Titel: | Ueber das Farbenspiel des Glases, das längere Zeit über in Salzsümpfen lag. Von Hrn. Bart. Bizio. |
Fundstelle: | Band 27, Jahrgang 1828, Nr. CXI., S. 427 |
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CXI.
Ueber das Farbenspiel des Glases, das
laͤngere Zeit uͤber in Salzsuͤmpfen lag. Von Hrn. Bart. Bizio.
Im Giornale di Fisica. Dec. II. T. X. 5.
Bimestre. S. 591. 6. Bimestre. S. 438. (Im gedraͤngten
Auszuge.)
Bizio, uͤber das Farbenspiel des Glases das laͤngere
Zeit uͤber in Salzsuͤmpfen lag.
Hr. Bizio fand im Jahre 1823, als der Canal der Glas-Verfertiger
zu Murano gereinigt wurde, mehrere Glasstuͤke, die wunderschoͤn mit
allen Farben des Regenbogens prangten, im Schlamme dieses Canales. Er
uͤberzeugte sich sehr bald, daß dieses Farbenspiel nur von einer
Veraͤnderung der Blaͤttchen, die die Oberflaͤche desselben
bilden, herruͤhrte. Er fuͤhrt fruͤhere Beobachtungen des Cav.
Bozzi uͤber ausgegrabene Glaͤser der
Alten an, und es fiel uns auf, daß ihm das, bei uns im Norden so haͤufig
vorkommende Schillern schlechter Fensterscheiben, bei deren Glas viel Alkali
beigesezt ist, entging; um so mehr, als er am Ende seiner langen Abhandlung selbst
zu dem Resultate gelangte, daß sehr alkalische Glaͤser leichter und
staͤrker irisiren, als starkes festes Glas.
Er schrieb die Ursache dieses Farbenspieles der Einwirkung des
Schwefel-Wasserstoffgases zu, und stellte hieruͤber directe Versuche
an. Glaͤser, die er Monate lang der Einwirkung des Schwefelwasserstoffgases
aussezte, fingen wirklich an mit Regenbogen-Farben zu spielen, aber ungleich
schwaͤcher, als die Scherben, die er aus dem Schlamme des Canales
herausgezogen hatte.
Nach seiner Ansicht schien es ihm nicht noͤthig, das Glas so lange unter der
Erde zu liegen braucht, um dieses Farbenspiel anzunehmen, als Cav. Bossi meint, und wenn auch, unter der Erde, allenfalls
Jahrhunderte hierzu gehoͤrten, so wußte er doch, daß Glas im Schlamme von
Salzsuͤmpfen nicht laͤnger als sechs Jahre noͤthig hat, um
dieses Farbenspiel anzunehmen: denn der Canal, aus welchen er diese
wunderschoͤnen Glasscherben genommen hatte, wurde erst vor 6 Jahren
gereinigt, und das Glas konnte nicht laͤnger, als hoͤchstens so lange,
im Schlamme liegen geblieben seyn.
Er fand endlich bei genauerer Untersuchung, daß gemeines gruͤnes Glas, und
uͤberhaupt Glas, in welchem viel Alkali sich findet, die schoͤnsten
Farben annahm, und beinahe vollkommen taubenhaͤlsig oder pfauenschweifig war,
waͤhrend Krystall oder weißes Glas weniger Veraͤnderung erlitt.
Um nun zu sehen, welche Veraͤnderung das Glas an seiner Oberflaͤche
durch Einwirkung des Schwefelwasserstoff-Gases erlitten hat, stellte Hr.
Bizio einige Versuche vor
dem Loͤthrohre und in einem Platinna-Tiegel an, wo das Farbenspiel
sich durch Einwirkung staͤrkerer Hize alsobald verlor. Er vermuthete nach
diesen Versuchen, daß das Glas durch Einwirkung des Schwefelwasserstoff-Gases
auf seine Oberflaͤche an dieser in eine Schwefel-Verbindung (in solfuro) verwandelt, und daß der Schwefel durch die
Hize frei wird. Diese Vermuthung fand er durch weitere Behandlung mittelst
Schwererde vollkommen bestaͤtigt.
Er unterzog nun diese schillernden Haͤutchen einer genauen Analyse, die er
umstaͤndlich und weitlaͤuftig beschrieb, und woraus wir hier lediglich
das Resultat derselben anfuͤhren wollen. 500 Theile solcher schillernden
Haͤutchen bestanden, seiner Analyse zu Folge, aus
136,00
Schwefel,
173,00
Alkali,
112,00
Kiesel,
29,00
Kalk,
18,00
Blei-Oxyd,
12,00
Braunstein-Oxyd,
5,00
Zinn-Oxyd,
4,00
Kupfer-Oxyd,
2,50
Eisen-Oxyd,
2,00
Zink-Oxyd,
3,50
Arsenik,
3,00
Bittererde.
–––––
500,00.
Hieraus schließt er nun, daß diese Haͤutchen ein Schwefel-Glas (Solfuro di vetro) sind.
Er schließt seine lange Abhandlung, die er selbst sehr bescheiden eine Lokspeise
eitler Neugierde, nennt, mit einer Betrachtung uͤber technische Nuzanwendung
dieser Glasschwefelung.
Er sieht in diesen wunderschoͤnen Glasscherben die beruͤhmten vasa murrhina der Alten, deren Farben Plinius als quales in
celesti arcu spectantur beschreibt, deren Bereitungs-Kunst mit
vielen anderen schoͤnen Kuͤnsten der Heiden durch die Barbarei des
christlichen Mittelalters verloren ging, und wuͤnscht unseren Glaswaaren ein
aͤhnliches Farbenspiel zu geben, wodurch sie dann, als Werke einer neuen
Kunst, Seltenheit mit ungemeiner Schoͤnheit verbinden wuͤrden.
Zu diesem Ende schlaͤgt er vor, in irgend einem stinkenden Salzsumpfe, in
einem Canale von Venedig (die Canaͤle von Amsterdam und Rotterdam, die Spree
zu Berlin, die Wien zu Wien, die Seine zu Paris bei Schlaͤchtereien
wuͤrden eben so gut zu brauchen seyn), uͤberhaupt dort, wo viele
thierische Koͤrper faulen, einen Plaz zu waͤhlen, und die Glaswaaren,
denen man dieses herrliche Farbenspiel geben will, in dem Schlamme derselben zu
vergraben. Es versteht sich von selbst, daß ein Gelaͤnder rings um dieses
Glas-Magazin angebracht werden muͤßte, wodurch die darin aufbewahrten
gebrechlichen Waaren gegen alle aͤußere Gewaltthaͤtigkeit
geschuͤzt werden koͤnnten.
„Nach sechs Jahren laͤngstens,“ sagt er,
„wuͤrde man aus diesen stinkenden Suͤmpfen
Gefaͤße herausziehen, die an Schoͤnheit, die vasa murrhina der Alten uͤbertreffen; Venedig
wuͤrde einen neuen Zweig fuͤr seine Industrie erhalten, der dieser
Stadt fuͤr ewig eigen bleiben muͤßte, da nur sie in ihrer Lage
diese Producte erzeugen kannWir haben, leider, oben gesehen, daß noch mehrere Staͤdte
stinkende Canaͤle in ihren Mauern besizen. A. d. Ueb.; das Ausland wuͤrde erstaunen uͤber diese neue Kunst, wenn
es auf dem Glase dieselben Farbenwunder sieht, die die Natur bisher nur an den
Schuppen der Fische und den Federn der Voͤgel hervorrief. Wenn, wie man
bisher glaubte, Jahrhunderte noͤthig waͤren, um dieses Farbenspiel
auf dem Glase zu erzeugen, so waͤre es allerdings thoͤricht, von
dieser Wirkung des Schwefelwasserstoff-Gases auf das Glas Vortheil ziehen
zu wollen: da wir aber nun wissen, daß fuͤnf bis sechs Jahre dazu
hinreichen, so waͤre es eine nicht zu entschuldigende
Nachlaͤßigkeit, wenn wir von dieser Entdekung nicht einigen Nuzen ziehen
wollten.“
Er bemerkt am Ende, daß das Glas, waͤhrend dasselbe dieses Farbenspiel
erhaͤlt, auf seiner Oberflaͤche etwas gebrechlich, wird, und daß
dieser Umstand diejenigen abschreken koͤnnte, die sich mit Ausuͤbung
dieser Kunst beschaͤftigen wollen. Er meint jedoch, daß sich leicht eine Art
von Glasur, ein Ueberzug, ein Firniß wuͤrde finden lassen, der bei einer so
niedrigen Temperatur schmilzt, und mit dem Glase verkoͤrpert, daß das
Farbenspiel des Glases dadurch nicht leidet, indem seine Versuche ihn lehrten, daß die
Oberflaͤche des Glases selbst einen bedeutenden Grad von Hize zu ertragen
vermag, ohne ihr Farbenspiel zu verlieren. Er hofft durch fernere Versuche, zu
welchen er auch andere einladet, in Baͤlde ein solches Mittel zu finden.
Da man nun ferner weiß, daß eine groͤßere Menge von Alkali das Glas zu diesem
Farbenspiele vorzuͤglich geneigt macht, so wird man die Fritte hierzu
besonders mischen koͤnnen.Der Hr. Verfasser hat nicht versucht, welche Einwirkung Schwefelwasserstoffe
Gas im Kuͤhlofen auf das noch heiße und weiche Glas haben
koͤnnte; was Rauch etc. vermag. Wir haben an einigen
Toͤpferwaaren theils durch Zufall, theils kuͤnstlich erzeugte
irisirende Glasuren. Es waͤre der Muͤhe werth, in
Kuͤhloͤfen Versuche mit verschiedenen sogenannten
Raͤucherungen sowohl am Glase als am Porzellane und an anderen
feineren Toͤpferwaaren anzustellen. A. d. Ueb.