Titel: Ueber Schildkröte, und die Art, dieselbe zu verschiedenen Zweken zu bearbeiten.
Fundstelle: Band 27, Jahrgang 1828, Nr. XCVI., S. 367
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XCVI. Ueber Schildkroͤte, und die Art, dieselbe zu verschiedenen Zweken zu bearbeiten.Man vergl. hiermit auch polyt. Journal Bd. XXIII. S. 367. A. d. R. Aus Gill's techn. Repos. Dec. 1827. S. 332, (welches diesen Aufsaz aus einer Uebersezung dieses Artikels im Dictionnaire technologique mit Zusaͤzen im Franklin Journal entlehnte.) Mit einer Abbildung auf Tab. VIII. Ueber Schildkroͤte, und die Art, dieselben zu verschiedenen Zweken zu bearbeiten. Schildkroͤte oder Schildpad ist die Schale einer Art von Amphibien aus der großen Gattung Testudo, und zwar der Testudo imbricata Linn . (Sea turtle bei den Englaͤndern). Diese Art findet sich in Asien und America, und wird nicht sowohl wegen ihres Fleisches, welches, obschon schmakhaft, doch ungesund ist, sondern vorzuͤglich wegen ihrer Schale gesucht, aus welcher man eine Menge nuͤzlicher und schoͤner Sachen verfertigt. Diese Schale hat drei verschiedene Farben: lichtgelb, lichtbraun, und ein dunkles, obgleich noch durchscheinendes, Braun oder beinahe Schwarz. Gewoͤhnlich ist eine dieser Farben, oder es sind zwei derselben vorherrschend: meistens kommen sie jedoch alle zugleich vor. Schildkroͤte ist gewoͤhnlich hart, durchscheinend, und laͤßt sich leicht brechen. Obschon sie ihrem Gefuͤge nach dem Horne sehr aͤhnlich ist, so ist sie doch nicht so zaͤhe, wie dieses, weil sie mit weniger oͤhligem Stoffe verbunden ist. Sie ist indessen sehr biegsam, und laͤßt sich mit Beihuͤlfe des Feuers, oder des siedend heißen Wassers bedeutend biegen; wenn sie aber wieder erkaltet, behaͤlt sie die Form, die man ihr warm gegeben hat, und wird wieder so bruͤchig, als sie ehevor gewesen ist. Schildkroͤte besizt die Eigenschaft, sich ohne Zwischenkoͤrper zusammenloͤthen zu lassen. Die Oberflaͤche der Schildkroͤte ist gewoͤhnlich hoͤkerig und uneben; es ist daher vor allem noͤthig, sie zu ebenen. Sie wird, in dieser Hinsicht, eine hinlaͤngliche Zeit uͤber in Wasser eingeweicht, um darin weich zu werden, und dann stuͤkweise uͤber einander in eine Presse gelegt. Zwischen jedes Paar Blaͤtter legt man eine flache Eisen- oder Messing-Platte von zwei Linien Dike: diese Platten muͤssen vorher gewaͤrmt werden, und die Presse wird anfangs nur wenig auf ein Mahl angezogen. Man laͤßt hierauf alles erkalten, ehe man die Schildkroͤte wieder aus der Presse nimmt. Die Schildkroͤte kann auch mittelst des Feuers entweder gerade oder krumm gebogen werden. Man haͤlt sie in dieser Hinsicht vor die Flamme eines hellbrennenden Feuers, und bewegt sie vor demselben bestaͤndig, damit sie nicht anbrennt, denn sonst wuͤrde sie gaͤnzlich unbrauchbar seyn. Es ist aber durchaus keine Gefahr dabei, sie so lange in heißem Wasser zu lassen, bis sie vollkommen weich geworden ist, und daher ist diese Methode immer vorzuziehen, um so mehr, als das Feuer auch auf die Farbe einigen Einfluß hat, was bei dem siedenden Wasser nie der Fall ist. Art, die Schildkroͤte zu pressen oder zu modelliren. Der Model, er mag was immer fuͤr Form haben, besteht aus zwei Theilen, wie die Model, aus welchen man zinnerne Loͤffel gießt. Eine kleine eiserne Presse von hinlaͤnglicher Staͤrke ist gleichfalls hierzu nothwendig. Die auf obige Weise zubereitete Schildkroͤte wird entweder mittelst einer Raspel oder mittelst eines gezaͤhnten Hobels, oder eines groben Korkes auf die gehoͤrige Dike gebracht, in siedendem Wasser erweicht, und in dem vorher erwaͤrmten Model an die gehoͤrige Stelle gebracht. Die an der einen Haͤlfte des Models hervorragenden Stifte werden in die Loͤcher der anderen Haͤlfte gestekt, und der Model dann in die Presse gethan, an welcher man die Schraube so lange anzieht, bis man einigen Widerstand verspuͤrt, worauf man Presse und Model in siedendes Wasser legt, und die Schraube nach und nach so lange anzieht, bis beide Theile des Models einander beruͤhren. Sobald dieß geschehen ist, wird die Presse herausgenommen, und man laͤßt sie kalt werden. Den Model legt man eine Viertel-Stunde lang in kaltes Wasser, ehe man die Schildkroͤte heraus nimmt, die dann die Form behalten wird, welche man ihr gegeben hat. Loͤthen der Schildkroͤte. Um zwei Stuͤke Schildkroͤte zusammen zu loͤthen, muͤssen die beiden Kanten, welche zusammengeloͤthet werden sollen, schief zugefeilet werden, so, daß beide genau dieselbe Abdachung oder Neigung haben, und genau auf einander passen. Sie werden dann auf einander gelegt, und wenn sie genau auf einander passen, wird ein Streifen Papier zwei oder drei Mahl um das Gefuͤge herumgewunden. Eine Zange, wie eine kleine Schmiedezange, oder ein Kraͤusel-Eisen der Friseurs, aber von hinlaͤnglicher Laͤnge um das ganze Gefuͤge in sich zu fassen, wird gehizt, und die beiden Blaͤtter derselben werden auf ihrem Gefuͤge so lange zusammengedruͤkt, bis sie durch ihr eigenes Gewicht sich senken, oder einer kleinen Gewalt des Fingers nachgeben. Hierauf wird die Zange weggenommen, und wenn das Stuͤk kalt geworden ist, wird man es vollkommen geloͤthet finden. Man muß dafuͤr sorgen, daß die Zange nicht zu sehr gehizt wird; denn sonst verbrennen die Schalen, statt daß sie sich zusammenloͤthen: man muß daher die Zange, wie bei dem Haarkraͤuseln, auf Papier probiren; wenn sie das Papier leicht braͤunt, so ist sie heiß genug. Der Bau des Mundes der Zange ist ein sehr wichtiger Umstand, welchen man noch nicht hinlaͤnglich beachtet hat; das Loͤthen mißlingt oͤfters bloß aus dieser Ursache, oder geschieht wenigstens auf eine sehr unvollkommene Weise. Die beiden Baken muͤssen genau parallel liegen, indem sie sich einander naͤhern muͤssen, wenn sie die Verbindung der Schalen zusammenkneipen. Da sich aber diese Baken gewoͤhnlich auf einem Zapfen bewegen, so folgt hieraus, daß sie nur fuͤr einen Artikel, der genau so dik ist, als derjenige, fuͤr welchen sie urspruͤnglich bestimmt sind, passen. Der Verfasser dieses Aufsazes wurde von einem Schildkroͤt-Arbeiter, der diesen Nachtheil zu beseitigen wuͤnschte, zu Rache gezogen: folgende Verbesserung gelang vollkommen, und wurde von dem Kuͤnstler, dem man sie mittheilte, lang fuͤr geheim gehalten. Da er aber keinen Anspruch auf die Erfindung hat, und diese nuͤzlich befunden wurde, so bedient sich der Verfasser dieser Gelegenheit, um sie bekannt zu machen. Tab. VIII. Fig. 20. zeigt die Form dieses Instrumentes. Die Laͤnge der Arme, A, D, A, B, muß mit dem laͤngsten Gefuͤge, auf welches sie angewendet werden sollen, im Verhaͤltnisse stehen. Die obere Oberflaͤche des unteren Bakens, G, B, ist immer in einer Flaͤche, und ist aus demselben Stuͤke mit dem Arme, H, A, dem anderen Arme des Hebels, der den Ring, H, fuͤhrt. Der zweite Hebel, I, A, C, E, F, D, besteht aus zwei besonderen Stuͤken, I, A, E, und, F, D. Lezterer haͤngt in einem gabelfoͤrmigen Gefuͤge an dem Ende des Armes, C, F, und spielt frei auf dem Stifte, E, so daß, wenn die vier Finger in dem Ringe, I, sind, und der Daumen in H, wenn man die Klappen schließt, die Oberflaͤche, K, D, des oberen Bakens sich genau auf die Oberflaͤche, G, B, des unteren Bakens legt. Die zwischen eine solche Zange gelegten Blaͤtter moͤgen also was immer fuͤr eine Dike haben, so werden sie an allen Theilen ihrer Oberflaͤche durch die Baken immer gleich gedruͤkt werden. Selbst wenn die zu loͤthende oder zu druͤkende Platte keilfoͤrmig, oder an einem Ende duͤnner waͤre, als an dem anderen, wird sie uͤberall gleichfoͤrmig gedruͤkt werden, da die Baken sich der Ungleichheit in der Dike anschmiegen. Man muß dafuͤr sorgen, daß das bewegliche Stuͤk, F, so groß und dik wird, als das feststehende Stuͤk der Muͤndung, G, B, damit beide dieselbe Hize halten, und nicht eines fruͤher kalt wird, als das andere. Zuweilen loͤthet man auch die Schildkroͤte durch siedendes Wasser. In diesem Falle muͤssen die beiden zusammen zu loͤthenden Stuͤke so gelegt werden, daß, wenn sie in die Presse kommen, das Gefuͤge etwas umgeschlagen, und zwischen zwei Metallstuͤken eingeschlossen liegt. Die Schraube muß dann hinlaͤnglich angezogen werden, um die Stuͤke in ihrer Lage zu erhalten, wenn sie in das siedende Wasser kommen, und so, wie die Schildkroͤte weich wird, wird die Schraube mehr angezogen, und, wenn alles kalt geworden ist, findet man die Stuͤke Schildkroͤte vereinigt. Das Loͤthen mag auf was immer fuͤr eine Weise geschehen, so muß man dafuͤr sorgen, daß die beiden Seiten des Gefuͤges vollkommen genau auf einander passen; sie muͤssen rein von der Arbeit wegkommen; denn das mindeste Fett, der geringste Schmuz aller Art macht das Loͤthen mißlingen. Die Stuͤke duͤrfen an diesen zu loͤthenden Stellen nicht mit den Fingern, ja nicht einmahl von dem Hauche beruͤhrt werden. Wenn Stuͤke zusammengeloͤthet werden sollen, muß man sie so auswaͤhlen, daß ihre Farben auf einander passen, und ihre Schattirung so gleichfoͤrmig als moͤglich ist, indem dadurch das Gefuͤge verstekt wird, oder wenigstens nicht so leicht zu entdeken ist. Verschiedene Artikel aus sogenannter gegossener oder geschmolzener Schildkroͤte zu verfertigen. Man kennt schon mehrere Jahre lang allerlei Artikel aus sogenannter gegossener, oder geschmolzener Schildkroͤte, vorzuͤglich schoͤne Tabak-Dosen, die indessen selten durchscheinend sind. Die Methode, dieselben zu verfertigen, war lang ein Geheimniß. Ein sehr geschikter Schildkroͤte-Arbeiter, der jezt in Brasilien lebt, theilte dem Verfasser dieses Aufsazes seine Verfahrungs-Weise mit, und arbeitete mit aller Offenheit sehr oft in seiner Gegenwart. Dieser Schildkroͤte-Arbeiter sammelte alle Abfaͤlle bei seinen Herren College; die Drehespaͤne, den Raspel-Staub, alles, was bei ihren Arbeiten abfiel; er erhielt es fuͤr eine Kleinigkeit. Aus diesen Abfaͤllen bereitete er runde Tabak-Dosen auf folgende Weise. Er hatte bronzene Model aus zwei Stuͤken, wovon der eine in den anderen paßte, wie zwei Einsaz-Gewichte in einander passen. Die untere Haͤlfte war in einem eisernen Gestelle, welches oben mit einer Schraube versehen war, die auf die obere Haͤlfte des Models druͤkte. Ein Paar Model diente fuͤr das untere, und ein anderes Paar fuͤr das obere Stuͤk einer jeden Dose. Solche Model hatte er fuͤnfzig von verschiedener Groͤße. Ein Kessel in Form eines Parallelogrammes stand uͤber einem eigens hierzu erbauten Ofen. Der Kessel faßte 24 Model: drei in der Breite und acht in der Laͤnge. Die Bruchstuͤke der Schildkroͤte wurden alle zerkleint, und eine gewisse Menge derselben dem Gewichte nach genommen. Die große Erfahrung, die dieser Mann hatte, lehrte ihn genau die Menge, die er hiervon zu Dekeln und zu Bodenstuͤken seiner Dosen noͤthig hatte, wobei dasjenige in Anschlag gebracht war, was spaͤter hin bei dem Abdrehen wieder wegfiel. Diese Menge laͤßt sich nicht angeben, laͤßt sich aber leicht durch Versuch und Erfahrung bestimmen. Nachdem die gehoͤrige Menge Schildkroͤten-Spaͤne in jeden Model gethan war, sezte er den Gegenmodel auf, und druͤkte denselben mittelst der Schraubenpresse nieder. Nachdem alle 24 Model auf diese Weise vorgerichtet waren, legte er sie in gehoͤriger Ordnung in den Kessel, in welchem das Wasser vorher sehr heiß gehizt wurde. Wenn das Wasser kochte, zog er die Schraube des ersten Models, dann die des zweiten, und so bei allen uͤbrigen 24 Modeln an. Er fuhr auf dieselbe Weise fort, und hielt das Wasser die ganze Zeit uͤber siedend, bis der Gegenmodel nicht mehr weiter niedergeschraubt werden konnte, was dann zeigte, daß der ganze Zwischenraum in den Modeln vollkommen mit geschmolzener Schildkroͤte gefuͤllt war. Das siedende Wasser wurde in dem Kessel immer auf derselben Hoͤhe erhalten, indem das verduͤnstete Wasser durch einen kleinen Strahl nachstroͤmenden siedenden Wassers aus einem hoͤher stehenden Kessel, in welchem das Wasser von demselben Feuer aus immer kochend erhalten wird, ersezt wurde. Die Koͤpfe der Schrauben der Presse standen uͤber dem Wasser empor, damit man sie mittelst eines Schraubenschluͤssels leicht drehen konnte. Jede der 24 Pressen war fest im Kessel eingekeilt, so daß sie sich nicht bewegen konnte, wann die Schraube angezogen wurde. An dem Gegenmodel des Bodenstuͤkes der Dose war eine tiefe Furche rings umher, und um dieses wurde ein Ring von schoͤner Schildkroͤte gelegt, der dann den durchscheinenden Rand der Dose bildete. Dieses Stuͤk wurde außen rauh gelassen, damit es sich desto besser mit dem uͤbrigen Theile der Schildkroͤte zusammenloͤthen, und Ein ganzes Stuͤk damit bilden konnte. Nachdem alles erkaltet war, wurden die Model aus einander genommen, und die Dosen sammt ihren Dekeln bei Seite gestellt. Auf der aͤußern Oberflaͤche derselben wurden dann Figuren in erhabener Arbeit, oder was man immer auf denselben zu machen wuͤnschte, angebracht, und es war nun nichts mehr zu thun uͤbrig, als die Dosen auf der Drehebank abzudrehen, damit Dekel und Boden genau in einander paßten, und sie dann von innen und außen zu poliren, worauf sie zum Verkaufe fertig gemacht wurden. Wenn man Gegenstaͤnde von Werth mit Schildkroͤte bedeken will, wie z.B. kleine feine Galanterie-Tischlerarbeiten, wird die Schildkroͤte nicht unmittelbar auf das Holz aufgelegt, sondern, nachdem man sie gehoͤrig zugerichtet, und auf die gehoͤrige Dike gebracht hat, wird die untere Seite derselben mit einer schwarzen oder rothen Lage von Lampenschwarz oder Vermillon uͤberzogen, das mit Fischleim gemengt und abgerieben wurde, und auf diese Lage von Farbe kommt unmittelbar Papier, welches fest daran kleben wird. Auf diese Weise bekommt die Schildkroͤte ein schoͤnes Ansehen, und man sieht den Leim oder das Korn des Holzes nicht durch dieselbe durch. Das Ganze wird dann auf die bei eingelegter Arbeit gewoͤhnliche Weise auf das Holz aufgeleimt. Wir haben, sagt der Herausgeber des Franklin Journal, das Loͤthen der Schildkroͤte mittelst heißen Wassers oͤfters versucht, und nie eine Schwierigkeit dabei gefunden. Die Schildkroͤte muß an der Stelle, wo sie geloͤthet werden soll, so duͤnn als moͤglich gemacht werden, da bei dem Zusammendruͤken der beiden Enden derselben eine Furche oder Vertiefung auf jeder Seite entsteht, die, wenn die Schildkroͤte duͤnn ist, nie vollkommen ausgedreht oder ausgefeilt werden kann. Wir haben diese Arbeit bloß unternommen, um Raͤnder fuͤr Tabak-Dosen aus denselben zu verfertigen: die schoͤnste Arbeit aber, die wir aus Schildkroͤte gesehen haben, waren Spazierstoͤke, die in Frankreich und in Indien verfertigt wurden. Diese Stoͤke waren vollkommene Roͤhren, die folglich aus Streifen von Schildkroͤte zusammengeloͤthet waren, und hierauf gebogen, und ihrer ganzen Laͤnge nach vereinigt wurden. Sie waren so nett gearbeitet, daß man die Stelle der Zusammenfuͤgung nur durch die genaueste Untersuchung, und durch die ploͤzliche Unterbrechung der gefaͤrbten Wolken, der Schildkroͤte bestimmen konnte. Wir halten es fuͤr wahrscheinlich, daß bei Anwendung des heißen Eisens ein geringerer Druk nothwendig ist, als bei jener des siedenden Wassers, und daß auf diese Weise duͤnnere Schalen von Schildkroͤte vereinigt werden koͤnnen, koͤnnen aber hieruͤber nicht aus Erfahrung sprechen.