Titel: Ueber das pomeranzenfarbige phosphorsaure Blei. Von dem hochw. Hrn. Wilh. Vernon, F. R. S. Präsident der Yorkshire Philosophical Society.
Fundstelle: Band 25, Jahrgang 1827, Nr. XXIV., S. 69
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XXIV. Ueber das pomeranzenfarbige phosphorsaure Blei. Von dem hochw. Hrn. Wilh. Vernon, F. R. S. Praͤsident der Yorkshire Philosophical Society. Aus dem Philosophical Magazine. Mai. 1827 S. 231. (Im Auszuge.) Vernon, uͤber das pomeranzenfarbige phosphorsaure Blei. In einer fruͤhern Mittheilung habe ich als Resultat der Untersuchung der Ursachen der verschiedenen Farben des phosphorsauren Bleies Braunstein bei dem gruͤnen, und Chrom bei dem pomeranzenfarbigen phosphorsauren Bleie von Wanlockhead angegeben, und die Vermuthung geaͤußert, daß das Chrom in lezterem als Protoxid vorkommen koͤnnte. Dadurch war aber die Ursache der Pomeranzenfarbe des phosphorsauren Bleies noch nicht angegeben; denn Chrom kommt auch als gruͤnes Oxid vor, wenn es gleich mit dem Bleie und in anderen Verbindungen oͤfters gelb und roth ist. Ich goß bei neuen Versuchen, auf 60 Gran pomeranzenfarbigen phosphorsauren Bleies mit etwas Wasser verduͤnnte Salpetersaͤure, Mit Beihuͤlfe von Waͤrme loͤste sich, bis auf 4/10 Gran Kieselerde und rothes Eisenoxid, alles auf, und die Aufloͤsung war goldgelb. Es wurde Schwefelsaͤure zugegossen, um das Blei niederzuschlagen. Das niedergeschlagene schwefelsaure Blei wog 63,4 Gran. Die Fluͤßigkeit behielt, auch nachdem das Blei niedergeschlagen war, ihre gelbe Farbe. Ein Drittel der lezteren wurde zur Untersuchung der Bestandtheile genommen, und zwei Drittel wurden zur Bestimmung der Verhaͤltnisse dieser Bestandtheile uͤbrig gelassen. Nachdem kaustisches Natron zugesezt wurde, fiel ein gruͤnlicher Niederschlag zu Boden, die Aufloͤsung ward gelbgruͤn, und gab bei dem Erkalten noch mehr gruͤnen Niederschlag. Diese Niederschlaͤge waren Chrom-Protoxid mit etwas Blei und Kalk. Nach Abscheidung des lezten Niederschlages nahm die Fluͤssigkeit wieder ihre vorige gelbe Farbe an, was mich Chromsaͤure vermuthen ließ. Um mich hiervon zu uͤberzeugen, wendete ich Sauerkleesaͤure an, denn ich wußte, daß diese, so wie Citronen- und Weinsteinsaͤure (nicht aber Essig- oder Blau-Saͤure) die Eigenschaft besizt, den chromsauren Verbindungen ihren Sauerstoff zu entziehen, und sie in Chrom-Protoxide zu verwandeln. Citronen- und Weinsteinsaͤure bleibt aber zum Theile hiebei unzersezt, und bildet mit dem Oxide und den zur Faͤllung angewendeten Alkalien aufloͤsbare dreifache Salze, waͤhrend Sauerkleesaͤure, obschon auch sie die Faͤllung des Chromes durch Ammonium hindert, mit Beihuͤlfe der Waͤrme durch Natron das Chrom fallen laͤßt. Nachdem ich Sauerkleesaͤure zugesezt, und die Fluͤßigkeit gekocht hatte, veraͤnderte sich die Farbe, und gab nach vollkommner Neutralisation mittelst kohls. Natron einen gruͤnen Niederschlag. Dieser wurde abgeschieden, und neuerdings in Sauerkleesaͤure aufgeloͤst, um ihn von allem Kalke zu reinigen, der zugleich mit demselben niedergefallen seyn mochte. Eine geringe Menge noch immer damit verbundenen Bleies wurde durch geschwefeltes Wasserstoffgas abgeschieden, und die Aufloͤsung neuerdings mit Natron neutralisirt. Etwas von dem gebildeten Niederschlage wurde auf Platinna mit Salpeter gehizt: das gelbe Salz, welches man auf diese Weise erhielt, gab mit salpetersaurem Silber und Blei die karmesinrothen, gelben Niederschlaͤge, welche die Chrom-Verbindungen auszeichnen. Es ist also offenbar, daß Chrom-Saͤure in der salpetersauren Aufloͤsung dieses Minerales vorhanden war, und da, unter obigen Umstaͤnden, Salpetersaͤure das Chrom-Protoxid nicht saͤuert, kann man annehmen, daß das pomeranzenfarbige phosphorsaure Blei Chromsaͤure enthaͤlt, und die Farbe desselben davon herruͤhrt. Nun kann man sich auch den von Klaproth bemerkten Umstand erklaͤren, daß, wenn salzsaures Zinn auf dieses phosphorsaure Blei gegossen wird, die Farbe dadurch verloren geht, was Klaproth zur Annahme verfuͤhrte, daß das Blei hier in einem Zustande von Hyperoxidation ist. Es erklaͤrt sich auch hieraus, wie es kommt, daß, wenn diese Krystalle durch die Außenseite der Flamme des Loͤthrohres erhizt werden, oder uͤberhaupt außer Beruͤhrung mit einem brennbaren Koͤrper, die Farbe unveraͤndert bleibt, oder durch die Erhizung nur dunkler wird, waͤhrend, wenn sie in dem Inneren der Flamme erhizt werden, sie durch die Reduction der Chromsaͤure gruͤn werden. Es schien mir sonderbar, daß das Chrom hier zum Theile als Protoxid, zum Theile als Saͤure vorkommen sollte, und ich nahm hierauf bei Untersuchung der noch uͤbrigen Aufloͤsung in Salpetersaͤure besonders Ruͤksicht. Statt dieselbe, wie vorher, zu neutralisiren, rauchte ich sie ab, und sah, daß die Farbe aus dem Gelben nach und nach in das Gruͤne uͤberging. Nun wurde Ammonium zugesezt, und alles Chrom niedergeschlagen, so daß keine Chromsaͤure in der Aufloͤsung uͤbrig blieb. Salpetersaͤure allein hat keine Neigung die Chromsaͤure zu reduciren; das Mineral mußte also etwas enthalten haben, was zu dieser Reduction beitrug. Ich erhizte einige Krystalle in einer Glasroͤhre, und bemerkte einen starken brennzeligen Geruch, der auf Pflanzenstoff hinwies. Ich ließ nun kleine Quantitaͤten Zuker, gruͤner Pflanzentheile, Terperthinoͤhle, bituminoͤse Steinkohle in Theile der Aufloͤsung des sauren chromsauren Kalis in Salpetersaͤure fallen. Ueberall wurde dadurch, mit Beihuͤlfe der Waͤrme, die Chromsaͤure reducirt. Die Gase, die durch Einwirkung der Salpetersaͤure auf Pflanzenstoffe entwikelt werden, bewirkten diese Reduction nicht, wenn man sie durch die Aufloͤsung durchziehen ließ. Salpetriges Gas wirkt nicht auf saures, chromsaures Kali, eben so wenig als Wasserstoffgas oder gekohlstofftes Wasserstoffgas. Die Aufloͤsung wird zwar durch die bei der Destillation von Schwefelsaͤure und Alkohol entwikelten Gasarten zersezt; die Reduction wird aber nicht durch das Oehl erzeugende Gas bewirkt, sondern durch einen Theil der schwefeligen Saͤure, die dasselbe begleitet. Noch ein in diesem Minerale gelegener Umstand kann zur Reduction der Chrom-Saͤure beitragen. Klaproth hat erwiesen, daß in dem gelben phosphorsauren Bleie etwas Salzsaͤure enthalten ist, und ich fand dieselbe gleichfalls in den von mir untersuchten Stuͤken. Nun aber reducirt die Salzsaͤure die Chromsaͤure, wenn sie damit erhizt wird, und da hier das salzsaure Blei durch die Schwefelsaͤure zersezt wurde, wird die Salzsaͤure frei, und kann folglich wirken. Es laͤßt sich daher nicht zweifeln, daß das Chrom hier mit dem phosphorsauren Blei als Chromsaͤure, oder vielmehr als chromsaures Blei verbunden ist. Wenn das Mineral in Salpetersaͤure aufgeloͤst und erhizt wird, so wird, ein Theil der Chromsaͤure durch eine oder die andere oben angegebene Ursache reducirt, und wenn sie dann durch ein Alkali neutralisirt wird, faͤllt ein Theil des Chromes als Protoxid nieder, und ein Theil bleibt als Chromat aufgeloͤst. Wenn aber die salpetersaure Aufloͤsung abgeraucht wird, ohne neutralisirt worden zu seyn, so wird alles Chrom reducirt, und kann als Protoxid niedergeschlagen werden. Ich habe angenommen, daß Klaproths gelbes, phosphorsaures Blei nach demjenigen, was er hieruͤber sagte, dasselbe mit dem Meinigen ist, obschon er es als citronengelb beschreibt, und seine Beschreibung der Krystalle mangelhaft ist: denn in den vollkommneren Stuͤken sind die Krystalle regelmaͤßige sechsseitige Prismen. Man darf sich nicht wundern, daß er das Chrom uͤbersah, das zu seiner Zeit beinahe noch gar nicht bekannt war, und das nur in geringer Menge in diesem Minerale vorkommt: nur, wenn meine Versuche richtig sind, zu fuͤnf bis sechs Zehntel Gran Protoxid in 100 Gran. Die Menge Bleioxides, die Klaproth fand, war, so wie bei mir, an 30 p. C. Wenn man hiervon den gehoͤrigen Abzug fuͤr das Blei-Chloxid nach seiner Angabe der Salzsaͤure in diesem Minerale und fuͤr das chromsaure Blei macht, welches ich darin fand, so wird der Gehalt an Phosphorsaͤure in Hinsicht auf das noch uͤbrige Bleioxid etwas geringer, als Klaproth angab. Die Quantitaͤt der Phosphorsaͤure kann aber nach der von ihm befolgten Methode durch Niederschlagen des Bleies schwerlich mit Genauigkeit angegeben werden. Die Bestandtheile lassen sich demnach auf diese Weise bestimmen: Phosphorsaures Blei   87,66 Blei-Chlorid   10,07 Chromsaures Blei   01,20 Wasser und brennbarer Stoff   00,40 Kiesel-Kalk-Erde, rothes Eisen-Oxid   00,67 –––––– 100,00