Titel: | Bienenwirthschaft in Rußland. Von Herrn Jos. Busch, Gärtner bei dem Kaiser von Rußland. |
Fundstelle: | Band 30, Jahrgang 1828, Nr. LXXVI., S. 300 |
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LXXVI.
Bienenwirthschaft in Rußland. Von Herrn Jos. Busch, Gaͤrtner
bei dem Kaiser von Rußland.
Aus einem Schreiben des Herrn Busch an den Herausgeber des Mechan. Magaz. N.
255. 21. Jun. S. 337.
Mit Abbildungen auf Tab.
IV.
Busch's Bienenwirthschaft in Rußland.
Ich fand das hier beschriebene Verfahren aus vieljaͤhriger Erfahrung sowohl
eintraͤglich, als human, indem es das grausame Toͤdten der armen
Bienen uͤberfluͤssig macht.
A, ist der Bienenkasten, 14 Zoll im Gevierte und 7 Zoll
tief. Es ist aus 2 Zoll diken Brettern. Er wird, wenn er voll ist, 24 Pf.
Honigwaben, also 20 Pf. Honig und 4 Pf. Wachs geben. Wenn ein Schwarm eingestellt
wird, sind drei solche Kasten noͤthig. In Zeit von 3 Wochen haben die Bienen
dieses Schwarmes die beiden oberen Kasten beinahe voll gebaut, und in diesem Falle
muß ein leerer Kasten unter diese drei Kasten gestellt werden.
B, sind vierekige Oeffnungen, die an der Vorderseite
dieser Kasten 3 Zoll hoch und 2 1/4 Zoll breit als Flugloͤcher eingeschnitten
sind, so daß ein zinnerner Schieber mit kleinen Loͤchern, durch welche Luft
eingelassen werden kann, wenn man die Bienen einsperren muß, sich darin bewegen
kann.
C, C, sind sechs zinnerne, einen halben Zoll dike
Leisten, die genau und eben mit der Kante des Kastens eingelassen sind.
D, D, kleine Glasscheiben an der Ruͤkseite des
Kastens, 4 Zoll breit, 3 Zoll hoch, durch welche man die Bienen arbeiten sieht. Die
Glaser muͤssen nicht eingekittet werden, indem das Oehl den Bienen
schaͤdlich ist; man kann sie mit kleinen Naͤgelchen befestigen. Der
kleine Schieber, E, dient zur Abhaltung des Lichtes,
indem, wenn man die Glaͤser unbedekt ließe, die Bienen dieselben bald mit
dunklem Wachse bedeken und unnuͤz machen wuͤrden.
F, ein Brett als Unterlage, auf welcher die Kasten
stehen; es ist an allen
Kanten schief abgedacht, damit das Wasser leicht ablaufen kann.
G, Dekel auf alle Kasten. Man legt einen flachen Stein
oder Ziegel darauf, um ihn fest zu halten.
Nro. 1, 2, 3, 4, sind vier solche Kasten. Wenn ein neuer Schwarm die Kasten Einen
Monat lang eingenommen hat, also ungefaͤhr Ende Augusts „(in
Rußland)“ wird man Nro. 1, 2, 3, und auch einen Theil von Nro. 4 voll
Honigwaben finden. Nro. 1 wird dann beinahe ganz leer von Bienen seyn, und kann auf
diese Weise abgenommen werden, daß man einen Meisel zwischen Nro. 1 und 2, und dann
einen duͤnnen Draht einfuͤhrt, den man hierauf durchzieht, und so den
Honigkuchen flach durchschneidet. So waͤre nun Nro. 1 von Nro. 2 getrennt.
Nro. 1 wird abgehoben, und Nro. 2 mit einem Dekel belegt. Die darunter befindlichen
Bienen haben also nicht im Mindesten gelitten. Man stellt nun einen leeren Kasten
unter Nro. 4, und bringt den Kasten Nro. 1 alsogleich in seine Wohnung, indem er
sonst von den benachbarten Bienen ausgeraubt wuͤrde.
Wenn man Bienen aus einem alten Strohstoke in solche Kasten bringen will, muß ein
rundes Loch in den Dekel, G, geschnitten und der
Strohkorb daruͤber gestellt werden. Die Bienen werden bald in die leeren
Kasten hinabarbeiten, und den alten Stok verlassen, der Ende Sommers abgehoben
werden kann.
Ihr Herr London empfiehlt
Bienenstoͤke aus hohlen Baumstaͤmmen, wie man sie in Rußland und Polen
hat; diese werden aber in England nicht taugen, denn sie werden, wie die
Strohkoͤrbe, mehrere Jahre alte Honigwaben enthalte. Er hat sich auch geirrt,
wenn er sagt, daß man in Rußland und Polen die alten Stoͤke nicht
zerstoͤrt, was allerdings geschieht, da jeder Stok zwei bis drei
Schwaͤrme und haͤufig auch noch sogenannte Jungfernschwaͤrme
gibt.
Das Klima von England ist den Bienen nicht sehr guͤnstig, da daselbst oft
ploͤzliche Regen einfallen, waͤhrend die Bienen ausgeflogen sind, und
viele derselben waͤhrend des Regens auf dem Heimfluge verungluͤken. Im
suͤdlichen Rußland haͤlt die Witterung laͤnger an, ist
periodisch; wenn es anfaͤngt zu regnen, dauert es wochenlang und die Bienen
bleiben zu Hause. waͤhrend des Winters, wo es anhaltend kalt ist, werden die
Bienenstoͤke in trokenen Kellern, in frostfreien Behaͤltern gehalten.
Ich zweifle indessen, ob Bienen je erfrieren koͤnnen. Ich weiß, daß Bienen
Jahre lang unter dem blechernen Dache einer Kirche wohnten. Seit vielen Jahren hat
sich ein Schwarm unter dem Dache eines Pavillons im Yzarscozello-Parke
angesiedelt; so viel ich genau weiß, lebt er mehr als dreißig Jahre dort. Als man ihn abnahm,
erhielt man eine erstaunenswerthe Menge Honig und Wachs; und waͤhrend dieser
Zeit stand das Queksilber in Reaumur's Thermometer oͤfters tiefer als
28°. Bienen schwaͤrmen nur, wenn sie nicht Raum genug finden; gibt man
ihnen genug Plaz, so schwaͤrmen sie nicht. Haͤlt man sie im Winter
warm, so fressen sie viel, und sterben dann aus Mangel an Futter, weil man ihnen
nicht genug geben kann; ihr eigener Vorrath ist erschoͤpft, ehe der Winter
voruͤber ist.Diese beiden rein aus der Natur der Bienen aufgegriffenen Bemerkungen: daß
Bienen nie erfrieren, und folglich das Fuͤttern der Bienen im Winter
eine Thorheit ist, indem die Biene ein Winterschlaͤfer ist; daß
ferner Bienen nur deßwegen schwaͤrmen, weil es ihnen an Raum fehlt,
bilden die einzig feste Basis einer guten Bienenzucht. Aberglauben, und was
vielleicht noch aͤrger ist als dieser, falsche Gelehrsamkeit, haben
das grausame Thier, das in Linne's Natursystem Homo nosce te
ipsum heißt, leichter dahin gebracht, Myriaden von Millionen Bienen
jaͤhrlich zu ermorden, als einzusehen, daß man diese harmlosen,
wohlthaͤtigen Thierchen nur schlafen lassen, nur sich vermehren
lassen duͤrfte, um zehntausend Mal mehr Honig und Wachs zu haben, als
man wirklich hat. Die Russen und Polen haben in dieser Hinsicht die Natur
genauer beobachtet als die gebildeteren Nationen, welche durch sie mit Honig
und Wachs versehen werden.
Es geschieht zuweilen, daß ein Stok Bienen genug hat, und doch nicht vorwaͤrts
kommt; hier ist entweder der Weisel (die Koͤnigin) gestorben, oder der Stok
wurde von Raͤubern angefallen. Um zu sehen, ob der Weisel fehlt, darf man nur
Acht geben, ob die Bienen, wenn sie heimfliegen, sowohl gelben als
pomeranzenfarbigen Blumenstaub eintragen. Wenn der leztere fehlt, so fehlt auch der
Weisel. Wenn man aber glaubt, daß fremde oder Raubbienen sich eingenistet haben, so
darf man nur des Nachts (vorausgesezt, daß man gewiß ist, daß am naͤchsten
Morgen schoͤnes Wetter seyn wird) den zinnernen Schieber herablassen. Am
naͤchsten Morgen oͤffnet man dann, wann die uͤbrigen Bienen
bereits im vollen Fluge sind, einige Stunden nach Sonnenaufgang, den Schieber aber
nur wenig, und so, daß die Bienen kaum ausfliegen koͤnnen, und pudert die
Bienen weiß ein (jedoch nicht mit Mehl, wodurch der Honig nicht in Gaͤhrung
gerathen wuͤrde); so viele jezt ausstiegen, so viele Raͤuber waren
uͤber Nacht im Stoke. Man darf, um sich hiervon zu uͤberzeugen, nur
beobachten, wie viel der gepuderten Bienen wieder zu dem Stoke oder zu dem
naͤchsten Stoke heimfliegen, und auch auf die Stoͤke der Nachbarn Acht
geben; auf diese Weise wird man bald finden, wohin die Raͤuber
gehoͤren. Sind sie bei dem Nachbar zu Hause, so muß man die Stoͤke
wechseln, und eben dieß muß geschehen, wenn die Raͤuber sich unter den
eigenen Stoͤken faͤnden. Wenn der Nachbar dieß nicht gutwillig thun
will, muß man russisches Recht, d.h. Gewalt brauchen. Man muß den Stok des Nachts
schließen, und am ganzen
folgenden Tag uͤber geschlossen halten, vor dem zinnernen Schieber
vergifteten Honig „(ist auch dieß Sitte in Rußland?)“
hinstellen; die Raͤuber werden, wie gewoͤhnlich kommen, Gift trinken,
es heimfuͤhren und den ganzen Stok zerstoͤren.
Wenn der Weisel fehlt, muß man den Stok unter die uͤbrigen schwaͤcheren
Stoͤke ganz oder theilweise eintheilen.