Titel: Ueber Seide und Seidenzeuge. Von Ozanam.
Fundstelle: Band 31, Jahrgang 1829, Nr. XL., S. 127
Download: XML
XL. Ueber Seide und Seidenzeuge. Von Ozanam. Aus dem Recueil industriel. October 1828. S. 43. (Fortsezung von Bd. XXX. S. 428. im Polytechn. Journ.) Ozanam, uͤber Seide und Seidenzeuge. §. V. Von den Doppel-Cocons, von der Flokseide (bourre de soie), der Fleuret- und Filoselle-Seide. Ein Cocon, an welchem zwei Seidenraupen spannen, ist ein Doppel-Cocon (Doupion). Diese Cocons sind beinahe noch ein Mal so groß, als die gewoͤhnlichen. Man liest sie unter den uͤbrigen aus, und haspelt sie einzeln ab. Sie geben eine grobe und rauhe Seide, die zur Naͤhe-Seide und Fransen-Arbeit verwendet wird. Der Flaum, welcher den Cocon bedekt, das innere Haͤutchen desselben, der Cocon, in welchem die Raupe gestorben oder aus welchem sie als Schmetterling ausgekrochen ist, um als solcher sich fortzupflanzen, liefert die sogenannte Fleuret- oder Filoselle-Seide (le fleuret ou la filoselle). Piémont war lange Zeit uͤber das einzige Land, in welchem man diese Abfaͤlle benuͤzte. Indessen hat die Schweiz sich dieses Zweiges der Industrie bemaͤchtigt: die Schweizer kaufen diese Abfaͤlle in Italien auf, und spinnen sie. Sie bezahlen fuͤr das Pfund 3 Franken bis 3 Franken 25 Cent., und verkaufen es, gesponnen, um 15 bis 18 Franken. Man sagt, daß die Schweiz jaͤhrlich 100,000 bis 120,000 Pfund solchen Gespinnstes ausfuͤhrt. Gewoͤhnlich nehmen die Weber diese Cocon-Haͤute und diese offenen Cocons, steken sie auf einen hoͤlzernen fingerdiken Spieß, wie eine Muͤze, ziehen sie mit den Fingern ein paar Zoll weit aus einander, und nachdem sie eine hinlaͤngliche Menge derselben auf einander gestekt haben, um einen Roken voll zu bekommen, spinnen sie dieselben noch aus freier Hand. Seit einigen Jahren hat man aber zwekmaͤßigere Methoden zum Spinnen dieser Abfaͤlle gefunden. Man zupft diese Cocons zu einer Art von Werg, (Flokseide, bourre) hechelt sie auf staͤhlernen Hecheln, wie den Flachs, und spinnt sie dann auf der Maschine. Andere kardaͤtschen diese Seide nach dem Zupfen auf der Cylinder-Kardaͤtsche, wie die Baumwolle, und spinnen sie dann auf den sogenannten Mull-Jennys. Andere sieden diese Cocons drei Stunden lang im Wasser aus, und sezen, waͤhrend des Kochens, den vierten Theil des Gewichtes der Seide Seife zu, waschen die gekochte Seide in fließendem Wasser in Koͤrben, und lassen sie dann erst kardaͤtschen. Wir bedienen uns eines weniger kostspieligen und schnelleren Verfahrens, um diese Cocons zum Spinnen herzurichten, welches wir hier mit Vergnuͤgen mittheilen. Man loͤst so viel kohlensaure Soda in Fluß- oder Regen-Wasser auf, als zu einer anderthalbgraͤdigen Soda-Aufloͤsung noͤthig ist, bringt die Cocons in diese Aufloͤsung, laͤßt sie eine halbe Stunde lang in derselben kochen, nimmt sie aus derselben und haͤngt sie in einem Korbe in Fluß-Wasser, in welchem man sie waͤscht, druͤkt sie aus und troknet sie, und hat dann eine sehr feine weiße Flokseide, die sich leicht spinnen laͤßt. Man kann aus solcher Seide Fleuretseide von 18 bis 24 Deniers spinnen, von welcher das Pfund, gewoͤhnlich, zwischen 20 und 26 Franken kostet. Man macht aus der Fleuretseide sogenannte Ovale-, Trame-, Organsin- und Grenadine-Seide zu Struͤmpfen, Schahlen, Roben, wo dann Wolle, Baumwolle oder Tibet dazu genommen wird. Die groͤbste wird zur Posamentirer-Arbeit verwendet. §. VI. Sterbling-Seide (Chiques) erstikte Seide (soies marinées), Rippen- und Knoten-Seide (costes et bouchons). Sterbling Seide (Chiques) ist diejenige Seide, wo die Puppen im Cocon zu Grunde gingen oder zerflossen. Der Faden dieser Cocons erhaͤlt durch das Verfaulen des Thieres Fleken, die nicht auszubringen sind, und die ganze Straͤhne Seide verderben koͤnnen, wenn sie damit ausgesotten werden. Man lernt diesen Fehler vorzuͤglich beim Faͤrben, selbst beim Schwarzfaͤrben, kennen. Erstikte Seide (soie marinée) nennt man diejenige, die, waͤhrend sie eingepakt war, naß geworden ist. Dieses Verderben der Seide hat an mehreren Stellen der Straͤhne, vorzuͤglich aber an jenen Statt, wo die Strike der Ballen zu liegen kommen. Es bildet sich daselbst eine Art von Schimmel, oder es entsteht eine Zersezung des thierischen Stoffes, wodurch die Seide schmuzig grau wird. Solche Seide wird bei dem Aussieden nie wieder weiß, und nimmt die Farbe nur sehr schwer an. Rippen (costes) nennt man Theile der Cocons, die bei dem Abwinden derselben an dem Faden haͤngen bleiben, und eine Art von laͤnglicher Rippe (ein Grath, côte) von 6 bis 15 Linien Laͤnge an demselben bilden, und den Faden oft 4 bis 10 Mal diker machen. Diese Seide gibt beim Spinnen auf der Muͤhle, wo man diese Rippen abbrechen muß, großen Abgang. Die Knoten (Stoͤpsel, bouchons) sind eine Art Knoͤpfe (nus), die durch Fleken entstehen, welche aus Nachlaͤssigkeit der Abwinderinn an dem Faden schon im Beken haͤngen blieben. Auch dadurch entstehen auf der Spinn-Muͤhle Abfaͤlle, die den Kaͤufer einer solchen Seide sehr beeintraͤchtigen. §. VII. Abwinden oder Abhaspeln der Seide (Filature). Nachdem die Seidenraupen ihre Arbeit auf dem aufgestekten Spinnhause vollendet haben, nimmt man die von ihnen gesponnenen Cocons von denselben ab, und liest diejenigen aus, die man zur Fortpflanzung bestimmt, sortirt die gelben und die weißen, und legt die Doppel-Cocons und die Sterblinge bei Seite, so wie auch die ersteren. Außer diesen und den Sterblingen werden alle anderen erstikt (ausgeloͤscht, éteints), d.h., man toͤdtet die Puppe, damit sie nicht als Nachtfalter den Cocons aufweicht, und ein Loch in denselben macht. Dieses Toͤdten geschieht auf verschiedene Weise. Hr. Arnaud Dubouisson, ein Oratorier, versuchte im Jahre 1778 folgendes Verfahren in Gegenwart des Intendanten von Languedoc, das wie man sagt, vollkommen gelungen seyn soll.Wir koͤnnen es Niemanden rathen.A. d. U. Man laͤßt einen Kasten aus Fichtenholz von 10 Fuß Laͤnge, 9 Fuß Hoͤhe und 4 Fuß Tiefe verfertigen, dessen Waͤnde genau schließen, und den man mit Papier ausfuͤttert, welches mit einem Kitte aus Kaͤse und ungeloͤschtem Kalk uͤberall in demselben sorgfaͤltig angeklebt wird. In diesem Kasten bringt man 16 Schubladen von 5 Zoll Hoͤhe, und von der Laͤnge und Tiefe des Kastens an. Der Boden dieser Schubladen wird nicht aus Holz, sondern aus sogenannter Steifleinwand, oder aus einem Roßhaar-Gewebe, wie an einem Siebe, verfertigt. In jeder solchen Schublade breitet man 80 Pfund Cocons aus und auf den Boden des Kastens legt man, in zwei oder drei laͤnglichen Schuͤsseln, Ein Pfund zerstoßenen Kampher. Der Kasten, der zwei Thuͤren hat, die sich in Falzen schieben, wird nun genau geschlossen. Nach 36 Stunden nimmt man die Cocons aus der unteren Schublade heraus, und fuͤhrt dafuͤr die zweite zunaͤchst uͤber derselben stehende Schublade an der Stelle derselben ein, und ruͤkt so alle anderen Schubladen um ein Fach herab. Die herausgezogene Schublade, N. 16, wird ausgeleert, mit frischen Cocons gefuͤllt, und oben in dem Kasten an der Stelle der Schublade, N. 1, eingeschoben. Nach 15 Stunden zieht man die Schublade, N. 15, die jezt die unterste geworden ist, heraus, leert sie aus, bringt die Schublade, N. 14, an die Stelle derselben, ruͤkt alle uͤbrigen Laden wieder um ein Fach herab und schiebt die Schublade, N. 15, an die Stelle von N. 1. Diese Arbeit wird nun alle 6 Stunden wiederholt. Die herausgenommenen Cocons laͤßt man in einem gut geschlossenen Zimmer uͤber einander gehaͤuft liegen, stellt eine Pfanne mit einem Waͤrmer (Rechaud), in welchem ein kleines Feuer brennt, in dasselbe, schuͤttet drei Glaͤser voll Weingeist, in welchen man drei Unzen Kampher aufgeloͤst hat, in diese Pfanne, und verschließt dann das Zimmer bis auf den naͤchsten Tag. Auf diese Weise wird die Puppe getoͤdtet, sie erhaͤrtet und wird in dem warmen Wasser des Bekens nicht wieder lebendig, kann also nicht mehr, wie bei den anderen Toͤdtungs-Weisen das Product ihrer Zersezung von sich geben, und Sterblings-Cocons (Chiques) erzeugen: die Seide bleibt rein und unbeflekt. Ueberdieß werden Cocons, die auf diese Weise behandelt wurden, auch nicht so von Ratten und Motten angegriffen, wie diejenigen, in welchen man die Puppen mittelst Wassers toͤdtet. Statt des Kamphers kann man auch die Daͤmpfe von schwefeliger Saͤure anwenden, die man durch den Kasten ziehen laͤßt, und in dieser Hinsicht, entweder Schwefel in dem Kasten anzuͤnden und brennen lassen, oder das Gas aus Kohle, Saͤgespaͤnen und Schwefelsaͤure entwikeln, wie wir beim Schwefeln sagen werden. Auf diese Weise erhaͤlt man die Cocons beinahe ganz weiß. Gewoͤhnlich toͤdtet man die Puppen dadurch, daß man sie 5 bis 6 Stunden lang den Wasser-Daͤmpfen eines Wassers aussezt, das in einem geschlossenen Gemache bis auf 80° Reaumur erhizt wurde. Andere bringen die Cocons in einen Ofen, der bis auf 45 oder 50° geheizt wird, wo aber die Cocons oͤfters anbrennen oder so troken werden, daß man sie nur mit großer Muͤhe abwinden kann. Man hat versucht die Puppen mit Daͤmpfen von Sauerstoffgas„(Gas oxigène)“. Wird vielleicht Gaz sulfureux, schwefliche Saͤure heißen sollen. A. d. U. oder von Chlor zu toͤdten: allein, waͤhrend diese Insekten dadurch getoͤdtet werden, werden die zarten Faden der Cocons so sehr verbrannt, daß sie zur Flokseide werden, die man nicht mehr spinnen kann. §. VIII. Abwinden oder Abhaspeln. (Filature). Das Abwinden ist die Kunst, die Faden aus dem Cocon, den die Seidenraupe gesponnen hat, abzuloͤsen, und daraus einen gleichfoͤrmigen Faden zu bilden, den man zu Straͤhnen von verschiedener Laͤnge aufwindet. Man gibt diesem Faden dadurch die gehoͤrige Dike, daß man 2, 3, 4 und 5 Cocons, selten mehr, auf ein Mal abwindet. Es hat sich gezeigt, daß ein einziger Cocon einen Faden von 4000 Meter Laͤnge geben kann, der ungefaͤhr 60 Gran „(sic! 2 – 3 Gran soll es heißen)“ wiegt. Zur Seide fuͤr feines Duͤnntuch und Blonden (gazes fines et blondes) windet man nur zwei Cocons fuͤr Einen Faden ab. Gewoͤhnlich werden nur 3 – 4 Cocons zu Einem Faden abgewunden. Man koͤnnte 8, 12, 16, 20 Cocons auf ein Mal abwinden, wenn man sie zu vier und vier nimmt. Die hoͤchste Reinlichkeit in den Beken und im Wasser, gleichfoͤrmige Hize und gehoͤrige Auswahl der Cocons sind die Hauptbedingungen bei dem Abwinden, wenn die Arbeit vollkommen gelingen soll. Man verdankt Hrn. Gensoul de Bagnols, Seidenhaͤndler zu Lyon, die Errichtung einer Anstalt, in welcher die Seide von den Cocons mittelst Dampfes abgewunden wird, und wo ein einziger Kessel das Wasser in den Beken auf einem gleichfoͤrmigen Grade von Waͤrme haͤlt, so daß es nicht mehr eines eigenen Oefchens fuͤr jedes einzelne Beken bedarf, und folglich viel Brenn-Material erspart wird. Durch diese gluͤkliche Entdekung wurden die FilaturenSo nennt man in Italien und in Frankreich die Anstalten und Werkstaͤtten, in welchen die Seide von den Cocons abgewunden wird.A. d. U. in Frankreich auf jenen Grad von Vollkommenheit gebracht, welchen die Filaturen in Piémont bereits fruͤher erreicht hatten. Hr. Gensoul hat diesem Zweige der Industrie einen ausgezeichneten Dienst erwiesen, und dafuͤr auch sehr ehrenvolle National-Belohnungen erhalten: ohne Zweifel hat er sich auch dadurch ein wohlverdientes Vermoͤgen erworben. Die Chinesen, sagt Hr. Legout de Flaix in seinen Essais historiques et politiques sur l'Indoustan, lesen, nachdem sie die Cocons erstikten, die verschiedenen Sorten derselben aus, und legen sie 20 Stunden lang an die Sonne, um die gelben zu bleichen. Sie werden hier durch die Einwirkung des Lichtes und des Sauerstoffes auch wirklich weiß. Sie geben hierauf diese Cocons in kleine Beken, die ungefaͤhr vier Liter Wasser fassen, loͤsen ein Loth Alaun in diesem Wasser auf, und wechseln dieses Wasser in ihren Beken drei Mal des Tages. Sie halten ihr Wasser sehr heiß, und sezen jedes Mal wieder Alaun zu. Der Seidenfaden laͤuft nach und nach durch ein Ziehloch in Glas uͤber glaͤserne Zapfen und zwischen zwei kleine glaͤserne Walzen, die sehr fein polirt sind. Dadurch erhaͤlt die Seide jenen Silberglanz, den man an der chinesischen Seide von Nankin so sehr preiset. Man sezt gleich viel Alaun, dem Gewichte nach, den Cocons bei dem Klopfen derselben zuDieß steht mit obiger Angabe der Menge Alaunes in Widerspruch.A. d. U., und man macht nur drei Trachten Cocons aus demselben Wasser, d.h., man klopft nur drei Mal. Jedes Beken hat acht Haspel, um die Seide acht oder zwoͤlf Stunden lang auf denselben troknen zu lassen, wodurch sie mehr Elasticitaͤt (Nerf) erhaͤlt. Da man in China auch gelbe Cocons hat, so windet man diese besonders ab, und bleicht die Straͤhne auf folgende Weise. In einem geschlossenen, mit Sande bestreuten und der Sonne gehoͤrig ausgesezten Hofe stellt man die Haspel auf Stufen an eine Art von Krippe gegen die Mauer, die rauh mit Kalk angeworfen und frisch geweißt ist. Man laͤßt sie acht Stunden lang der Sonne ausgesezt, und bringt sie, wenn Regen oder schlechtes Wetter zu kommen droht, unter Dach, und stellt sie nicht ehe wieder heraus, als bis der Thau verschwunden ist. Sie werden auch immer vor Sonnen-Untergang wieder unter Dach gebracht. Am folgenden Tage kehrt man die Straͤhne um, damit die andere Seite der Sonne ausgesezt wird. Gewoͤhnlich reichen 24 bis 30 Stunden einer solchen Ausstellung hin, um die Seide gehoͤrig zu bleichen. Man legt sie hierauf zusammen, pakt sie ein, und druͤkt sie bei dem Einpaken kraͤftig zusammen. Auf diese Weise erhaͤlt sie den Glanz wieder, den sie durch das Licht waͤhrend des Ausstellens derselben an die Sonne verloren hat. Einige chinesische Seiden-Abwinder sezen die Seide, nachdem sie dieselbe gebleicht haben, waͤhrend zwei oder drei Stunden der Einwirkung der Daͤmpfe der schwefeligen Saͤure aus, wodurch sie mehr Weiße und Glanz erhaͤlt. Don Antonio Reguz zu Madrid hat vorgeschlagen die Seide kalt abzuwinden. Man weicht, sagt er, die Cocons vorlaͤufig in Wasser, das beinahe siedend heiß ist, und ruͤhrt sie in demselben fleißig um, um sie zu erweichen und den Gummi abzuloͤsen, der die Faden zusammengeleimt haͤlt. Man wirft sie hierauf in Beken, die mit Wasser gefuͤllt sind, welches nur die Temperatur der Atmosphaͤre haͤlt. Statt der gewoͤhnlichen Beken kann man sich auch hoͤlzerner Gefaͤße aus weißem Holze bedienen. Die Cocons winden sich auf diese Weise leicht ab. Die patriotische Gesellschaft zu Madrid hat Versuche uͤber dieses Verfahren angestellt, und die auf diese Weise abgewundene Seide in fuͤnf verschiedenen sehr zarten Farben faͤrben lassen, und sie dann mit der auf die gewoͤhnliche Weise abgewundenen Seide, die eben so gefaͤrbt wurde, verglichen. Das Resultat fiel erwuͤnscht aus. Man hat diese Methode, die Seide abzuwinden, bereits in den Koͤnigreichen Valencia und Grenada eingefuͤhrt. Bulletin de la Société d'Encouragement 1825Polytechn. Journ. B. XVII. S. 110.. In Frankreich hat, wie wir oben bemerkten, die gluͤkliche Anwendung des Dampfes zur Waͤrmung des Wassers in den Beken die Filaturen ungemein vervollkommnet. Es fehlt denselben nun zu ihrer Vollendung nichts, als daß man auch noch den piémontesischen verbesserten Haspel in denselben anwendet, d.h. den Haspel, an welchem der Triebstok und das große Rad, jedes Stuͤk einzeln fuͤr sich, 25 Zaͤhne, der Stern des Haspels aber und das kleine Rad, wieder jedes Stuͤk einzeln, 22 Zaͤhne fuͤhrt; ferner das Ziehloch, die Drehezapfen (torsade) und die zwei Walzen aus polirtem Glase, deren sich die Chinesen bedienen, dreimaliges Wechseln des Wassers waͤhrend 12 Stunden, und die Anwendung des Alaunes zum Entschaͤlen der Seide. Allein, ungluͤklicher Weise wechseln viele Abwinder, die mehr auf unerlaubten Gewinn, als auf Vervollkommnung ihrer Arbeit, bedacht sind, nicht nur das Wasser in dem Beken nicht, sondern sie zerdruͤken selbst die Puppen in demselben unter dem Vorwande, daß der Faden dadurch mehr Elasticitaͤt erhaͤlt und sich leichter abwinden laͤßt (was falsch ist), waͤhrend sie dadurch die Seide nur schwerer wiegen machen wollen. Andere loͤsen in dem Wasser ihrer Beken Salz, Gummi, Staͤrkmehl, thierischen Leim mit Alaun, Zuker, braunen Syrup auf, oder sezen Wallrath und Wachs in Potasche aufgeloͤst mit einer Abkochung der Veilchen-Wurzel (Iris florentina) zu, die der Seide jenen Veilchen-Geruch gibt, den sie von Natur aus hat, wenn sie aus der Filatur kommt: lezteres nennen sie das aromatische Enkaustikum (encaustique aromatique). Andere schuͤtten ein wenig Schwefelsaͤure zu. Es gibt endlich Abwinder, die, nachdem die Seide von dem Haspel abgenommen wurde, die Straͤhne mit Oehl, mit trokener Seife reiben, oder gar in eine Aufloͤsung von kochsalzsaurem Kalke tauchen. Durch diese Verfaͤlschungen laͤßt das Gewicht der Seide sich leicht um 5 bis 6 p. C. vermehren, die der Fabrikant, der diese Betruͤgereien nicht kennt, und kein Mittel zur Entdekung derselben besizt, beim Kaufe dieser Seide dann einbuͤßt. Wir haben ein sicheres und unfehlbares Mittel gefunden, diesen Betrug zu entdeken, und werden zu Lyon und in den Manufaktur-Staͤdten eine eigene Anstalt zu diesem Ende errichten. Wir finden es nicht geeignet dasselbe bekannt zu machen, indem die Seiden-Abwinder und die Seiden-Spinner bald andere Arten von Betruͤgereien erfinden wuͤrden, gegen welche wir durch unsere Mittel nichts vermoͤgen. Die sogenannte Bedingung (la condition), die man so weise eingefuͤhrt hat, kann den Kaͤufer, der Seide kauft, wohl gegen das Ueberladen derselben mit Feuchtigkeit sichern, die die Seide so begierig anzieht, daß sie beinahe den zehnten Theil ihres Gewichtes davon aufzunehmen vermag; allein die Anstalten zur Erfuͤllung dieser Bedingung sind durchaus nicht im Stande die uͤbrigen Gewichts-Verfaͤlschungen zu entdeken. Das aromatische Enkaustikum, der braune Syrup, der kochsalzsaure Kalk sind am schwersten auszumitteln: durch unser Verfahren entdekt man sie jedoch im Augenblike. §. IX. Spinnen der Seide. (Moulinage) Die Seide ist, so wie sie vom Abwinden (aus der Filatur) herkommt, ein mehr oder minder feiner Faden, je nachdem man mehr oder weniger Cocons zu demselben genommen hat. Um ihn brauchen zu koͤnnen, muß er jene Zubereitung erhalten, die man in Frankreich Moulinage, das Spinnen (oder eigentlich Zwirnen) der Seide nennt. Vor dieser Zubereitung heißt die Seide rohe Seide (soies grèges) oder unbearbeitete Seide (non ouvrées). Die verschiedenen Zubereitungen, die man der rohen Seide gibt, bestehen darin, daß man die Faden einzeln, und zwar mehr oder weniger stark, dreht, und dann so fuͤr sich allein verarbeitet; oder daß man 2 und 2, 3 und 3, 4 und 4 Faͤden etc. zusammen nimmt; oder daß man sie mit einander vereinigt und zugleich noch dreht, was durch sehr sinnreiche Maschinen geschieht, die die Englaͤnder auf den hoͤchsten Grad von Vollkommenheit brachten. Die auf diese Weise zubereitete gesponnene, bearbeitete Seide (soies ouvrées) kommt nun im Handel unter dem Nahmen Haarseide (poils), Oval-Seide (Ovales), Eintrag-Seide (trames), Ketten-Seide (Organcins), Grenadines, Rondelettes, Rondelettines, filés, doubles tors pour les crêpes de Chine etc. vor. Es war wieder der Minister Colbert, der die Bearbeitung der Seide auf den Seiden-Spinnmuͤhlen (le moulinage) aus Italien nach Frankreich verpflanzte. Er ließ einen geschikten Arbeiter, Benay, aus Bologna kommen, und gab ihm, auf Ansuchen der Schoͤppen der Stadt Lyon, eine Fabrik zu Vizieux bei Condrieux im Gebiete von Lyon (Arrêt du Conseil d'État, 30. Sept. 1670); dann noch eine zu Fons, bei Aubenas, von wo aus sich die Spinnmuͤhlen durch das ganze Vivarais verbreiteten. Benay wurde in den Adelstand erhoben und erhielt eine PensionDie heutigen Lyoner muͤssen nach England auswandern. A. d. U.. Die Haar-Seide (le Poil) ist ein einziger gedrehter Seidenfaden von 8 – 14 p. C. (points courants), je nachdem die Seide fein ist. Dieses Drehen ist nothwendig, damit der Faden beim Abschaͤlen, beim Faͤrben und auf dem Stuhle sich nicht fasert. Man braucht solche Seide in der Bandmacherei. Das Haus Arquillière zu Lyon hat, mittelst einer besonderen Zubereitung, ein Mittel gefunden, solche Seide auch zu Seiden-Zeugen, und namentlich zu gewissen Arten von Gros de Naples, ganz roh (poils en grège) in 2, 4, 5, 6 Faden ohne alle Drehung zu verarbeiten. Die Eintrag-Seide (trame) besteht aus zwei, zuweilen auch aus drei, Faden oder Haaren (poils), die man mit einander vereinigt, indem man sie zugleich mit einander abwindet und dann auf die Muͤhle bringt, wo sie eine Drehung von 12 – 14 p. C. erhalten, damit sie sich desto besser unter einander verbinden. Feine Eintrag-Seide (Trame fine) haͤlt auf der Probe (à l'essai), von welcher wir sogleich sprechen werden, 23 – 40 Deniers; feste (Trame ferme) 41 bis 60. Die Oval-Seide (Ovale, soie ovalée) erhaͤlt beinahe eine aͤhnliche Bearbeitung, wie die Eintrag-Seide, nur daß man statt 2 – 3 Faden rohe Seide, die die Eintrag-Seide bilden, 8 – 12, ja sogar 16 zur Oval-Seide nimmt. Diese Seide dient nur zu Struͤmpfen, Tricots und uͤberhaupt zu gewirkten Arbeiten (bonnetesée). Das Ovaliren der Seide, die Ovalier-Muͤhle (moulin à ovaler) ist eine englische ErfindungEine von einem aus Frankreich durch das Edikt von Nantes verjagten, Hugenoten in England gemachte Erfindung. A. d. U.. Diese Maschine gewaͤhrt den Vortheil, regelmaͤßige und lange Straͤhne zu bilden, so daß der Fabrikant die Laͤnge des Straͤhnes, die dieser selbst nach dem Faͤrben haben muß, auf zwei oder drei Linien hoͤchstens mit Genauigkeit bestimmen kann. Er weiß selbst die Zahl der Windungen seiner Seide, wenn er die der Schnur zaͤhlen will, die um die Achse des zweiten Rades des Haspels laͤuft. Zehn Windungen dieser Schnur geben 600 am Straͤhne: auf diese Weise ist der Fabrikant gegen jede Veruntreuung seiner Arbeiter und der Faͤrber gesichert. Die Ketten- oder Organsin-Seide (L'organcin) besteht aus 2, 3 oder 4 Faden; gewoͤhnlich aus 2. Jeder Faden wird erst einzeln gedreht, und zwar rechts, und so stark, daß 3 Zoll Laͤnge 600 Drehungen bilden. Nach dem Reglement von 1757 fuͤr Seiden-Muͤhlen sind fuͤr diese erste Appretur 60 Points unten und 15 Points oben vorgeschrieben: die Berechnung geschieht an den Zaͤhnen der beiden Triebstoͤke, die die Spule fuͤhren. Nachdem diese Faden ihre erste Appretur erhalten haben, vereinigt man sie durch Zwirnung (Doublage) und gibt ihnen auf der Muͤhle die zweite Zurichtung, die nur den zehnten Theil der ersten betraͤgt, und die links geschieht. Feine Ketten-Seide (l'organcin fin) haͤlt 18 bis 28 Deniers; die feste (ferme) 30 bis 40. Man zieht gegenwaͤrtig die feine Organsin mit einem Faden Wolle, Baumwolle, Ziegenhaar, Tibet oder Vigogne zu Schahlen und franzoͤsischen Kasimiren, zu Gilets, Roben und anderen Mode-Stoffen (étoffes de fantaisie) auf. Ehevor zog man auch Organsin von 18 bis 20 Deniers mit langer Wolle zu Etaminen, halb seidenen Camelots, zu den sogenannten Prunelles und anderen leichten schwarzen Stoffen fuͤr die Pfaffen in Spanien und in Suͤd-Amerika auf. Die Filé-Seide (les filés) ist eine grobe Seide, selbst Seide von Doppel-Cocons, von welcher man, wie zur Eintrag- und Ketten-Seide, mehrere Faden zusammen nimmt. Diese werden alle platt zusammengedreht. Sie ist bald rechts, bald verkehrt gedreht, und dient zur Goldborten-Wirkerei (à la dorure). Die Grenades, Grenadines, Rondelettes und Rondelettines sind feine, schwere, feste rohe Seide, von welcher man, wie bei der Organsin, mehrere Faden nimmt, denen man aber eine weit staͤrkere Zurichtung gibt. Man braucht sie zu Schahlen, Roben und zur Naͤheseide. Die HHrn. Dugas, zu St. Chamont, bei Lyon, haben, vor ungefaͤhr acht Jahren, das Verfahren der Chinesen gefunden, um sogenannten chinesischen Krep (crêpes dits de Chine) zu verfertigen. Man nimmt zweifadige Ketten-Seide: dem ersten Faden gibt man eine starke Zurichtung rechts, und dem zweiten auch rechts; dann zwirnt man zwei solche Faden zusammen, wodurch man also einen vierfadigen Faden erhaͤlt, dem man noch eine dritte Zurichtung gibt. Die Seide zu Blonden wird aus zwei Faden wie Organsin bearbeitet, und erhaͤlt eine starke Zurichtung. Da man nur weiße und geschaͤlte Seide hierzu nimmt, so muß diese sehr rein und vollkommen zugerichtet seyn. Die HHrn. Bonnard und Poidebard zu Lyon haben diesem Zweige der Industrie einen solchen Grad von Vollkommenheit zu verschaffen gewußt, daß sie keine Rivalen mehr zu fuͤrchten haben. Dieß sind die vorzuͤglichsten Bearbeitungen, die man der Seide gewoͤhnlich gibt. In das Detail des Mechanismus, durch welchen diese Bearbeitung geschieht, koͤnnen wir uns nicht einlassen: man findet es in der Encyclopédie méthodique Hr. Ozanam haͤtte seine Landsleute wohl an den Mann erinnern koͤnnen, der die Artikel Soie, Laine etc. in der Encyclopédie méthodique so meisterhaft bearbeitete, der seinem Jahrhunderte um mehr dann um Jahrhunderte voraus war, und der als Opfer seiner Geradheit und Offenheit unter der Hand von Moͤrdern fiel: an den unsterblichen Roland de la Platiére. A. d. U.. Es ist noͤthig, die Seiden-Fabrikanten und die Seidenhaͤndler darauf aufmerksam zu machen, daß treulose Seiden-Muͤller bei der Zurichtung der Seide nicht unbedeutende Mengen des ihnen anvertrauten kostbaren Materiales zu unterschlagen wissen, und dann den Rest, den sie zuruͤkgeben, mit fremdartigen Stoffen, mit Oehl, mit Aufloͤsung von Knochen-Gallerte, mit Enkaustikum, Alaun, braunem Syrup, kochsalzsaurem Kalke etc. verfaͤlschen. Den Abgang an Gewicht schieben sie nicht selten auf die Rippen, Knoten, Floken, Karden etc. Durch unser Verfahren zur Entdekung der Verfaͤlschung der rohen Seide lernt man auch diesen Betrug, diesen offenbaren Diebstahl kennen. §. X. Pruͤfung der Seide. (Essai des soies.) Man pruͤft die Haar-, Eintrag- und Ketten-Seide zu Lyon in oͤffentlichen Aemtern, die gewoͤhnlich mit Frauenzimmern besezt sind. Um die Seide zu pruͤfen, nimmt man 18 bis 21 Gebinde (flotillons), die eine Straͤhne (matteau oder écheveau) bilden. Man bringt sie auf einen Haspel, dessen Umfang genau eine Elle haͤlt. Man nimmt von jedem 400 Windungen, was genau 400 Ellen gibt. Man bildet hieraus Straͤhnchen, die man einzeln wiegt, und das Gewicht, das diese 400 Windungen oder Ellen geben, gibt der Seide ihren Gehalt oder Titel (titre). Wenn also 400 Ellen Eintrag-Seide (Trame) 40 Gran wiegen, so hat diese Seide einen Gehalt oder Titel von 40 Deniers; und wenn 400 Ellen Ketten-Seide (Organcin) 18 Gran wiegen, so gibt dieß dieser Seide einen Titel von 18 Deniers. Was man also Denier nennt, ist eigentlich Ein Gran. Die Pruͤfer behalten diese Straͤhnchen als ihre Bezahlung, winden sie dann, nach ihrem Gehalte, zusammen und verkaufen sie an kleine Fabrikanten unter dem Werthe, wenn sie einige Pfunde bei einander haben. Es gibt Pruͤfer oder Probirer (Essayeurs), die sich des Jahres 7 bis 8000 Franken verdienen, wenn die Seiden-Arbeit zu Lyon stark geht. §. XI. Bedingung der Seide. (Condition.) Die Seide bedingen (conditionner) heißt derselben die Feuchtigkeit entziehen, die sie in Folge ihrer Anziehungskraft gegen dieselbe (Hygroskopicitaͤt) aufgenommen hat. Die Bedingung war in Piémont schon seit langer Zeit eingefuͤhrt, als Hr. Rast-Macgras aus Lyon sie vor 40 Jahren nach dieser Stadt brachte. Er fand bei Einfuͤhrung derselben die groͤßten Hindernisse, nicht bloß von Seite der Seidenhaͤndler, die eine Anstalt nicht gern sehen konnten, die ihnen bedeutenden Gewinn entzog, obschon er auf Betrug beruhte, und, durch Nezung der Seide, nur zum Schaden des Kaͤufers ausfallen konnte, sondern selbst von Seite der Handels-Kammer (Chambre de Commerce), die hier nur Vermehrung der Schwierigkeiten beim Kaufe und Verkaufe dieser Waaren fand. Indessen siegten doch die Wuͤnsche der Fabrikanten uͤber die Treulosigkeit, und eine Bedingungs-Anstalt wurde auf Kosten und auf Rechnung des Hrn. Rast errichtet. In der Schrekens-Periode hoͤrte diese Anstalt fuͤr kurze Zeit auf; sie wurde aber unter Kaiser Napoleon, unsterblichen Andenkens, zur oͤffentlichen und privilegirten Anstalt erhoben, und unter die Leitung der Handels-Kammer gestellt. Die Bedingung wird auf folgende Weise erfuͤllt. Man wiegt das Netto-Gewicht der Seide, wenn sie auf das Amt gebracht wird. Man oͤffnet hierauf die Straͤhne und legt sie in Kasten, die aus Gittern bestehen, auf Stellen, die gleichfalls Gitter sind. Die Kasten werden hierauf von Kaͤufer und Verkaͤufer versiegelt. In diesen Kasten bleibt die Seide 24 Stunden lang einer Waͤrme von 18 bis 20 Graden ausgesezt, worauf man sie herausnimmt und neuerdings wiegt. Wenn die Seide mehr als 2 1/2 Procent an Gewicht verloren hat, so bringt man sie neuerdings auf 24 Stunden in den Kasten, und bemerkt auf einer eigenen Urkunde das Netto-Gewicht und den Abgang, wornach dann der Kauf geschlossen wird. Im J. 1826 gingen zu Lyon 472,000 Kilogramm Seide durch die Bedingung. Sie verloren dadurch 11,000 Kilogramm, was 2 7/16 p. C., also beinahe 800,000 Franken Abzug au einem Werthe von ungefaͤhr 30 Millionen gibt. Die Fabrikanten haben sich also einen Verlust von 2 7/16 am rohen Materiale erspart. Indessen haben wir gezeigt, daß man durch diese Bedingung der Seide die fremdartigen Stoffe, mit welchen sie verfaͤlscht wird, nicht entziehen kann. Man weiß aus zuverlaͤssigen Erfahrungen, daß gute und gut gesponnene Seide bei dem Entschaͤlen und Aussieden, als Vorbereitung zum Faͤrben, nicht mehr als 26 p. C. verlieren darf. Dieser Abgang ruͤhrt von den gummiharzigen und thierischen Bestandtheilen der Seide her, die sie umhuͤllen. Die Analyse derselben findet sich in unserem Aufsaze im 1sten, 2ten und 3ten Stuͤke dieses JournalesPolytechn. Journ. B. XXX. S. 128.. Ein groͤßerer Abgang ist die Folge des Betruges, der fremdartigen Stoffe, mit welcher man die Seide verfaͤlscht. Als Beispiel, wie wenig die Bedingung zur Entdekung dieses Betruges beitraͤgt, mag Folgendes dienen. 2440 Gramm Organsin aus Vivarais gaben, nachdem sie aus der Bedingung kamen, nach der Entschaͤlung nur 1740 Gramm. Der Abgang war also 28 2/3 p. C. statt 26 p. C. Der Fabrikant verlor demnach, auch nach der Bedingung, noch 2 2/3 p. C. Eine andere Organsin wog, nach der Bedingung, 2600 Gramm, und gab, nach dem Abschaͤlen, nur 1830 Gramm. Sie verlor also 29 2/3 p. C., und der Fabrikant verlor hier, ungeachtet aller Bedingung, noch 3 2/3 p. C. Diese Versuche wurden oͤffentlich angestellt und juridisch erwiesen. §. XII. Pruͤfung der Seide durch eine besondere Art sie zu entschaͤlen. Wir haben gezeigt, daß die Probe nur der Seide die Feuchtigkeit entzieht, die sie so leicht anzieht. Seit man die Bedingung einfuͤhrte, suchten betruͤgerische Abwinder und Spinner andere Mittel, das Gewicht der Seide auf treulose Weise zu vermehren. Sie bedienen sich hierzu der oben angefuͤhrten Materialien, und erhoͤhen dadurch das Gewicht der Seide um 5 bis 6 p. C. Es war also fuͤr unsere Fabriken aͤußerst wichtig, Mittel zu finden, durch welche man diese Betruͤgereien entdeken konnte, und wir haben solche Mittel gefunden. Wir haben oͤffentlich vor vier Jahren zu Lyon, in Gegenwart von Commissaͤren der Handels-Kammer, des Direktors der Bedingungs-Anstalt, des Hrn. Camille Beauvais, Direktors der Savonnerie, und zwoͤlf der ersten Fabrikanten Lyons, die gehoͤrigen Versuche hieruͤber angestellt. Sie gelangen vollkommen, und es wurde hieruͤber gerichtliche Urkunde abgefaßt. Seit dieser Zeit hat sich dieses Verfahren noch mehr verbessert, und die Seide wird durch dasselbe sehr schoͤn weiß, glaͤnzend, vollkommen geoͤffnet, und weit nerviger, als wenn sie, wie gewoͤhnlich, mit Seife ausgesotten wird. Dieß wurde von den Commissaͤren der Académie royale des Sciences et Arts de Lyon erwiesen, und wir erhielten dafuͤr die goldene Medaille. Durch unser Verfahren verliert die Seide nicht bloß ihre Schale (grès), sondern alle fremdartige Stoffe, mit welchen der Betrug sie verfaͤlscht, vollkommen. Es entschaͤlt nicht bloß theilweise; denn sonst muͤßte die Seide mehr oder minder gelb bleiben, und wirkt durchaus nicht auf die thierische Faser, die den eigentlichen Seidenfaden bildet; denn er wird dadurch nicht platt und wollig, wie durch das Kochen in der Seife, sondern bleibt im Gegentheile rund und fest. Es ist kein Zweifel, daß durch dieses Verfahren binnen 10 Jahren alle Filaturen und Seiden-Spinnmuͤhlen gezwungen seyn werden besser zu arbeiten, und nur reine Seide zu liefern, die mit keinen fremdartigen und schaͤdlichen Stoffen verfaͤlscht ist. Der Gang bei diesem Verfahren ist folgender: er ist so einfach, wie bei dem Kaufe von Fluͤssigkeiten oder Colonial-Artikeln nach dem Netto-Gewichte. Ein Fabrikant kauft einen Ballen Seide. Nachdem er uͤber den Preis uͤbereingekommen ist, wiegt er ihn bei dem Verkaͤufer, und Kaͤufer und Verkaͤufer nehmen, nach Belieben, ein halbes Kilogramm aus dem Ballen. Man gibt diese beiden Muster zusammen, richtet sie zu, als ob sie gefaͤrbt werden sollen (pantime), und bringt sie auf das Pruͤfungs-Amt. Hier wiegt man sie genau, plombirt sie, gibt dem Kaͤufer ein Zeichen, und schreibt das Gewicht in ein eigenes Register ein. Das Muster wird nun entschaͤlt, wozu man nur Eine Stunde braucht, und straͤhnweise in gleicher Hoͤhe in einer Trokenstube von 30° Réaumur aufgehaͤngt, so daß also die Waͤrme gleichfoͤrmig auf dieselbe wirkt. Nach 12 Stunden wird sie vollkommen troken geworden seyn und kann dann herausgenommen werden. Man wiegt sie dann neuerdings und findet nach dem Register den Abgang, den man auf einer eigenen Urkunde bemerkt, und sodann den Kauf darnach abschließt. Man hat gesagt, daß die Bedingung uͤberfluͤssig ist, indem die Seide hier eben so gut die Feuchtigkeit verliert, als die fremdartigen Stoffe, durch welche das Gewicht derselben verfaͤlscht wird. Man wird unten zwei Beispiele hieruͤber mittheilen. Außer dem unbestreitbaren Vortheile, den Betrug mit Leichtigkeit zu erkennen, gewinnt der Fabrikant noch andere, nicht minder wesentliche Punkte. Er weiß auf diese Weise mit Genauigkeit, wieviel eine gewisse Menge Seide bei dem Faͤrben durch das Abschaͤlen verliert, und der Faͤrber kann nun nicht mehr das Mindeste unterschlagen, was bei untreuen Faͤrbern so oft geschieht. Er kann mit Genauigkeit die Menge Seide berechnen, die er zur Verfertigung eines Stuͤkes von einer gewissen Anzahl Ellen und von einer gewissen Schwere noͤthig hat, ohne, wie es jezt taͤglich geschieht, zu viel oder zu wenig dafuͤr in Anschlag zu bringen. Hier zwei Beispiele zur Bestimmung der Fakturen unter der Voraussezung, daß die reinste Seide beim Abschaͤlen 26 von 100 verliert. Das erste Beispiel ist von einer Seide, die die Bedingung erfuͤllte, das zweite von einer Seide, an welcher man dieselbe nicht vorgenommen hat. I. Beispiel. B. kauft von C. Einschlag- oder Eintrag-Seide (Trame) aus Vivarais. Das, nach erfuͤllter Bedingung, auf das Pruͤfungs-Amt gebrachte Master wog 1010 Gramm. Nach dem Abschaͤlen wog es nur mehr   732    – –––––– Verlust   278    – Man fragt nun, nach der Regel de Tri: wenn 1010 Gramm 278 Gramm verlieren, wie viel verlieren 100? – Das Resultat wird 27 1/2 P. C. seyn. Hiervon 26 abgezogen, bleibt 1 1/2 p. C. des Preises: Verguͤtung, die der Verkaͤufer dem Kaͤufer schuldig ist. II. Beispiel. D. verkauft an E. einen Ballen Seide. Man nimmt, ohne Bedingung, ein Muster heraus, das bei der Pruͤfung 1000 Gr. wiegt. Nach dem Abschaͤlen wog dieses Muster nur mehr 670    – ––––– Verlust 330    – Nach der Regel de Tri wird man finden, daß der Ballen 33 p. E. verloren hat. Hiervon 26 abgezogen, bleiben an den Kaͤufer 7 p. C. des Preises zu verguͤten. Man sieht, wie es auf diese einfache Weise dem Betruge und der Treulosigkeit kuͤnftig unmoͤglich seyn wird, eine so kostbare Waare, wie Seide zu verfaͤlschen. (Die Fortsezung folgt.)