Titel: Ueber Seide und Seidefabriken. Von Herrn Ozanam.
Fundstelle: Band 30, Jahrgang 1828, Nr. XLI., S. 129
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XLI. Ueber Seide und Seidefabriken. Von Herrn Ozanam. Aus dem Recueil Industriel. T. 6. N. 16. S. 54. N. 17. S. 172. N. 18. S. 184. (Im Auszuge.) Ozanam, uͤber Seide und Seidefabriken. Der Recueil industriel liefert a. a. O. einen Auszug aus dem Mémoire sur les fabriques d'ètoffe à soie par Mr. Ozanam , aus welchem wir hier einen gedraͤngten Auszug mittheilen wollen. 1. § Ursprung der Seide. China scheint die Wiege der Seidenzucht und der Seidenzeugfabrikation gewesen zu seyn. Nach dem Jesuiten du Halde (dem man nie ganz trauen darf) war es eine der Frauen des Kaisers Wang-ty, die im J. 1790 vor Christus (im J. d. W. 2210, ungefaͤhr um die Zeit, da Mose geboren ward) die Kunst erfand, den Faden von dem Gehaͤuse, das eine auf den Maulbeerbaͤumen lebende Raupe spinnt, abzuwinden. Dieses Insect war bloß der Natur auf seinen Baͤumen uͤberlassen. Die Prinzessin ließ Stoffe aus diesen Faden weben, die sie zur Verzierung der Pagoden und Goͤtterbilder verwendete. Man sing spaͤter an, dieses Insect bei Hause zu ziehen, und Seide wurde damahls noch mit Gold aufgewogen. Ein Fest bei der Ernte der Maulbeerblaͤtter, bei dem Ausbruͤten der Eier wurde jaͤhrlich von der Kaiserin, so wie das Fest des Pfluges von dem Kaiser, feierlich begangen. Allmaͤhlich verbreitete sich die Seidenzucht durch das ganze chinesische Reich, und gelangte nach Japan, Tonkin, Indien und Persien, blieb aber lange Zeit uͤber lediglich auf diese Laͤnder beschraͤnkt. Im Buche der Schoͤpfung und im Exodus geschieht der Seide keine ErwaͤhnungDie Seidenraupe befindet sich nicht, in der Liste der Thiere, die Noah in die Arche nahm., eben so wenig bei Hesiod und Homer. Einige alte Schriftsteller (Plinius) behaupteten, aber ohne weitere Beweise, daß Pamphila, die Tochter des Koͤnigs Platts auf der Insel Kos, die Verfertigung von Seidenzeugen erfand. So viel ist gewiß, daß erst nach Alexanders Ruͤkkehr von seinen Feldzuͤgen aus Indien einige seiner Officiere Seide nach Griechenland brachten. Den Roͤmern blieb die Seide noch lang unbekannt, und Volpicius erzaͤhlt von Kaiser Aurelian, der um das Jahr 270 n. Chr. herrschte, daß er seiner Frau keine seidene Tunica kaufen wollte, weil sie ihm zu theuer war. Erst drei hundert Jahre darauf, um das J. 560 brachten zwei Moͤnche, wie man sagt, aus Ceres in Persien Seidenraupeneier nach Constantinopel. Justinian beguͤnstigte die Anzucht der Maulbeerbaͤume, und man zog Seidenraupen, obschon man die Gespinnste derselben (die Cocons) nicht abzuwinden verstand, und armenische Kaufleute die Cocons kauften, und nach Persien zur Verarbeitung ausfuͤhrten. Diese Armenier fuͤhrten dafuͤr Seidenzeuge ein, die auch jezt noch mit Gold aufgewogen wurden, und die nur Kaiser und Papste an Festtagen tragen durften. Nach und nach entstanden auch in Griechenland Seidenzeugfabriken. Man nannte die Seide Serica, nach dem Namen der persischen Provinz, aus welcher sie eingefuͤhrt wurde. Die Venezianer waren die Ersten, die im Mittelalter Seidenzeuge aus dem Oriente nach Italien einfuͤhrten. Als Karl der Große im J. 785 die Staͤnde in Friaul versammelte, saßen die Herren mit seidenen Maͤnteln in der Versammlung, was dem Kaiser, der nur ein Otterwams auf dem Leibe und einen blauen Mantel trug, der ihm einen Thaler in Gold kostete, ein unerhoͤrter Luxus daͤuchte. Als im J. 1130, Roger, Koͤnig von Sicilien, aus den Kreuzzuͤgen im gelobten Lande heimkehrte und den Peloponnes erorberte, fuͤhrte er Seidenarbeiter aus Athen und Korinth mit sich, und errichtete Seidenfabriken zu Palermo und Reggio. Er ließ Maulbeerbaͤume pflanzen, und die Seidenraupen gediehen so gut, daß dieser neue Zweig der Industrie sich bald uͤber Italien und Spanien verbreitete. Als 1305 Clemens V., von Geburt ein Franzose, in seinem allerheiligsten Zorne uͤber die Roͤmer den apostolischen Stuhl nach Avignon verpflanzte, legte er daselbst Baumschulen fuͤr Maulbeerbaͤume an, und ließ Seidenabwinderinnen und Seidenweber aus Calabrien und Toscana kommen. Man verfertigte zu Avignon Florentiner Taffent, und gewisse Zeuge aus Wolle und Seide, die man Doucettes nannte. Es ist wunderbar, daß dieser sehr eintraͤgliche Zweig der Industrie, der nun in Frankreichs Mitte verpflanzt war, beinahe zwei Jahrhunderte lang in diesem Lande unbeachtet und bloß auf das Gebieth von Avignon beschraͤnkt blieb, das dadurch auf eine bedeutende Stufe von Wohlstand emporstieg. Erst am Ende des XV. Jahrhundertes ließ Ludwig XI. aus der Grafschaft Venaissin Maulbeerbaͤume kommen, und in seinem Schloßgarten zu Plessis-les-Tours pflanzen. Spaͤter verschaffte er sich Eier, und ertheilte im J. 1480 Patentbriefe auf Errichtung einer Seidenzeugfabrik zu Tours. Der Tod hinderte diesen Fuͤrsten an der Ausfuͤhrung seines Vorhabens, und es war erst sein Sohn Karl VIII., der bei seinem Ruͤkzuge von der ungluͤklichen Expedition nach Neapel Seidenarbeiter aus diesem Lande nach Tours verpflanzte, wo diese die ersten façonnirten Seidenzeuge, und besonders die sogenannten Gros de Tours, im Gegensaze der Gros de Naples, verfertigten. François le Calabrois war der erste Director dieser Fabrik. Heinrich IV. und Ludwig XIV., oder vielmehr ihre Minister, die unsterblichen Sully und Colbert, geben diesem Zweige der Industrie den hoͤchsten Aufschwung. Die Hofdamen erschienen an Galatagen nur mehr in brochirten Gros de Tours. Jakob I. versuchte im J. 1620 Maulbeerbaumzucht und Seidenraupenzucht in England einzufuͤhren; seine Bemuͤhungen gelangen ihm nicht, obschon nach den in den Philosophical Transaction erzaͤhlten Versuchen, Maulbeerbaͤume und Seidenraupen in England so gut gedeihen, wie in Frankreich. Es ist moͤglich, daß Versuche im Kleinen gelingen; es scheint uns aber, daß die haͤufigen Reife und Nebel in England den Blaͤttern der Maulbeerbaͤume schaden und Durchfall an den Seidenraupen erzeugen.Daß dieß nicht der Fall ist, beweisen die neuesten Versuche. A. d. Ueb. Lyon, das die italienischen Kaufleute, die sich der Tyrannei ihrer kleinen Souveraͤne in den Fehden der Welfen und Gibelinen entzogen, in seinen Mauern aufnahm, sah nun durch dieselbe; in seinen Mauern Fabriken entstehen, die bald alle Seidenwaaren China's, Persiens und selbst Italiens uͤbertrafen. Die Pest vom J. 1720 brauchte Avignon um seine Seidenfabriken. Die Widerrufung des Edictes von Nantes wirkte eben so pestartig auf die Seidenzeugfabriken zu Lyon, deren Besizer und Arbeiter nach der Schweiz und nach Deutschland, Preußen, Holland und England auswanderten. Tours sah seine Fabriken dadurch bei nahe ganz vernichtet. Lyon erholte sich indessen von dieser Katastrophe wieder, so wie von jener im J. 1793; allein gegenwaͤrtig wetteifern auch St. Etienne, St. Chamont und Nêmes in verschiedenen Seidenzeugen mit Lyon. Das Ausland macht gegenwaͤrtig die groͤßten Anstrengungen, um den Maulbeerbaum und die Seidenraupen bei sich einzufuͤhren. Allein auch Frankreich sucht die Seidencultur in neuen Aufschwung zu bringen, die sein Klima mehr beguͤnstigt. Wenn indessen das Ausland auch in glatten Seidenzeugen mit uns wetteifern sollte, so werden wir bei unseren façonnirten Seidenzeugen in Hinsicht auf Geschmak, Eleganz und Mannigfaltigkeit dasselbe immer uͤbertreffen. 2. §. Von den verschiedenen Arten von Seide. Es gibt beinahe eben so viele Arten von Seide, als Laͤnder, in welchen sie gezogen wird. Man unterscheidet: orientalische Seide; Seide aus China, aus Japon, aus den Moluken, aus Tonkin, Indostan, (vorzuͤglich aus Kazembazar und Bengalen), aus Persien, aus der Tuͤrkei, aus Syrien, Candien oder Kreta, aus Sicilien, aus Neapel, aus Parma, aus Piémont, aus dem Maylaͤndischen, aus Friaul, aus Spanien, (vorzuͤglich aus Valencia, Grenada und aus den Balearischen Inseln) aus Frankreich (und zwar aus Languedoc, aus der Provence, aus dem Vivarais, Dauphiné, aus dem Lyonesischen und aus dem Departement de l'Allier.) Orientalische Seide. Die sogenannte orientalische Seide (soie d'Orient) ist nicht das Gespinnst einer Raupe, sondern die Frucht eines Strauches, der dieselbe in Samenkapseln, wie ungefaͤhr die Baumwollenstande, liefert. Man spinnt sie und mengt sie mit thierischer Seide, und verfertigt daraus Stoffe, die man fuͤr Seidenzeuge verkauft. Im Koͤnigreiche Loango verfertigt man, nach Battel, aus den Fasern der Blaͤtter einer Palmenart ein Spinnmaterial, das so weiß und fein, wie Seide ist, und welches gesponnen zu Sammt, Atlaß, Damast, Sarcenets und anderen Stoffen verwebt wird, die den Seidenzeugen vollkommen aͤhnlich sind. Diese Pflanzen-Seiden kommen nicht nach Europa, wo sie unbekannt sind. Chinesische Seide. China erzeugt eine ungeheuere Menge von Seide. Eine befoͤrdere Art derselben kommt aus der Provinz Chan-Tong; sie ist silbergrau, aͤußerst glaͤnzend, sehr weich, und ihre natuͤrliche Farbe, die man sorgfaͤltig zu erhalten sucht, leidet nicht durch das Waschen. Die schoͤnste chinesische Seide ist die aus der Provinz Cho-Kiang. Aus dieser Provinz beziehen sie die Hollaͤnder, die zu Lok-Sien ansaͤssig sind, und die Englaͤnder zu Macao. Diese Seide ist sehr weiß, sehr leicht und glaͤnzend; sie ist aber ungleich gesponnen, und man erleidet großen Abfall beim Spinnen und Abwinden. Die franzoͤsische, ostindische Compagnie hat vor 60 Jahren einen hoͤchst traurigen Beweis hiervon an ihrer Casse erhalten: uͤbrigens ist diese Seide ganz vortrefflich, wenn man sie roh verarbeitet. Die Chinesen verarbeiten sie roh zu Atlassen und zu aͤhnlichen Stoffen. Die chinesische Seide laͤßt sich am besten weich (en souple) verarbeiten. Es ist nicht noͤthig, sie mit Saͤuren zu behandeln, wie dieß gewoͤhnlich zu großem Nachtheile der Staͤrke des Fadens und seines Firnisses geschieht; man braucht sie nur 30 bis 40 Minuten lang in einem Bade aus Flußwasser, das bis auf 60° gehizt ist, und dem man etwas kohlensaure Soda zusezt, (ungefaͤhr eine Viertel-Unze auf das Pfund Seide) liegen zu lassen. Man kennt die chinesische Seide gewoͤhnlich unter dem Namen Seide von Nan-King und von Zuan-Tong. Japonische und Molukische Seide. In Japon wird beinahe so viel Seide gezogen, als in China; bei dem geringen Handel, den diese Insel mit Europa treibt, wird die japonische Seide groͤßten Theils im Lande selbst verbraucht, und wir kennen sie nur wenig. Wir wissen nur, daß sie der chinesischen in Hinsicht auf Weiße und Glanz, so wie in Bezug auf schlechtes Gespinnst sehr nahe kommt. Nur die Hollaͤnder fuͤhren einige Ballen derselben aus. Die Seide aus den Moluken, Philippinen und aus Macassax kann unter die Classe der vorigen gebracht werden. Tonkinische Seide. Baron sagt in seiner Beschreibung von Tonkin, daß man in diesem Lande sehr viel Seide zieht, und daß sie in Hinsicht auf Schoͤnheit der chinesischen in nichts nachgibt; daß die Seidenzeuge daselbst so wohlfeil sind, als die baumwollenen. Die Seide ist auch aus China nach Tonkin gekommen. Man verbraucht sie im Lande, und verfertigt daraus Zeuge, die wie die chinesischen, zum Theile in die Tartarei, zum Theile nach Peru, Paraguay und Brasilien gehen. Indostanische, Bengalische und Mogolische Seide. Indostan, das Gebiet des Mogols, vorzuͤglich aber die Provinz Kazem-Bazar, erzeugen eine ungeheuere Menge Seide: leztere allein mehr als 25,000 Ballen jaͤhrlich. Diese Seide ist gelb, und auf großen Haspeln abgewunden. Der groͤßte Theil derselben wird auf dem Indus und auf dem Ganges in den Comptoiren der englischostindischen Compagnie ausgefuͤhrt, die sie nach England schiken. Dieß ist einer der eintraͤglichsten Handelszweige, um welchen diese Compagnie die Hollaͤnder brachte, die zwei Jahrhunderte uͤber im Alleinbesize desselben war. Diese Seide ist so, wie die Bengalische, ziemlich leicht. Sie war ehevor so ungleich gesponnen, daß sie großen Abfall auf den Spinnstuͤhlen erlitt; seit aber die Englaͤnder Spinnmuͤhlen in diesem Lande errichteten, und die Seide daselbst nach piémontesischer Art unter der Aufsicht von Italienern bearbeiten lassen, hat sie bedeutend an Gute zugenommen. Indessen ist sie noch weit entfernt, sowohl von der Schoͤnheit als von der Guͤte der piémontesischen Seide. Die Seide, die man im Lande verbraucht, wird kalt mit einer Lauge aus der Asche eines Gewaͤchses gebleicht, das man Adam's-Feige nennt, (fiquier d'Adam).Es gibt mehrere Pflanzen unter diesem Namen; man haͤtte die botanischen angeben sollen.A. d. Ueb. Sie sieht dann aus, wie unsere weich gemachte Seide, hat aber keinen Glanz, und nimmt nur matte Farben an. In Frankreich braucht man nur wenig bengalische Seide. Sie dient am besten zur Vergoldung, zu Damasten, zu sogenannten Rondeletten und Rondelettinnen, zur Naheseide und zur Posamentirerarbeit. Persische Seide. Die Provinzen von Kilan, Schirvan, Schamachin und einige andere, die an das kaspische Meer graͤnzen, ernten jaͤhrlich uͤber 40,000 Ballen der allerschoͤnsten Seide. Es ist viele weiße darunter, sie wird aber schlecht abgewunden. Ardebil ist der Hauptstapelplaz: von dort holen die Caravanen sie nach Aleppo, Smyrna und Constantinopel. Die besten Qualitaͤten sind die Subassi und die Legis. Sie sind weiß und gelb. Die Straͤhne sind eine halbe Elle lang, und bestehen aus Gebinden, die oben mit einem kleinen Baͤndchen aus sehr feiner Seide gebunden sind. Die Ballen enthalten Seide von der ersten, zweiten und dritten Qualitaͤt. Sie bestehen aus 120 Gebinden (Masses), wovon zwoͤlf von der schlechtesten Qualitaͤt rings um die uͤbrigen gelegt sind, die sie umhuͤllen. Diese Seide ist herrlich zu Gros de Tours, zu Sammten, zu Seidenzeugen, die man nach dem Gewichte verkauft. Die Adarssin- oder Ablakseide ist weniger schoͤn als die Subassi: die Straͤhne sind 24 Zoll lang. Die Ardasse, die man aus Chamaqui, Ichequi, Enguengui bezieht, steht unter der Ardassin. Die Straͤhne sind Ein Meter lang, und die Gebinde oben mit schlechter Seide (soies cortes) gebunden. Diese Seidenarten sind gut zur Vergoldung und zu schweren Zeugen. Die sogenannte Bruss-Seide (soies Brousses) kommt aus Brusa, der alten Hauptstadt Bithyniens, in Kleinasien. Sie wird in Straͤhne abgewunden, die vierfach zusammengelegt sind. Sie ist sehr schwer. Einige ist gut gesponnen, manche aber sehr schlecht, so daß sie 8 bis 10 pCt. Abfall bei dem Zurichten gibt. Sie dient sehr gut zu Baͤndchen fuͤr Vergoldung und zur Naͤheseide. Der Handel mit persischer Seide, der eben so wichtig als eintraͤglich ist, hat die Gierde aller europaͤischen Maͤchte in Anspruch genommen. Paul Centuriani, ein Genueser, schlug schon in der Mitte des sechzehnten Jahrhundertes dem russischen Czar, Babyl, vor, sich dieses Handels zu bemaͤchtigen, und die persische Seide auf der Wolga bis in das Herz von Rußland aufwaͤrts zu fuͤhren, und von da nach allen uͤbrigen Staaten Europens zu versenden. Czar Alexis Michael wollte im J. 1668 Centuriani's Plan ausfuͤhren; allein die Kosaken revoltirten, und dieser Plan mußte „(bis jezt)“ liegen bleiben. Der beruͤchtigte Cardinal Richelieu hatte dieselbe Idee schon im J. 1606, und bildete eine franzoͤsische Compagnie, die zu Smyrna ihre Factorei haben sollte. Die unter geistlichen Ministern gewoͤhnlichen buͤrgerlichen Unruhen und Religionskriege hinderten die Ausfuͤhrung. Der Herzog von Hollstein sandte im J. 1663 in aͤhnlicher Absicht Gesandte nach Persien, ohne Erfolg. Die Englaͤnder versuchten im J. 1739 unter Czar Ivan Basiliew den persischen Seidenhandel durch Rußland zu leiten; dieser Transitohandel hatte aber, nach einem Schreiben des Grafen Algarotti an den Marquis Maffei zu Verona vom J. 1750, nur eine sehr kurze Dauer. Smyrna, Aleppe, Constantinopel ist noch im Besize dieses reichen Handels, und wir kaufen dort die persische Seide unter dem Namen der levantischen oder levantiner Seide (Soie du Levant). Tuͤrkische Seide und Seide aus Kleinasien. Aleppo, Tripoli, Seyd, Cypern, Candien oder Kreta, Syrien und Palaͤstina liefern auch Seide: die Palaͤstiner Seide ist weiß und wird sehr geschaͤzt. Im Ganzen genommen ist die tuͤrkische Seide und die Seide aus den Inseln von Kleinasien schwer, und sehr mit Gummi uͤberladen; sie ist auch ungleich gesponnen. Es gibt sehr grobe Seide darunter, die man nur zur Vergoldung brauchen kann. Die Seide aus dem Archipelagus, von den Inseln Andro, Tino, Naros sind der gemeinsten Seide aus dem Vivarais aͤhnlich. Diese Inseln liefern jaͤhrlich uͤberhaupt nicht viel mehr als 100 Ballen. Im Jaͤner kommt die feine persische Seide zu Smyrna an; die mittlere kommt im Februar und Maͤrz. Die Caravanen der spaͤteren Monate bringen nur grobe Sorten. Europaͤische Sorten. Europa liefert nicht soviel Seide als China, Indien und Persien; sie ist aber weit besser gesponnen und aufgezogen. Sicilianische. Die gemeinsten sicilianischen Sorten sind die von Palermo und Messina. Die Provinzen von Noto und Demona erzeugen viel. Wenn man Hrn. Aug. de Sayve glauben darf (Voyage en Secile, T. II), so betraͤgt die Ausfuhr eine Million Pfund. Die Tramseide von Palermo und Messina stand ehemahls in großem Ruhme: sie ist schwer, fest und auf großen Haspeln abgewunden. Da sie ziemlich kluͤmperig ist (bouchonneuse), so gibt sie viel Abfall, und wird auch in Frankreich wenig gebraucht. Ueberhaupt hat alle Seide aus warmen Laͤndern weniger Staͤrke (nerf), Elasticitaͤt und Glanz nach dem Aussieden, als jene aus gemaͤßigten Gegenden, wie jene aus Piémont, aus dem Vivarais. Neapolitanische. Das Koͤnigreich Neapel erzeugt auch eine ungeheuere Menge Seide, vorzuͤglich beide Calabrien und die Terra de Lavoro. Die gemeinsten Sorten sind: Reggio, Reggio Sambatelli, Sambatellini, l'Apalte, Amalfi, Sirella, Sangiacerno „(Girella, San-Giacomo vielleicht?)“ Paola, Vomero, Santa Baja, Sorrento, Nola, Nocerra etc. Die Calabreser Seide, wie jene von Reggio, wird auf großen Haspeln abgewunden: sie ist fest und roh. Man verwendet sie zu gewissen Nezen, zur Vergoldung und Posamentirerarbeit, zu Rondeletten, zu Naͤheseide und anderen Kraͤmerartikeln. Die Seide in der Gegend von Neapel wird auf kleinen und auf großen Haspeln abgewunden. Man verkauft sie roh und als Tramseide. Es gibt Spinnereien, die so fein und so gut spinnen, wie man in Piémont spinnt, seit Piémonteser sich in Terra de Lavoro niederließen. Es gibt selbst neapolitanische Seide, die in Hinsicht auf Feinheit, Leichtigkeit und Vollkommenheit des Gespinnstes hoͤher geachtet wird, als die piémontesische, vor welcher sie, bei gleicher Qualitaͤt, 2 bis 3 Franken im Pfunde voraus hat. Die Seide von Girella und San-Giacomo dient zu Rondelettinnen, und die Apalte und Paola zu Nezen. Man verarbeitet auch eine große Menge Seide zu Neapel selbst, wo man gegenwaͤrtig beinahe 3000 Stuͤhle fuͤr glatte und façonnirte Seidenzeuge, seidene Halstuͤcher, gros de Naples etc. zaͤhlt. Roͤmische Seide. Die Marca d'Ancona, und vorzuͤglich Fossombronc, erzeugt auch Seide: leztere taugt zur Vergoldung und Posamentirerarbeit. Parmensaner und genuesische Seide. Im Modenesischen, im Parmesanischen und in einigen Gegenden um Piacenza, werden viele Maulbeerbaͤume gezogen. Man windet dort die Seide auf kleinen Haspeln ab, und verfertigt Tram- und Organsinseide, die gegenwaͤrtig sowohl in Hinsicht auf Feinheit, als auf Nettigkeit der Bearbeitung mir Piémonteser Seide wetteifert. Man verfertigt daraus vortreffliche Seidenzeuge, Zu Parma selbst sind sehr viele Stuhle, auf welchen Taffent, Atlaß, Florence gewebt wird. Das Genuesische liefert viele feine Seide als Trame und Organsin, da, wie im Piémontesischen, mit welchem es jezt vereinigt ist, und unter gleichen Gesezen steht, die Ausfuhr roher Seide verboten ist. Genua mit seinen Vorstaͤdten, vorzuͤglich jene von Santo Pietrodi-Arena, auch Savona, haben sehr viele Stuhle, auf welchen Damaste, Gourgourans, Gros de Naples und Sammte gewebt werden, die fuͤr die schoͤnsten in ganz Europa gelten. Die schwarzen und karmesinfarbenen werden ihrer Farbe wegen am meisten geschaͤzt. Man verbraucht daselbst einen Theil der Seide, die man erzeugt. Nach neueren Berichten sollen zu Genua und Savona 6000 Stuͤhle im Gange seyn. Maylaͤnder Seide. Das Maylaͤndische, vorzuͤglich der Berg von Brianza, das Bergamascische, Brescianische, die Gegend um Como und der Canton Varese haben seit 25 Jahren erstaunenswerthe Fortschritte in der Cultur der Maulbeerbaͤume und im Abwinden der Seide gemacht. Der Senator Dandolo war der Erste, der diesen Zweig der Industrie auf der herrlichen Spinnerei, die er zu Varese gruͤndete, verbesserte, indem er die Anzucht der Maulbeerbaͤume in hochstaͤmmigen Baͤumen sowohl, als in Pyramiden und Straͤuchen foͤrderte, und bei der Spinnerei den Dampf nach der Erfindung unseres Landsmannes Gensoul anwendete. Er erfand eigene Maschinen, um die Raupen in den Cocons zu erstiken, ohne leztere der Gefahr des Verbrennens auszusezen. Dieß gelang ihm so trefflich, daß alle andere Spinner ihn nachahmten. Die Seidenernte hat seit dieser Zeit sich beinahe verdreifacht, und das gesammte Spinnsystem hat sich vervollkommnet. Man erntet im Maylaͤndischen jezt mehr als 20,000 Ballen auf dem kleinen Haspel abgewundener Seide. Mayland und Bergamo sind der allgemeine Stappelplaz der rohen, wie der Tramm- und feinen Organsinseide, die man zu allen Arten von Stoffen verwenden kann. Bergamo schikt seine Seide vorzuͤglich nach Moskau, wo mehr als 4000 Stuͤhle mit Verfertigung von Gros de Naples, Gros de Tours und anderen Seidenzeugen zu Moͤbeln und Kleidern beschaͤftigt sind. Wien und Berlin beziehen ihre Seide aus Mayland. Die Spinnereien der HHrn. Dandolo, Mariette, Blondel und einiger anderer in der Gegend von Bergamo sind die beruͤhmtesten. Veroneser und Friaul'sche Seide. Das Veronesische, vorzuͤglich die Ufer der Etsch und die Gestade des Lago di Garda, liefern Seide, die auf dem kleinen Haspel abgewunden wird. Sie wird gewoͤhnlich roh verkauft, ist sehr fest, ziemlich schwer, und dient zur Vergoldung und Posamentirerarbeit. Das Vicentinische und das ganze Friaul ist auch sehr reich an Seide. Man windet auf dem kleinen Haspel auf. Die rohe Seide, so wie die Tram, sind von mittlerer und feiner Qualitaͤt, und taugen zu Stoffen, die man nach dem Gewichte verkauft. Wien, MuͤnchenFuͤr Transito; denn weder zu Muͤnchen noch in einer anderen Stadt in Bayern ist auch nur eine Seidenfabrik, wie man sie zu Wien, Berlin, Elberfeld zu Hunderten findet, und das neueste Zollgesez, nach dem die Einfuhr aller Seidenfabrikate auf 60 fl. vom Centner herabgesezt wurde, wird die wenigen Seidenweber und Fabrikanten in diesem Staate, bei der bestehenden Concurrenz von Italien, Frankreich und der besonderen Beguͤnstigung der Schweizer Seidenfabrikate, nun vollends zu Grunde richten. und Berlin beziehen davon einen großen Theil zu ihren Zeugen, vorzuͤglich zu den großen Moireu, nach Art der Vicentiner. Man hat in lezterer Stadt zu diesem Zweke einen eigenen Cylinder, dergleichen die Bruͤder Bagger zu Lyon einen aus England schon vor 60 Jahren kommen ließen, und der jezt noch von dem eben so bescheidenen als unterrichteten Hrn. Peysselon benuͤzt wird. Piémonteser Seide. Es gibt kein Land auf Erden, in welchem die Erziehung der Seidenraupen so große Fortschritte gemacht hatte, als in Piémont: hier wurde die Seidenspinnerei und die weitere Verarbeitung der Seide auf den hoͤchsten Grad von Vollkommenheit gebracht. Man muß aber auch gestehen, daß dieser wichtige Zweig der Industrie des Piémonteser Laͤndchens als eine Quelle des Reichthumes fuͤr die Regierung seit vielen Jahren von dem Landesfuͤrsten auf das sorgfaͤltigste gepflegt wurde. Durch die weisen Geseze, die sie (nach dem Rache ihrer sachverstaͤndigen Unterthanen, nicht nach den hohlen Ideen der Schreiber, die in der Regel nichts von Landescultur verstehen) erließen, haben sie den Italiaͤnern und den Franzosen den Vorsprung abgewonnen. Das Gesez vom 8. April 1724 ist, bis auf zwei hoͤchst laͤcherliche Artikel (wovon der eine verbietet, keinen Arbeiter zu halten, der nicht katholisch ist), in allen uͤbrigen 30 hoͤchst ehrwuͤrdig. Piémont liefert wenig Tram, aber viel Organsin von der hoͤchsten Vollkommenheit. Die Ausfuhr roher Seide ist auf das aller strengste verboten, (und das Gesez wird gehandhabt: der Unterthan selbst, der sein Interesse dabei findet, sorgt dafuͤr).Ohne dieses Ausfuhrverbot, das seit beinahe 200 Jahren besteht, haͤtte Piémont nie seinen verdienten Ruhm und Reichthum erhalten. A. d. Ueb. Die Seide aus der Gegend von Novi ist beinahe alle weiß. Sie ist leicht, und mit einer Gleichheit gesponnen, mit einer Sorgfalt aufgezogen, die nichts zu wuͤnschen uͤbrig laͤßt. Sie nimmt die Farbe leicht an, und behaͤlt sie mit vorzuͤglichem Glaͤnze und hoher Frischheit. Sie dient zum Bandmachen sowohl, wie zu allen geschmakvollen Zeugen. Es gibt zu Turin sehr viele Seidenfabriken: Faͤrber und Arbeiter aus Lyon haben sie daselbst errichtet. Eben dieß gilt auch von Milano, Vicenza, Verona, Padova. Ueberall entstehen Seidenfabriken: selbst zu Zuͤrch findet man jezt solche, und da es daselbst wohlfeiler ist, als in Frankreich,Dieß ist unrichtig. Es ist im Kanton Zuͤrch theurer und schlechter zu leben, als in Frankreich; aber eben deßwegen mehr zu verdienen, als in Frankreich. Es ist ein falscher Grundsaz, daß Wohlfeilheit Fabriken guͤnstig ist: alle Laͤnder, in welchen es wohlfeil ist, Ungern, Bayern, Spanien etc. haben keine Fabriken. England, wo es 6 Mahl theurer ist, als in Bayern, und 9 Mahl theurer, als in Ungern, England, das theuerste Land in Europa, hat die meisten Fabriken. Der Mensch muß in England, in Sachsen Tag und Nacht arbeiten, wenn er sich auch nur kuͤmmerlich naͤhren und gegen Hunger sichern will; waͤhrend er in Ungern und Bayern gut leben kann, wenn er nur ein paar Tage in der Woche arbeitet. Wenn der Arbeitslohn zu Lyon hoͤher steht als zu Zuͤrch, so wird gewiß kein Arbeiter aus Lyon nach Zuͤrch gehen, um sich an lezterem Orte weniger zu verdienen, so wie kein Arbeiter aus einer englischen Fabrik in eine Fabrik auf das feste Land geht, ohne sich daselbst eben so viel Lohn auszudingen, als er in England hat. Da er aber mit diesem Lohne auf dem festen Lande 6 Mahl besser lebt, als in England, so gewoͤhnt er sich sehr bald an das Gut Leben und Wenig Arbeiten, und wird bei aller Geschiklichkeit und allem Fleiße, den er sich in England erwarb, auf dem festen Lande gewoͤhnlich liederlich. Dieß ist die allgemeine Klage, die man in Frankreich uͤber englische Arbeiter, in Maͤhren und Ungern uͤber die saͤchsischen hoͤrt. A. d. Ueb. so leidet Frankreich dadurch ungemein. Spanische Seide. Valencia und Grenada waren, nach Sicilien, die ersten Laͤnder in Europa, in welchen man den Maulbeerbaum pflanzte und die Seidenraupe zog. In Grenada war es, wo man die Seide zurichten, Haar, Tram, Organsin und die sogenannten Ovales, Grenadines (noch der Name des Landes), Rondelettes etc. verfertigen lehrte; vorzuͤglich aber die beiden lezteren. Die Grenadine dient nebenher zur Verfertigung der kleinkoͤrnigen, markigen und gefaͤlligen Zeuge. Allein dieser Zweig der Industrie, der unter den mohammedanischen Mauren so bluͤhend war, verfiel unter Ferdinand dem Katholischen und Isabelle am Ende des 15. Jahrhundertes immer mehr, und fiel bis auf den heutigen Tag, wo er jezt noch das Schiksal aller Industrie in Spanien zu erleiden hat. Die Seide wird in Grenada auf dem kleinen und auf dem großen Haspel aufgewunden; sie ist nervig, fest und schwer, aber selten fein und gleich gesponnen. Nach Frankreich kommt sehr wenig wegen des erschwerten Transportes. Ein großer Theil wird im Lande selbst zu Taffent und schwarzen Seidenzeugen, dem gewoͤhnlichen Anzuͤge der Spanierinnen und Portugiesinnen, verarbeitet. Franzoͤsische Seide. Die Seidenzucht, die in Frankreich lang vernachlaͤßigt war, hat erst seit 20 Jahren Aufschwung in diesem Lande genommen. Man hat das Abwinden (la filature) sehr vervollkommnet; seit Gensoul seine sinnreiche Methode erfand, die Beken mit Dampf zu heizen, wird die Seide unendlich schoͤner; ihr Faden ist mehr gleich und mehr rein. Wir haben Seide aller Art, und wenn wir Seidenmuͤhlen errichten koͤnnten, wie Hr. Shenton zu Winchester und Hr. Shell zu Kensington, so wuͤrden wir bald alle Voͤlker, und selbst die Piemonteser, uͤbertreffen. Das hoͤchste Interesse unserer Regierung fordert Schuz und hohe Aufmunterung fuͤr diesen Zweig der Industrie, der weit wichtiger fuͤr dieselbe ist, als die Baumwollenmanufactur, zu welcher sie die rohe Baumwolle, und selbst einen Theil der gesponnenen, aus dem Auslande kommen lassen muß. Unter den besten Seiden unseres Landes zeichnen wir die von Pezenas und von Ganges aus, die ziemlich fest und etwas schwer sind. Sie taugen zur Naͤheseide, zur Vergoldung und zu allen Stoffen, die nach dem Gewichte verkauft werden. Die Seide von Alais ist entweder rohe Seide, oder sogenanntes Haar (poil); die feinen und leichten Seiden werden auf dem kleinen Haspel, die festeren auf dem großen abgewunden. Die Haarseide von Alais (poils d'Alais) gibt vortreffliche Sammte, schoͤne Baͤnder, Naheseide, Struͤmpfe, Tricots und Zeuge. Die Cévennen liefern uͤberhaupt eine Seide von besserer Qualitaͤt, als die piemontesische, sowohl in Hinsicht auf Glanz, Feinheit und Staͤrke. Wenn die Spinnereien daselbst eben jenen Grad von Vollkommenheit erlangt haben werden, wie zu Ganges, zu St. Jean-du-Gard, Anduze und Valleraugue, werden wir die italiaͤnische Seide entbehren koͤnnen. Auch die obere und untere Provence erntet viele gute Seide. Die Spinnereien im Dpt. de la Drome, wie jene zu la Sone und Crest, liefern sehr schone Seiden. Die Tramen und die Organsins taugen zu jeder Art von Zeugen. Die erste Spinnerei des Dpt. de l'Izère, und selbst in ganz Europa, ist ohne Zweifel jene, die Hr. Poidebard in der Naͤhe von Lyon errichtete, und wo nur weiße Seide von unvergleichlicher Feinheit und Nettigkeit geerntet und gesponnen wird. Man verkauft sie nur zu sogenannten Tulles und anderen feinen Arbeiten, wo man diese Seide ungesotten braucht. Die Departement de l'Ain, de l'Allier und de la Loire fangen auch an, sich auf Seidenraupenzucht zu legen, und haben bereits schoͤne Waare in die Fabriken zu Lyon gesendet. Dieß waͤren nun die verschiedenen Seidensorten uͤberhaupt. Jede derselben hat noch uͤberdieß verschiedene bedeutende Abstufungen in Bezug auf Feinheit des ersten Fadens, auf Staͤrke und auf Verarbeitung. Der erfahrene Fabrikant waͤhlt diejenige Sorte, die ihm am besten zu seinen Fabrikaten taugt, und diese Auswahl ist von der hoͤchsten Wichtigkeit fuͤr ihn, wenn ihm seine Arbeit gelingen soll. 3. §. Kenntnisse, die der Seidenfabrikant haben muß, wenn er im Ankaufe der Seide nicht betrogen werden will. Der Fabrikant muß nicht bloß die Seide kennen, die fuͤr seine Fabrikate am besten taugt; er muß auch wissen, ob die Seide gut abgewunden, ob sie gut gesponnen wurde. Er muß im Stande seyn zu beurtheilen, ob die verschiedenen Arbeiten, die man mit derselben vorgenommen hat, auch ehrlich und sorgfaͤltig durchgefuͤhrt wurden; denn sonst ist er in Gefahr, von denjenigen betrogen zu werden, die die Seide mit verschiedenen fremdartigen Stoffen mengen, um sie schwerer waͤgen zu machen. Durch aͤhnlichen Betrug kann bei dem Aussieden der Seide ein Abfall von 30 bis 32 p. C. Statt haben, statt der 25 bis 26 p. C., die bei guter Seide gewoͤhnlich abfallen. Dieser ungeheuere Unterschied von 6 bis 7 p. C., der einzig und allein dem Fabrikanten zur Last faͤllt, verdient nothwendig alle Aufmerksamkeit von Seile desselben, und wir wollen nun einige Bemerkungen hier aufstellen, die ihm nuͤzlich seyn koͤnnen. 4. §. Abwinden der Seide von den Cocons. (Filature) Die hoͤchste Reinlichkeit, fleißiger Wechsel des Wassers in den Beken, gleichfoͤrmige Hize, sorgfaͤltige Auswahl und Sortirung der Cocons sind, großen Theils, die Hauptsache bei dem Abwinden der Seide. Die Chinesen sortiren, nachdem sie die Cocons erstikt haben, dieselben, und sezen sie in großen Koͤrben 20 Stunden lang der Sonne aus, um diejenigen zu bleichen, die gelb sind. Licht und der Sauerstoff der Luft bewirkt diese Bleichung. Sie bringen hierauf diese Cocons in kleine flache und breite Beken, die ungefaͤhr 4 Liter Wasser fassen, in welchem sie ein Loch Alaun aufloͤsen. Das Wasser in diesen Beken wird taͤglich drei Mahl gewechselt, bestaͤndig heiß gehalten, und jedes Mahl mit der gehoͤrigen Menge Alaun versehen. Der Faden Seide laͤuft durch einen glaͤsernen Ring, dann auf die Dreher (tortillons) zwischen zwei gut geglaͤtteten Cylindern aus Glas, wodurch er den Silberglanz erhaͤlt, den man an der chinesischen Seide von Nankin so sehr bewundert. Jeder Haspel hat acht Abtheilungen (tour à 8 dèvidoirs), auf welchen man die Seide 10 bis 12 Stunden lang troknen laͤßt, wodurch sie sehr an Staͤrke gewinnt. (Vergl. Hrn. Legout de Flaix, Éssais hist., polit. et com. zur l'Inde et la Chine.) Zur Vollendung der Bleiche der Seide stellen die Chineser die Haspel in einem geschlossenen mit Sand bestreuten Hofe oder auf der Terrasse ihres Hauses auf einer Bank oder auf einem Gestelle auf, das an der Mauer angelehnt ist. Man laͤßt sie daselbst 8 Stunden lang der Einwirkung der Sonne bloß gestellt, und bringt sie alsogleich unter Dach, wenn ein Regen droht. Man stellt sie nicht ehe auf, als bis aller Thau verschwunden ist, und bringt sie bei untergehender Sonne wieder unter Dach. Des anderen Tages kehrt man die Straͤhne wieder um, und bringt die innere Seite derselben heraus. Gewoͤhnlich reichen 16 bis 20 Stunden zum Bleichen der Seide zu. Hierauf kommt sie auf 6 Stunden in einen Schwefelkasten, wo sie wieder den Glanz erhaͤlt, den sie durch die Einwirkung des Lichtes verloren hat, und dann eingepakt wird. Don Antonio Regas zu Madrid schlug im J. 1824 vor, die Seide auf folgende Weise kalt abzuwinden: Man taucht anfangs die Cocons in beinahe siedend heißes Wasser, ruͤhrt sie in demselben um, um sie von dem Gummi los zu machen, der die Faden an einander geleimt haͤlt, und schuͤttet sie hierauf in Beken, die mit Wasser von der Temperatur der Luft gefuͤllt sind. Die Cocons winden sich auf diese Weise sehr gut ab. Die patriotische Gesellschaft zu Madrid hat dieses Verfahren durch wiederholte Versuche gepruͤft; sie ließ die auf diese Weise abgewundene Seide mit fuͤnf der zartesten Farben faͤrben, und verglich sie mit aͤhnlich gefaͤrbter Seide, die auf die gewoͤhnliche Art abgewunden wurde, und fand sie eben so schoͤn. Diese Methode, Seide abzuwinden, ist nun in den Koͤnigreichen Valencia und Grenada bereits allgemein.Diese Methode befindet sich im polyt. Journ. B. XVII. S. 110 umstaͤndlich beschrieben. A. d. Ueb. Das neue Verfahren des Hrn. Gensoul und die Verbesserungen Ml dem piemontesischen Haspel muͤßten unsere Seidenfilaturen auf den hoͤchsten Grad von Vollkommenheit bringen, wenn man dabei die Drehung (torsade) und die glaͤsernen Walzen der Chinesen anbringen wollte. Ungluͤklicher Weise haben aber einige Seidenspinner, die mehr auf unerlaubten Gewinn erpicht, als fuͤr Verbesserung besorgt sind, vorzuͤglich, seit die Anstalt zur Pruͤfung der Guͤte der Seide ihnen ein Mittel entzogen hat, durch Anfeuchtung der Ballen, zu betruͤgen, auf andere Mittel gedacht, die Schwere der Seide zu vermehren. Sie wechseln nicht nur nicht das Wasser in den Beten, sondern sie zerdruͤken sogar noch die Puppen in demselben unter dem Vorwande, daß dieses das Abwinden der Seide erleichtert, was ein Irrthum ist. Andere loͤsen Salz, Gummi, Staͤrke, Leim, den sie mit Alaun verduͤnnen, Zuker, Gyps, Wallrath, Wachs Syrup etc. auf. Andere reiben die Straͤhne, wenn sie sie von dem Haspel nehmen, mit Oehl, mit trokener Seife, mit sogenanntem Enkaustik, das sie in einer starken Abkochung von der Wurzel der Iris florentina abkochen, wodurch die Seide den Veilchengeruch erhaͤlt, den sie gewoͤhnlich hat, wenn sie neu ist. Durch alle diese Mittel wird die Seide leicht um 6 bis 9 p. C. schwerer, die dann dem Fabrikanten zur Last fallen, weil sie nicht bei der gewoͤhnlichen Pruͤfung, sondern erst beim Absieden sich zeigen, wo man dann den Faͤrber der Untreue beschuldigt und ihm dabei Unrecht thut. Die so weise eingefuͤhrte Pruͤfung (die man in Frankreich la condition nennt) entzieht allerdings die uͤberfluͤssige Feuchtigkeit, die die Seide mit so vieler Gierde anzieht, daß sie davon beinahe ein Zehntel ihres Gewichtes aufzunehmen vermag; sie kann aber die uͤbrigen Betruͤgereien weder entdeken, noch entfernen. Das aromatische Enkaustik und der Syrup laͤßt sich am allerschwersten entdeken, und diese Faͤlschungsmittel sind gerade diejenigen, die die Seide am schwersten machen; denn sie koͤnnen das Gewicht bis auf 10 und 12 p. C. vermehren. Das einzige Mittel, das man hier anwenden kann, ist die verdaͤchtige Straͤhne, die man vorlaͤufig genau gewogen hat, 6 Stunden lang einer trokenen Hize von 25 Graden auszusezen, und dann wieder zu waͤgen, hierauf in 20 Mahl so viel Wasser zu tauchen, als die Straͤhne wiegt, und in diesem Wasser vorher die Haͤlfte ihres Gewichtes kohlensaurer Soda aufzuloͤsen, die Straͤhne 25 bis 30 Minuten lang in dieser Aufloͤsung zu kochen, und fleißig umzukehren, damit sie nicht anbrennt. Man zieht die Seide endlich heraus, bringt sie in kaltes Wasser, windet sie stark aus, und laͤßt sie 4 bis 5 Stunden lang bei einer Hize von 25° troknen, worauf man sie wieder waͤgt. Wenn man nun die ruͤkstaͤndige Fluͤssigkeit abraucht, so wird man in derselben, außer dem Gummi der Seide, eine braͤunliche suͤßliche Masse finden, wenn die Seide mit Syrup verfaͤlscht war, oder eine weißliche glaͤnzende zerreibliche Masse, wenn man Enkaustik zu dieser Betruͤgerei genommen hat. Man hat eine oͤffentliche Seidenabsiederei zu Lyon (décreusage d'essai public) vor einigen Monaten vorgeschlagen. Wir wissen nicht, was die Chambre de Commerce hieruͤber entschied. Die Seidenspinner wuͤrden dadurch fuͤr jeden Fall gezwungen, alle Betruͤgereien aufzugeben (so wie die Pruͤfung (la condition) bereits das Nezen verbannte), da man diese durch das Absieden jedes Mahl entdeken, und ihnen zur Last schreiben koͤnnte.