, dieses Instrument zum Verkaufe zu verfertigen, und demselben die Beschreibung beizufuͤgen, wie es gebraucht werden muß. Fuͤr jeden Fall sollte jeder, der mit Augenglaͤsern handelt, einen oder ein Paar gleich gute Optometer in seinem Laden haben, um damit die Brennweite der Augen seiner Kaͤufer zu bemessen, ehe er ihnen erlaubt, eine Brille zu versuchen, indem selbst der Versuch einer nicht passenden Brille den Augen in einem gewissen Grade nachtheilig ist, und man durch keine Glaͤser sehen soll, ehe man die Wahrscheinlichkeit, daß sie taugen, durch jedes andere Pruͤfungs-Mittel bereits dargethan hat. Obschon das Messen der Brennweite bei dem Optiker sehr vorteilhaft waͤre, so ist doch das wiederholte Messen derselben zu verschiedenen Zeiten des Tages und der Nacht, und in verschiedenen Zustaͤnden von Ruhe und Bewegung, und das Mittel aus allen den verschiedenen dadurch erhaltenen Resultaten, noch weit vorteilhafter. Da aber dieß der Optiker nicht thun kann, so muß man sich selbst diese Muͤhe nicht reuen lassen. Ich muß hier bemerken, daß man das Optometer nie laͤnger, als zwei oder drei Minuten lang auf ein Mahl brauchen dach indem sonst die Augen zu sehr angestrengt wuͤrden, und daß man dasselbe auch nicht einen Augenblik laͤnger anwenden darf, wenn es einmahl angefangen hat eine unangenehme Empfindung zu erregen, indem jede Anstrengung dieses zarte Organ beleidigt. Als unvollkommenes Surrogat fuͤr das Optometer kann die Entfernung eines Buches von dem Auge dienen, in welcher man deutlich lesen kann, wenn man diese Entfernung mit einem gewoͤhnlichen Lineal mißt. Man laͤßt das eine Ende des Lineales das Buch beruͤhren, und das andere an der Seite des Kopfes in einer Linie mit dem Auge vorbei laufen, und bemerkt die Entfernung mit dem Finger und dem Daumen, mit welchem man das Lineal haͤlt, und der Spize des Fingers, die den Augenwinkel beruͤhrt. Diese Methode ist so einfach und so vollkommen in dem Bereiche eines jeden, daß die Beobachtungen leicht vervielfaͤltigt werden koͤnnen, und man zu einem Durchschnitte gelangen kann, der genau genug zu jedem Zweke ist, den einzigen Fall ausgenommen, daß Ein Auge oder jedes der beiden Augen eine doppelte Brennweite hat, was durchaus nicht selten ist. Die Wirkung dieser doppelten Brennweite ist ein truͤber und undeutlicher Umriß der Gegenstaͤnde in allen Entfernungen. So bald man diese wahrnimmt, muß man zu einem Optometer seine Zuflucht nehmen, und die Entfernung einer jeden dieser Brennweiten genau bestimmen. Ich habe an mir bemerkt, daß ich mit meinem rechten Auge nicht so deutlich sehe, als mit meinem linken, und ich fand durch das Optometer, daß dieses davon herruͤhrte, daß die senkrechte Brennweite dieses Auges laͤnger ist, als die horizontale, waͤhrend in dem linken Auge beide Brennweiten beinahe gleich groß waren. Unter senkrechter Brennweite versteht man die Brennweite jener Lichtstrahlen, die uͤber einander in das Auge einfallen, und unter horizontaler Brennweite die derjenigen Lichtstrahlen, die auf den Seiten in das Auge eintreten. Der Unterschied zwischen beiden entsteht wahrscheinlich dadurch, daß die senkrechte Woͤlbung des Auges von der horizontalen verschieden ist, was entweder von der Hornhaut, oder von der Krystall-Linse im Auge herruͤhrt. Der Durchschnitt aus 27 Messungen einer jeden Brennweite meiner beiden Augen, wenn sie durch eine Linse von 4 3/4 Zoll sehen, war folgender: die horizontale Brennweite des linken Auges 5 5/8 Zoll. senkrechte    –    –   – 5 1/2  – horizontale    – rechten   – 5 1/8  – senkrechte    –    –   – 6 1/4  – Nachdem ich diese wichtige Thatsache ausgemittelt hatte, wuͤnschte ich fuͤr mein rechtes Auge Glaͤser, die senkrecht eine staͤrkere Vergroͤßerungs-Kraft besizen, als horizontal. Hr. Chamblant, Optiker zu Paris, ließ sich ein Patent auf Brillen ertheilen, deren Glaͤser Ausschnitte von Cylindern sind, wovon die einen vertical, die anderen horizontal stehen, wie man in Dr. Rees's Encyclopaedia, Artikel: Spectacles sieht. Wenn man kein Optometer haben kann, kann ein rastrirter Noten-Bogen als Mittel dienen, um zu bestimmen, ob ein bedeutender Unterschied zwischen den senkrechten und horizontalen Brennweiten der Augen Statt hat, und man kann sie mittelst derselben so ziemlich genau messen. Um die horizontale Brennweite des linken Auges zu messen, halte man das Blatt Noten-Papier so vor das Gesicht, daß die Noten-Linien senkrecht stehen, und schließe oder bedeke das rechte Auge. Man ruͤke nun das Blatt naͤher oder ferner zu oder von dem Auge, bis man die rastrirten Linien hoͤchst deutlich sieht, und messe dann die Entfernung des Blattes von dem Auge mit dem Lineale auf die oben beschriebene Weise. Nun halte man das Noten-Blatt so, daß die Linien horizontal liegen, und bewege es so lange, bis die Linien am deutlichsten werden: die Entfernung voll dem Auge gibt die senkrechte Brennweite. Man verfahre eben so mit dem rechten Auge, waͤhrend man das linke schließt oder bedekt, und man wird die Brennweiten der beiden Augen gefunden haben. Man darf nur nie vergessen, daß, um die horizontale Brennweite zu finden, die rastrirten Linien senkrecht gehalten werden muͤssen, und horizontal, wenn man die senkrechte Brennweite finden will. Bei dem Messen meiner Augen, wenn sie durch eine 12zoͤllige Linse sehen, fand ich die horizontale Brennweite des linken Auges 20 Zoll. senkrechte    –    –   – 19  – horizontale    – rechten   – 17  – senkrechte    –    –   – 24  – Ich muß hier wiederholt die Regel einschaͤrfen, die ich bei dem Optometer gab, und den Leser warnen, diese Beobachtungen auch nur einen Augenblik noch fortzusezen, nachdem man bereits anfing eine unangenehme Empfindung im Auge zu verspuͤren: sie duͤrfen nicht ehe wieder aufgenommen werden, bis das Auge ausgeruht hat. Nachdem die wahre Brennweite der Augen genau bestimmt wurde, kommt es darauf an, die Entfernung eines Auges von dem anderen von einem Mittelpuncte desselben zu dem anderen genau zu bemessen. Dieß kann leicht auf verschiedene Weise geschehen: folgende ist die einfachste und sicherste. Man nimmt zwei Streife steifes oder Karten-Papier, ungefaͤhr zwei Zoll lang und einen halben Zoll breit. An einem Ende eines jeden dieser Streife steche man mit einer Nadel ein Loch durch, und halte die anderen Enden zwischen dem Finger und dem Daumen vorne an der Stirne zusammen. Man bringe jedes dieser Loͤcher vor ein Auge, und sehe durch dieselben auf einen entfernten Gegenstand. Nun messe man die Entfernung dieser Loͤcher von einander, und diese gibt die Entfernung der Mittelpuncte der Augen von einander, die zugleich auch die Entfernung der Mittelpuncte der Glaͤser fuͤr Brillen, die man fuͤr entfernte Gegenstaͤnde ausschließlich braucht, seyn muß. Allein, in dem Verhaͤltnisse, als man sie fuͤr naͤhere Gegenstaͤnde braucht, muͤssen die Mittelpuncte der Glaͤser naͤher gegen einander gebracht werden, damit jeder derselben in einer geraden Linie von dem Mittelpuncte des Auges nach dem Brennpuncte liegt, und es ist wesentlich nothwendig, daß die Mitte des Glases rechtwinkelig auf diese Linie steht. Ich habe die Entfernung der Augen an 25 erwachsenen Personen gemessen, und fand folgende Entfernungen der Mittelpuncte derselben: an   2 Personen 2 1/8 Zoll.   3     – 2 3/16  –   5     – 2 1/4   4     – 2 5/16   5     – 2 3/8   1     – 2 7/16   1     – 2 1/2   1     – 2 9/16   3     – 2 5/8 ––––– 25 Hieraus erhellt, daß die mittlere Entfernung der Auzen an erwachsenen Personen ungefaͤhr 2 1/3 Zoll ist. Ich habe auch die Entfernung der Augen an mehreren Kindern gemessen, und der mittlere Durchschnitt faͤllt nicht geringer aus. Ich fand kein Kind, dessen Augen weniger als 2 1/8 Zoll von einander entfernt gewesen waͤren, ich fand aber einige Kinder, deren Augen-Mittelpuncte volle 2 1/2 Zoll von einander entfernt waren. Folgenden Durchschnitt fand ich in der Weite der Fassung von 12 Brillen, die ich ohne alle Auswahl heraus nahm: 3 waren 2 1/8 Zoll. 2   – 2 3/16  – 4   – 2 1/4  – 1   – 2 3/8  – 2   – 2 7/16  – (Die Fortsezung folgt.)