Titel: Ueber die Anwendung hohler Eisenstangen Statt voller, zu Allem, wozu man des Stangen-Eisens bedarf. Nach HHrn. Gaudillot und Roy zu Besançon.
Fundstelle: Band 33, Jahrgang 1829, Nr. XIII., S. 48
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XIII. Ueber die Anwendung hohler Eisenstangen Statt voller, zu Allem, wozu man des Stangen-Eisens bedarf. Nach HHrn. Gaudillot und Roy zu Besançon. Aus dem Recueil industriel. April 1829. S. 85.Der Recueil industriel liefert gegenwaͤrtigen Aufsaz unter dem Titel Notiz uͤber die Fabrik von Arbeiten aus hohlem Eisen, welche die HHrn. Gaudillot und Roy zu Besançon besizen (Notice sur l'atelier de construction d'ouvrages en fer creux de MM. Gaudillot frères et Roy, de Besançon.) Unter dieser Aufschrift sucht kein Mensch auf Erden das, was in demselben enthalten ist, und da wohl Niemand, außer allenfalls ein deutscher Naturphilosoph, an dem Hohlen (dans le creux) sein Gefallen findet, so wuͤrden manche solide Leser den Artikel uͤber das Hohle uͤberschlagen haben, wenn wir die Aufschrift beibehalten haͤtten. Dieser Aufsaz ist von hoher Wichtigkeit, und der Recueil haͤtte darauf aufmerksam machen sollen, daß ein Brett auf die Kante gestellt, eine Latte auf die Kante gestellt, tausend und wieder tausend Mal mehr Kraft braucht, um zu brechen, als wenn man dieselben flach hinlegt; daß es eben nicht viele Kraft braucht, um eine Messerklinge in der Mitte abzubrechen, wenn man sie der Breite nach biegt, daß man aber mehrere hundert Zentner noͤthig hat, um dasselbe Messer, wenn man es auf seinen Ruͤken legt, in senkrechter Richtung von der Schneide nach dem Ruͤken in seiner Mitte abzubrechen. Wir sind in der Baukunst, zumal in der Zimmermannskunst, noch wahrhaftig in der Kindheit, und stehen sogar, in mancher Hinsicht, hinter den Kindern. Ein kleiner Knabe von 8 Jahren lehrte mich ein hoͤlzernes Haus bauen, das keine staͤrkere Holzdike, als 1 1/2 Zoll, in seinem ganzen Baue hat; das auf ein paar Wagen hingefahren werden kann, wo man. es haben will, das in ein paar Stunden aufgeschlagen und abgebrochen ist; das alle moͤglichen Bequemlichkeiten gewaͤhrt, und, waͤhrend es bei aller seiner Leichtigkeit fester ist, als ein gewoͤhnliches hoͤlzernes Haus mit seinen halben Schuh diken Balken, um die Haͤlfte weniger kostet, als dieses. Ich werde es in einem der naͤchsten Hefte dieser Zeitschrift ausfuͤhrlich beschreiben.A. d. U. (Im Auszuge.) Roy, uͤber die Anwendung hohler Eisenstangen. Ueberall, wo man eiserner Stangen bedarf, mit Ausnahme weniger Faͤlle, erhaͤlt man durch Anwendung hohler Eisen-Stangen nicht bloß eine solche Ersparung, daß die Arbeit um die Haͤlfte, um zwei Drittel zuweilen, wohlfeiler wird, und aus Eisen nicht theurer kommt, als aus Holz, sondern man erhaͤlt sie auch schoͤner und leichter bei gleicher Festigkeit. Am Auffallendsten ist dieß bei allem sogenannten Gitterwerke an Gaͤrten, Hosen, Spazier-Gaͤngen, Bruͤken, Kayen, Balconen, Gaͤngen, Stiegen etc. Eine Menge von Geraͤthen, die jezt aus Eisen zu hoch zu stehen kommen und bloß aus Holz verfertigt werden, das so schnell zu Grunde geht, werden nun so zu sagen fuͤr die Ewigkeit aus Eisen verfertigt werden koͤnnen. Man darf nicht vergessen, daß nirgendwo Sparsamkeit nothwendiger ist, als beim Baue, indem hier jeder Gulden, der umsonst ausgegeben ist, eine Geißel fuͤr die Nachkommen wird. Sezen wir, daß man mit hohlen Stangen um 1000 fl. dasselbe leisten kann, was man bei vollem (massiven) Eisen nur mit 3000 fl. erreichen kann, so hat man nicht etwa bloß 2000 fl. erspart, sondern man hat seinen Nachkommen in der vierten und fuͤnften Generation das schoͤne Suͤmmchen von 2,048,000 fl. hinterlassen; denn so viel betraͤgt das, Capital von 2000 fl. mit Zinses Zinsen in 140 Jahren. Man sieht hieraus die bodenlose Thorheit derjenigen, die Geld im Baue verschwenden, wo jeder Gulden, der zu viel ausgegeben wurde, nicht nur fuͤr immer verloren ist, und nie wieder in den Umlauf zuruͤkkehrt, sondern zum nagenden Wurme an dem Wohlstande kuͤnftiger Generationen einzelner Familien sowohl, als ganzer Staaten wird. Geld verbauen ist weit thoͤrichter als es in die Erde zuruͤkschuͤtten, aus welcher es mit so vielem Aufwande gewonnen wurde, und gerade als ob die allmaͤchtige und allguͤtige Mutter Natur den Geizigen strafen wollte fuͤr seine Herzlosigkeit, hat sie ihm, wenn sie ihm ja eine Lust noch goͤnnte, gewoͤhnlich Baulust geschenkt, damit sein Liebling, Metall, durch ihn dahin zuruͤkgebracht wird, wo sie zum Wohle der Menschheit die Metalle verbarg, in den Schoß der Erde. „Der Geizige vergraͤbt sein Geld.“ Die am Ende dieser Notiz gegebene Preistabelle der vollen und der hohlen eisernen Stangen laͤßt mit einem Blike die Ersparungen uͤberschauen, die man bei lezterem machen kann. Man wird sagen, daß die hohlen eisernen Stangen weniger dauerhaft sind, weil sie mehr vom Roste zu leiden haben. Allein die hohlen eisernen Stangen haben vom Roste an ihre raͤußeren Oberflaͤche nicht mehr zu leiden, als die vollen, und koͤnnen an ihrer inneren Oberflaͤche mit demselben Mittel gegen Rost geschuͤzt werden, mit welchem man sie an der aͤußeren Oberflaͤche gegen die Zerstoͤrungen desselben schuͤzt: mit einem Anstriche von MennigBesser waͤre es, um sie gegen Rost zu schuͤzen, wenn man sie mit einer schwachen Aufloͤsung von Kupfer, mit Caͤment-Wasser, uͤberkupferte.A. d. U.. Man kann uͤberdieß die innere Hoͤhlung derselben mit einem Kitte ausfuͤllen, der fest an den Wanden derselben anhaͤngt, und, waͤhrend er dieselbe gegen allen Rost schuͤzt, zugleich auch die Festigkeit einer eisernen Roͤhre noch um ein Drittel vermehrt. Dieser Kitt kommt, wie die Tabelle zeigt, nicht theuer, und die HHrn. Gaudillot und Roy zu Besançon, welche sich auf die Verfertigung dieser hohlen Eisenstangen ein Patent ertheilen ließen, haben diesem Kitte den hoͤchsten Grad von Vollkommenheit gegeben. Man sagt, obschon mit noch wenigerem Grunde, daß die hohlen eisernen Stangen schwacher sind als die vollen. Um diesen ungegruͤndeten Einwurf zu widerlegen, darf man nur die Staͤrke einer hohlen Eisenstange mit jener einer vollen, die bereits allgemein bekannt ist, vergleichen. Es ergab sich aus einer Reihe von Versuchen, daß eine eiserne Roͤhre, deren Wand-Dike den 13ten Theil ihres Durchmessers betraͤgt, (eine Dike, die wir als Norm bei unseren Berechnungen annahmen) bei einem Durchmesser von 10 Linien eben so stark ist als eine volle vierekige eiserne Stange von 8 Linien Dike. Wenn diese hohle Roͤhre uͤberdieß noch mir Kitt ausgefuͤllt ist, so ist eine solche hohle, mit Kitt ausgefuͤllte Roͤhre von 10 Linien im Durchmesser ebenso stark als eine vierekige volle eiserne Stange von 8 4/5 Linien Dike, oder, allgemein ausgedruͤkt: wenn man zu dem verlangten Durchmesser der vollen eisernen Stange auf 109 noch 12 zusezt, so erhaͤlt man eine hohle eiserne Stange, die, wenn sie mit Kitt gefuͤllt ist, ebenso stark ist, als die volle. Ferner: die Staͤrke zweier hohler eiserner Stangen, deren Wand-Dike im Verhaͤltnisse zu ihrem Durchmesser steht, verhaͤlt sich, wie die Wuͤrfel dieser Durchmesser; d.h., wenn man den Durchmesser der Roͤhre um ein Zehntel vergroͤßert, so verstaͤrkt man sie beinahe um ein Drittel; wenn man ihn um ein Fuͤnftel vergroͤßert, verstaͤrkt man sie um drei Viertel; wenn man ihn um ein Viertel vergroͤßert, so hat man die Staͤrke der Roͤhre beinahe verdoppelt. Wenn man endlich die Durchmesser verdoppelt, so erhaͤlt man eine acht Mal groͤßere Staͤrke u.s.f. immer wie der Kubus der Durchmesser. Diese Geseze der Staͤrke gelten auch bei den vierekigen hohlen Eisenstangen, nur daß man hier die Seite des Vierekes Statt des Durchmessers nehmen muß, und hier ist sogar noch ein groͤßerer Vortheil in Bezug auf Staͤrke, indem von den vier Flaͤchen der Stange, die in der Rechnung gleich dik angenommen werden, zwei diker sind als die zwei uͤbrigen. Aus der Preis-Tabelle ergibt sich ferner, daß, bei gleichem Preise des Eisens, der Preis eines Eisen-Werkes aus solchen hohlen Stangen beinahe im Verhaͤltnisse der Durchmesser der Roͤhren zunimmt. Ein um Ein Viertel hoͤherer Preis gibt also doppelt so viel Staͤrke, und doppelter Preis gewaͤhrt acht Mal so viel Staͤrke. Dasselbe Verhaͤltniß vom Durchmesser zur Staͤrke hat, wird man sagen, auch bei vollen eisernen Stangen Statt. Allein, welches Mißverhaͤltniß hat, wenn wir auch dieß zugeben wollen, dafuͤr im Preise Statt! Wenn man den Durchmesser einer vollen eisernen Stange nur um Ein Viertel vergroͤßert, so steigt der Preis um neun Sechszehntel, und er steigt um das Vierfache, wenn man den Durchmesser verdoppelt. Es ist uͤbrigens auch nur nach der Rechnung richtig, daß die Staͤrke zweier vollen eisernen Stangen sich wie der Wuͤrfel ihrer Durchmesser verhalt: die Erfahrung gibt ganz andere Resultate. Eine eiserne Stange aus gut geschmiedetem Eisen von 7 Linien Dike hat, wenn sie horizontal gelegt und au einem Ende befestigt wird, ihre Elasticitaͤt verloren, sobald ein auf derselben angebrachtes Gewicht von 50 Pfd. (25 Kilogramm) dem anderen Ende so nahe geruͤkt wird, daß es um 30 Zoll von dem Stuͤzpunkte dieser Stange entfernt ist, waͤhrend in gleicher Entfernung ein Gewicht von 63 Kilogramm schon hinreicht, einer eisernen vollen vollkommen cylindrischen Stange von 10 Linien im Durchmesser alle Elasticitaͤt zu benehmen. Nach obiger Regel sollte dieß erst bei einem Gewichte von 73 Kilogrammen geschehen. Man weiß schon seit langer Zeit, daß die Verwandtschaft der Molekuͤlen des Eisens in dem Inneren einer Eisenstange, sie mag noch so gut gehaͤmmert seyn, jener an der Oberflaͤche dieser Stangen nicht gleich kommt. Es ist daher offenbar, daß, je diker man eine Eisenstange macht, desto mehr die relative Staͤrke derselben verloren geht, indem, bei gleicher Laͤnge, ihr Volumen wie das Quadrat des Durchmessers zunimmt, waͤhrend die Oberflaͤche selbst nur wie der Durchmesser zugenommen hat. Daher die wichtige Folge fuͤr die Vorzuͤge hohler eiserner Stangen vor den vollen, daß, wenn man gleich starke solche Roͤhren von beiderlei Art nimmt, man durch Vermehrung um 1/4 oder um 25 p. C. des Preises bei den hohlen Roͤhren die Staͤrke derselben verdoppelt, und an Ansehen ein Viertel gewinnt, waͤhrend man bei den vollen eisernen Stangen 56 p. C. des Preises mehr hierzu noͤthig hat, oder wohl gar 112 p. C. im Vergleiche zu den hohlen eisernen Stangen. Man darf nicht vergessen, daß der hoͤhere Preis des Eisens die Baumeister haͤufig veranlaͤßt, alles Eisen nur zur Noth stark genug fertigen zu lassen, wodurch Festigkeit und Schoͤnheit zugleich leidet. In diesen Fehler wird man bei hohlen eisernen Stangen nie verfallen, indem hier die Kosten so gering sind, daß der Festigkeit Alles, und dem Luxus etwas geopfert werden kann. Vergleichungs-Preise hohler und voller Eisen-Stangen. Textabbildung Bd. 33, S. 52 Durchmesser runder Eisenstangen und Seite vierekiger Eisenstangen; Preis von 100 Fuß runder voller Eisenstangen; das Kilogramm (2 Pfd.) zu 1 Frank, 60 Cent.; Preis von 100 Fuß vierekiger voller Eisenstangen; das Kilogramm (2 Pfd.) zu 1 Frank, 60 Cent.; Preis von 100 Fuß runder hohler Eisenstangen (Gewichts-Preis wie vorher); Preis von 100 Fuß vierekiger hohler Eisenstangen; Preis des Anstriches an der inneren Seite des hohlen Eisens fuͤr 100 Fuß; Preis des Kittes zum Ausfuͤllen des hohlen Eisens fuͤr 100 Fuß