Titel: | Untersuchungen über die Gährung des Käses, über das Käseoxyd, und die Käsesäure, von Henry Braconnot. |
Fundstelle: | Band 27, Jahrgang 1828, Nr. XXXV., S. 129 |
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XXXV.
Untersuchungen uͤber die Gaͤhrung
des Kaͤses, uͤber das Kaͤseoxyd, und die Kaͤsesaͤure,
von Henry
Braconnot.
Aus den Annales de Chimie et de Phys. October. 1827.
S. 159.
Braconnot's Untersuchung uͤber die Gaͤhrung des
Kaͤses, uͤber das Kaͤseoxyd, und die
Kaͤsesaͤure.
Niemand wird laͤugnen, daß Proust fuͤr die Wissenschaft außerordentlich viel geleistet hat; in
seinen lezten Arbeiten ist aber nicht immer die Genauigkeit, welche man von einem so
geschikten Chemiker erwarten sollte. Erst nachdem ich uͤber das Horden einige
Versuche angestellt, und mich uͤberzeugt hatte, daß es nur ein Gemenge von
Staͤrke, thierischer Substanz und Holzfaser ist, entschloß ich mich die
Versuche dieses Chemikers uͤber die Kaͤsegaͤhrung zu
wiederholen.
750 Grammen gut abgetropften, aber nicht ausgesuͤßten Kaͤse, welcher
aus abgerahmter und von selbst geronnener Kuhmilch erhalten wurde, zerruͤhrte
ich in ungefaͤhr einem Liter Wasser, und ließ das Ganze in einem bedekten
Glase einen Monat lang bei 20–25° C. ruhig stehen. Da mir nach dieser
Zeit der faule Geruch weniger stark als vorher schien, und ich auch sah, daß der
Kaͤse sich betraͤchtlich vermindert hatte, so hielt ich es fuͤr
zwekmaͤßig die Gaͤhrung zu unterbrechen, und sie nicht Jahre lang
fortdauern zu lassen, wie es Proust empfiehlt, was gar
nicht noͤthig ist, um seine Hauptresultate zu erhalten. Ich brachte das Ganze
auf ein Filter von Leinwand; es ging eine sehr schwach gefaͤrbte
Fluͤßigkeit hindurch, welche das Lakmuspapier roͤthete, keine Spur von
einem Gehalt an Schwefelwasserstoff und kohlensaurem Ammoniak zeigte, aber eine
betraͤchtliche Quantitaͤt essigsaures Ammoniak enthielt.
In einer glaͤsernen Retorte destillirt, gibt diese Fluͤßigkeit ein
Product von einem sehr uͤblen Geruch, welcher den damit benezten Fingern so
sehr anhaͤngt, daß er nur durch eine sehr concentrirte Chloraufloͤsung
zerstoͤrt werden kann. Dieser Geruch scheint von einer oͤhligen
Substanz herzuruͤhren, die auf der Oberflaͤche des Productes ein
leichtes Haͤutchen bildete. Ich filtrirte den Ruͤkstand von dieser
Destillation durch Leinewand, um eine weiße haͤutige Substanz abzuscheiden,
welche durch die Waͤrme coagulirt, und nichts als mit phosphorsaurem Kalke
vermengter Kaͤsestoff (caséum) war; die
filtrirte Fluͤßigkeit gab waͤhrend des Abdampfens essigsaure
Daͤmpfe aus, welche sich bis an das Ende erneuerten, und ich erhielt ein
syrupartiges Liquidum, auf welchem sich zerbrechliche Haͤutchen bildeten, und
die endlich beim Erkalten zu einer koͤrnigen honigartigen roͤthlichen
Masse von bitterem und salzigem Geschmake erstarrte. Als diese Masse mit Alkohol von
37° angeruͤhrt wurde, trennte sie sich in zwei Substanzen, welche sehr unzwekmaͤßig,
die erste Kaͤseoxyd und die zweite in Alkohol aufgeloͤste,
kaͤsesaures Ammoniak genannt wurden.
Untersuchung des Kaͤseoxydes.
Mit Alkohol gut ausgesuͤßt, und wieder in heißem Wasser aufgeloͤst,
gibt es beim Abdampfen, wie Proust sagt, Krusten, die
sich an den Seiten anhaͤufen, und so leicht wie der weiße Baumschwamm der
Droguisten sind; aber diese noch feuchte Masse war, obgleich sie gut zwischen grauem
Papiere gepreßt, und mir ein wenig Wasser gewaschen wurde, doch noch nicht rein; sie
fuͤhlte sich etwas fettig an. Erst nachdem ich sie oͤfters in
siedendem Wasser wieder aufgeloͤst, und mit thierischer Kohle behandelt
hatte, erhielt ich sie schoͤner weiß. In diesem Zustande ist sie geruchlos,
hat die schwache Bitterkeit von gebratenem Fleische, kracht ein wenig unter den
Zaͤhnen, und ist leicht zu pulvern. Sie ist specifisch schwerer als Wasser.
Nach Proust loͤsen sich die Stuͤke des
Kaͤseoxydes erst bei einer Temperatur von etwa 60° in Wasser auf; ich
habe mich aber uͤberzeugt, daß, die gereinigte Substanz nur 14 Th. Wasser bei
einer Temperatur von 22° C. zur vollstaͤndigen Aufloͤsung
erforderten. Ueberlaͤßt man diese Aufloͤsung auf einem Uhrglase der
freiwilligen Verdunstung, so krystallisirt sie in schoͤnen dendritischen
Veraͤstelungen von matter weißer Farbe, welche au den Seiten hinaufklettern,
und einer schwachen Verbraͤmung aͤhnlich sind. Zuweilen bilden sie
auch eine Menge an einander gereihte Ringe, welche aus sehr zarten seidenartigen
Nadeln bestehen; wenn diese Substanz aber nicht so weit gereinigt worden ist, als
moͤglich ist, bildet sie uͤber der Fluͤßigkeit, welche auf dem
Uhrglase verdunstet wird, walzenfoͤrmige runde Massen, die mit
Fluͤßigkeit, welche durch die Wirkung der Capillaritaͤt angezogen
wurde, gefuͤllt sind.
Wird die waͤsserige Aufloͤsung des Waͤrme sich selbst
uͤberlassen, so zersezt sie sich bald, wenigstens zum Theile; die
Fluͤßigkeit, so klar sie auch zuvor war, truͤbt sich, wird milchig,
sezt weißliche Floken ab, und stoͤßt einen außerordentlich faulen und
widrigen Geruch aus, wie ihn sonst nur an Stikstoff sehr reiche thierische
Substanzen bei ihrer Zersezung hervorbringen. Es ist sehr merkwuͤrdig, daß
eine Substanz, welche waͤhrend der Faͤulniß erzeugt wurde, selbst so
leicht in Faͤulniß uͤbergeht; uͤbrigens hat das Product dieser
Faͤulniß den Zuker nicht in Gaͤhrung versezt.
Die Gallaͤpfelinfusion bringt in der waͤsserigen Aufloͤsung des
gereinigten Kaͤseoxydes einen weißen flokigen Niederschlag hervor, der sich
im Ueberschusse des Faͤllungsmittels wieder aufloͤst. Schwefelsaures
Eisenoxyd, salzsaurer Kalk und Baryt, erzeugen darin keine Veraͤnderung.
Salzsaures Platin und schwefelsaure Thonerde verhalten sich eben so, ein Beweis, daß
diese Substanz kein Ammoniaksalz enthaͤlt. Basisch essigsaures Blei bringt darin
einen weißen Niederschlag hervor. Diese Substanz ist in Salzsaͤure
aufloͤslicher, als in Wasser; dampft man die Fluͤßigkeit ab, so
hinterlaͤßt sie einen Ruͤkstand, welcher beim Erkalten zu einer Masse
gesteht, und in der Waͤrme wieder fluͤßig wird. Siedender Alkohol
loͤst sehr wenig Kaͤseoxyd auf, wie Proust
beobachtet hat; die Fluͤßigkeit verliert beim Erkalten einen Theil der
Substanz, welcher sich an den Seiten des Gefaͤßes absezt; auf einem Filter
gesammelt, stellt er ein impalpables sehr leichtes und sehr weißes Pulver dar, das
der englischen Magnesia aͤhnlich ist: uͤbrigens krystallisirt dieses
Pulver, in wenig Wasser wieder aufgeloͤst, beim freiwilligen Verdunsten. Wird
das Kaͤseoxyd dem Feuer ausgesezt, so verbrennt es mit Flamme, ohne einen
Ruͤkstand zu hinterlassen. In einer Glasretorte erhizt, schmilzt es bei einer
Temperatur, die hoͤher als der Siedepunct des Wassers ist, und blaͤht
sich auf: ich habe, als ich die Hize allmaͤhlich steigerte, keinen merklichen
Sublimat erhalten; wohl aber ein ammoniakalisches Product, welches stark alkalisch
auf geroͤthetes Lakmuspapier reagirt, mit Saͤuren lebhaft aufbraust,
und eine sehr betraͤchtliche Menge kohlensaures und schwefelwasserstoffsaures
Ammoniak enthaͤlt. Bei einer staͤrkeren Hize geht, wie Proust beobachtet hat, eine fette Substanz von der
Consistenz des Talges in großer Menge uͤber. Dieser Chemiker hat sich aber
offenbar getaͤuscht, wenn er sagt, daß das Product der Destillation seines
Kaͤseoxydes so wenig Ammoniak enthaͤlt, daß man eine mit Saͤure
befeuchtete Roͤhre daruͤber halten muß, damit einige Daͤmpfe
erscheinen. Wenn man, anstatt diese Substanz zu destilliren, ein kleines
Stuͤk davon in eine an beiden Enden offene Roͤhre legt, und die Flamme
des Loͤthrohrs darauf richtet, so sublimirt sie sich fast ganz in
ausgebreiteten und sehr zarten Veraͤstelungen, welche, wenn die Hize
neuerdings darauf wirkt, sich zersezen. Wenn dieser weiße Sublimat neuerdings in
Wasser aufgeloͤst wird, so krystallisirt er in isolirten Nadeln oder in
Sternen, die aus einer Menge von divergirenden Nadeln bestehen. Diese Substanz
enthaͤlt auch eine betraͤchtliche Menge Schwefel; denn, wenn man sie
auf einem heißen Silberbleche reibt, ertheilt sie ihm sogleich eine von
Schwefelsilber herruͤhrende schwarze Farbe. Nach Proust gibt das Kaͤseoxyd, wenn man es mit Salpetersaͤure
behandelt, eine unbedeutende Menge Bittergelb und ziemlich viel (une récolte facile) Sauerkleesaͤure. Mir
war es unmoͤglich eine Spur der lezteren zu erhalten; nachdem ich aber die
Fluͤßigkeit zur Honigconsistenz abgeraucht, und den Ruͤkstand in wenig
Wasser aufgeweicht hatte, erhielt ich ein gelbes fluͤßiges Oehl und eine
gelbliche Fluͤßigkeit von bitterem und zusammenziehendem Geschmake, woraus
Kalkerde Ammoniak entwikelte. Mit einem Alkali neutralisirt, truͤbte sie sich kaum durch
salzsauren Kalk; aber salpetersaurer Baryt brachte darin einen Niederschlag von
schwefelsaurem Baryt hervor.
Da ich nicht so viel von dieser Substanz zu meiner Disposition hatte, als
noͤthig gewesen waͤre, um eine genaue Analyse vorzunehmen, so habe ich
mich damit nicht befaßt; aber aus dem, was ich so eben angefuͤhrt habe, sieht
man, daß sie alle Charactere der thierischen Substanzen besizt. Sie scheint, wie Proust vermuthete, nur sehr wenig Sauerstoff zu
enthalten; daher kann man sie auch nicht Kaͤseoxyd nennen: da sie sich
jedesmahl zu bilden scheint, wenn thierische Substanzen der Faͤulniß
uͤberlassen werden, so schlage ich vor, sie Aposepedin (aposépédine) zu
nennen, von
αποσηπεδων
(Product der Faͤulniß). Sie bildet sich auch bei einigen Krankheiten;
wenigstens scheint die koͤrnige Substanz, welche Lassaigne, und nach ihm Collard in der
schwarzen Fluͤßigkeit fanden, die in Folge von Magenkrankheiten ausgebrochen
wird, nichts anderes zu seyn. Jene Chemiker haben sie freilich mit der
Kaͤsesaͤure, nach den Eigenschaften, welche Proust dieser beilegt, verglichen.
Untersuchung der Kaͤsesaͤure.
Die koͤrnige, honigartige, roͤthliche Masse, welche nur von dem
Kaͤseoxyde durch Alkohol gereinigt wurde, ist das, was Proust kaͤsesaures Ammoniak genannt hat. So in Alkohol
aufgeloͤst, und ungefaͤhr einen Monat lang sich selbst
uͤberlassen, sezte sie, wie dieser Chemiker sagt, eine syrupartige
Fluͤßigkeit ab, welche nach ihm nichts als ein wenig Gummi ist; dieß ist aber
ganz offenbar eine thierische Substanz, welche bei der Destillation kohlensaures
Ammoniak, und mit der Gallaͤpfelinfusion einen reichlichen Niederschlag gibt,
welche thierische Substanz einen von den vielen Bestandtheilen der sogenannten
Kaͤsesaͤure ausmacht.
Abgesehen von dieser thierischen Substanz, beobachtete ich auch an den Waͤnden
des Gefaͤßes, worin die geistige Fluͤßigkeit aufbewahrt worden war,
schoͤne und sehr große hexadrische Krystalle, die sehr platt, vollkommen
durchsichtig und farbelos waren, und welche mir anfangs sehr merkwuͤrdig
schienen: der Geschmak dieses Salzes ist dem des Kochsalzes aͤhnlich. In
Wasser aufgeloͤst, gab es mit salpetersaurem Silber einen gelblichen
Niederschlag, der sich in etwas Salpetersaͤure vollkommen aufloͤste.
Auch durch salzsaures Platin wird es gefaͤllt. Beim Erhizen blaͤht es
sich auf, entwikelt Ammoniak, und hinterlaͤßt ein durchsichtiges und
farbloses Glas, welches in Wasser aufgeloͤst, das Lakmuspapier
roͤthet, mit salzsaurem Platin keinen Niederschlag mehr gibt, aber mit
Kalkwasser einen flokigen, von phosphorsaurem Kalk hervorbringt; daraus geht hervor,
daß das fragliche
krystallisirte Salz nichts als sehr reines, phosphorsaures Ammoniak-Natron
(sogenanntes Phosphorsalz) ist, welches ohne Zweifel von dem Serum herruͤhrt,
welches der angewandte Kaͤse, obgleich er gut abgetropft war, noch enthielt.
Kommt dieses Salz natuͤrlich in der Milch vor? oder sollte vielleicht diese
Fluͤßigkeit saures phosphorsaures Natron enthalten? Dieses habe ich noch
nicht bestimmt ausgemittelt. Uebrigens erwaͤhnt Berzelius in seiner Analyse der Milch des phosphorsauren Natrons nicht.
Nachdem die geistige Fluͤßigkeit von der thierischen Substanz und den
Krystallen von Phosphorsalz getrennt, hierauf der Alkohol abdestillirt, und sie zur
Consistenz eines diken Syrups eingedampft war, nahm ich die Behandlung damit vor,
welche Proust vorschreibt, um die
Kaͤsesaͤure daraus darzustellen; ich versezte sie naͤmlich mit
Wasser und kohlensaurem Blei, und kochte sie damit; anfangs entstand ein Aufbrausen,
indem die in der Fluͤßigkeit enthaltene Essigsaͤure die
Kohlensaͤure entband: hierauf entwikelte sich Ammoniak, worauf ich nach
langem Sieden durch die filtrirte Fluͤßigkeit, welche
uͤberschuͤssiges Blei enthielt, und geroͤthetes Lakmuspapier
wieder blau faͤrbte, einen Strom Schwefelwasserstoff leitete; ich filtrirte
nochmahls, rauchte zur diken Consistenz ab, und erhielt so die
Kaͤsesaͤure von Proust.
Ueberschauen wir nun die Eigenschaften, welche ihr dieser Chemiker beilegte, so
koͤnnen wir uns uͤberzeugen, daß sie alle verschiedenen fremden
Koͤrpern angehoͤren, und daß keine darunter ist, welche uns
berechtigt, diese Substanz fuͤr eine eigenthuͤmliche Saͤure
anzusehen: erstens findet man, daß dieses Product nur sehr schwach sauer, wohl aber
bitter und scharf ist, was von einem Oehle von brennendem und pfefferartigem
Geschmake herruͤhrt, wovon ich weiter unten sprechen werde. Was muß man
daraus schließen, daß diese vermeintliche Saͤure mit dem
Gallaͤpfelextracte eine weiße sehr dike Gallerte hervorbringt? offenbar auf
die Gegenwart mehrerer thierischen Substanzen, wovon Proust nichts erwaͤhnt. Eine andere Eigenschaft, welche dieser
Chemiker seiner Kaͤsesaͤure zuschreibt, ist, daß sie zu einer
koͤrnigen Masse von honigartigem Aussehen gelatinirt. Aber von welcher Natur
ist diese feste Substanz? Dieses sagt er uns nicht. Um recht sicher zu gehen,
druͤkte ich die koͤrnige honigartige Masse in einem Saͤkchen
von Leinwand allmaͤhlich und stark aus, wobei eine weißliche, beinahe trokne
Substanz in großer Menge zuruͤkblieb, welche alle Eigenschaften des
Aposepedins (Kaͤseoxydes) besaß. Die syrupartige gelbliche
Fluͤßigkeit, welche abtropfte, enthielt, wie wir sehen werden, auch noch
solches aufgeloͤst. Zu einer sehr diken Consistenz bei einer Waͤrme,
welche sie nicht zersezen konnte, abgedampft, gab sie Essigsaͤure und einen
bitteren, aber nicht sauren Ruͤkstand von gummiartigem Aussehen, da ich jedoch darin
das Vorkommen der Saͤure vermuthete, die ich sonst erhielt, indem ich Reis,
Erbsen, Bohnen u.s.w. sauer machte, so loͤste ich wieder einen Theil davon in
Wasser auf, und erhizte ihn mit Zinkoxyd; die Fluͤßigkeit zeigte mir aber
nach dem Filtriren und Abdampfen nicht die geringste Spur von Krystallen; sie
enthielt aber noch Ammoniak, wie ich mich davon durch Kali uͤberzeugte.
Die freie, oder von den thierischen Substanzen schwach zuruͤkgehaltene
Essigsaͤure ist es also allein, welche der Kaͤsesaͤure ihre
Eigenschaften ertheilt. Wird leztere auf die angegebene Weise groͤßtentheils
von dem Aposepedin, welches sie enthaͤlt, befreit, und sodann mit Alkohol von
42° behandelt, so loͤst sie sich bis auf eine Substanz von
gummiartigem Aussehen auf, welche weder scharf noch bitter ist, sondern angenehm wie
Fleischbruͤhe schmekt. Die Gallaͤpfelinfusion brachte in ihrer
waͤsserigen Aufloͤsung einen sehr reichlichen feinzertheilten
Niederschlag hervor, welcher aber durch Zusaz von etwas Essigsaͤure elastisch
und leimartig wird. Schwefelsaures Eisenoxyd brachte keine Veraͤnderung
hervor. Uebrigens enthielt diese Substanz, welche mir dem Osmazom sehr
aͤhnlich scheint, noch Aposepedin; denn als ich ein kleines Stuͤk
davon in einer offenen Roͤhre mit dem Loͤthrohre erhizte, bildete sich
ein geringer weißer Sublimat.
Diese Substanz traͤgt ohne Zweifel ihrerseits bei, die Kaͤse schmakhaft
und angenehm zu machen; mehrere andere Koͤrper thun jedoch dasselbe, obgleich
Proust zufolge seiner Abhandlung nur einen einzigen
Stoff, der sie wuͤrzt, vor Augen gehabt zu haben scheint. Die geistige
Fluͤßigkeit wurde, nachdem sie von der thierischen Substanz, wovon ich so
eben gesprochen habe, getrennt war, abgeraucht, um den Alkohol zu entfernen, und
dann einige Zeit mit Schwefelaͤther geschuͤttelt; dieser
faͤrbte sich kaum, er war aber durch einen sehr weißen, pulverigen
Koͤrper getruͤbt, welcher durch das Filter davon getrennt wurde: in
ein wenig Wasser wieder aufgeloͤst, krystallisirte er beim freiwilligen
Verdunsten in einer Menge kleiner Ringe, die durch die Vereinigung von
außerordentlich feinen Nadeln gebildet waren. In kleinen Stuͤkchen vor dem
Loͤthrohre in einer Roͤhre erhizt, gab er einen weißen, sehr leichten
und voluminoͤsen Sublimat; dieser Koͤrper war also ebenfalls noch sehr
reines Aposepedin. Die aͤtherische Fluͤßigkeit, welche von dieser
Substanz getrennt war, hinterließ beim Verdunsten ein gelbliches, geruchloses, sehr
fluͤßiges Oehl, das specifisch schwerer, als Wasser war. In sehr kleinen
Stuͤkchen auf die Zunge gebracht, verursacht es einen brennenden und scharfen
Geschmak, aͤhnlich dem des indischen Pfeffers. Es scheint bis zu einem
gewißen Grade in Wasser aufloͤslich zu seyn, denn als es damit erhizt wurde,
entstand eine klare,
scharfe Fluͤßigkeit, welche sich beim Erkalten truͤbte. Wenn die
Aufloͤsung dieses Oehles sehr verduͤnnt ist, hat sie einen bitteren
Geschmak. Uebrigens besizt dieser Stoff saure Eigenschaften, weil er das
Lakmuspapier roͤthet, und sich unmittelbar mit den Alkalien vereinigt. Proust spricht bei seinen Untersuchungen uͤber den
Grundstoff, welcher die Kaͤse wuͤrzt, nicht von diesem scharfen Oehle;
und es ist doch offenbar, daß von ihm, wenigstens zum Theile der scharfe Geschmak
und der Reiz der Kaͤse herruͤhrt, welcher sie so gesucht macht. Muß
man nicht vielmehr diesem Oehle als dem kohlensauren Ammoniak die Schaͤrfe
gewißer Kaͤse zuschreiben, welche man nur zu kosten braucht, um, wie Proust sagt, den schaͤrfsten Geschmak zu
spuͤren? Wir wollen nun wieder auf die gelbliche Fluͤßigkeit
zuruͤkkommen, auf welche der Aether nicht zu wirken schien: sie war
auffallend bitter. Mit Wasser versezt, truͤbte sie sich, und sezte nach 24
Stunden ein Harz ab. Dieses wurde, nachdem es geschmolzen, und mit heißem Wasser
ausgesuͤßt worden war, um es so viel als moͤglich, von einer
thierischen Substanz, welche es enthielt, zu befreien, sodann mit Alkohol in
Beruͤhrung gebracht, worin es sich sehr leicht aufloͤste. Diese
Aufloͤsung, welche durch Wasser getruͤbt wurde, gab beim Abdampfen
einen braunen, firnißartigen, durchsichtigen, sproͤden, wenig Geschmak
habenden Ruͤkstand, welcher sich in den Alkalien sehr leicht
aufloͤste, und daraus durch die Saͤuren gefaͤllt wurde. Sollte
diese harzige Substanz nicht von einer Veraͤnderung des scharfen Oehles durch
die Beruͤhrung mit der Luft herruͤhren? Dieses scheint mir sehr
wahrscheinlich, wenigstens schied siedender Aether, welcher wenig Neigung zeigte, es
aufzuloͤsen, daraus eine geringe Menge einer fetten, diken und scharfen
Substanz ab.
Die gelbliche bittere Fluͤßigkeit, welche von dem Harze durch Wasser getrennt
wurde, enthielt noch scharfes Oehl, essigsaures Kali, ein wenig salzsaures Kali und
viel thierische Substanz, die in Alkohol und Wasser aufloͤslich ist.
Uebrigens wurde sie durch Gallaͤpfelinfusion reichlich in Gestalt einer
gelatinoͤsen braunen Masse gefaͤllt, die schwer zu troknen war, sich
zwischen den Fingern leicht wie Wachs kneten ließ, wie dieses in siedendheißem
Wasser fluͤßig wurde, und nach dem Erkalten leicht gepulvert werden konnte.
Dieser thierische Stoff gab, mit Salpetersaͤure behandelt, viel Bittergelb
und wenig Sauerkleesaͤure. Aus den Versuchen, welche ich so eben
angefuͤhrt habe, geht hervor, daß die Kaͤsesaͤure von Proust besteht, aus:
1) Freier Essigsaͤure;
2) Aposepedin;
3) einer thierischen, in Wasser aufloͤslichen, aber in rectificirtem Alkohol
unaufloͤslichen Substanz (Osmazom);
4) einer thierischen in Wasser und Alkohol aufloͤslichen Substanz;
5) einem gelben, fluͤßigen, sehr scharfen Oehle;
6) einem braunen, wenig Geschmak habenden Harze;
7) essigsaurem Kali;
8) salzsaurem Kali;
9) Spuren von essigsaurem Ammoniak.
Untersuchung des unaufloͤslichen Ruͤkstandes des
gegohrnen Kaͤses.
Proust hat in der Ueberzeugung, daß die Butter, welche in
groͤßerer oder geringerer Menge im Kaͤse enthalten ist, kein
nothwendiger Bestandtheil desselben sey, es ganz und gar unterlassen, zu
untersuchen, in welchem Zustande sie darin vorkommen koͤnnte. Um diese
Luͤke auszufuͤllen, glaubte ich den unaufloͤslichen
Ruͤkstand von den 750 Grammen Kaͤse, welche der Gaͤhrung
ausgesezt worden waren, untersuchen zu muͤssen. Ich habe gesagt, daß diese
kaͤsige Masse in Zeit von einem Monate sich betraͤchtlich vermindert
hatte. Gut ausgesuͤßt und dann in dem Glasgefaͤße mit Wasser eben so
lang und bei derselben Temperatur der Gaͤhrung uͤberlassen, gab sie
ein neues saures Product, welches aber nur eine geringe Menge von Aposepedin, so wie
auch von den anderen Stoffen, wovon ich bereits gesprochen habe, enthielt.
Der unaufloͤsliche Ruͤkstand von dieser zweiten Gaͤhrung war
sehr weiß, von perlmutterartigem Aussehen, und in sehr vertheiltem Zustande: dessen
ungeachtet konnte er leicht auf einem Filter von Leinwand ausgesuͤßt, und
allmaͤhlich ausgedruͤkt werden, um moͤglichst viel von dem
darin enthaltenen Wasser auszutreiben. Als er erwaͤrmt wurde, um die lezten
Antheile von Feuchtigkeit zu verjagen, schmolz alles zu einer fettigen Masse. Man
erhielt davon 36 Grammen von den 750 Grammen der Gaͤhrung
uͤberlassenen Kaͤses. Da dieser geschmolzene fette Stoff durch einige
leichte Floken, welche ich fuͤr kaͤsiger Natur hielt, getruͤbt
zu seyn schien, so wurde er in Leinewand zwischen zwei heißen Metallplatten gepreßt,
worauf er sehr klar hindurchging. Erkaltet war er fester als Talg: 7 Grammen von
diesem fetten Stoffe wurden mit siedendem Alkohol behandelt, aber davon nur zum
Theile aufgeloͤst; die heiß filtrirte Fluͤßigkeit truͤbte sich
in dem Maße, als sie erkaltete. Ich werde sogleich darauf zuruͤkkommen. Der
unaufloͤsliche auf dem Filter gebliebene Theil war pulverig und sehr
schoͤn weiß. Stark zwischen Fließpapier gepreßt, erschien er in
sproͤden Massen, und wog getroknet 2,9 Grammen. Er fuͤhlt sich sehr
sanft an, wie die Kreide von Briançon, und ertheilt wie diese den
Koͤrpern, worauf man ihn reibt, ein glasartiges Aussehen. Die 2,9 Gr. von
diesem Stoffe waren gepulvert mit Wasser ganz unvermischbar, und in siedendheißem Wasser
unschmelzbar; auf Zusaz von Salzsaͤure schienen sie sich aber augenbliklich
damit zu vermengen, und als ich die Fluͤßigkeit fortwaͤhrend erhizte,
sah ich, daß sich auf der Oberflaͤche derselben eine Schichte einer fetten
Substanz bildete, welche oͤfters in siedendheißem Wasser geschmolzen, und von
Feuchtigkeit befreit, 2,6 Grammen wog. Sie schmilzt bei etwa 55° C., und
krystallisirt beim Erkalten in feinen ineinander geschlungenen Nadeln. In heißem
Alkohol loͤst sie sich in allen Verhaͤltnissen auf, und diese
Aufloͤsung, welche das Lakmuspapier roͤthet, krystallisirt beim
Erkalten. Diese Substanz, welche sich uͤbrigens unmittelbar mit den Alkalien
vereinigt, ist also Margarinsaͤure von der schoͤnsten Weiße.
Als die Fluͤßigkeit, welche ich durch Behandlung der 2,9 Gr. der pulverigen,
mit Wasser nicht mengbaren Substanz mittelst Salzsaͤure erhalten hatte, mit
kohlensaurem Kali erhizt wurde, gab sie einen Niederschlag von kohlensaurem Kalk,
welcher ausgesuͤßt und getroknet, 0,53 Gr. wog, die 0,3 Gr. Kalk entsprechen,
welche mit 2,6 Gr. Margarinsaͤure vereinigt waren, und die 2,9 Gr. des
erhaltenen neutralen margarinsauren Kalkes bildeten. Ich will nun auf die von dieser
lezteren Verbindung getrennte geistige Fluͤßigkeit zuruͤkkommen.
Ich habe gesagt, daß sie sich beim Erkalten truͤbte; sie sezte in der That
einen fetten Stoff ab, welcher alle Eigenschaften der Margarinsaͤure besaß.
Als diese Fluͤßigkeit dann groͤßtentheils abgeraucht wurde, erstarrte
sie zu einer Masse, welche in kaltem Alkohol aufgeweicht, noch Margarinsaͤure
abgab, die sehr weiß erschien, nachdem sie zwischen grauem Papiere gepreßt worden
war. Die beiden erhaltenen Quantitaͤten wogen 0,5 Gr. Die geistige
Fluͤßigkeit gab hierauf beim Abdampfen eine oͤhlige, roͤthliche
riechende Substanz, welche die Consistenz des halberstarrten Olivenoͤhls
hatte. Sie bestand groͤßtentheils aus Oehlsaͤure, einer geringen Menge
Margarinsaͤure, und einem braunen thierischen Stoffe. Die 36 Grammen des
fetten Stoffes, des Ruͤkstandes von der Gaͤhrung der 750 Grammen
Kaͤse aus abgerahmter Kuhmilch, bestehen also aus:
Margarinsaurem Kalke
14,92
Gr.
Margarinsaͤure
2,57
–
Oehlsaͤure, welche
Margarinsaͤure und eine braue thierische Substanz enthielt
18,51
–
–––––––
36,00
Gr.
Ich gestehe, daß ich verlegen waͤre, wenn ich angeben sollte, wie der an
Margarinsaͤure gebundene Kalk entstand. Sollte er von einigen noch
unbekannten Kalkverbindungen in dem Kaͤsestoffe herruͤhren? Soviel ist gewiß, daß
das Fett der Leichname eben so wie das Fett des gegohrnen Kaͤses,
margarinsauren Kalk enthaͤlt, und der Unterschied zwischen beiden ist bloß
dieser, daß das Ammoniak einen Bestandtheil des ersteren, aber nicht des lezteren
ausmacht. Es ist auch sehr merkwuͤrdig, daß die in dem Kaͤsestoffe
enthaltene Butter sich vollstaͤndig und sehr schnell in fette Saͤuren,
bloß durch die Gaͤhrung, und mitten in einer saͤuerlichen
Fluͤßigkeit umaͤndert. Diese Thatsache ist gewiß der von Hrn.
Chevreul aufgestellten
Theorie nicht guͤnstig, um die Umaͤnderung der in die Erde
eingegrabenen Leichname in Fett zu erklaͤren, weil es sicher scheint, daß sie
weit eher vor sich geht, als Ammoniak frei wird, und die Verseifung des Fettes
bewirken kann.
Ich will auch an die eyweißartige Substanz erinnern, die allen oͤhligen Samen
eigen ist, und die man mit dem unbestimmten und ungeeigneten Namen Schleim (mucilage) bezeichnet, welche, indem sie sich mehr oder
weniger schnell mit den Oehlen vermengt, dieselben disponirt, schnell ranzig zu
werden, oder, mit anderen Worten, in fette Saͤuren uͤberzugehen. Man
koͤnnte diese Eigenschaft sogar benuͤzen, um die Verseifung der fetten
Koͤrper zu beschleunigen, indem man sie gehoͤrig mit thierischen
Substanzen und Wasser gemengt, der Gaͤhrung uͤberließe. Sieht man
nicht in der That etwas analoges in einigen Seifensiedereien, worin nur gemeines
Olivenoͤhl angewandt wird, nicht bloß wegen seines geringeren Preises,
sondern auch, weil dasselbe, da es einige Zeit mit den faulenden Substanzen der
Oliven in Beruͤhrung war, mit der alkalischen Lauge viel schneller in
Verbindung treten kann, als das Jungfernoͤhl. Geschieht es nicht in
aͤhnlicher Absicht, wenn man in anderen Faͤllen die Oliven
aufhaͤuft, damit sie sich erhizen und gaͤhren, worauf man sie sodann
auspreßt?
Nancy den 10. Octbr. 1827.