Titel: | Ueber eine neue Anwendung des chromsauren Kalis in der Kattundrukerei, von Hrn. Koechlin-Schouch. |
Fundstelle: | Band 27, Jahrgang 1828, Nr. XV., S. 40 |
Download: | XML |
XV.
Ueber eine neue Anwendung des chromsauren Kalis
in der Kattundrukerei, von Hrn. Koechlin-Schouch.
Aus dem Bulletin de la Société industrielle de
Mulhausen, N. 2. S. 83.
Mit Anmerkungen von Emil Dingler.
Koechlin-Schouch, uͤber eine neue Anwendung des
chromsauren Kalis.
Es fehlte bisher in der Kattundrukerei noch an einem Mittel,
um das Weiße auf einem soliden gruͤnen Grunde hervorzubringen, oder, wie man
sich in der Technik ausdruͤkt, einen solchen weiß zu reserviren; die
Englaͤnder haben kuͤrzlich ein solches entdekt, welches sehr
interessant ist, sowohl wegen seiner Resultate in der Kattundrukerei, als wegen der
chemischen Erscheinungen, welche dadurch hervorgebracht werden.
Die ersten diesem Verfahren unterworfenen Zeuge wurden vergangenes Jahr von Hrn. Thomson, Besizer einer Kattundrukerei in Manchester, nach
Frankreich geschikt.
Meine Absicht ist jezt nicht, dieses Verfahren zu beschreiben, sondern vielmehr eine
ganz neue Anwendung von dem chromsauren Kali bekannt zu machen, die nicht dazu
dient, Gelb zur Production des Gruͤn hervorzubringen, sondern einzig und
allein, um das Blau zu entfaͤrben, was durch zerseztes (desoxydirtes)
chromsaures Kali eben so gut geschehen kann, als durch die Chloralkalien (oder das
Chlor); um jedoch die Leser mit den Umstaͤnden, womit sich diese Erscheinung
zeigt, besser vertraut zu machen, will ich in Kuͤrze das Verfahren
beschreiben, welches man zu dieser Entfaͤrbung befolgen muß.
Man gibt dem Zeuge zuerst in der Indigokuͤpe einen mehr oder weniger dunkeln
blauen Grund, je nachdem das Gruͤn, welches man hervorbringen will, mehr oder
weniger intensiv werden soll; man beizt hierauf den Zeug mit essigsaurer Thonerde
von etwa 7 Graden, und zieht ihn durch heißes Wasser; hierauf beizt man ihn
neuerdings mit einer Aufloͤsung von saurem chromsaurem Kali,Dieses saure chromsaure Kali darf kein solches seyn, welches durch
Saͤuerung der Aufloͤsung des basischen chromsauren Kalis mit
Salpetersaͤure bereitet wurde, sondern man muß krystallisirtes saures
chromsaures Kali anwenden.E. Dingler. die nicht mit Gummi verdikt worden ist, die man mit 2 1/2 Unzen von diesem
Salze auf 4 Pfund Wasser bereitet; endlich drukt man folgende Reservage auf:
Mit geroͤsteter Staͤrke
verdiktes Wasser
4 Pfund,
Weinsteinsaͤure
10 Unzen,
Zukersaͤure
6
–
Salpetersaͤure
2
–
Der Zusaz von Salpetersaͤure ist nicht noͤthig, wenn das Dessin aus
großen Gegenstaͤnden besteht.
In dem Augenblike, wo der Model diese Reservage auf den Zeug aufdrukt, wird das Blau
entfaͤrbt, wobei ein eigenthuͤmlicher Geruch hervorgebracht wird; nach
dem Druke wird der Zeug im fließenden Wasser ausgewaschen, worauf man mit
Quercitronrinde oder Wau ausfaͤrben kann.
Ich will mich hier nicht damit aufhalten, alle Vorsichtsmaßregeln auseinander zu
sezen, welche diese verschiedenen Operationen erheischen, wie z.B. daß man die mit
dem chromsauren Kali impraͤgnirten Zeuge bei gelinder Waͤrme troknet,
weil sie sich bei erhoͤhter Temperatur veraͤndern; daß man auch bei
gewoͤhnlicher Temperatur die Sonnenstrahlen nicht damit in Beruͤhrung
kommen lassen darf, und auch moͤglichst wenig daß Tageslicht, indem eine zu
große Helle das Blau zum Theil entfaͤrbt, wie die mit vielem Wasser
verduͤnnten Chloralkalien, deren bleichende Kraft durch das Licht
verstaͤrkt wird.
Diese Zerstoͤrung der vegetabilischen Farben beruht auf folgender allgemeinen
Thatsache: so oft chromsaures Kali mit Weinsteinsaͤure oder
Zukersaͤure in Beruͤhrung kommt, oder auch chromsaures Kali mit einer
neutralen vegetabilischen Substanz und einer Mineralsaͤure, wie z.B.
Schwefelsaͤure oder Salpetersaͤure u.s.w. entsteht eine sehr lebhafte
Einwirkung, wobei Waͤrme frei wird, sich Gasarten entwikeln; das Hauptprodukt
dieser wechselseitigen Zersezung ist ein neuer Koͤrper, welcher alle
Eigenschaften einer Saͤure besizt. Ich habe folgende Beobachtung uͤber
diese isolirte Saͤure und die Mischungen, worin sie entsteht, gemacht.
Wenn man waͤsserige Aufloͤsungen von chromsaurem Kali und
Weinsteinsaͤure mit einander vermischt, entsteht ein Aufbrausen,
waͤhrend dessen die Mischung die Eigenschaft hat, die vegetabilischen Farben
zu zerstoͤren; diese Eigenschaft dauert so lange, als das Aufbrausen und
hoͤrt damit auf.
Die Mineralsaͤuren wirken auf das chromsaure Kali nur dann so, wenn man dem
Gemenge ein vegetabilisches Pigment oder Gummi, oder Staͤrke, oder eine
vegetabilische Saͤure u.s.w. zusezt.
Waͤhrend dieser Zersezung entwikelt sich Kohlensaͤure, und wenn man den
Versuch in einer Retorte anstellt, verdichtet sich in dem Recipient eine farblose
Fluͤßigkeit, welche etwas sauer ist, schwach nach Essigsaͤure riecht,
und etwas empyreumatisches Oel enthaͤlt: erhizt man diese Fluͤßigkeit
mit salpetersaurem Silber oder Queksilber, so werden diese Metalle reducirt.
Kocht man ein Gemenge von 9 Theilen WeinsteinsaͤureWenn Weinsteinsaͤure mit basisch chromsauren Kali und Wasser in
Beruͤhrung kommt, so entsteht ein reichlicher Niederschlag von
Weinstein, beim Erwaͤrmen des Gemenges aber verschwindet er unter
Aufbrausen, waͤhrend sich eine neutrale gruͤne
Aufloͤsung bildet. E. D. und 10 Theilen chromsaurem Kali mit Wasser, so erhaͤlt man eine
neutrale Fluͤßigkeit von schoͤn gruͤner Farbe, die nicht krystallisirt
und abgedampft eine gruͤne bruͤchige Masse gibt, welche nicht
efflorescirt. Diese gruͤne Fluͤßigkeit gibt mit den Alkalien keine
Niederschlaͤge durch die salpetersauren Aufloͤsungen von Blei,
Queksilber(Oxydul), Silber, Zink, Wismuth, Mangan und die Salze von Baryt, Kalk und
Strontian wird sie violettweiß (blanc violâtre)
gefaͤllt;Diese Niederschlaͤge sind, wenn chemischreines chromsaures Kali zur
Darstellung des chromichtsauren Salzes angewandt wird, nicht violettweiß,
sondern hell meergruͤn. E. D. durch salpetersaures Kupfer und Chrom gruͤnlich weiß und durch
salpetersaures Eisen braͤunlichweiß. Alle diese Niederschlaͤge sind in
uͤberschuͤßiger Salpetersaͤure aufloͤslich. Diese
gruͤne Fluͤßigkeit reducirt das salzsaure Gold; durch schwefelsaures
Eisen, Kupfer, Zink, Kobalt, ferner durch essigsaures Eisen, KupferEs ist sehr auffallend, daß nach dem Verfasser das chromichtsaure Kali durch
salpetersaures Kupfer und Zink, aber nicht durch schwefelsaures Kupfer und
Zink gefaͤllt wird. Dieß ruͤhrt aber daher, weil die
Aufloͤsung der ersteren Salze in einem concentrirteren Zustande
angewandt wurde und angewandt werden konnte, als die der lezteren. Die
Niederschlaͤge, welche das chromichtsaure Kali in den
Aufloͤsungen der Metallsalze hervorbringt, sind naͤmlich
groͤßtentheils nur schweraufloͤslich, und eine sehr
verduͤnnte Aufloͤsung von chromichtsaurem Kali bringt in
diluirten Aufloͤsungen von Kupfer, Zink, Wismuth u.s.w. keine
Niederschlaͤge hervor. Am schweraufloͤslichsten unter allen
diesen Niederschlaͤgen ist der mit Barytsalzen erhaltene und
unaufloͤslich nur derjenige, welcher in Bleisalzen hervorgebracht
wird.E. D. u.s.w. wird sie auch nach 48 Stunden nicht gefaͤllt. Wenn man sie mit
Schwefelsaͤure und Salpetersaͤure siedet, gibt sie schwefelsaures und
salpetersaures Chrom, woraus die Alkalien das Chromoxyd faͤllen; in der
Kaͤlte haben Schwefelsaͤure und Salpetersaͤure keine Wirkung.
Ueberschuͤßiges Chlorkali (besonders durch Sieden unterstuͤzt)
aͤndert die gruͤne Fluͤßigkeit in chromsaures Kali um;Die chromichte Saͤure wird also durch die Chloralkalien ebenso in
Chromsaͤure umgeaͤndert, wie das Chromoxydhydrat. (Polyt.
Journ. Bd. XXVI. S. 254.)E. D. denn diese Fluͤßigkeit wird gelb und gibt mit Bleiaufloͤsung
einen gelben und mit Silberaufloͤsung einen purpurrothen Niederschlag.
Calcinirt man die durch Abdampfen der gruͤnen Fluͤßigkeit erhaltene
gruͤne Masse in einem Tiegel, so erhaͤlt man einen Ruͤkstand,
welcher mit Wasser behandelt eine farblose alkalische Fluͤßigkeit und
Chromoxyd gibt.
Um aus der gruͤnen Fluͤßigkeit die Saͤure, welche sie
enthaͤlt, auszuziehen, behandelt man sie mit essigsaurem Blei, welches einen
Niederschlag gibt, welcher gut ausgesuͤßt und mit weniger
Schwefelsaͤure, als zur Saͤttigung des Bleies noͤthig ist,
zersezt, eine gruͤne sehr saure Fluͤßigkeit hinterlaͤßt, die
nicht krystallisirt, nicht aufbraußt, wenn sie zur Trokniß abgedampft wird und mit den Alkalien,
welche sie saͤttigt, saure Salze von gruͤnlich-violetter und
neutrale von gruͤner Farbe gibt. Die Schwefelsaͤure und
Salpetersaͤure wirken in der Kaͤlte nicht auf diese neue
Saͤure, aber in der Waͤrme zersezen sie dieselbe und zwar noch
leichter als ihre Verbindung mit Kali, welches die obenerwaͤhnte
gruͤne Fluͤßigkeit ist. Auch das Chlorkali wirkt noch leichter auf
diese Saͤure als auf ihr Kalisalz. Durch Gluͤhen aͤndert sich
diese Saͤure in das gruͤne Chromoxyd um.
Die Weinsteinsaͤure wirkt auch auf das chromsaure Blei, wodurch die
gruͤne Saͤure entsteht, aber die Einwirkung ist langsam. Die
Zukersaͤure wirkt schneller; in beiden Faͤllen wird die Einwirkung
durch Zusaz von etwas Salpetersaͤure beschleunigt. Wird Chromsaͤure
mit Weinsteinsaͤure behandelt, so ist die Einwirkung sehr heftig.
Wenn man auf 10 Theile saures chromsaures Kali nur Einen Theil Weinsteinsaͤure
nimmt, und das Gemenge mit Wasser kocht, so erhaͤlt man nach dem Erkalten
einen braͤunlichen Niederschlag, und die braͤunlichgelbe
daruͤber stehende Fluͤßigkeit enthaͤlt vorzuͤglich
chromsaures Kali. Der von der Fluͤßigkeit getrennte Niederschlag loͤst
sich in kaltem Wasser auf, dem er eine braͤunliche Farbe mitthellt. Die
Salpetersaͤure bringt darin einen braunen Niederschlag hervor, der sich in
einem Ueberflusse von Saͤure aufloͤst. Die Weinsteinsaͤure
wirkt zwar auf die braune Aufloͤsung, aber erst nach 12 Stunden.
Schwefelsaͤure und Zukersaͤure veraͤndern sie nicht. Einfach
kohlensaures Kali bringt darin sogleich einen braunen Niederschlag hervor. Einfach
kohlensaures Natron bringt erst nach 12 Stunden einen geringen Niederschlag hervor.
Aezendes Kali und Natron wirken nicht sogleich darauf; nach 12 Stunden geben sie
eine schoͤne gruͤne Fluͤßigkeit ohne Niederschlag. Reines und
kohlensaures Ammoniak wirken auch nach 12 Stunden nicht darauf.
Bericht des Comité de
Chimie der Soc. indust. de Mulhaus.
uͤber diese Abhandlung.
Die Zerstoͤrung der vegetabilischen Farben mittelst chromsauren Kalis und
einer Saͤure laͤßt uns vermuthen, daß die Chromsaͤure, welche
bei dieser Reaction in dem Zustande auftritt, wo sie aus einer Verbindung frei wird,
sich zersezt und chromichte Saͤure (acide
chromeux) wird, waͤhrend ihr Sauerstoff an die vegetabilische
Substanz geht und sie entfaͤrbt. Man koͤnnte also die Verbindung,
welche aus dem Gemenge von 9 Theilen Weinsteinsaͤure und 10 Theilen
chromsaurem Kali entsteht, als chromichtsaures Kali (chromite
de potasse) betrachten. Diese Meinung wird noch dadurch wahrscheinlich, daß
Zusaz von Chlorkali wieder chromsaures Kali hervorbringt, indem es das Wasser zersezt, dessen
Sauerstoff die chromichte Saͤure in Chromsaͤure umaͤndert.
Nach Hrn. Berzelius enthaͤlt das Chromprotoxyd 3
Atome Sauerstoff, auf 1 Atom Chrom, das Deutoxyd 4 und die Chromsaͤure 6;
wenn es also eine chromichte Saͤure gibt, so koͤnnte man annehmen, daß
sie 5 Atome Sauerstoff auf 1 Atom Chrom enthaͤlt.Da es kein Chromdeutoxyd gibt, und der Koͤrper, welchen man bisher
dafuͤr hielt, nur ein Salz des Chromprotoxydes ist. (polyt. Journ.
Bd. XXV. S. 82) der Sauerstoff der
Chromsaͤure aber zweimahl so groß als der des Chromoxydes ist, so
wird die chromichte Saͤure hoͤchst wahrscheinlich anderthalb
Mahl so viel Sauerstoff als das Chromoxyd enthalten, was durch die Analyse
des chromichtsauren Bleioxydes ausgemittelt werden muß. E. D.
Die isolirte Chromsaͤure, wenn sie nicht im Status
nascens ist, entfaͤrbt nicht, wenigstens wenn sie nicht mit einer
vegetabilischen Saͤure oder einer Mineralsaͤure, die sie in chromichte
Saͤure umaͤndern kann, versezt wird. Waͤhrend der Operation
entwikelt sich außer Kohlensaͤure noch ein anderes Gas, welches
AmeisensaͤureDa Doͤbereiner fand, daß
Weinsteinsaͤure, wenn sie mit Braunstein und Schwefelsaͤure
digerirt wird, sich in Ameisensaͤure umaͤndert, so wird diese
Meinung dadurch um so wahrscheinlicher. E. D. zu seyn scheint, weil es das salpetersaure Silber und Queksilber
reducirt.
Nach allen Beobachtungen des Verfassers darf man annehmen, daß die Chromsaͤure
im Status nascens leicht ihren Sauerstoff abgeben kann,
und daß, wenn man ihr einen wasserstoffhaltigen Koͤrper darbietet, wie es
alle vegetabilischen Substanzen sind, sie ihm einen Theil ihres Sauerstoffes abgibt
und chromichte Saͤure wird, und daß diese chromichte Saͤure in
Beruͤhrung mit einer starken Saͤure bei der Temperatur von 100 Graden
auch, noch einen Theil ihres Sauerstoffes verliert, und dann als Chromoxyd mit der
Saͤure in Verbindung tritt.
Diese schwache Verwandtschaft des Chroms zum Sauerstoff koͤnnte mit der Zeit
vortheilhaft angewandt werden, um andere vegetabilische Farben als Indigo, wie z.B.
Krapp, Wau u.s.w. wegzuaͤzen; dann muͤßte man aber dahin gelangen, die
Chromsaͤure in concentrirterem Zustande und auf eine mehr oͤkonomische
Weise auf dem Zeuge zu zersezen.