Titel: | Neue Untersuchungen über den Färbestoff des Krappes von den HHrn. Colin und Robiquet. |
Fundstelle: | Band 24, Jahrgang 1827, Nr. CXXVII., S. 530 |
Download: | XML |
CXXVII.
Neue Untersuchungen uͤber den
Faͤrbestoff des Krappes von den HHrn. Colin und Robiquet.
(Vorgelesen in der Acad. der Wissenschaften den 6.
Nov. 1826.)
Aus den Annales de Chimie et de Physique.
Maͤrz. 1827. S. 225–253.Von dieser Abhandlung erschien im vorigen Jahre ein Auszug in dem Journ. de
Pharm., welchen wir in dem polytechn. Journale Bd. XXII. S. 60–66. mitgetheilt
haben. Spaͤter erschien in demselben Journale ein zweiter Auszug, die
Darstellung des Krapplaks enthaltend, welche wir im polytechn. Journale Bd. XXIV. S. 275. mittheilten. Da nun die
Annales de
Chimie et de Physique die Arbeiten der HHrn. Colin und Robiquet
vollstaͤndig liefern, und da man auf diese Abhandlung in der Folge noch
oͤfters zuruͤk kommen wird, so glauben auch wir sie unsern Lesern
hier noch nachtraͤglich in jener Vollstaͤndigkeit mittheilen zu
muͤssen. A. d. R.
Colin's, neue Untersuchungen uͤber den Faͤrbestoff
des Krappes.
Seit vielen Jahren zieht der Krapp die Aufmerksamkeit der
Mahler, Faͤrber und Chemiker auf sich, und es gibt in der That wenige
Substanzen, die sie mehr verdienen. Diese schaͤzbare Wurzel, welche
gegenwaͤrtig in ungeheurer Menge verbraucht wird, verschafft uns so reiche,
glaͤnzende und mannigfaltige Farben, daß sie gleichsam die Basis der ganzen
Faͤrberei geworden ist, und daß ihr tiefes Studium an die interessantesten
Erscheinungen der Kunst gebunden zu seyn scheint. Ungluͤklicherweise hat man
lange Zeit ein Geheimniß aus den Verfahrungsarten gemacht, wodurch man diesen
schoͤnen Farbestoff auf die Zeuge befestigen kann. Kaum waren aber diese
Verfahrungsweisen in Frankreich oͤffentlich bekannt gemacht worden, als sich
sowohl Chemiker als Faͤrber wetteifernd beeilten, sie sorgfaͤltig zu
untersuchen, und die Resultate ihrer Beobachtungen bekannt zu machen. Besonders
verdankt man Berthollet, Watt, Chaptal, Hausmann, Gren,
Vogler und Vitalis die wichtigsten
Untersuchungen uͤber diesen Gegenstand.Auch Bankroft, Buchholz, Hermbstaͤdt, Hegmann,
John, v. Kurrer u. m. a. haben sich um
die naͤhere Kenntniß des Pigments des Krapp's verdient gemacht. A. d.
R. Indessen muß man gestehen, daß alle diese Arbeiten, so interessant sie
immer seyn moͤgen, zulezt doch kein anderes Resultat gaben, als daß sie
nuͤzliche Verbesserungen in den empirischen und verwikelten Vorschriften der
alten Werkstaͤtten machten; vielleicht koͤnnte man auch noch mit Grund
sagen, daß die wichtigsten Verbesserungen, die man hierin in der lezten Zeit machte,
weit mehr von den Versuchen geschikter Praktiker herruͤhren, als von
wissenschaftlichen Daten.
Alle unsere chemischen Kenntnisse von der Natur der Krappwurzel beschraͤnkten
sich ohnlaͤngst noch darauf, daß man nach Watt
Annal. de Chimie, Bd. IV. S. 104. A. d. O. zwei verschiedene Faͤrbestoffe, einen falben und einen purpurrothen
annahm; lezteren betrachtete man als den einzigen, der mittelst gewisser Beizmittel
eine lebhafte und solide rothe Farbe geben kann, waͤhrend ersterer nur den
schoͤnen Eigenschaften seines Begleiters durch mißliche Resultate
schadete.Dieß hat auch allerdings seine Richtigkeit, obgleich es die HHrn. Verfasser
im Verfolge dieser Abhandlung in Widerspruch zu nehmen scheinen. Eine
demnaͤchst in diesem Journale von uns mitzutheilende Abhandlung wird
die Sache ins Klare bringen. Vorlaͤufig verweisen wir auf die Anmerk.
80 im polyt. Journ. Bd. XIII. S.
224. Bei diesem Anlasse theilen wir eine Aeußerung des Prof. Doͤbereiner aus Schweiggers Journal fuͤr Chemie und
Physik. Bd. XVI. S. 75. mit, welche unsere fruͤhere Ansicht
bestaͤtigt. Er sagt naͤmlich bei Gelegenheit der Zersezung der
Blausaͤure: „Ich kann nicht umhin bei dieser Gelegenheit
nochmals darauf aufmerksam zu machen, daß die galvanische
Electricitaͤt das einzige und sicherste Mittel ist, die chemische
Natur der organischen und unorganischen Substanzen, und die Rolle,
welche mehrere derselben in Verbindung spielen, zu offenbaren. Als ich
mich vor mehreren Jahren mit der Scheidung verschiedener Pigmente der
Pflanzen beschaͤftigte, so erhielt ich erst durch die galvanische
Saͤulenwirkung die Ueberzeugung, 1) daß in jeder Farbenpflanze
stets zwei verschiedene Pigmente mit einander verbunden vorhanden sind,
und 2) daß das eine derselben saurer, das andere basischer Natur ist,
und daß man mit Huͤlfe alkalischer Substanzen die basischen
Pigmente von den sauren trennen kann, und umgekehrt; laͤßt man
z.B. auf einen Aufguß von Iratis tinctoria
(Waid) die beiden Pole der electrischen Saͤule wirken, so tritt
am positiven Pole eine gelbe Fluͤßigkeit, am negativen aber Indig
auf. Da lezterer in seinem isolirten Zustande unaufloͤslich ist,
so kann er von dem sauren gelben Pigmente durch Kalkwasser geschieden
werden.“ A. d. R.
Karl Bertholdi vermuthete außerdem,Annales de Chimie, Bd. XII. S. 74. A. d. O. der Krapp wuͤrde eine betraͤchtliche Quantitaͤt schwefelsaure
Bittererde enthalten.
Spaͤter behauptete Hausmann,Annales de Chimie, B. LXXVI. S. 14. A. d. O.
(Dingler's neues Journal fuͤr die
Druk-, Faͤrbe- und Bleichkunde. Bd.i. S. 91., woselbst
man uͤber die Wirkung der Kreide beim Krappfaͤrben eine auf
Erfahrung gegruͤndete Abhandlung findet, auf welchen Gegenstand wir
am Schlusse dieser Abhandlung wieder zuruͤk kommen. A. d. R.) der, wie es scheint, zuerst die gute Wirkung des kohlensauren Kalkes beim
Krappfaͤrben beobachtete, daß dieses guͤnstige Resultat nur eine Folge
der Zersezung der schwefelsauren Bittererde durch den kohlensauren Kalk sey.
Spaͤter wird sich zeigen, welches Zutrauen diese Behauptung verdient.
Auf diesem Standpuncte waren unsere Kenntnisse noch, als Hr. Kuhlmann im Jahre
1823Annales de Chimie et de Phys. Bd. XXIV. S. 225.
A. d. O. (Polyt. Journal B. XIII. S.
224, wo wir bei diesem Anlasse unsere Leser auf unsere Anmerkungen
bei jener Analyse aufmerksam machen. Die Analysen des Krappes von Buchholz und John,
welche genauere Resultate als die des Hrn.
Kuhlmann geben,
und die wir im polyt. Journale Bd. XXII.
S. 61. mitgetheilt haben, scheinen die HHrn. Verfasser nicht zu
kennen. A. d. R.) eine vollstaͤndige Analyse des Krappes bekannt machte.
Er fand darin fuͤr's erste einen rothen Faͤrbestoff, auf welchen er
vorzuͤglich alle seine Untersuchungen richtete, und einen anderen falben
Faͤrbestoff, den er kaum bezeichnete.
Außerdem fuͤhrte er noch Holzstoff, eine vegetabilische Saͤure, von der
er glaubt, daß sie mit der Aepfelsaͤure identisch sey, einen Pflanzenschleim,
eine vegetabilisch-animalische Substanz, Gummi, Zuker, eine bittere Substanz,
ein riechendes Harz, und endlich verschiedene erdige, oder alkalische Substanzen an;
aber, was merkwuͤrdig ist, man findet darunter kein Bittererdesalz.John fand allerdings phosphorsauren Talk in dem
Krappe. Siehe dessen Analyse im polyt. Journale a. a. O., dessen chemische
Schriften Bd. 4. S. 84, und dessen
chemische Tabellen der Pflanzen T. VI u. VII. A. d. R.
Da wir uns fuͤr jezt nur mit dem Faͤrbestoff beschaͤftigen
wollen, so wollen wir hier diese interessante Analyse nicht im Detail wiederholen,
und bloß anfuͤhren, daß wir uns von der Genauigkeit des Versuches, der uns bei dieser Arbeit der
interessanteste seyn mußte, naͤmlich desjenigen, wodurch man das rothe
Pigment erhalten soll, uͤberzeugen wollten, und ihn daher mit aller
moͤglichen Sorgfalt wiederholten, und dabei so genau verfuhren, als es die
Angaben des Verfassers uns gestatteten.
Das Verfahren des Hrn. Kuhlmann
besteht darin, gemahlenen Krapp waͤhrend 24 Stunden in kaltem Wasser weichen
zu lassen: dann diesen Krapp in einer frischen Quantitaͤt Wassers auskochen
zu lassen; die Abkochung sodann zu filtriren, und ihr einige Grammen
Schwefelsaͤure zuzusezen. Es fallen hierauf sogleich viele leichte,
orangefarbene Floken nieder, welche man auf einem Filtrum sammelt, und mit ein wenig
gesaͤuertem Wasser aussuͤßt. Dieses ist nach Hrn. Kuhlmann der rothe
Faͤrbestoff, er enthaͤlt aber noch eine geringe Menge der
faaͤlenden Saͤure; um ihn vollkommen rein zu erhalten, braucht man
diese Floken nur in absolutem Alkohol aufzuloͤsen, und ihm etwas troknes,
gepuͤlvertes, basisches oder neutrales kohlensaures Kali zuzusezen. Die
Fluͤßigkeit wird tief carmoisinroth. Hr. Kuhlmann schreibt vor, sie von neuem zu
filtriren, und dann dem freiwilligen Verdunsten zu uͤberlassen; dadurch
erhaͤlt er, wie er sagt, kleine farnkrautartig zusammengehaͤufte
Krystalle, welche nach ihm folgende Eigenschaften haben:
1) Sie loͤsen sich in Alkohol leicht auf, dem sie eine schoͤne rothe
Farbe, die sich sehr lange haͤlt, mittheilen; zulezt aͤndert sie sich
aber doch, und der Faͤrbestoff schlaͤgt sich in braunen Floken
nieder.
2) Die Krystalle sind in Wasser sehr leicht aufloͤslich; wenn man aber die
Aufloͤsungen concentrirt, veraͤndert sich der Faͤrbestoff, und
schlaͤgt sich nieder.
3) Die Alkalien erleichtern die Aufloͤsung desselben im Wasser sehr, ohne seine Nuͤance viel zu veraͤndern.
4) Die Saͤuren schlagen diesen Faͤrbestoff aus seinen
Aufloͤsungen nieder; der Alkohol haͤlt ihn zwar auch bei einem
Ueberschusse von Saͤure zuruͤk, aber die Farbe wird dann orange
Dieses sind alle Eigenschaften desselben, welche Hr. Kuhlmann angibt, und diese werden ohne Zweifel
bei weitem nicht hinreichend scheinen, denn wenn man eine Substanz von so hohen
Interesse abzuhandeln hat, kann man sich gewiß nie auf zu viele Thatsachen
stuͤzen. Außerdem moͤchte man wohl wuͤnschen, daß der Verfasser
angegeben haͤtte, auf welche Art er sich von der Reinheit dieser Substanz
uͤberzeugt hat. Da nun aber hiervon, in seiner Abhandlung nichts vorkommt, so
war unsere erste Sorge, diese Luke auszufuͤllen; hier muͤssen wir aber
sagen, daß wir uns zwar bei der Wiederholung des Verfahrens des Hrn. Kuhlmann, genau an dessen Vorschrift
hielten, aber daß es uns dennoch nicht gelang, die Krystalle zu erhalten, deren er
erwaͤhnt, obgleich wir das Product der ersten Abdampfung in absolutem
Alkohole wieder aufloͤsten, um etwas von einer schweren aufloͤslichen
Substanz, die uns der Krystallisation hinderlich zu seyn schien, zu entfernen. Wir
muͤssen noch hinzusezen, daß wir dieses Verfahren oͤfters wiederholt
haben, daß wir aber niemals die Krystalle des Hrn. Kuhlmann beobachten konnten, welche Vorsicht wir
auch immer ergreifen mochten, sowohl beim Saͤttigen der geistigen Tinctur,
als auch bei ihrer Abdampfung. Wir sind dessen ungeachtet weit entfernt, den
geringsten Zweifel in die Wahrheit dieser Thatsache zu sezen, da wir aber wissen,
daß dieser Versuch auch anderen Chemikern mißlungen ist, so muß man glauben, daß der
Verfasser es unterlassen hat, einige Umstaͤnde anzufuͤhren, die
fuͤr das Gelingen seines Verfahrens wesentlich sind. Abgesehen davon, daß wir
diese Krystalle nicht erhielten, haben wir mit der Substanz gearbeitet, die wir
durch Abdampfen der moͤglichst gereinigten geistigen Tinctur erhielten, und
sie als weiter nichts, als die Substanz des Hrn. Kuhlmann betrachtet.
Schon fruͤher hatten wir die Beobachtungen gemacht, daß die falben Floken an
und fuͤr sich selbst sauer sind, ganz abgesehen von der faͤllenden
Saͤure. Daraus schlossen wir, daß die Krystalle, wovon so eben gesprochen
worden ist, wohl von einer Verbindung dieser Saͤure mit dem Alkali des
angewandten kohlensauren Salzes herruͤhren koͤnnten, und dieser
Gedanke schien uns um so wahrscheinlicher, da uns Versuche gelehrt hatten, daß die
falben Floken, die von Hrn. Kuhlmann beobachtete carmoisinrothe Farbe, nur durch den Einfluß der
Alkalien erhalten. Um diese Vermuthung zu bewahrheiten, calcinirten wir in einem
Platintiegel eine Quantitaͤt des getrokneten Ruͤkstandes der geistigen
Tinctur, und erhielten dadurch eine sehr ansehnliche Menge basisch kohlensaures
Kali. Da wir diesen Versuch oͤfters mit gleichem Resultate wiederholten, und ohne daß ein
zufaͤlliger Umstand es haͤtte veranlassen koͤnnen, so mußten
wir endlich glauben, daß Hr. Kuhlmann den reinen Faͤrbestoff nicht erhalten hat, und daß
diese Substanz zum Kali eine so große Verwandschaft hat, daß sie sich miteinander
selbst im absoluten Alkohole vereinigen koͤnnen, wie uͤbrigens auch
immer das Kali zuvor mit Kohlensaͤure gesaͤttigt gewesen seyn mag,
weil das basische und neutrale kohlensaure Kali gleich wirken. Es ist klar, daß auf
diesem Wege der Zwek noch ganz und gar nicht erreicht war, und daß wir somit ein
anderes Verfahren ausmitteln mußten, um ihn zu erreichen. Wir wollen ganz kurz
anfuͤhren, wie wir auf dasjenige gekommen sind, welches wir annahmen.
Hr. Mérimée,
welcher sich mit vielem Erfolge mit der Bereitung der Krapplake beschaͤftigt
hat, empfiehlt, diese Wurzel gepuͤlvert, zuerst sehr oft mit bloßem Wasser
auszuwaschen; dann mit Wasser, das mit Alkalien versezt ist, und endlich mit
saͤuerlichem Wasser. Nachdem so der Krapp alle Substanzen ganz verloren hat,
die sich in diesen verschiedenen Menstruis aufloͤsen lassen, laͤßt ihn
Hr. Mérimée in
einer Alaunaufloͤsung einweichen, welche die Eigenschaft hat, den rothen
Faͤrbestoff aufzuloͤsen; durch Alkalien kann man dann dieses Pigment
mit mehr oder weniger Thonerde niederschlagen. Auf diese Art erhaͤlt man
gewiß schoͤne Lake, aber ohne Zweifel nur mit Aufopferung einer
betraͤchtlichen Quantitaͤt voll Faͤrbestoff; das Verfahren ist
uͤbrigens außerordentlich lang, weßwegen wir eine Methode ausfindig machen
mußten, die schneller zum Ziele fuͤhrt, und weniger kostspielig ist. Darauf
hat uns leicht die bloße Betrachtung gefuͤhrt, daß schon die ersten
Auswaschwasser eine große Quantitaͤt des wesentlichen Farbestoffes des
Krappes wenigstens suspendirt enthalten moͤchten, weil die Faͤrber
sich, und zwar sehr vortheilhaft, des Krappes bedienen, ohne zu einem solchen
unaufhoͤrlichen vorlaͤufigen Auswaschen ihre Zuflucht zu nehmen, was
doch gewiß ein unverwerflicher Beweis dafuͤr ist.Wenn die Faͤrber den Krapp vor dessen Anwendung nicht auswaschen, so
ist dieses schlechterdings kein unverwerflicher Beweis fuͤr das
Gegentheil. Faͤnde das Absondern des falben Stoffes durch Gaͤhrung
(wir verweisen hier auf Dr. v. Kurrer's treffliche Abhandlung im polyt. Journale
Bd. XXIII. S. 73.) vor dem
Faͤrben statt, so wuͤrden viele Operationen, welche nach dem
Faͤrben noch eintreten muͤssen, wegfallen. Bei dem Absondern
des falben Stoffes durch Gaͤhren geht, wie Hr. Dr. v. Kurrer richtig bemerkt, kein
rothes Pigment verloren. Wenn die HHrn. Verf. eine naͤhere
Bekanntschaft mit Faͤrbern gemacht haben, so muß ihnen nicht
entgangen seyn, daß die Mehrheit dieser Leute bloße Empiriker sind, und am
allerwenigsten etwas von dem verstehen, was sie eigentlich wissen sollten.
Kein Kunstzweig findet sich in so vielen rohen Haͤnden, als die
Druk- und Farbekunst. A. d. R. Hierin glaubten wir also zuerst diesen Faͤrbestoff suchen zu
muͤssen.
Das Verfahren des Hrn. Mérimée zeigt uns uͤbrigens hinreichend, daß
dieser Faͤrbestoff an und fuͤr sich im Wasser nur sehr wenig
aufloͤslich ist, und darin nur mit Huͤlfe einiger anderen
aufloͤslichen Producte in ansehnlicher Menge zuruͤkgehalten werden
kann. Nun wissen alle diejenigen, die sich in Analysen vegetabilischer Substanzen
geuͤbt haben, welchen großen Einfluß in aͤhnlichen Faͤllen das
Verhaͤltniß des Aufloͤsungsmittels auf die gegenseitige
Aufloͤslichkeit der Bestandtheile hat, und Jedermann weiß auch, daß z.B.
dieser oder jener Koͤrper, der im Wasser schwer aufloͤslich ist, wenn
er isolirt ist, in groͤßerem Verhaͤltnisse in einer kleinen Menge des
Aufloͤsungsmittels bloß dadurch aufgenommen werden kann, daß die ihn
begleitenden aufloͤslichen Bestandtheile staͤrker auf ihn zu wirken im
Stande sind, wenn sie sich naͤmlich in einem concentrirten Zustande befinden.
In der Hoffnung nun, in die Aufloͤsung, wenigstens in die augenblikliche,
mehr von diesem an und fuͤr sich wenig aufloͤslichen
Faͤrbestoff hineinzuziehen, veranstalteten wir das erste Einweichen, mit
einer nur sehr geringen Menge Wasser; wir schlugen um so eher diesen Weg ein, weil
wir seit langer Zeit wußten, daß das concentrirte Einweichwasser die Eigenschaft
hat, zu einer Gallerte zu gerinnen, wenn die Fluͤßigkeit nur einige
Augenblike auf dem Krapp verweilt hat. Wir fuͤgen noch bei, daß es uns, nach
allem zu schließen, sehr wahrscheinlich war, daß diese freiwillige Gerinnung nur das
Resultat der Ausscheidung des Faͤrbestoffes selbst ist, der wegen seiner
geringen Verwandschaft zum Wasser, es immer zu verlassen sucht.
Wir ruͤhrten demzufolge 1 Kilogramm Elsaßer-Krapp mit 3 Kilogrammen
reinem Wasser an, und nachdem er zehn Minuten lang erweicht worden war, brachten wir Alles auf ein
Filter von dichter Leinwand, und preßten gleich darauf den Einsaz stark aus. Die
Fluͤßigkeit, welche wir erhielten, war braunroth; ein Theil davon wurde nun
zu einigen Versuchen verwandt, und der andere an einen kuͤhlen Ort
gestellt.
Watt hat schon die Haupteigenschaften der Krappinfusion
beschriebenAnnales de Chimie, Bd. IV., und wir wollen nur diejenigen noch hinzufuͤgen, die sich auf unseren
Gegenstand beziehen; so wollen wir bemerken, daß sie, wenn sie frisch bereitet ist,
das Lakmuspapier sehr auffallend roͤthet; daß die Saͤuren, besonders
die Mineralsaͤuren, darin eine reichliche Gerinnung hervorbringen, welche in
der Vereinigung gallertartiger falber Floken besteht; daß die Alaunaufloͤsung
sich, in diesem Falle, wie eine schwache Saͤure verhaͤlt; daß die
Aufloͤsungen des Zinnes und Bleies darin sehr reichliche
Niederschlaͤge hervorbringen; endlich noch, daß einige Tropfen einer
Aufloͤsung von aͤzendem Kali, wenn sie in dieses erste
Aussuͤßwasser des Krappes gegossen werden, die braunrothe Nuͤance in
eine sehr schoͤne, johannisbeerrothe Farbe umaͤndern, und daß die
Fluͤßigkeit durch dieses Reagens nicht nur nicht gefaͤllt, sondern
vielmehr klarer wird.
Wir kommen nun auf denjenigen Theil des Einweichwassers zuruͤk, welcher an
einen kuͤhlen Ort gestellt worden war; wir wollen wieder in Erinnerung
bringen, was wir schon vorher gesagt haben, daß man nach kuͤrzerer oder
laͤngerer Zeit, und nach Verhaͤltniß ihrer Concentration, diese
Fluͤßigkeit so coagulirt findet, daß sie eine zitternde Masse bildet,
aͤhnlich derjenigen, welche in der Milch oder in dem Blute entsteht, wenn
diese auf aͤhnliche Art einer freiwilligen Veraͤnderung
uͤberlassen bleiben. Wenn man das Gefaͤß, welches dieses Product
enthaͤlt, etwas stark schuͤttelt, theilt sich die Masse in große
Klumpen, aus welchen eine ziemlich klare Fluͤßigkeit ausfließt, die viel
weniger gefaͤrbt ist, als diejenige, wovon sie herruͤhrt; wenn man
alles auf dichte Leinwand bringt, scheidet sich diese Fluͤßigkeit sehr leicht
ab.
Vergleicht man nun ihre Eigenschaften mit denjenigen des ersten Einweichwassers, so
findet man:
1) daß sie das Lakmuspapier viel weniger roͤthet;
2) daß die Saͤuren darin keine Gerinnung mehr verursachen, besonders wenn sie
verduͤnnt sind;
3) daß das aͤzende Kali statt ihr eine schoͤne, johannisbeerrothe Farbe
zu ertheilen, wie im vorhergehenden Falle, darin nur eine schmuzige,
roͤthliche Nuͤance hervorbringt, und daß die rothe Farbe des
Niederschlages, welcher entsteht, wenn man diese alkalische Fluͤßigkeit mit
einer Alaunaufloͤsung versezt, falb und schwarzblau ist.
Durch diese Eigenschaften wird hie von uns zuvor geaͤußerte Vermuthung
hinreichend bestaͤtiget; sie zeigen naͤmlich, daß der Theil des rothen
Faͤrbestoffes, welcher mit in das erste Auswaschwasser hineingezogen wird,
den geronnenen Theil begleitet, und daß man ihn darin suchen muß. Hierauf
muͤssen wir nun unsere ganze Aufmerksamkeit richten, und in dieser Beziehung
etwas ins Einzelne gehen.
Ein vorlaͤufiger Versuch, welchen wir mit dem noch hydratischen und mit
kaltem, destillirten Wasser gut ausgesuͤßten geronnenen Theile machten,
zeigte uns, daß er noch immer die Eigenschaft hat, das Lakmus sehr merklich zu
roͤthen; er enthaͤlt also bestimmt eine freie Saͤure. Die
aͤzenden Alkalien greifen ihn, auch wenn sie sehr verduͤnnt sind,
leicht an, und scheinen ihn fast ganz aufzuloͤsen; aber die kohlensauren
Alkalien wirken nicht auf ihn. Die Alaunaufloͤsung loͤst ihn zum
Theile auf; die Aufloͤsung ist schoͤn kirschroth, und man
erhaͤlt auch mit dieser Aufloͤsung einen sehr schoͤnen Lak.
Darauf kommen wir spaͤter wieder zuruͤk; concentrirter Alkohol
loͤst ihn großen Theils auf, wodurch er eine dunkle, rothbraune Farbe
erhaͤlt; diese Aufloͤsung roͤchet noch das Lakmus: durch die
Alkalien wird sie schoͤn purpurroth, waͤhrend durch die Saͤuren
im Gegentheile ihre Farbe geschwaͤcht wird; verduͤnnt man aber die
beiden Fluͤßigkeiten mit Wasser, so bemerkt man, daß die mit Alkalien
versezte Tinctur, sich in Aufloͤsung erhaͤlt, daß hingegen die andere
einen reichlichen Niederschlag gibt, worin noch der Faͤrbestoff enthalten
ist, und noch dazu in einem verdichteteren Zustande. Wird dieser Niederschlag wieder
in den Alkalien aufgeloͤst, so gibt er eine gefaͤrbte
Fluͤßigkeit von einer noch reicheren Farbe, als die Gallerte selbst, so daß
wir das vorgestekte Ziel erreicht zu haben glaubten, und nur noch, fuͤr
noͤthig hielten, uns solchen Faͤrbestoff in groͤßerer Menge zu
verschaffen, um alle seine Eigenschaften ausmitteln zu koͤnnen.
Wir wiederholten daher unseren Versuch mit groͤßeren Quantitaͤten, und
nachdem wir die erhaltene Gallerte lange genug hatten abtropfen lassen, zerrieben
wir sie nochmals mit destillirtem Wasser; um sie gut auszusuͤßen, worauf man
sie von neuem ablaufen ließ.
Da diese Art von Gallerte sich aber schwer vom Wasser scheidet, so sahen wir uns
genoͤthigt, zum Pressen unsere Zuflucht zu nehmen, was jedoch mit einigen
Schwierigkeiten verbunden ist; denn wenn man nicht sehr allmaͤhlig auspreßt,
und außerdem diese Gallerte in sehr viel doppelt gelegte Leinwand einhuͤllt,
geht alles durch dieselbe; wenn man hingegen vorsichtig zu Werke geht, kann man sie
zu einem sehr festen Teige bringen. Indem wir sie in einem so weit concentrirten
Zustande oͤfters mit siedendheißem absoluten Alkohole behandelten, erhielten
wir mehrere mehr oder weniger reichhaltige Tinkturen, welche alle in eine
Destillirblase zusammen gegossen wurden, um daraus den Alkohol zum groͤßten
Theile uͤberzuziehen; nachdem etwa 4/5 davon uͤbergezogen waren,
versezten wir den Ruͤkstand mit ein wenig SchwefelsaͤureDieß geschah bloß um die Aufloͤslichkeit dieses Productes noch mehr zu
verringern. A. d. O., worauf Alles mit einigen Liter Wasser angeruͤhrt wurde. Es entstand,
wie zuvor, ein reichlicher Niederschlag von einer falben gelben Farbe, welcher durch
bloßes Abgießen so lange ausgesuͤßt wurde, bis das Aussuͤßwasser mit
Barytsalzen keinen Niederschlag mehr gab, worauf man denselben auf ein Filter
brachte und troknete. Er hatte nun folgende Eigenschaften:
Seine Farbe war die des Spanniols; er fuͤhlt sich sanft, aber gar nicht fettig
an; er ist fast ganz geschmaklos, und riecht etwas aromatisch.
In Wasser loͤst er sich sehr schwer auf, und kann gewissermaßen durch dieses
Menstruum gar nicht erschoͤpft werden; wir haben das Aussuͤßen
außerordentlich lange fortgesezt, ohne eine farbenlose Fluͤßigkeit erhalten
zu koͤnnen; sie bleibt immer mehr oder weniger stark, goldgelb.
Alkohol loͤst ihn vollstaͤndig auf; die Aufloͤsung ist rothbraun
und sauer.
Aether loͤst ihn nur zum Theile auf, und nimmt eine reine gelbe Farbe an; die
Aufloͤsung ist aber auch sauer, selbst wenn der Aether vollkommen neutral
war.
Uebergießt man diesen Niederschlag mit einer Aufloͤsung von aͤzendem
Alkali, so nimmt er eine blaue Farbe an, die um so schoͤner und intensiver
ausfaͤllt, je concentrirter erstere war; die Farbe wird schoͤn
purpurroth, mehr oder weniger in's Veilchenblaue spielend, je nachdem man sie zuvor
mit Wasser verduͤnnt; aber die Lake, welche man mit dieser Fluͤßigkeit
nach dem gewoͤhnlichen Verfahren darstellt, haben nur eine falbe und
weinrothe Farbe.
Woruͤber wir uns aber vorzuͤglich verwunderten, ist, daß dieser
Niederschlag von einer Alaunaufloͤsung, und wenn sie auch siedendheiß ist,
kaum angegriffen wird, und daß das wenige, was sich aufloͤst, nur eine
braunrothe Farbe gibt; der Niederschlag, welchen Ammoniak darin hervorbringt, hat
eine viel schlechtere Farbe, als der im vorigen Versuche. Das Verhalten des
gallertartigen geronnenen Theiles unter gleichen Umstaͤnden, ließ uns, wir
gestehen es, ein solches sonderbares Resultat nicht im geringsten erwarten, und wir
wollen fuͤr jezt die Folge davon nicht aus einander sezen.
Die angefuͤhrten Versuche hatten uns nur zu gut gezeigt, daß wir mit unserer
Arbeit noch lange nicht fertig seyen; wir machten nun viele neue Versuche, aber
immer mit eben so wenig Erfolge. Nach mannigfaltigen Versuchen, die wir aber hier
nicht anfuͤhren wollen, waren wir durch diese große und unnuͤze
Arbeit, endlich so abgeschrekt, daß wir, wie es bei vielen anderen der
aͤhnliche Fall war, auf dem Puncte waren, alles aufzugeben; als wir auf den
Gedanken kamen, die Wirkung der Waͤrme auf unsern Niederschlag auszumitteln,
und dießmal waren wir unerwartet so gluͤklich, ein Resultat zu erhalten, das
unseren Eifer und unsere Hoffnung wieder belebte; es war folgendes:
Sezt man die Substanz, von der wir so eben gesprochen haben, einer gelinden und lange
anhaltenden Hize in einer Glasroͤhre aus, so erweicht sich dieses Product
zuerst, und schmilzt unter Verbreitung des Geruches einer erhizten fetten Substanz,
dann aber erhebt sich daraus ein goldgelber Dampf, welcher aus glaͤnzenden
Theilchen besteht, die sich im mittleren Theile der Roͤhre zu verdichten
anfangen, und eine Zone bilden, die sich bald ganz mit langen, schoͤnen,
glaͤnzenden Nadeln bekleidet, die sich in allen Richtungen durchkreuzen, und
eine rothe Farbe, ganz
aͤhnlich derjenigen des natuͤrlichen chromsauren Bleies,
reflectiren.
Mit diesen Krystallen stellten wir zuerst einige Versuche an, wovon wir die
wichtigsten anfuͤhren wollen. Sie loͤsen sich wenig oder gar nicht in
kaltem Wasser auf; wenn sie aber recht rein, das heißt, von einer fetten Substanz,
welche sich zu gleicher Zeit zu verstuͤchtigen scheint, befreit sind,
loͤst siedendes Wasser etwas davon auf, und faͤrbt sich rein
rosenroth. Diese Fluͤßigkeit zeigt weder saure noch alkalische Eigenschaften,
selbst mit den empfindlichsten Reagentien.
Alkohol und besonders Aether loͤsen diese Krystalle fast in allen
Verhaͤltnissen auf; es ist sehr merkwuͤrdig, daß die
aͤtherische Aufloͤsung immer schoͤn goldgelb ist, selbst wenn
der Aether ganz neutral ist; woher dieser Unterschied ruͤhrt, wissen wir
nicht, vielleicht von einer groͤßeren Zertheilung der Atome?
Die aͤzenden Alkalien wirken im verduͤnnten Zustande auf diese
Krystalle eben so, wie auf den Niederschlag, woraus man sie erhaͤlt; es
verdient jedoch bemerkt zu werden, daß es oft scheint, als wenn eine
vollstaͤndige Aufloͤsung erfolgt waͤre, waͤhrend wieder
zuweilen die Fluͤßigkeit, nachdem sie eine sehr satte violbraune Farbe
angenommen hat, nach wenigen Augenbliken sehr dunkelgefaͤrbte Floken absezt,
waͤhrend die daruͤber stehende Fluͤßigkeit ganz farbenlos
bleibt.
Wir glaubten bemerkt zu haben, daß dieser Unterschied in der Aufloͤslichkeit,
von der fetten Substanz herruͤhrt, deren wir kurz zuvor erwaͤhnten,
als wir von der Wirkung des Wassers auf die Krystalle sprachen. Wir werden unsere
Meinung uͤber diesen Gegenstand spaͤter sagen, aber wir wollen hier
bemerken, daß, wenn man Krystalle auswaͤhlt, die gut abgetrennt und rein
sind, sie sich momentan aufloͤsen, wenn man sie in ein schwach
ammoniakalisches Wasser bringt, und diesem eine herrliche Farbe mittheilen,
waͤhrend, wenn man mehr gruppirte und mit Schaum bedekte Krystalle nimmt, sie
sich vielmehr faͤrben und vertheilen, anstatt, daß sie sich in der
Fluͤßigkeit aufloͤsen.
Es scheint also in dem einen Falle mit den Alkalien eine unaufloͤsliche
Verbindung zu entstehen, waͤhrend in dem anderen eine, wenigstens momentane,
Aufloͤsung erfolgt.
Wenn man diese Krystalle neuerdings erhizt, so sublimiren sie sich ohne einen kohligen
Ruͤkstand zu hinterlassen, und scheinen keine merkliche Veraͤnderung
erlitten zu haben.
Diese Versuche lassen unserer Meinung nach schon keinen Zweifel mehr uͤbrig,
daß diese krystallinische Substanz im Krappe schon gebildet vorhanden ist; denn
wollte man annehmen, sie entstehe durch die Einwirkung der Waͤrme, so ließe
sich dieser Gedanke doch sehr schwer mit den Eigenschaften in Einklang bringen, die
wir an dieser Substanz fanden, und welche bekanntlich dem Krappe selbst
angehoͤren; indessen suchten wir sie, um desto sicherer zu seyn, auf nassem
Wege direct aus dem Krappe darzustellen, wozu uns der Aether ein Mittel an die Hand
gab. Dieses Menstruum hat bekanntlich nicht die Eigenschaft, wie andere eine große
Anzahl von Koͤrpern insgesammt aufzuloͤsen, es loͤst nicht so
leicht die einen durch Beguͤnstigung der anderen auf, und wirkt
uͤberhaupt viel specieller. Aus demselben falben Niederschlage, aus welchem
wir durch Sublimation unsere Krystalle erhalten hatten, gelang es uns also, indem
wir ihn mit diesem Aufloͤsungsmittel behandelten, dieselbe Substanz
auszuziehen, und sie in Gestalt kleiner glaͤnzender Nadeln oder
glimmerartiger Blaͤttchen von goldgelber Farbe zu erhalten, die durchaus dem
Musiv-Golde gleichen, und wie dieses bleibende Spuren auf dem Papiere, oder
der Haut hinterlassen. Die ersten aͤtherischen Tincturen geben, wenn man sie
abdampft, mehr nadelfoͤrmige Krystalle; aber in dem Maße, als man den
Niederschlag mehr erschoͤpft, wird die Krystallisation mehr
blaͤtterig, und ist bald nichts mehr, als eine Art glaͤnzender Staub,
welcher die Finger eben so beschmuzt, wie derjenige, den man auf den Fluͤgeln
gewisser Schmetterlinge findet.
Die nadelfoͤrmigen Krystalle, welche man zuerst erhaͤlt, scheinen mit
den durch Sublimation dargestellten, ganz identisch zu seyn; dieß ist aber bei den
anderen nicht mehr der Fall, und das Product der lezten Krystallisation scheint fast
gar keinen Faͤrbestoff mehr zu enthalten; sie faͤrben sich kaum, wenn
man sie in ammoniakalisches Wasser bringt, sondern loͤsen sich sogleich zu
einer Art von oͤhliger Fluͤßigkeit auf, welche auf der
Oberflaͤche bleibt, so daß diese leztern Krystalle fast ganz aus einer fetten
Substanz zu bestehen scheinen, welche der Aether aufloͤst, und die uns saurer
Natur zu seyn schien.
Jedermann wird nach dem bereits angefuͤhrten mit uns der Ueberzeugung seyn, daß die
sowohl durch Sublimation, als durch Aufloͤsung von uns dargestellten
Krystalle, nichts als ein eigenthuͤmliches im Krapp enthaltenes Pigment sind,
fuͤr welches wir, da es von jezt an unter die naͤheren Bestandtheile
des Pflanzenreiches eingereiht werden muß, den Namen Alizarin (alizarine
Die Verfasser wollten diesem Namen anfangs eine maͤnnliche Endung
geben, wie sie uͤberhaupt fuͤr alle anderen neutralen
naͤheren Bestandtheile in ihrer Sprache gebraͤuchlich ist; da
aber alle rein dargestellten Pigmente eine weibliche Endung erhielten, so
hielten sie es fuͤr das passendste, auf aͤhnliche Art bei
diesem Namen zu verfahren. Im Deutschen wird man dafuͤr das
unbestimmte Geschlecht waͤhlen muͤssen. Buchholz und John haben bei ihren
Analysen denselben farbigen Bestandtheil erhalten. (Vergl. polytechn.
Journal Bd. XXII. S. 61 u. 62.) A.
d. R.) vorschlagen, welcher von dem Worte Alizari hergenommen ist, welches zuerst
in der Levante gebraucht wurde, und womit jezt im Handel die ganze Krappwurzel
bezeichnet wird.
Obgleich wir aber nun die Existenz dieses faͤrbenden Bestandtheiles ganz
erwiesen haben, so ist doch noch eine wichtige Frage zu beantworten. Ruͤhren
die schoͤnen Farben, welche man mit dem Krappe erhaͤlt, auch wirklich
von diesem Bestandtheile her? Auf den ersten Blik scheint nichts leichter, als diese
Frage zu beantworten, und es gibt so viele Gruͤnde, welche es hoͤchst
wahrscheinlich machen, daß sie bejaht werden muß, daß es fast
uͤberfluͤßig scheinen moͤchte, noch mehrere zu verlangen; wenn
man aber in dieser Hinsicht die Erfahrung zu Rathe zieht, so findet man bald, daß es
bei weitem nicht so leicht ist, als man glauben sollte, bestimmte Beweise
dafuͤr zu geben; in der That, unser Alizarin loͤst sich nur in sehr
geringer Menge im Wasser auf, und man kann daraus vermittelst der Alkalien, welche,
wie wir gesehen haben, damit eine so reiche Farbe geben, Lake von einer
schoͤnen Nuͤance darstellen: wir wissen ferner, daß es von der
Alaunaufloͤsung fast gar nicht angegriffen wird, und daß das Wenige, was sich
davon aufloͤst, der Fluͤssigkeit nur eine unreine braunrothe Farbe
mittheilen kann. Die Alkalien faͤllen daraus einen Lak, der bei weitem nicht
so schoͤn ist, wie alle diejenigen, welche man mit den anderen Producten des
Krappes erhalten kann; es ist aber auch gewiß, daß man unter gewissen
Umstaͤnden, die wir aber nicht hinreichend ausmitteln konnten, schoͤne Lake
erhaͤlt. So gelang es uns zuweilen, wenn wir das Alizarin in alkalisirtem
Wasser aufloͤsten, und dann diese Fluͤßigkeit mit einigen Tropfen
Alaunaufloͤsung versezten; aber wir muͤssen gestehen, daß wir dieß
nicht immer mit gleichem Erfolge thaten.
Troz dieser negativen Resultate beharrten wir noch immer auf unserer Meinung, daß das
Alizarin das wesentliche Princip des Krappes seyn muͤßte, suchten uns diese
einzelnen Anomalien zu erklaͤren, und glaubten fuͤr's erste, daß der
Mangel an Aufloͤslichkeit in der Alaunaufloͤsung, wahrscheinlich von
der zu großen Cohaͤsion des reinen Alizarins herruͤhren wuͤrde.
Wir loͤsten daher ein wenig davon in alkalisirtem Wasser auf, und schlugen es
sodann in gallertartigen Floken durch eine Saͤure nieder, suͤßten es
aus, und behandelten es endlich mit einer Alaunaufloͤsung. Hierdurch wurde es
wirklich aufloͤslicher gemacht, aber das uͤbrige Verhalten blieb sich
ganz gleich. So waren wir also genoͤthigt, anderswo den Grund dieser
Schwierigkeit zu suchen, und sahen uns auf Hypothesen beschraͤnkt. Wir
glaubten die Sache folgendermassen am richtigsten zu beurtheilen. Was auch immer der
Faͤrbestoff des Krappes seyn mag, so muß man seine Aufloͤslichkeit in
der Alaunaufloͤsung durch die Annahme erklaͤren, daß diese
Aufloͤsung eine Folge der Verwandschaft dieses Faͤrbestoffes zur
Thonerde ist, was dadurch um so wahrscheinlicher wird, daß die Farbe, welche diese
Aufloͤsung annimmt, ganz dieselbe ist, welche die Zeuge erhalten, wenn sie
mit Thonerde gebeizt im Krappe gefaͤrbt worden sind.
Ferner dachten wir, wenn das reine Alizarin sich in der Alaunaufloͤsung nicht
loͤst, so ruͤhrt dieses sehr wahrscheinlich daher, daß es dann weniger
auf die Thonerde wirkt, welches ohne Zweifel daher kommt, daß es im Krappe mit einem
anderen Koͤrper vereinigt ist, der es auch in der Alaunaufloͤsung
begleitet, seine Wirkung auf die Thonerde vermehrt, oder auch, was auf dasselbe
hinauslaͤuft, die Einwirkung der Schwefelsaͤure hemmt, indem er sich
geradezu mit ihr verbindet.
Durch diese Betrachtungsweise lernten wir eine Thatsache kennen, welche, wie wir
glauben, sie sehr wahrscheinlich macht; naͤmlich, um den Faͤrbestoff
aus der alaunhaltigen Aufloͤsung niederzuschlagen, braucht man sie nur mit
ein wenig Saͤure zu versezen, je mehr man Saͤure zusezt, desto
leichter scheidet er sich aus; es geschieht aber jedesmal durch diesen Zusaz, und dieser Niederschlag
gibt, wenn man ihn ausgesuͤßt und getroknet hat, und im Falle er durch einen
starken Saͤurezusaz dargestellt war, durch Sublimation Alizarin. Er ist
aufloͤslich in Alkohol, Aether und Alaunaufloͤsung, und man kann damit
vermittelst lezterer Lake von einer sehr reinen rosenrothen Farbe darstellen.
Ammoniak loͤst ihn augenbliklich auf; aber Kali thut dieß nicht. Diese
Faͤllung wird, wie wir glauben, sehr natuͤrlich auf die Art
erklaͤrt, daß die Thonerde dem gleichzeitigen und fast gleichgroßen Einflusse
der Saͤure und des Faͤrbestoffes preisgegeben ist, und daher alles in
Aufloͤsung bleiben muß; wenn nun aber ein neuer Saͤurezusaz durch
seine Masse die Anziehungskraft der schon im Alaun enthaltenen noch vermehrt, so
wird das Gleichgewicht gestoͤrt, der Faͤrbestoff schlaͤgt sich
nieder, und die Saͤure bleibt allein im Besize fast aller uͤbrigen
Thonerde.Wir sagen fast aller uͤbrigen Thonerde,
weil wir gefunden haben, daß der Faͤrbestoff eine sehr geringe Menge
davon mit sich zieht; diese wenige Thonerde ist auch, wie wir glauben,
Ursache, weßwegen man daraus das Alizarin nur schwer durch Sublimation
erhalten kann, indem es durch die Verwandtschaft zur Thonerde
zuruͤkgehalten wird. Wir konnten die Gegenwart des Alizarin's darin
nur auf die Art darthun, daß wir das Verhaͤltniß der
faͤllbaren Thonerde moͤglichst verminderten, indem wir eine
sehr große Menge Saͤure zur Faͤllung anwandten.Ehe wir eine Methode gefunden hatten, aus dem Faͤrbestoffe, den man so
aus den alaunhaltigen Aufloͤsungen niederschlagt, das Alizarin
abzuscheiden, hatten uns seine besonderen Eigenschaften, und besonders die
Leichtigkeit, womit er sich in der Alaunaufloͤsung loͤst, auf
die Vermuthung gebracht, er moͤchte eine besondere faͤrbende
Substanz seyn, aber als wir ihn mehr studirten, uͤberzeugten wir uns,
daß er nur eine Modifikation des Alizarin's ist, welches darin mit Thonerde
verbunden ist, und mit einer stikstoffhaltigen Substanz, wenigstens nach dem
Geruche zu schließen, den er beim Verbrennen verbreitet. Wir haben diese
besondere Modification des Alizarin's, um sie davon zu unterscheiden,
Purpurin (purpurine) genannt, naͤmlich
wegen der Farbe, die sie annimmt, wenn sie von der Saͤure befreit
worden ist, womit man sie niedergeschlagen hat.A. d. O.
Wie es aber auch immer mit unserer Hypothese stehen mag, so sind deßwegen doch nicht
weniger directe Beweise noͤthig, daß das Alizarin in der That das Pigment des
Krapps ist; folgende
Thatsachen scheinen uns in dieser Beziehung die buͤndigsten Schluͤsse
zu geben.
Der erwaͤhnte gallertartige geronnene Theil hat die Eigenschaft, sich zum
Theile in der Alaunaufloͤsung zu loͤsen, hierin eine schoͤne
kirschrothe Farbe hervorzubringen, und mit den Alkalien rein rosenrothe Lake zu
geben. Dieses Coagulum enthaͤlt folglich den Faͤrbestoff, und gibt
durch Sublimation geradezu Alizarin. Nun wollen wir noch bemerken, daß dieses
Coagulum sich fast ganz in absolutem Alkohole aufloͤst, und daß fast alles,
was aufgeloͤst worden ist, durch Zusaz von gesaͤuertem Wasser wieder
niedergeschlagen wird, und daß gerade dieser Niederschlag das Alizarin, das einzige
Product, welches mit den Alkalien ein Roth gibt, in so reichlicher Menge
enthaͤlt. Der vom absoluten Alkohole nicht aufgeloͤste Theil
enthaͤlt, was beachtenswerth ist, viel phosphorsauren Kalk und eine
stikstoffhaltige Substanz. Man kann dafuͤr einen gewissermassen directen
Beweiß geben; das reine Alizarin gibt naͤmlich, wenn man es in
gehoͤrig aufgeweichtem Zustande anwendet, um ein gebeiztes Zeug zu
faͤrben, ein braunes Roth, was durch das gewoͤhnliche Aviviren in's
Rosenrothe umgeaͤndert werden kann. Davon kann sich nun jeder sehr leicht
selbst uͤberzeugen. Wir glauben daraus schließen zu muͤssen, daß, wenn
der Krapp nur einen einzigen Faͤrbestoff enthaͤlt, dieser nur das
Alizarin seyn kann, daß hingegen, wenn dieses Faͤrbematerial aus mehreren
Pigmenten besteht, das Alizarin ein wesentlicher Theil derselben ist, und daß ihm
durch die zum Aviviren angewandten Agentien das wieder ersezt wird, was es durch
seine Isolirung hat verlieren koͤnnen. Auf jeden Fall aber wird seine
Entdekung, was wir uns zu behaupten getrauen, nothwendig die Loͤsung der
wichtigen Probleme zur Folge haben, welche die Faͤrber schon laͤngst
den Chemikern vorgelegt, leztere aber mit unseren empirischen Kenntnissen nicht
aufklaͤren konnten.Durch die hier von den Hrn. Verfassern aufgestellten Thatsachen ist dieses
Problem keineswegs, wie sie glauben, geloͤst; denn dem
wissenschaftlichen Faͤrber vegetabilischer Stoffe ist der Zusaz von
Alkalien beim Krappfaͤrben, als Aufloͤsungsmittel des
Alizarins, da, wo es sich um Darstellung des Rosenroths handelt, bereits
laͤngst bekannt. Haͤtten die Hrn. Verfasser solche
Maͤnner, die diesen Faͤrbungsproceß kennen, in ihrer
Naͤhe gehabt, und wuͤrden sie ihnen ihr Geheimniß anvertraut
haben, dann haͤtten sie sich uͤberzeugen koͤnnen, daß
die Alkalien zur Loͤsung des Alizarins, da wo man Rosenroth auf
vegetabilischen Fasern erzielen will, langst schon zu diesem Zweke, und zwar
nicht empirisch, sondern auf wissenschaftliche Principien gestuͤzt,
angewendet wurden. Diese haͤtten ihnen auch sagen koͤnnen, daß
nicht Saͤuren, sondern alkalische Basen die im Faͤrben
erhaltene braunrothe Farbe bei den darauf folgenden Behandlungen in
Rosenroth umaͤndern. Die Anziehung des Krapppigmentes oder des
Alizarins, haͤngt unserer Erfahrung zufolge nicht von der Basis,
sondern von dem Stoffe selbst ab. Die vegetabilischen Fasern ziehen, welches
auch immer ihre Vorbereitungen seyn moͤgen, das Pigment aus der
gemahlenen Krappwurzel unter keinen Umstaͤnden vollstaͤndig
aus. Wir haben zur Bestaͤtigung des eben Gesagten mehrmal mit
Thonerde und Metallbasen und auch fuͤr Adrianopelroth gehoͤrig
vorbereitete Baumwollengewebe mit nur der Haͤlfte der
Quantitaͤt Krapp, die zum vollkommenen Ausfaͤrben der Gewebe
noͤthig war, gefaͤrbt, und das Farbebad lange mit dem Stoffe
kochen lassen; wobei wir immer fanden, daß der von dem vorbereiteten
Baumwollen- und Leinengewehe moͤglichst stark ausgezogene
Krapp, noch viel rothes Pigment enthielt, mit dem wir, nach vorausgegangenem
mehrmaligen Auswaschen, Schafwolle immer noch reichlich scharlachroth
faͤrben konnten. Es ist demnach nicht zuviel gesagt, wenn wir
behaupten, daß in der Baumwollen- und Leinenfaͤrberei im
Durchschnitte die Haͤlfte des im Krappe enthaltenen rothen Pigmentes
rein verloren geht. In der Wollenfaͤrberei ist es gerade umgekehrt,
wo nach unserer Verfahrungsweise roth mit Krapp zu faͤrben der
Krappwurzel das Pigment ganz entzogen wird, und solche ganz farbenlos in dem
Bade bleibt, waͤhrend dieselbe beim Baumwollen- und
Leinenfaͤrben stets braunroth oder schwarzbraun zuruͤk
bleibt; nun werden aber in der Wollenfaͤrberei keine Kalien, sondern
sogar vorwaltende Saͤuren angewendet, und dennoch wird das Alizarin
im reinsten Zustande aus dem Krappe ausgezogen, auf der Wollenfaser
befestigt, wogegen der falbe Stoff in der Fluͤßigkeit geloͤst
zuruͤkbleibt.Diese Thatsachen widersprechen demnach der Behauptung der Hrn. Verfasser, und
es ist zur Loͤsung dieser Aufgabe noch gar viel zu thun
uͤbrig. Eine der wichtigsten Preisfragen fuͤr das Krappfarben
der vegetabilischen Faser, waͤre eigentlich diese: ein dieser
Faͤrbungsweise anpassendes Verfahren auszumitteln, durch welches dem
Krappe sein rothes Pigment gaͤnzlich entzogen, und von den Basen der
vegetabilischen Faser vollkommen angezogen wuͤrde; da, wie wir oben
sagten, bei dem Faͤrben vegetabilischer Stoffe die Haͤlfte des
Krapppigmentes rein verloren geht, so waͤre die Loͤsung dieser
Aufgabe einige hundert Tausend Gulden werth, zu deren Aufgabe es uns
fuͤr jezt aber an einem Napoleon fehlt. A.
d. R. Wir gehen jezt zu einigen wichtigen Anwendungen uͤber, welche sich von
unserer Arbeit machen lassen.
Die Mahler kennen die guten Eigenschaften der Krapplake ganz genau, und
schaͤzen besonders ihren Glanz, ihre lebhafte Farbe, und uͤber alles
ihre große Dauerhaftigkeit. Man wendet jedoch diese Lake sehr wenig an, woran nur
ihr zu hoher Preis Schuld ist. Zu Paris beschaͤftigen sich nur zwei Personen
mit Erfolg mit ihrer Bereitung; sie nennen ihre schoͤnsten Producte Krapp-Carmin (carmin de
garançe). Diese Benennung ist ohne Zweifel nur in der Absicht
gewaͤhlt, dieses Product schaͤzbarer zu machen, und wuͤrde
eigentlich einen reinen oder wenigstens sehr concentrirten Faͤrbestoff
bezeichnen, und dennoch sind diese angeblichen Carmine bestimmt, nichts als wahre
Lake, die viel Thonerde enthalten. Von den schoͤnsten verkauft man die Unze um
15–20 Franken. Wir erhalten auch aus Deutschland Krapplake, aber sie stehen
den unserigen nach; ihre Farbe ist viel dunkler, ihr Bruch fast glasartig; sie haben
eine gewisse Emsigkeit, weßwegen man sie nicht gut mit den fetten Koͤrpern,
womit man sie vereinigen muß, anruͤhren kann; die große Intensitaͤt
ihrer Farbe zeigt hinreichend, daß sie durch aͤzende Alkalien aufgefrischt
worden sind; es lohnt sich auch wirklich nicht, sie anzuwenden; waͤhrend die
anderen, welche sehr wahrscheinlich mit kohlensauren Alkalien gefaͤllt
werden, sich sehr sanft anfuͤhlen, leicht vertheilen und mit Oehl abgerieben,
eine intensive Farbe annehmen.Daß es in Deutschland mehrere Farbenbereiter gibt, die schlechte Sorten von
Krapplak bereiten, dieß hat allerdings seine Richtigkeit, doch gibt es davon
auch ruͤhmliche Ausnahmen, und wir koͤnnen in dieser Hinsicht
die Krapplake des Hrn. Lortzing und des Hrn. Streccius in Berlin mit Recht als sehr
gute Fabrikate empfehlen. A. d. R. Ihre Farbe ist auch viel frischer.
Wir kennen das Verfahren der HHrn. Bourgeois und Cossard, welche Krappcarmine verfertigen, ganz und gar nicht; da
aber ihre Producte ungeachtet der Concurrenz, welche zwischen ihnen Statt hat, sehr
theuer sind, so muß man daraus wohl schließen, daß ihre Verfahrungsart kostspielig
ist. Dasjenige, welches Hr. Mérimée angab, und dessen wir im Anfange dieser
Abhandlung erwaͤhnten, hat den großen Fehler, daß es nicht nur uͤber
alle Maßen lang ist, sondern auch viel Faͤrbestoff aufopfert. Es ist also jezt die Aufgabe
zu loͤsen, ein eben so schoͤnes Product, wie diese Herren auf einem
kuͤrzeren und weniger kostspieligen Wege darzustellen. Was bewirkt das
haͤufige Auswaschen, welches sie vornehmen? offenbar, nach der Analyse des
Hrn. Kuhlmann zu schließen,
nichts anders, als daß es den Schleim, die vegetabilisch-animalische
Substanz, das Gummi, den Zuker und die falbe faͤrbende Substanz wegnimmt,
wenn anders leztere wirklich im Krappe vorkommt, und nicht eine Eigenschaft eines
der vorhergehenden Koͤrper ist. Aber die meisten dieser Substanzen
koͤnnen ganz einfach durch die geistige Gaͤhrung zerstoͤrt
werden, und da Doͤbereiner
Journal de Pharmacie, Bd. VII.) S. 196. A. d. O.
(Schweigger's Journal fuͤr Chemie und Physik, B. XXVI. S. 269.) A. d. R. versichert, daß die Gaͤhrung des Krappes unbeschadet seines
Faͤrbestoffes vor sich geht, und Watt
Annales de Chimie, B. IV. S. 146. A. d. O. auch anfuͤhrt, daß nach seinen Beobachtungen die Krappbader, welche
so lange aufbewahrt worden sind, bis sie einen stinkenden Geruch verbreiten, noch
ebensogut und vielleicht noch besser als zuvor faͤrben koͤnnen; so
haben wir natuͤrlich dieses haͤufige Auswaschen durch die
Gaͤhrung ersezt; man braucht nach unserer Erfahrung den gemahlenen Krapp nur
in 5–6 Theilen Wasser einzuweichen, um im Sommer schnell die geistige
Gaͤhrung herbeizufuͤhren; der Krapp, welchen man auf diese Art
behandelt hat, theilt dem Wasser nur mehr eine schwache gelbliche Farbe mit, gibt
aber eine schoͤne rothe Farbe, wenn man ihn in einer Alaunaufloͤsung
einweicht, und man kann aus dieser Aufloͤsung sodann auf die
gewoͤhnliche Art einen sehr schoͤn gefaͤrbten Lak
niederschlagen. Die Gaͤhrung gibt somit ein gutes Mittel an die Hand, den
Krapp von allem zu reinigen, was der Schoͤnheit der Farbe schaden
koͤnnte, und waͤre dieses Verfahren mit keiner Schwierigkeit
verbunden, so wuͤrde es bald allgemein befolgt werden; aber wenn man auch
zugibt, daß es immer gleiche Resultate gibt, so laͤßt sich doch gegen
dasselbe einwenden, daß man es nicht gleich gut zu jeder Jahreszeit ausuͤben
kann, oder daß es die Anschaffung vieler Kufen erfordert, und somit die Unkosten
betraͤchtlich genug vermehrt, daß daraus ein wahres Hinderniß wird.Nach der v. Kurrer angegebenen Verfahrungsweise,
dem Krappe durch Gaͤhrung die schleimigen und anderen Theile, nebst dessen
falben Pigmenten zu entziehen (Polyt. Journal Bd. XXIII. S. 73.) fallen die hier
erwaͤhnten Umstaͤndlichkeiten alle weg. A. d. R. Aus diesen Gruͤnden, die uns bei einem Verfahren, welches von jedermann soll
ausgeuͤbt werden koͤnnen, stark genug schienen, veranlaßten uns ein
noch einfacheres Verfahren auszumitteln, und wir glaubten, daß das des Auswaschens,
welches Hr. Mérimée befolgte, dazu ein Mittel darbieten
wuͤrde, wenn man es so zu sagen auf das Allernoͤthigste reduciren
wuͤrde, d.h. wenn man ebensoviel von den aufloͤslichen Substanzen mit
der moͤglich geringsten Menge Wassers wegschaffen wuͤrde. Unsere
praktischen Beobachtungen fuͤhrten uns hierin auf folgende
Verbesserungen.
Die Chemie lehrt, daß das beste Mittel, eine Substanz auszusuͤßen nicht immer
das ist, sie in eine große Quantitaͤt dieser Fluͤßigkeit zu versenken,
besonders, wenn es sich darum handelt, eine Substanz zu erhalten, welche, obgleich
sehr schwer aufloͤslich, doch zum Theile in sie hineingezogen werden kann, in
dem Falle naͤmlich, wo man das Aufloͤsungsmittel in großer Menge
anwendet. Der Krapp hat einen schwammigen Bau, und wenn er moͤglichst viel
Feuchtigkeit eingesogen hat, bleibt viel von dem Wasser welches bis in das innere
der groͤßten Stuͤke hineingedrungen ist, darin, und vertheilt sich
nicht in der uͤbrigen Masse, so daß es in Hinsicht auf diesen Theil fast
unnuͤz wird, das Auswaschen sehr oft vorzunehmen. Um schneller zum Ziele zu
kommen, muß man also, wie jedermann weiß, stark pressen.
Diese einfachen Beobachtungen sezten uns in den Stand, in nicht mehr als 3 oder 4
Stunden dasselbe zu bewirken, was fruͤher mehrere Monate in Anspruch nahm.
Hr. Mérimée,
welcher uns bei einem unserer Versuche behuͤlflich war, sah dabei, wie wir
einen schoͤnen Lak zu bereiten anfingen, und in seiner Gegenwart noch fertig
machten, und nahm auch eine Probe davon mit sich. Wir wollen jezt das Verfahren
beschreiben, welches wir vor ihm befolgten. Es besteht darin, jedes Kilogramm
gemahlenen KrappesWir muͤssen hier bemerken, daß wir alle unsere Versuche mit
Elsasser-Krapp anstellten. A. d. O. Die Herren Verfasser
haͤtten auch angeben sollen, ob der Krapp vor ein, zwei oder drei
Jahren gemahlen war, und im lezten Falle schon gegohren hat. Feiner
hollaͤndischer Krapp hat mehr Alizarin, als der beste Elsasser Krapp,
und die mit
feinem hollaͤndischen Krappe bereiteten Krapplake widerstehen den
atmosphaͤrischen Einfluͤssen besser, als die aus Elsasser
Krapp bereiteten. A. d. R. in vier Kil. Wasser zu vertheilen, es darin nur zehn Minuten weichen zu
lassen, und dann das Ganze unter eine starke Presse zu bringen. Das Wasser, womit
der Krapp so zum ersten Mahle ausgewaschen worden ist, wird bei Seite gestellt, um
daraus die Gallerte zu bekommen. Wenn auch nach dem staͤrksten Pressen keine
Fluͤßigkeit mehr abfließt, nimmt man ein zweites und sodann ein drittes
Auswaschen ganz auf dieselbe Weise vor, und preßt auch jedesmal. Dieses 3mahlige
Auswaschen, welches im Ganzen gewoͤhnlich 3 Stunden dauert, reicht hin, und
so gelb der Krapp auch gewesen seyn mag, hat er jezt eine schoͤne rosenrothe
Farbe angenommen. In diesem Zustande kommt er in das Alaunwasser, und wird zu dem
Ende neuerdings in 5 bis 6 Theilen Wasser zertheilt; diesem sezt man 1/2 Theil
gestossenen Alaun zu; das Gemenge wird nun bei der Waͤrme des Manenbades 2
oder 3 Stunden lang erweicht, und von Zeit zu Zeit bewegt man es mit einem
hoͤlzernen Stabe; filtrirt es sodann durch einen Spizbeutel von Leinewand und
preßt es darauf aus. Die Fluͤßigkeiten werden zusammengegossen und dann durch
Papier filtrirt; man schlaͤgt sie sodann mit einer verduͤnnten
Aufloͤsung von krystallisirter Soda nieder; man muß sich aber huͤten,
davon soviel zuzusezen, daß alle Thonerde beim ersten Mahle niederfaͤllt.
Theilt man z.B. die noͤthige Quantitaͤt in drei Theile, so
erhaͤlt man drei Niederschlaͤge, deren Reichthum an Farbe nach
einander abnimmt; die ersten werden um so mehr von dem Faͤrbestoffe der
Fluͤßigkeit entziehen, je laͤnger man sie damit geschuͤttelt
hat. Ist der Niederschlag einmahl gebildet, so braucht man ihn nur durch bloßes
Abgießen so lange auszuwaschen, bis das daruͤber stehende Wasser ganz
farbenlos ist.
Durch diese einfachen Manipulationen kann man die schoͤnen Krapplake
darstellen. Sie sind von der Art, daß sie jedermann wird unternehmen koͤnnen,
und wir zweifeln nicht, daß man binnen Kurzem diese Lake viel haͤufiger
anwenden wird. Wir gehen gewiß nicht zu weit, wenn wir sagen, daß man mittelst
einiger leichten Abaͤnderungen, welche die Praxis noch an unserem Verfahren
vornehmen wird, ihre Anwendung bis auf die gewoͤhnlichsten Gegenstaͤnde
ausdehnen wird, und daß sie wohlfeil genug werden zu stehen kommen, um sich ihrer
selbst fuͤr die Tapeten bedienen zu koͤnnen.
Wir haben zwar das Auswaschen mit gesaͤuertem Wasser, welches Hr. Mérimée empfahl,
weggelassen, sind aber weit entfernt, seinen Nuzen zu bestreiten, wenn wir gleich
seine Meinung uͤber diesen Gegenstand nicht theilen. Hr. Mérimée glaubt, die
Krappwurzel enthalte einen besonderen violetten Farbestoff, der sich, durch das
Auswaschen mit Wasser, mehr entwikelt oder wenigstens sich deutlicher zeigt, und da
diese Farbe nur den Glanz derjenigen, welche man erhalten will, verdunkeln kann, so
sucht er sie durch verduͤnnte Saͤuren, welche er fuͤr ihr
wahres Aufloͤsungsmittel haͤlt, wegzubringen.
Die Existenz dieses violetten Faͤrbestoffes scheint uns aber durch nichts
erwiesen, und der blaue Schaum, welchen Herr Mérimée auf den lezten
Auswaschwassern beobachtete, ruͤhrt, nach unserer Meinung, nur von etwas
Alizarin her, welches die Fluͤßigkeit anfangs schwebend erhaͤlt, und
das sich dann daraus absondert; weil aber dann alle Saͤure weggeschafft ist,
die der Krapp an und fuͤr sich enthaͤlt, und sich hoͤchst
wahrscheinlich auch etwas Ammoniak entwikelt hat, so nimmt diese Farbe die violette
Nuͤance, welche ihr die Alkalien ertheilen, an: wenn ferner der Krapp durch
Auswaschen mit gesaͤuertem Wasser seine fruͤhere gelbe Farbe wieder
annimmt, so geschieht dieß, unserer Meinung nach, keineswegs dadurch, daß man ihm
den angeblichen violetten Faͤrbestoff entzieht; sondern einzig und allein,
weil die Saͤure das Alizarin, welches er enthaͤlt, in's Gelbe
umaͤndert.
Ist aber das Auswaschen mit gesaͤuertem Wasser entschieden von Nuzen, so kommt
dieß, wie wir glauben, nur daher, daß es die Kalksalze entfernt, welche in sehr
großer Menge in der Krappwurzel enthalten sind, und nicht nur einen Theil des
Faͤrbestoffes in der Wurzel gewissermaßen binden, sondern mit ihm auch in
gewisser Menge in seine Aufloͤsungsmittel uͤbergehen, und so der
Schoͤnheit seiner Farbe schaden. Diese Ansicht, welche wir Ursache haben,
fuͤr gegruͤndet zu halten, ließe sich schwerlich mit der Meinung von
Hausmann in Einklang bringen, die, wir im Anfange
dieser Abhandlung anfuͤhrten. Dieser geschikte Praktiker glaubt
naͤmlich, daß die Kalksalze die Ausziehung des Faͤrbestoffes des
Krappes beguͤnstigen, und zwar hauptsaͤchlich durch Zersezung der schwefelsauren
Bittererde, deren Gegenwart er fuͤr ausserordentlich schaͤdlich
haͤlt; aber ganz abgesehen davon, daß das Vorkommen des lezteren Salzes durch
die Analyse des Hrn. Kuhlmann
gar nicht bestaͤtigt wurde, scheint es viel wahrscheinlicher, daß die
Anwendung des kohlensauren Kalkes vorzuͤglich den Nuzen hat, daß sie die
Saͤure des Krappes saͤttigt, was um so wahrscheinlicher ist, weil man
in unseren meisten Faͤrbereien anstatt desselben irgend ein basisches
kohlensaures Salz mit alkalischer Grundlage anwendet.Welches uͤbrigens auch immer die Substanzen seyn moͤgen, die
durch Auswaschen mit gesaͤuertem Wasser ausgezogen werden, so hat
dieses doch gewiß keinen anderen Zwek, als zu verhindern, daß diese
Substanzen nicht mit dem Faͤrbestoffe in dem Alaunwasser vereinigt
bleiben, wir haben aber wohl nur dasselbe bewirkt, indem wir eine
hinreichende Menge Alaun nahmen, um das Wasser damit fast ganz zu
saͤttigen, so daß es schon dadurch unfaͤhig wird, noch andere
Koͤrper aufzuloͤsen, als den Faͤrbestoff. A. d. O. Die
Alkalien (Soda und Kali) wirken in diesem Falle ganz anders als die Kreide,
und der Zusaz der erstern ist da verwerflich, wo man nicht die Absicht hat,
Krapprosa zu faͤrben. Wie die Kreide in der gewoͤhnlichen
Krappfaͤrberei wirkt, folgt hier am Schlusse dieser Abhandlung in
einem Zusaze. A. d. R.
Wir haͤtten jezt noch die Vortheile anzugeben, welche die Faͤrbekunst
aus unseren Beobachtungen ziehen kann, aber diese Sache ist so wichtig, daß sie
allein den Gegenstand einer besonderen Arbeit auszumachen verdient; wenn die
Academie unsere ersteren Bemuͤhungen einer Aufmunterung wuͤrdig
haͤlt, so werden wir die Ehre haben, ihr eine andere Abhandlung vorzulegen,
in welcher wir uns einzig und allein mit dieser interessanten Frage
beschaͤftigen werden.
Zusaz der Redaction des polytechnischen Journals, die Wirkung
der Kreide beim Krappfaͤrben betreffend.
Wir haben in der Note, S. 532, nachgewiesen, daß der scharfe Analytiker John allerdings Bittererde in dem Krappe gefunden hat.
Daß Hr. Haußmann, dem die
Druk- und Faͤrbekunst so Vieles zu verdanken hat, uͤber die
Wirkung der Kreide, als Zusaz beim Krappfarben, im Irrthume war, dieß haben wir
schon fruͤher in unserem neueren Journale, fuͤr die
Druk-Faͤrbe- und Bleichkunde, Bd. 1. S. 91, gruͤndlich
entwikelt. Indeß verdankt man durch diesen Kreide-Zusaz dem Hrn. Haußmann eine wesentliche Verbesserung in der
Krappfaͤrberei, wenn sie auch nicht mit seiner Theorie im Einklange steht,
welche der Wichtigkeit wegen hier naͤher auseinander gesezt zu werden
verdient. Hr. Haußmann sagt in
seiner Abhandlung:
„Die Fabrikanten zu Augsburg, zu Rouen u.s.w., unter deren
großen Anzahl ich mich befinde, sind von der Natur durch ein brauchbares Wasser
beguͤnstigt, und die Schoͤnheit der Farben, die sie produciren,
ist bloß eine Folge dieses Wassers. Unbekannt mit diesem, wenden sie immer eine
Anzahl fremder, ganz uͤberfluͤßiger Zusaͤze an, die nichts
zur Verschoͤnerung der Farbe beitragen koͤnnen. Als ich meinen
vormahligen Wohnort Robec bei Rouen verließ, um nach Loglebach bei Colmar zu
ziehen, erkannte ich zuerst den Irrthum, in dem ich bis dahin gewesen war. Ich
suchte daher die Natur des Krapps zu verbessern, indem ich ihm etwas Kreide
zusezte, oder auch gebrannten Kalk, jedoch so, daß derselbe nicht vorwaltet, um
die schwefelsaure Talkerde zu zersezen, die einen Bestandtheil des Krapps
ausmacht. Man muß es daher als einen unwiderlegbaren Grundsaz ansehen, daß man
in der Kattundrukerei nicht eher schoͤne und feste Farben produciren
kann, welche Beizen auch angewandt werden moͤgen, als nachdem man sie
vorher von allem loͤsbaren Salze befreit hat.
„Um die unerlaͤßliche Nothwendigkeit eines Zusazes
der Kreide oder des Kalkes in allen den Faͤllen zu begruͤnden, wo
man nicht von der Natur mit einem passenden Wasser beguͤnstigt ist, darf
man nur von einem und ebendemselben Stuͤke Zeug mit weißem Grunde
Stuͤke abschneiden, wie solches aus der Drukerei kommt, und mit der
erforderlichen Beize versehen ist, um 3 Nuͤancen von Roth und 2
Nuͤancen von Violett zu erhalten. Man bediene sich nun beim
Ausfaͤrben desselben sehr reinen Wassers, ohne Zusaz von Kreide,
faͤrbe darin das eine Stuͤk aus, in einem anderen Bade von
demselben Wasser seze man die Kreide zu, und faͤrbe das zweite
Stuͤk darin aus, und man wird finden, daß die Farbe aus dem mit Kreide
versezten Bade sehr lebhaft und satt seyn wird, statt daß die ohne Kreide matt
und fahl erscheint.“
Wenn nun Hr. Haußmann
behauptet, daß man sich von dem uͤber die Unentbehrlichkeit des Kreidezusazes
Gesagten dadurch am beßten uͤberzeugen kann, daß man von der Drukstube weg ein mit Mordant zu
Roth und Violett vorbereitetes Stuͤk Kattun zertheilen, und das eine mit, das
andere ohne Kreidezusaz mit Krapp faͤrben soll, wodurch die Farbe des Zeuges
mit dem Kreidezusaze lebhaft und satt gefaͤrbt hervorkomme, das andere aber,
ohne den Kreidezusaz gefaͤrbt, matt und fahl erscheine, so hat derselbe ganz
recht, so wie hier die Sache vorgetragen ist. Untersuchen wir sie aber genauer, so
werden wir eine ganz andere Ansicht von der Sache erhalten. Sie besteht in
Folgendem.
Wenn das bedrukte Zeug, so wie es aus der Drukstube kommt, zu diesem Versuche
angewandt wird, so ist es noch nicht gereinigt, und auf ihm liegen viele
uͤberfluͤßige loͤsbare Theile, die sich nicht mit der Faser des
Zeuges verbunden haben. Beim Faͤrben faͤngt man, wenn es
regelmaͤßig geschieht, bei einer niedrigen Temperatur an, die, je nachdem es
die Natur des zu faͤrbenden Stoffes erfordert, nach und nach bis zu der des
Siedepunktes erhoͤht wird. In derselben Zeitfolge, in der sich nach und nach
das Pigment des Krapps entwikelt, loͤst sich auch das auf dem Zeuge
befindliche uͤberfluͤßige Beizmittel auf, und beide
bemaͤchtigen sich einander als eine selbststaͤndige Farbe, die wir,
wenn die Basis Thonerde ist, unter dem Namen Krapplak kennen, welche in der Flotte
herumschwimmt, oder nur loker auf dem Zeuge liegt, und beim nachherigen Kochen oder
Auslegen auf den Bleichplan dann doch als solcher abfaͤllt. Wuͤrde nun
das Krappbad nicht mehr Krapp enthalten, als zum Faͤrben oder zur
Saͤttigung der Basis (Beize), welche sich auf der Faser befindet, genau
erforderlich waͤre, so wuͤrden die bedrukten Stellen fast ganz
farbenlos zum Vorscheine kommen; da man aber bei solchen Proben mehr Farbmaterial,
als erforderlich ist, anwendet, so erscheinen die gedrukten Stellen allerdings doch
gefaͤrbt, aber die Farben sind matt und fahl. Die Ursache muͤssen wir
aber einzig darin suchen, daß nur das Pigment, das sich zuerst und bei einer
niederen Temperatur in dem Faͤrbebade entwikelt, die schoͤnen und
lebhaften Farben gibt, und das spaͤter bei erhoͤhter Temperatur sich
entwikelnde Pigment bei weitem den Luͤster des ersten Auszugs nicht hat; da
nur diejenigen Farbtheile, welche auf den Zeugen luͤsterne Farben geben, der
Flotte bei ihrer Entwiklung sogleich anfangs durch die nicht mit der Faser innig
verbundene Basis schon entzogen werden, so gehen sie fuͤr den zu
faͤrbenden Stoff ganz verloren und die Farbe desselben kann dann allerdings nicht
brillant zum Vorscheine kommen. Derselbe Fall tritt auch beim geregelten
Faͤrben da ein, wo die Zeuge vor dem Faͤrben nicht gehoͤrig
gereinigt wurden, und hier ist der Zusaz der Kreide das spezifische Mittel, um
großen Schaden zu verhuͤten.
Die Kreide wirkt bekanntlich wie jedes Alkali; sie geht naͤmlich mit den
Saͤuren Verbindungen ein, und schlaͤgt Erden und Metalloxyde aus ihren
Aufloͤsungen nieder. Wird daher die Faͤrbung mit Kreide veranstaltet,
so wirkt hier die Kreide gleich auf das uͤberfluͤßige und mit der
Faser nicht verbundene Beizmittel, und macht es unwirksam gegen das nach und nach
sich entwikelnde Pigment, das, da dem auf dem Zeuge befindlichen Beizmittel immer
noch etwas Saͤure adhaͤrirt, wie uns die schoͤnen Versuche der
Herren Thenard und Roard
beweisen, und sich nicht, wie man irrig glaubte, auf den Zeugen vollkommen zersezen,
der groͤßeren Verwandtschaft wegen sich leichter mit dem
saͤurehaltigen Mordant auf dem Zeuge, als mit der in der Farbflotte
herumschwimmenden, und ihrer Saͤure beraubten, Thonerde oder des Eisenoxydes
verbindet. Dieses wird nun, aber um so mehr beguͤnstigt, wenn noch freie
Kreide vorhanden ist, wie es sich bei dem vorgeschlagenen Versuche voraussezen
laͤßt.
Auch selbst dann, wenn der Fall sich nicht so verhielte, wie wir ihn hier aus
Erfahrungsgrundsaͤzen aufstellen, und die geschiedene oder ihres
Aufloͤsungsmittels beraubte Thonerde dennoch ein Streben haͤtte,
ebenfalls Pigment anzuziehen, was aber nach meiner Erfahrung nur erst dann Statt
hat, wenn keine Basis vorhanden ist, die mehr Affinitaͤt zu dem Pigmente des
Krapps hat, als die durch Kreide gefaͤllte Thonerde oder Metalloxyde, so
muͤssen die Farben dadurch lebhafter zum Vorscheine kommen, weil der auf dem
Zeuge befindliche Mordant sich im basischen Zustande befindet, und in der
Disposition ist, sich mit dem Pigmente gleich anfangs bei der Entwiklung desselben
zu verbinden, um schoͤne und lebhafte Farben zu bilden, was bei nicht
moͤglichst gut gereinigten Zeugen niemals der Fall seyn kann, wenn dieser
absorbirende Zusaz nicht Statt hat.
Die reine Thonerde und die Metalloxyde verbinden sich zwar allerdings mit den
Pigmenten, allein es ist nach unseren daruͤber angestellten Versuchen ein
groͤßeres Verhaͤltniß der ersteren erforderlich, um das Pigment einer
bestimmten Quantitaͤt eines Farbauszuges ganz aufzunehmen, und erfordert auch
laͤngere Zeit; dagegen ist die Affinitaͤt der basischen Erden und
Metalloxyde, in welchem Zustande sich die Beizen (Mordants) auf der Faser befinden,
zu dem Pigmente groͤßer, als die durch Kreide ausgeschiedenen Erden und
Metalloxyde, welche in dem Farbbade herumschwimmen; und darauf beruht der
guͤnstige Erfolg.
Die Wirkung der Kreide laͤßt sich als nothwendiger Zusaz beim
gewoͤhnlichen Krappfaͤrben selbst da auch noch, wo das Wasser
kohlensauren Kalk mit sich fuͤhrt, auf folgende Grundsaͤze
zuruͤkfuͤhren:
a) daß derselbe dem nach dem Druken durch ein Kuhkothbad
oder durch warmes Wasser gereinigten Zeug den allenfalls noch anhaͤngenden
loͤsbaren Mordant, wenn die Zeuge, wie dieß leider zu oft der Fall ist, nicht
alle erforderliche Reinigung erhielten, durch Zersezung und Niederschlagen der
loͤslichen mit der Faser nicht innig verbundenen erdigen und metallischen
Basen fuͤr die Entziehung des Pigments des Krappbades unschaͤdlich
macht, und das Einschlagen oder Einfaͤrben in die unbedrukten Stellen in
sogenannter Weißbodenwaare, so wie auch die Verunreinigung der Farben selbst, wenn
Roth, Violett und Schwarz zugleich in einem Faͤrbebade vorkommen, verhindert,
und
b) daß er ein wirksames Aufloͤsungsmittel des
Alizarins oder des Pigments des Krapps ist, um dasselbe bei dem Faͤrben
aufloͤslicher zu machen, und im reineren Zustande mit der mit basischen Erden
und Metalloxyden impraͤgnirten Leinen- oder Baumwollenfaser auf's
Innigste zu verbinden, und so die zu erzielenden Farben hervorzubringen.