Titel: Erklärung des Dollond'schen Wollmessers, von Professor Riecke.
Autor: Riecke
Fundstelle: Band 24, Jahrgang 1827, Nr. XCV., S. 424
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XCV. Erklaͤrung des Dollond'schen Wollmessers, von Professor Riecke. Mit Abbildungen auf Tab. VII. Riecke, uͤber den Dollond'schen Wollmesser. Unter allen in neuern Zeiten in Vorschlag gekommenen Wollmessern, d.h. Instrumenten, wodurch man die Dike des einzelnen Wollhaars mißt, hat der Dollond'sche wegen der mit der Genauigkeit, die er gewahrt, verbundenen Leichtigkeit in der Manipulation bei Wollhaͤndlern und Schafzuͤchtern den groͤßten Beifall gefunden. Er findet sich auch vielfach in den landwirthschaftlichen Zeitschriften und Werken beschrieben und abgebildet, z.B. in Platners und Webers Jahrbuch der Landwirthschaft Bd. 3. S. 68, in Andre's oͤkonomischen Neuigkeiten, 1821. N. 23, in Thaer's Moͤgliner Annalen, Bd. 7. Stuͤk 1. S. 47, im Neuen Wochenblatte des landwirthschaftlichen Vereins in Bayern, Jahrg. 4. Heft 1. N. 9. in Petri's Werk „das Ganze der Schafzucht“ Theil 2. S. 140 u.s.w. Dessen ungeachtet findet sich aber sein Wesen nirgends richtig aufgefaßt, indem die Sache uͤberall so dargestellt wird, als ob das dabei befindliche Mikroskop 50 Mahl vergroͤßere, waͤhrend aus dem Folgenden erhellen wird, daß die Staͤrke der Vergroͤßerung des Mikroskopes gar nicht in Betracht kommt. Auch die englische Beschreibung, die dem Kaͤufer zugleich gegeben wird, ist nicht von der Art, daß man die Natur des Werkzeuges daraus kennen lernen koͤnnte; es ist nur eine Gebrauchs-Anweisung, und auch in dieser Hinsicht mangelhaft, indem die beigefuͤgte Tabelle durchaus unbrauchbar ist. Diese Unkenntniß uͤber die wesentliche Einrichtung dieses sinnreichen Instrumentes mag vielleicht auch ein Grund seyn, warum bis jezt noch keiner unserer deutschen Kuͤnstler ein solches verfertiget hat; und mag zugleich mir zur Entschuldigung dienen, wenn ich ein schon laͤngst in Aller Haͤnden befindliches Werkzeug beschreibe. Diese Beschreibung wird aber eben deshalb nur auf das Wesentliche zu gehen haben, so weit, als es zur Erklaͤrung der Sache noͤthig seyn wird. Den wesentlichsten Theil des Firometers zeigt die Fig. 36. Es ist ein in der Mitte zerschnittenes Hohlglas, das eine Brennweite von 20 (Londoner-) Zoll hat. Jede der beiden Haͤlften, A und B, ist in Messing gefaßt, und so lassen sie sich auf der messingenen Platte, C, D, welche in der Mitte eine kreisrunde Oeffnung, E, hat, mittelst des gezahnten Rades, F, an einander hinschieben. Die Groͤße der Verschiebung beider Glaͤser wird an der an eben diesen Schiebern angebrachten Skale abgelesen, indem naͤmlich, wenn Null auf Null steht, die beiden Mittelpunkte der Glaser zusammenfallen, und so die beiden Halbglaser nur ein einziges ganzes Glas bilden. Auf dem Maßstabe ist ein Londoner-Zoll in 20 gleiche Theile geschellt, und da auf dem Nonius 9 solcher Theile in 10 gleiche Theile getheilt sind, so kann man mittelst desselben die Entfernung der Mittelpuncte beider Glaser bis auf 1/200 eines englischen Zolls messen. Will man nun den Durchmesser eines Wollhaars messen, so wird hinten in die Oeffnung, E, der messingenen Platte, C, D, ein Mikroskop eingeschraubt, und vorne das in einer Habe! ausgespannte Wollhaar befestiget, so daß es senkrecht auf den Glasschnitt zu stehen kommt. Hierauf stellt man den Nonius auf, 0, und bringt das Wollhaar in diejenige Entfernung von den Halbglaͤsern, bis man, indem man durch das Mikroskop sieht, ein vollkommen deutliches Bild davon erhaͤlt. Sodann ruͤkt man die beiden Halbglaͤser aus einander, bis die zwei dadurch entstehenden Bilder des Haares neben einander liegen, und sich mit ihren Raͤndern genau beruͤhren. Sieht man nun nach dem Nonius, so gibt die Entfernung seines Nullpunctes vom Anfangspunkte des Maßstabs das 50fache vom wahren Durchmesser des Wollhaars. Die Dike des Wollhaars wird also bis auf 1/10000 eines englischen Zolls gemessen werden koͤnnen. Um nun dieses verstaͤndlich zu machen, wird es zwekdienlich seyn, vorerst die Art zu betrachten, wie durch ein Zerstreuungsglas ein Bild von einem Gegenstande entsteht. Stellt, A, B, (Fig. 37.) den Durchschnitt eines solchen Zerstreuungsglases vor, C, den optischen Mittelpunct, E, D, die Achse, E, C, die (negative) Brennweite, und, M, N, einen auf der Achse senkrechten, leuchtenden Gegenstand, so befindet sich sein Bild, m, n, immer auf derselben Seite des Glases, aufrecht, verkleinert und dem Glase naͤher geruͤkt. Dieses laͤßt sich durch eine leichte, zwar kein in aller Strenge richtiges Resultat gebende, aber doch fuͤr diesen Zwek hinreichend genaue Konstruktion anschaulich machen. Von allen Strahlen naͤmlich, die von M, auf das Glas auffallen, geht der durch die Mitte des Glases, M, C, J, ungebrochen durch, und der parallel mit der Achse auffallende Strahl, M, H , wird im Glase so nach, K, gebrochen, als kaͤme er aus dem Brennpuncte, E. Die Richtungen der beiden Strahlen, C, J, und, H, K, schneiden sich in m, und dieß ist mithin der (geometrische) Ort des Bildes von M, da alle uͤbrigen von M, ausfahrende Strahlen im Glase so gebrochen werden, daß ihre Richtungen ruͤkwaͤrts verlaͤngert sich gleichfalls in dem Puncte, m, durchschneiden. Faͤllt man nun von, m, m, ein Perpendikel, m, n, auf die Achse, so ist, m, n, das Bild von M, N, da jeder leuchtende Punct, N, in der Achse sein Bild, n, wieder in der Achse des Glases hat, und das Bild, m, n, dieselbe Lage gegen die Achse haben muß, wie der Gegenstand, M, N. Nehmen wir nun an, daß, waͤhrend M, N, (Fig. 38. wo der halbe Durchschnitt des Glases nur noch durch die gerade Linie, A, c, angezeigt ist), an seiner Stelle bleibt, die Linse parallel mit ihrer vorigen Lage hinaufruͤkt, so daß jezt ihr Mittelpunkt, C', um, C, C', hoͤher liegt; so ruͤkt auch das Bild, (das uͤbrigens, da, M, N, in gleicher Entfernung von der Linse bleibt, gleiche Groͤße und gleiche Entfernung von der linse behaͤlt,) nach, m', n', hinauf, und ruͤkt man die Linse so weit hinauf, bis beide Bilder, m, n, und, m', n', mit ihren Raͤndern sich beruͤhren, so ist, da E, E', M, N, m', n, und, C, C', alle parallel sind, EE' : m'n'CC' : mn = EH : n'HEC : nC und mn : MN = nC : NC folglich C C' : MN = EC : NC. Die Entfernung der beiden Glaser, C C', wird also bei Beruͤhrung der beiden Bilder nur dann dem Durchmesser des Objekts, M, N, gleich seyn, wenn, EC = NC, d.h., wenn der Gegenstand im Brennpuncte selbst aufgestellt ist. Beim Dollond'schen Wollmesser ist aber die Entfernung des Wollhaars vom Glase, NC = 0,4 Zoll, und da, wie schon bemerkt worden ist, die Brennweite, EC = 20 Zoll ist, so ist CC' :MN = 20 : 0,4 = 50 : 1 d.h. die Entfernung der beiden Halbglaͤser ist, wenn sich die Bilder beruͤhren, 50 Mahl groͤßer, als der Durchmesser des Wollhaars. Der Maßstab sammt Nonius gibt aber 200tel eines Zolls, der Durchmesser des Wollhaars wird also eben so viele 10000tel englischen Zolls groß seyn. Die Genauigkeit der Messung haͤngt demnach, wie man sieht, hauptsaͤchlich davon ah, daß das zu messende Wollhaar immer genau in dieselbe Entfernung vom Glase gebracht wird. Dieses geschieht aber durch das damit in Verbindung gebrachte Mikroskop, indem dessen Objectivlinse in einer unveraͤnderlichen Distanz von dem zerschnittenen Zerstreuungsglase sich befindet, und das Ganze so construirt ist, daß der Abstand des Wollhaars vom Hohlglase = 0,4'' ist, wenn man sein Bild durch das Mikroskop vollkommen deutlich sieht. Der Gedanke, durch Zerschneidung einer Linse und Verschiebung der beiden Haͤlften zwei sich beruͤhrende Bilder von einem Gegenstande entstehen zu lassen, um aus der Groͤße der Verschiebung auf die Groͤße des Sehwinkels zu schließen, ist alt, und es beruht darauf die Einrichtung der Heliometer. Die erste Idee dazu verdanken wir Bouquer, und die weitere Vervollkommnung dem aͤlteren Dollond, dem beruͤhmten Erfinder der achromatischen Fernroͤhren. Neu und sinnreich ist aber der Gedanke, eine aͤhnliche Vorrichtung auch bei mikroskopischen Messungen anzubringen, wo die Kleinheit, welche die Objektivlinse bei einem Mikroskop nothwendig haben muß, eine unmittelbare Anwendung jener Idee nicht gestattet. Dollond der Juͤngere hat diese Anwendung durch das vor das Mikroskop angebrachte Zerstreuungsglas moͤglich gemacht, und hierin allein scheint mir das Neue und Eigenthuͤmliche bei seinem Wollmesser zu liegen. Eine umstaͤndlichere Beschreibung dieses Instruments, so wie anderer, die gleichen Zwek mit ihm haben, wird der 12te Band vom Correspondenz-Blatte des wuͤrtembergischen, landwirthschaftlichen Vereins, enthalten.

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