Titel: Ueber Barbier-Messer.
Fundstelle: Band 27, Jahrgang 1828, Nr. CXV., S. 436
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CXV. Ueber Barbier-Messer.Man vergl. auch polyt. Journ. Bd. VII. S. 330. VIII. 256. IX. 400. XI. 248. XVI. 493. XIX. 109 und 316. A. d. R. Aus dem Mechanics' Register. N. 39. S. 427. (Im Auszuge.) [Ueber Barbier-Messer.] Ohne einen oder mehrere Aufsaͤze uͤber Barbier-Messer kann kein englisches technisches Journal seinen Jahrgang schließen: denn nach dem Athemholen scheint das Barbieren die wichtigste Lebens-Angelegenheit eines Englaͤnders. Ein galanter Englaͤnder rasirt sich des Tages drei Mahl, und jeder Gentleman wenigstens ein Mahl des Tages. „Die Guͤte eines Rasir-Messers,“ sagt der Verfasser dieses Aufsazes, welchen wir hier bloß im Auszuge liefern, „haͤngt von so vielen Umstaͤnden ab, daß der Verfertiger desselben allein, nach vorlaͤufigen Versuchen und wirklicher Anwendung desselben, fuͤr die Guͤte desselben haften kann: denn es gibt kein Kennzeichen, woran man ein gutes Rasir-Messer erkennen katin, außer man barbiert sich einige Zeit mit demselben.“ (Daher zahlt man auch in England fuͤr ein gutes Barbier-Messer sehr gern 12 fl. (eine Guinee) bei dem Messerschmiede selbst, und findet zuweilen eines in Steyermark um 24 kr., das noch besser ist). „Es gibt kein Mittel, ein schlechtes Barbier-Messer zu einer feinen oder selbst nur zu einer mittelmaͤßigen Schneide zu bringen, denn dasjenige ist allein gut, das des Wezsteines am wenigsten bedarf, und durch ein Paar leichte Zuͤge auf demselben schon scharf wird, nachdem es durch seinen Gebrauch stumpf geworden ist. Ein gutes Messer darf auf dem Wezsteine keine oder nur wenige Flaͤchen an seiner Schneide erhalten, und muß, laͤngs der Hand hin gezogen, scharf und weich schneiden. Man muß das Messer nicht, wie gewoͤhnlich, an der Oberhaut des Ballens, durch Schnizeln an derselben probiren, sondern die Schneide desselben in der Laͤnge von ungefaͤhr 2 Zoll auf irgend eine dike Haut an der Hand leicht aufsezen, und ungefaͤhr einen Viertel-Zoll weit hinziehen, ohne zu schneiden. Auf diese Weise fuͤhlt man am besten, ob die Schneide gehoͤrig glatt und eben ist.“ „Um ein gutes Barbier-Messer gut zu erhalten, muß es, da auch das beste Messer endlich stumpf wird, auf dem Riemen gestrichen, oder endlich sogar auf dem Steine abgezogen werden. Man muß hierbei nie vergessen, daß das beste Messer verdorben wird, wenn man es schaͤrfer als scharf genug haben will. Das Streichen auf dem Riemen gibt allerdings eine ebene Schneide, es rundet aber auch, durch die Elasticitaͤt des Riemens, die Schneide ab, und macht sie stumpf. Ein gutes Messer ist im Augenblike, wie man sagt, uͤberstrichen.“ „Es muß dann auf den Stein, und dieser Stein ist nichts anderes, als eine feste Masse von Sandkoͤrnchen, die die Oberflaͤche des Messers fein abraspeln. Die Oberflaͤche des lezteren wird also davon zerkrazt, und die Schneide wird eine unregelmaͤßig gezaͤhnte Saͤge, deren Einschnitte desto feiner sind, je kleiner die Sandtheilchen des Steines sind, und je weniger man das Messer auf denselben andruͤkt. Man hat gefunden, daß der Stein feiner abzieht, wenn man ihn, nachdem man ihn gebraucht hat, beoͤhlt laͤßt: wahrscheinlich werden dadurch, indem das Oehl auf diese Weise diker wird, die scharfen Spizen des Sandes umhuͤllt, und ihre Zwischenraͤume ausgefuͤllt. Bei dem Abziehen auf dem Steine kommt es vorzuͤglich darauf an, daß man: 1) das Messer in wiederholten abwechselnden Zuͤgen leicht uͤber den Stein hinfuͤhrt: die Schneide immer vorwaͤrts, und durchaus nicht bald ruͤkwaͤrts bald vorwaͤrts, außer wenn Scharten oder bedeutende Unregelmaͤßigkeiten in der Schneide auszuwezen sind. 2) Daß die Schneide nach jedem Paare Strichen auf der Hand versucht wird, um zu sehen, ob sie vollkommen gleichfoͤrmig rauh geworden ist. Wenn der Stein gut ist, und das Messer leicht angedruͤkt wurde, so erhaͤlt man auf diese Weise eine sehr schoͤne Schneide, obschon sie weniger glatt ist, als die, die der Riemen gibt; weßwegen sie 3) auf einem solchen mit ein Paar Zuͤgen vollendet werden muß. Den Fall angenommen, daß das Messer durch laͤngeren Gebrauch so stumpf geworden ist, daß man es bis zur Bildung des sogenannten Fadens auf dem Steine abziehen muß, so wird, wenn man diesen auf dem Steine waͤhrend des Wezens sich brechen laͤßt, die Schneide schartig werden, wenn man sie uͤber denselben hinlaufen laͤßt. Man muß also diesen Faden auf ein Mahl und unmittelbar wegnehmen, was dadurch am besten geschieht, daß man die Schneide ein Mahl laͤngs dem Steine hinfuͤhrt, und den Ruͤken des Messers etwas mehr als im halben Winkel zwischen dem Steine und der senkrechten Lage des Messers haͤlt, dieselbe dann aber noch in entgegengesezter Richtung zuruͤkfuͤhrt. Mit diesen zwei Strichen erhaͤlt man eine vollkommene, obgleich sehr stumpfe Schneide, welcher man ihre erforderliche Staͤrke durch ein Paar Zuͤge oder durch mehrere leichte Zuͤge auf dem Steine nach obiger Weise geben muß, sich wohl huͤtend, daß man hierin nicht zu weit geht. Bei dem Streichen auf dem Riemen, wie bei dem Abziehen auf dem Steine, sezen wir voraus, daß das Messer flach aufgelegt wird: wo man jedoch eine starke Schneide verlangt, muß bei dem Abziehen, nicht bei dem Streichen, der Ruͤken des Messers etwas weniger uͤber der Flaͤche des Steines empor gehalten werden, als die halbe Breite des Messers betraͤgt.“ „Ein Barbier-Messer schneidet,“ wie man sagt, „besser, nachdem es in heißes Wasser eingetaucht wurde. Ich will es zugeben; aber ich kann es nicht erklaͤren. Man sagte, daß die Waͤrme die feinen Vertiefungen in der Schneide ausfuͤllt, und wahrscheinlich neue dafuͤr erzeugt. Diese Ausdehnung wird aber wenig betragen; denn die Ausdehnung, die siedend heißes Wasser hervorzubringen vermag, uͤbersteigt nicht Ein Zehntausentel. Andere sagen, Hize macht Horn und Haare weich: eine heiße Schneide geht also leichter durch das Haar, als eine kalte. Allein, die Waͤrme ist hier unbedeutend, und ihre Wirkung nur augenbliklich. Man sagt ferner, daß der Vortheil des Eintauchens in heißes Wasser auch dann noch anhaͤlt, wann das Messer bereits wieder kalt geworden ist, was ich gern glauben will. Vielleicht wird dadurch einiger Schmuz von der Schneide weggenommen, die sich dann leichter auf dem Barte schiebt.“ „Ueber Anwendung und Nuzen der Seife beim Barbieren ist großer Streit. Einige schmieren sie kalt und dik mit einem Pinsel auf den Bart auf; andere heiß; andere reiben warmes Seifenwasser (Lader) in den Bart ein, bis das Alkali der Seife die Haut weicher gemacht hat. Chardin sagt, daß die besten Barbierer in der Welt, die persischen, sich dieser lezteren Methode bedienen,“ (also muͤssen auch die bayer'schen Barbierer die besten seyn, denn sie arbeiten mit ihrem Lader, wie die Perser, im Gesichte herum). „Ich kann dagegen versichern, daß die Chineser, die außerordentlich leicht barbieren, sich einer Seifenbuͤchse mit kaltem Wasser bedienen. Ob nun, wie es heißt, die Seife das Haar durch eine anfangende Verbindung mit dem Alkali weich macht; ob sie den Schnitt dadurch leichter mache, daß sie das Barbier-Messer mit Leichtigkeit uͤber die Oberflaͤche hingleiten laͤßt, ohne daß Theile der Haut davon aufgeschaͤrft werden; diese muß durch directe Versuche bestimmt werden.“ (Ein directer Versuch beim Barbieren der Spanferkel und Saͤue, deren Haͤute die Nicht-Muhamedaner und Nicht-Israeliten als Lekerbissen so oft zu ihrem Schaden barbiert essen, spricht durchaus gegen die lezte Theorie der Erleichterung der Fahrt des Messers; das Pech, womit man die Saͤue beim Abhaaren bestreut, kann nur staͤrkeren Widerstand der Haare erzeugen, und es scheint, daß die Meinung eines alten englischen Bartkuͤnstlers, daß die Seife dadurch das Barbieren erleichtert, daß sie den Haaren dem Messer Widerstand leisten hilft, die richtigere ist.) Unser Verfasser sagt selbst: „mit einer bloßen Aufloͤsung von Alkali oder mit bloßem Oehle oder Fette kann man sich nicht barbieren.“ Seife scheint ihm als zweifach wirkendes Mittel, ein Mahl als Schmuz aufloͤsendes Mittel auf der Haut, und dann, durch ihr Oehl, als schluͤpfrig machendes Mittel zu wirken. Was Waͤrme oder Kaͤlte betrifft, so scheint ihm hoͤhere Waͤrme diese Wirkungen zu beguͤnstigen, obschon ihm der Unterschied nicht groß daͤucht. „Einige legen beim Barbieren das Messer flach auf, andere halten dasselbe unter einem bedeutenden Winkel: man kann sich auf beide Arten barbieren. Es ist aber eine sehr schlechte Manier, wenn man das Messer auf dem Gesichte andruͤkt, und es kann sogar gefaͤhrlich werden, wenn man dabei einen ziehenden Schnitt fuͤhrt. Man schneidet auf diese Weise sicher in's Gesicht, wenn man nur etwas ungeschikt faͤhrt. Man barbiert am glattesten, wenn man das Messer in derselben Neigung haͤlt, in welcher man es abzieht. „(Der Verfasser empfahl aber bei Abziehen, so wie beim Streichen, das Messer flach aufzulegen.)“ „Das große Geheimniß der Kunst des Barbierens besteht darin, daß man einen ziehenden Schnitt fuͤhrt, d.h., die Linie der Bewegung des Rasir-Messers muß sehr schief auf die Linie der Schneide stehen: niemahls unter einem rechten Winkel, wie man so oft darnach schabt. Auf diese Weise wirkt das Messer, wie eine Saͤge, und folglich ohne Vergleich staͤrker, als wenn es als bloßer Kiel wirkt. Das Messer schneidet auf diese Weise so leicht, daß viele Sorgfalt und Uebung dazu gehoͤrt, ehe man sich dieser Methode mit voller Sicherheit bedienen darf; allein, der Barbierer sagt, was der Haut gefaͤhrlich ist, thut dem Barte wohl.“