Titel: | Ueber Seidenspinnerei. |
Fundstelle: | Band 30, Jahrgang 1828, Nr. XIII., S. 58 |
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XIII.
Ueber Seidenspinnerei.
Aus dem Bulletin industriel de St. Etienne. Septbr. und
Octbr. 1827. S. 236. Im Bulletin de Sc. techn. Jul. 1828. S.
41.
Ueber Seidenspinnerei.
Ich will, sagt der Verfasser, ein Mittel angeben, durch welches man die Zahl der
einzelnen Faden eines Seidenfadens und den Grad der Spinnung oder Drehung, die er
erhalten hat, bestimmen kann.
Jeder Cocon gibt einen einzelnen Seidenfaden, und mehrere Cocons werden zugleich in
einem Beken mittelst siedend heißen Wassers oder Dampfes abgewunden; diese einzelnen
Faden der einzelnen Cocons bilden den eigentlichen Seidenfaden, der auf einem Haspel von 6 Fuß im Umfange
gerade mit so viel Schnelligkeit aufgewunden wird, als noͤthig ist, um die
einzelnen Faden. zu spannen, und waͤhrend sie noch naß sind, so zu
vereinigen, daß sie getroknet einen einzigen steifen Faden bilden. Die
Regelmaͤßigkeit oder Gleichheit der rohen Seide haͤngt
vorzuͤglich von der Sorgfalt ab, mit welcher die Abwinderinn immer und
ununterbrochen dieselbe Anzahl von Cocons nimmt, die aus ihren einzelnen Faden den
Seidenfaden bilden, und sogleich einen neuen Cocon an die Stelle des fehlenden
bringt, sobald sie bemerkt, daß einer abgeht.Die Gleichheit der Seide haͤngt aber, mit Erlaubniß des Hrn.
Verfassers, auch noch davon ab, daß die einzelnen Faden, aus welchen der
Seidenfaden gebildet wird, so viel moͤglich gleich sind. Es ist eine
eigene Kunst um das gehoͤrige Sortiren der Cocons, worauf man in
Piemont sehr achtet. A. d. Ueb. Die Schoͤnheit der Seide haͤngt ferner zum Theile auch von der
Aufmerksamkeit ab, mit welcher die Abwinderinn alles entfernt, was ihre Farbe
entstellen, und was sie mit fremden Stoffen verunreinigen koͤnnte.
Wenn eine große Anzahl von Gaͤngen auf dem Haspel aufgewunden ist und eine
bedeutende Seidenmasse bildet, was ungefaͤhr alle 8 Stunden geschieht, so
nimmt man sie ab und bildet daraus eine Doke. Der Faden in diesen Doken, der aus
mehreren einzelnen nur durch den Gummi, der sie umhuͤllt, zusammengeleimten
Faden besteht, wuͤrde weder Staͤrke noch Festigkeit genug haben, um
das Aussieden und die uͤbrigen Fabrikarbeiten ertragen zu koͤnnen,
wenn man sie nicht einer besonderen Bearbeitung unterzoͤge, die man die
Zurichtung (ouvraison) nennt. Man nimmt
gewoͤhnlich zwei verschiedene Sorten von Seide zu den Seidenzeugen: die eine,
die die Kettenfaden bildet, ist die Organsinseide (Organsin); die andere, die zum Eintrage bestimmt ist,
heißt entweder das Haar (poil), wenn sie aus Einem Faden besteht, oder Tram
(trame), wenn sie aus mehreren Faͤden
zusammengesezt ist.
Die Organsinseide besteht aus zwei Faden, wovon jeder
einzelne wieder aus 4, 5 oder 6 anderen Faden besteht, die unmittelbar von dem Cocon
herkommen. Man zieht diese beiden Faden, jeden einzeln, auf, und gibt ihnen einen
gewissen Grad von Drehung, den man die erste Zurichtung, das Spinnen (filé) nennt. Man vereint nun
diese beiden Faden, und dreht sie neuerdings uͤbereinander: diese Arbeit
nennt man die zweite Zurichtung, die sich damit endet, daß man die Faden auf einem
Haspel aufwindet, auf welchem eine gewisse Anzahl von Gaͤngen die kleinen
Doken (capies) bildet, aus welchen dann die
Straͤhne (mateau) wird, unter welcher Form man
die Seide verkauft.
Das sogenannte Haar (poil) ist
eine rohe Seide, die aus 8 oder 10 einzelnen Faden, also aus 8 oder 10 Cocons
gesponnen wird, zuweilen sogar noch aus mehreren. Sie erhaͤlt, da sie nur
einen einzelnen Faden bildet, nur eine Zurichtung. Sie wird eben so zu
Straͤhnen gebildet, aber anders zusammengelegt.
Die Tram besteht aus einer mehr oder minder feinen rohen
Seide, je nachdem man dieselbe zu diesem oder jenem Zweke braucht, und die man aus 2
oder 3 Faden ohne erste Zubereitung verfertigt, so daß man sich hier bloß mit der
zweiten begnuͤgt.
Man verfertigt auch eine Mittelsorte zwischen Organsin- und Tramseide, die man
ungesponnen gedrehte Seide (tors sans filè) nennt, und die zuweilen als Kette verwendet werden
kann. Sie besteht aus eben so vielen Faden, wie die Organsinseide, die uͤber
nicht die erste Zubereitung erhalten, und dafuͤr eine staͤrkere
zweite, welche die erste ersezt.
Wenn man mittelst des Mikroskopes die Zahl der Faden, und folglich der Cocons, aus
welchen ein Seidenfaden besteht, bestimmt hat, so wird es auch moͤglich, auf
eine bestimmte Weise den Grad der Drehung in der Lange Eines Millimeters
anzugeben.
Wenn z.B. S jede Dreherinn der Seide bezeichnet, so kann
man die Zahl der Drehungen in Einem Millimeter durch 2, 3, 4 S fuͤr die einzelnen, und 2 bis 3 S
fuͤr die zwei vereinten Faden bezeichnen, die noch weit leichter zu
unterscheiden sind.
Der Titel oder die Schwere eines Seidenfadens wird von 475 oder 400 Ellen genommen,
die man von einem Haspel, der eine Elle im Umfange hat, abwindet.
Das Gewicht, das man durch dieses Abwinden erhaͤlt, zeigt die Nummer oder den
Titel dieser Seide in Granen, als Bruchtheile des Montpellier-Pfundes zu 15
Unzen Marcgewicht. Die Unze hat 24 Deniers und der Denier 24 Gran.
Der Titel eines gewoͤhnlichen Cocons aus der Gegend von Alais ist
ungefaͤhr 2 Gran und 1/4 Vier bis fuͤnf solche Cocons bilden vereint
einen Faden roher Seide, dessen Titel 21 Gran seyn wird, die man durch Deniers
bezeichnet, in dem man nur den 24zigsten Theil der Probe macht, da die ganze Arbeit
zu kostspielig ist, und wenn die Probe dieser Seide uns 21 Gran fuͤr 400
Ellen gegeben hat, wir im Ganzen 9600 Ellen erhalten werden, deren Gewicht dasselbe,
wie in diesem Versuche, seyn wird.