Titel: | Miszellen. |
Fundstelle: | Band 33, Jahrgang 1829, Nr. XXIV., S. 68 |
Download: | XML |
XXIV.
Miszellen.
Miszellen.
Jahres-Bericht der Société industrielle de
Mulhouse vom J. 1828.
Hr. Joh. Zuber, d. Sohn, erstattete am
26. December den dritten Jahres-Bericht uͤber die
Société industrielle de
Mulhausen, der sich in ihrem Bulletin N. 8. S. 222 abgedrukt befindet. Es erhellt
aus demselben, daß die HHrn. Dollfus-Mieg und Nik.
Koͤchlin Bruͤder die besten Oefen in Frankreich
besizen und dafuͤr auch von der Société d'Encouragement zu Paris die
Medaille erhielten, daß es Hrn. Lagier zu Avignon bereits gelungen ist, den Krapp so
zu verfeinern, daß ein Pfund ferner Krappbluͤthe
„(fleur de
grance)“ eben so viel leistet, als 5 oder 6
Pfund des besten Krappes) daß Hr. Kestner eine bessere Bereitungs-Art des
Bleizukers und der brenzeligen Holzsaͤure, Hr. Schwartz eine bessere Bereitung des
fluͤssigen und trokenen Kalkchloruͤres lehrte, so
wie Hr. Mainbourg eine bessere
Methode, Chromsaͤure zu bereiten angegeben hat. Die Société hat zu einer
Statistik der Industrie von Muͤlhausen nicht weniger als
1200 Tabellen entworfen. Sie hat eine Maͤdchenschule
errichtet, in welcher eine Gesellschaft junger Damen 72 arme
Maͤdchen des Abends nach den Feier-Stunden
unterrichtet) sie hat eine Zeichenschule, eine Schule
fuͤr Geometrie fuͤr die Arbeiter
gegruͤndet, und Vorlesungen uͤber Chemie
veranstaltet. Sie besserte die Moralitaͤt ihrer Arbeiter
durch Unterdruͤkung der Lotterie, und sorgte fuͤr
die Erhaltung der Gesundheit derselben. Sie half ihrem
Mitbuͤrger, dem unsterblichen Lambert, am 27. August 1828, zur
Saͤcular-Feier seines Geburts-Jahres, ein
Denkmal errichten. Diese hoͤchst achtbare Gesellschaft
hat sich zeither bis auf 83 Mitglieder vermehrt, von welchen 18
korrespondirende, und 7 Ehren-Mitglieder sind. Hr.
Leonhard Schwartz ging nach Moskau:
ein Verlust fuͤr Muͤlhausen, den
diese Stadt nicht erlitten haben wuͤrde, wenn Rußland so
einfaͤltig gewesen waͤre, wie andere Staaten, und
seine Graͤnzen der Industrie Frankreichs, Englands,
Sachsens und der Schweiz offen gelassen haͤtte, Statt
seine Unterthanen zur Industrie aufzumuntern, und seine Rubel
fuͤr die Cultur seiner Wuͤsten zu sparen. Jedes
Land wird zu Grunde gehen, in welchem das System der freien
Einfuhr der rohen Producte, der Bedingung zur Arbeit auf die
Produkte der Industrie, auf die Arbeit selbst, ausgedehnt wird.
Wenn auch die Einfuhr-Verbote das Schwarzen
beguͤnstigen, so ist doch die Demoralisation, die durch
das Schwarzen entsteht, und uͤber welche die Advokaten
der freien Einfuhr so sehr schreien, bei weitem nicht so groß,
als jene Demoralisation, die dadurch entsteht, daß man
Muͤssiggang und Bettelei im Lande foͤrdert. Was
hat Huskisson fuͤr ein groͤßeres Elend
uͤber England dadurch gebracht, daß er den Einfuhrzoll
auf franzoͤsische Seidenzeuge von 60 p. C. auf 30 p. C.
herabsezte! 10,000 Bettler und Vagabunde hat er geschaffen, die
im Lande umher ziehen und pluͤndern und Blut vergießen!
Und wie schaͤndlich, wie doppelzuͤngig ist nicht
seine Sprache. Ernennt einen Einfuhrzoll von 30 p. C.
Handels-Freiheit, waͤhrend jeder Schwaͤrzer
die sichere Umgehung des Zolles und den ganzen Werth seiner
Schwaͤrzung mit sechszehn
Pro-Cent bei eigenen Assecuranz-Anstalten kann assecuriren lassen. Wenn Hr. Huskisson es mit den Feinden seines
Vaterlandes oder mit seinem Vaterlande ehrlich gemeint haͤtte, so wuͤrde er
entweder den Einfuhrzoll auf 15 oder auf 12 p. C. herabgesezt
haben, wo dann keine Assecuranz fuͤr das Gelingen des
Betruges mehr moͤglich gewesen waͤre, oder er
haͤtte die alte Strafe der Deportation fortbestehen
lassen, gegen die gleichfalls Niemand Assecuranz geben wird.
Solche halbe Maßregeln, die an und fuͤr sich Betrug sind,
fuͤhren zu nichts wie Unheil. England hat jezt dieselbe
Anzahl Schwarzer, die es ehevor hatte, hat
sie sogar noch assecurirt, und hat 10,000 brotlose
Menschen. Jeder ehrliche Mann von geradem Sinne, der
Moralitaͤt nicht bloß im Munde, sondern im Herzen
fuͤhrt, wird gestehen, daß die Moralitaͤt in einem
Lande durch 10,000 Bettler mehr gefaͤhrdet ist, als durch
einige hundert Schwarzer. – Herrlich und vortrefflich,
und wahrhaft das Herz erhebend, ist die Schlußrede des Hrn. Zuber, mit welcher er seinen Bericht
endet: wir bedauern, daß wir sie, beschrankt durch den engen
Raum unserer Blaͤtter, nicht ganz mittheilen
koͤnnen, und sie in die wenigen Worte fassen
muͤssen: „des Menschen erste Pflicht ist Licht
und Wahrheit uͤberall und uͤber Alles zu
verbreiten, kraͤftig und maͤnnlich alles Gute,
und vor allem Liebe zur Arbeit, zu foͤrdern: dann
moͤgen die Freunde der Finsterniß und der mystischen
Taͤuschung, die Geheimnißkraͤmer und die
Privilegien-Jaͤger, die Egoisten aller Classen
ihre Verschwoͤrung gegen die Menschheit noch so fein
gesponnen haben; sie werden unterliegen, unterliegen unter
der Kraft eines einzigen edlen und geraden, festen und
offenen Mannes.“
Ueber den gegenwaͤrtigen Zustand
des Fabrikwesens und des Handels
lesen wir in unseren deutschen
Zeitungsblaͤttern nur dasjenige, was dem
ungluͤkseligen Huskisson'schen Systeme von freier Einfuhr
schmeichelt; nicht aber das, was der erfahrne Fabrikant und
Kaufmann im Parliament uͤber die ungluͤkseligen
Neuerungen spricht, die auf dem Punkte stehen England in den
Abgrund des Verderbens zu stuͤrzen.
Wir moͤgen allerdings uns auf dem festen Lande freuen,
wenn Englands Industrie zu Grunde geht; desto mehr wird die
unsrige sich heben. Indessen ist diese Schadenfreude doch immer
mit dem Schmerzen gepaart, den jeder ehrliche Mann in seiner
Brust fuͤhlen muß, das Beste, das Vollkommenste, das
Hoͤchste, was Genie und Fleiß bisher im Fache der
Industrie auf der weiten Welt hervorzubringen vermochte, so
muthwillig, so gelehrteinfaͤltig vernichtet zu sehen.
Wird es irgend ein Staat jemals so weit im Gebiete der Industrie
bringen koͤnnen, als England es gebracht hat, als England
es noch gebracht haben wuͤrde, wenn man seine weisen
alten Geseze nicht so muthwillig und thoͤricht einer
leeren halbgelehrten Grille geopfert haͤtte? Die
Theo-Philanthropen unserer Tage haben der Menschheit eben
dadurch eine unheilbare Wunde geschlagen, wodurch sie ihr
aufzuhelfen versuchten. Die Fortschritte des menschlichen
Geistes uͤber dem ganzen Erdballe sind gelahmt, sobald
sie dort erstarren) wo sie bisher auf dem hoͤchsten
Punkte standen.
Die Vertheidiger des ungluͤkseligen Huskisson'schen
Systemes, blind gegen das Unheil, das wir uͤber ganz
England verbreitet sehen, stuͤzen sich auf die
Majoritaͤt, die sie im Parliamente finden. Ist es die
Mehrzahl allein, die immer Recht hat? Wissen wir nicht, daß ein
Narr zehn andere macht, und daß folglich, wenn in einer
Versammlung von 300 Menschen nur 20 Narren sind, bald eine
absolute Mehrheit zum Vorscheine kommen wird, die nichts weniger
als auf der Seite der Weisheit ist? „Man sagte einst
dem guten alten Koͤnige, Georg III., um ihn
fuͤr eine gewisse Ansicht zu gewinnen“
– so erzaͤhlt der alte Earl of Westmoreland im
dießjaͤhrigen Parliamente (er war Ohrenzeuge bei der
Unterredung, die er hier anfuͤhrte) –
„daß sogar die beiden ewigen Antagonisten, Pitt und Fox, in dieser Angelegenheit einerlei Meinung
waren. Wenn Pitt, sprach Georg III., einer anderen Meinung
ist, als Fox, so mag irgend einer von beiden Recht haben;
wenn aber beide einerlei Meinung sind, so bin ich, bei Gott!
versichert, daß beide zugleich Unrecht haben.“
Was soll Stimmen-Mehrheit uͤber einen Gegenstand,
der Industrie und Handel betrifft, in einem Parlamente bedeuten,
in welchem die Wahl von zwei Dritteln der Mitglieder erkauft
ist, und in welchem neun Zehntheile von Gewerbe und Handel auch
nicht eine Sylbe verstehen?
Noch ein anderes großes Ungluͤk fuͤr die gesammte
Menschheit ist dieses, daß alle Hoffnung fuͤr freien
Handel mit Ostindien, wie es sich schon aus den ersten Debatten
im Parlamente uͤber denselben ergibt, fuͤr Jahre
hinaus verloren ist, und zwar vorzuͤglich deßwegen, weil
diejenigen ihn vorschlugen, die das Land bereits durch ihre
Vorschlaͤge freier Einfuhr so tief ungluͤklich
gemacht haben, und die bei der Regierung selbst ihren Credit
verloren haben, obschon diese, um sich nicht in ihrem Ansehen zu
schaden, noch immer die Ungereimtheiten aufrecht halten muß, zu
welchen sie sich fruͤher von diesen Aposteln einer
uͤbel verstandenen Freiheit verfuͤhren ließ.
Es ist der Muͤhe werth zu hoͤren, was der schlichte
alte, von der ganzen Welt unabhaͤngige, Alderman von
London, Hr. Waithman, uͤber
den gegenwaͤrtigen Zustand des Fabrikwesens und des
Handels in England am 8. Mai l. J. im Unterhause sprach, nachdem
der Lord-Kanzler der Schazkammer den Budget vorgelesen,
und „den bluͤhenden Zustand
Englands“ geschildert hat.
Er sagteGalignani N. 4422., er size bereits viele Jahre lang im Parlamente und
hoͤre alle Jahre, wann das Budget vorgelegt wird, von dem
bluͤhenden Zustande der Fabriken und des Handels
sprechen. Die Rede Sr. Herrlichkeit sey wunderschoͤn
ausstaffirt, sage aber ungluͤklicher Weise nichts, was zur Sache gehoͤrt.
Es kommt in derselben viel von Ueberfuͤhrung der
Maͤrkte, von bluͤhendem Zustande der Gewerbe und
des Handels, von Zunahme der Capitalien und anderen
schoͤn klingenden Anspielungen vor; er muͤsse aber
fragen: wo denn der zunehmende Wohlstand Englands zu finden sey?
Vielleicht bei der arbeitenden Classe? Diese verhungert jezt.
„Gewerbe und Handel bluͤhten bei uns nur so
lang, als Einfuhr-Verbot Statt hatte. Es ist eine
reine Thorheit, Auslaͤnder ihre Waaren, die wir
selbst besser erzeugen koͤnnen, in unser Land
einfuͤhren zu lassen, und unseren armen
Fabrik-Arbeitern den Bissen Brotes, den sie sauer
genug verdienen muͤssen, vom Munde wegreißen zu
lassen. Es ist unmoͤglich, daß die Armen Arbeit
finden, die Abgaben bezahlt werden koͤnnen, daß
Gewerbe und Handel bluͤhen koͤnnen, wenn man
den Auslaͤnder gegen den eigenen Unterthan in Schuz
nimmt.“ Er will dem Hause folgende officielle Uebersicht uͤber
die Ausfuhr der Producte Englands vorlegen, aus welcher der
gegenwaͤrtige Zustund der Gewerbe und des Handels in
England sich deutlich ergibt.
Ausfuhr der Manufakturen und Produkte
Großbritanniens vom Jahre 1814 bis 1828 inclusive nach
officiellem und declarirtem Werth.
Jahr.
Officieller
Werth. Pfd.
Sterl.
Wirklicher
Werth. Pfd.
Sterl.
Unterschied beider.
Pfd.
Sterl.
Ueberschuß des
wirklichenWerthes uͤber den
officiellen
1814
36,092167
47,851153
11,759286
1815
44,053455
53,217445
9,163990
1816
56,714555
42,942951
6,228398
1817
36,697610
42,955256
6,257646
1818
41,558585
43,626253
2,067668
1819
44,564044
48,903760
4,139716
1820
35,634415
37,339506
1,705091
vom J. 1814 bis 1820
41,521,795 Pfd. Sterl.
1821
40,240277
38,619897
1,620380
1822
40,831744
36,659631
4,172113
1823
44,236533
36,968954
7,269659
1824
43,804372
35,458048
8,346324
1825
48,735551
38,396300
10,339251
1826
40,965735
31,536723
9,429012
1827
52,212880
37,182857
15,036423
1828
52,797455
36,814176
15,983279
vom J. 1820 bis 1828
80,532,795 Pfd. Sterl.
Pfd. Sterl.
Wirklicher Werth uͤber dem officiellen von
1814 bis 20:
41,521795
desgl.
– unter
– desgl.
–
1826
– 29:
83,243769
–––––––––––––
Total-Betrag der
Entwerthung
124,698076So ist's im Original; es scheint aber
fehlerhaft.A. d. U.
Durchschnitt
der jaͤhrlichen Ausfuhr
von
1814 bis 20 –
45,262,375
desgl.
desgl. desgl.
1821 – 28
–
36,462,09
–––––––––––––
Jaͤhrliche Abnahme waͤhrend der lezten 8
Jahre ohne Colonial-Producte.
8,800,356
Durchschnitt der
jaͤhrlichen Ausfuhr
an Colonial- und
fremden
Producten vom Jahre 1814 bis 20
–
14,517,378
Durchschnitt der
jaͤhrlichen Ausfuhr
an Colonial- und
fremden
Producten vom Jahre 1821
– 28 –
9,992,638
––––––––––
Abnahme in den lezten 8
Jahren
4,524,690
Die Abnahme
der Ausfuhr an inlaͤndischen Producten und
Colonial-Artikeln und fremden Producten war
in den lezten 8 Jahren
13,325,046
Die Entwerthung 28 Millionen von 48 Millionen, oder
ungefaͤhr 60 p. C.
„Man sagt nun: der officielle Werth hat von 36
Millionen auf 52 zugenommen. Allein der wirkliche Werth hat
von 47 auf 36 Millionen abgenommen. Man kann sagen, die
traurige Lage unserer Fabriken entstand durch
Ueberfuͤllung des Marktes: wenn man dieß auch zugibt,
kann dieß allein so viele Tausend Stuͤhle still
stehen, so viele Tausend Arbeiter verhungern lassen? In den
lezten 12 Jahren haben wir 120 Millionen Pfd. Sterl. Ausfuhr
eingebuͤßt; auch die Colonial-Artikel stokten,
so wie die fremde Fracht in den lezten 8 Jahren. Die wahre
Ursache von dem ganzen Unheil ist diese, daß die Minister im
Parliament das Volk mit einer Menge falscher Hoffnungen
getauscht haben, waͤhrend in der Wirklichkeit auch
nicht ein einziger Handels-Zweig dem Fabrikanten
ersprießlich war.“ Ihm ist es so klar, wie zwei
Mal zwei vier, daß das Land, wenn es so fort geht, nicht
laͤnger mehr bestehen kann. (Hoͤrt! Hoͤrt!)
„Die Abgaben bleiben dieselben; aber
Haͤuser und Gruͤnde, Capitalien, Waaren und
Erzeugnisse fallen so sehr im Werthe, daß wir jezt in der
That doppelte Abgaben zahlen, waͤhrend der Preis der
Waaren derselbe bleibt, oder vielmehr sinkt, und jener der
Lebensmittel steigt. Die Vorsicht mag es zum Guten leiten,
waͤhrend man zwischen Furcht und einer Hoffnung
schwanken muß, die hoͤchst wahrscheinlich nie in
Erfuͤllung ergehen wird.“ Es thut ihm
leid, wenn er etwas sagen mußte, wodurch das Elend im Lande nur
vermehrt zu werden scheint; aber gerade dieß scheint ihm das
einzige Mittel dieses Elend zu vermindern. „Das Haus
soll sich nur auch geneigt zeigen, die Ursachen dieses
Elendes gruͤndlich zu untersuchen, und Mittel gegen
dasselbe schaffen.“
Waͤhrend dieser gute alte Mann sprach, war das Haus so
ungezogen, daß der Praͤsident es
oͤfters zur Ordnung rufen, und die ehrenwerthen
Mitglieder einladen mußte, auf ihre Baͤnke zu gehen. So
unmaͤnnlich benahm sich, das Parliament vom J. 1829 bei
einer der wichtigsten Verhandlungen, waͤhrend Tausende im
Volke wegen seiner Thorheiten verhungern.
Oberst Davies, ein alter
wuͤrdiger Krieger, nahm nach dem Alderman Waithman das Wort, und sagte seinen
Herren Collegen, daß er sich an ihrer Stelle uͤber die
Unaufmerksamkeit schaͤme, mit welcher sie einen so
wichtigen Gegenstand behandelten. Er fragte sie, „wie
es moͤglich waͤre, mit offenen Augen umher zu
gehen, und das Elend nicht zu sehen, und mit (langen) Ohren
den lauten Jammer nicht zu hoͤren? Im ganzen Lande
sey der Credit dahin; der Mann, dem man ehevor Tausende auf
sein Wort lieh, ist jezt kaum mehr im Stande so viel zu
finden, als er selbst braucht. Capitalisten unterhalten jezt
ihre Fabriken, die ihnen keine Zinsen mehr bringen, nur bloß
deßwegen noch, damit ihre Arbeiter, die ihnen ehevor
dienten, nicht in's Arbeitshaus muͤssen; damit sie
selbst nicht noch mehr Armen-Taxe fuͤr sie
zahlen muͤssen. Wenn der Capitalist nun in einer
solchen Lage sich befindet; wie muß die Lage des armen
Arbeiters seyn, der von demselben abhaͤngt?
„Er sieht rings um sich her nichts wie Elend,
und in der Ferne vor sich die Verzweiflung.“
Der Lord-Kanzler sprach von Allem, nur nicht von den
hohen ungeheueren Abgaben. Diese sind es, die das Ausland in
den Stand sezen, ihre Waaren auf unseren Markt zu bringen;
diese haben die Baumwollen-Manufakturen in Frankreich
und Deutschland errichtet und bluͤhend gemacht; diese
haben den Eisenhandel der Deutschen so hoch empor gebracht,
daß sie uns nicht nur auf neutralem Boden, sondern selbst
auf unserem eigenen aus dem Markte schlagen. Am Ende des
lezten Krieges waren wir die Herren auf allen Markten
Europens; seit dieser Zeit aber sind unsere Abgaben so hoch
gestiegen, daß wir unsere Waaren nur unter so hohen Preisen
liefern koͤnnen, daß das Ausland dadurch gezwungen
wurde der Rivale Englands zu werden. Wir duͤrfen
nicht vergessen, daß die Hoͤhe, auf welcher wir in
der Staatenreihe Europens stehen, eine erkuͤnstelte
ist; daß die Natur uns zu einem Staate der zweiten oder
dritten Groͤße geschaffen hat; daß weder unser Klima
noch unser Boden uns eine Ausdehnung gestattet, durch welche
wir Staaten des ersten Ranges gleich kommen koͤnnen.
Die Groͤße, zu welcher wir emporgestiegen sind, haben
wir durch Gewerbe und Handel erhalten; wenn wir diese nicht
kraͤftig und gehoͤrig unterstuͤzen,
werben wir bald das Schiksal der alten Hollaͤnder und
aller anderen fruͤheren
Handlungs-Voͤlker theilen, deren Groͤße
lediglich auf dem Handel beruhte. Nach der Art, wie wir jezt
unsere Geschaͤfte fuͤhren oder vielmehr
umwerfen, sollte man glauben wir seyen blind geworden gegen
alles, was in Europa in den lezten 14 Jahren geschah. Viele
Voͤlker haben eine bessere, eine freiere Verfassung
erhalten, als die unsrige nicht ist, und selbst in den nicht
constitutionellen Staaten ist ein Volksgeist, der Gewerbe
und folglich auch Handel belebt.“ (Er berechnet
nun die Abgaben anderer Laͤnder im Vergleiche zu jenen
Englands, und findet, daß, waͤhrend in Frankreich 15 fl.
36 kr., in Amerika 6 fl. auf den Kopf kommen, der
Englaͤnder 4 Pfd. Sterl. (48 fl.) fuͤr den
seinigen bezahlen muß.) „Dieß ist hart genug,
„sagt er“; es wird aber, wenn es so
fort geht, noch immer schlechter werden; denn die Abgaben
nahmen in den lezten Jahren im geometrischen
Verhaͤltnisse zu.“
Hr. Attwood, auch ein erfahrner
Staatswirth, bemerkte „daß, wie Alderman Waithman schon fruͤher
zeigte, es ein sehr irriger Schluß ist, wenn der
Lord-Kanzler glaubt, die hoͤhere Ausfuhr im J.
1828 zeige von einem hoͤheren Wohlstande, von einer
hoͤheren Bluͤthe der Fabriken. In diesen
Fehler fallen so viele gnaͤdige Herren, selbst in
einer Zeit, wo unsere Schiffs-Eigenthuͤmer so
laut klagen, daß sie zu Grunde gehen muͤssen. Wie ist
ein solcher Fehlschluß moͤglich? Ich will versuchen
zu zeigen, wie er moͤglich wird, und zwar aus der
neueren Geschichte eines Erwerbszweiges, an welchem mehrere
Mitglieder des Hauses Theil nehmen; aus der Geschichte
unserer Eisenwerke. Sie sollen mich Luͤgen strafen,
wenn ich zu viel behaupte, indem ich sage, daß kein
Erwerbszweig verderblicher fuͤr diejenigen ist, die
denselben betreiben, als Eisenwerke gegenwaͤrtig in
England sind. Nie trug das auf dieselben gewendete Capital
weniger, nie war der Verdienst dabei geringer; wenn die
gegenwaͤrtige Lage unserer Eisenwerke nicht
verbessert wird, so erzeugt England in fuͤnf
Jaͤhren keine Stange Eisens mehr. Und doch
wird gegenwaͤrtig eine ungeheuere Menge Eisens
erzeugt und ausgefuͤhrt: nach den
Ausfuhr-Listen unseres erzeugten Eisens sollte man
glauben, die Eisenwerke muͤßten in einem
hoͤchst bluͤhenden Zustande sich befinden. Nun
ist es aber Thatsache, daß sie alle auf dem Punkte stehen zu
Grunde zu gehen. Die aͤußerst niedrigen Eisenpreise
zwingen die Besizer der Eisenwerke so viel als nur immer
moͤglich zu erzeugen, um nur, wie man zu sagen
pflegt, noch schnaufen zu koͤnnen. Sie vermehren aber
eben dadurch ihr Erzeugniß, und entwerthen dasselbe noch
mehr. Sie treiben Raubbau, nur um Erz genug zu erhalten, und
sie werden, selbst wenn es in der Folge besser gehen sollte,
nicht mehr Erz genug haben: schon jezt ist hier und da der
Vorrath gaͤnzlich aufgearbeitet. Eben so
muͤssen auch unsere Schiffer, wenn sie nicht so
wohlfeil laden wollen, wie Russen und Preußen,
gaͤnzlich zu Grunde gehen; sie gehen aber auch zu
Grunde, wenn sie so wohlfeil laden, wie diese, weil ihre
Schiffe etc. ihnen sechs Mal theuerer zu stehen kommen. Den
deutlichsten Beweis, wie wenig es erlaubt ist, von
vermehrter Ausfuhr auf erhoͤhten Wohlstand der
Fabriken zu schließen, hat Irland geliefert. Kann es ein
ungluͤklicheres Jahr fuͤr irgend ein Land
geben, als das Jahr 1822 es fuͤr Irland gewesen ist?
Und doch war die Ausfuhr aus Irland in diesem Jahre des
Ungluͤkes groͤßer als in keinem anderen, so
lang noch diese Insel im Meere stand; sie uͤbertraf
die Ausfuhr der beiden folgenden Jahre zusammengenommen. Die
Ausfuhr war am groͤßten in Irland, als die Bewohner
dieser Insel von Hunger, Elend und Seuchen beinahe
aufgerieben wurden. Und so ist es jezt in England:
ungeheuere Ausfuhr an Fabrikaten, und unsere Fabrikarbeiter
pluͤndern jeden Brotwagen und verhungern noch dabei.
Wir uͤberschwemmen andere Laͤnder, wo wir
koͤnnen und duͤrfen, mit unseren Waaren, weil
die Noth bei Hause ist. Eine Regierung, die nach
verstaͤndigen Grundsaͤzen handelt,
wuͤrde die Ursachen auszumitteln suchen, die solches
Unheil uͤber das Volk brachten, das seiner Leitung
anvertraut ist. Unsere Regierung aber kuͤmmert sich
um solche Dinge nicht; sie ist in Apathie versunken, und
nimmt eben so wenig Kenntniß von der gegenwaͤrtigen
Lage Englands, als sie ehevor im J. 1822 durch die Lage
Irlands geruͤhrt ward. Die gegenwaͤrtige Lage
unseres Landes ist hoͤchst unnatuͤrlich und
außerordentlich. Wenn alle Elemente des
National-Wohlstandes aus den Angeln gehoben sind;
wenn die Arbeit keinen Lohn, das Capital keine Zinsen mehr
findet, so ist es, denke ich, Zeit, daß das Haus einem so
hochwichtigen Gegenstande mehr Aufmerksamkeit
schenkt.“
Warum geben unsere deutschen Zeitungen uns nicht diese Stellen
aus den Parliaments-Verhandlungen? Warum lassen sie immer
nur Hrn. Huskisson sprechen, und,
wenn seine Meinung in einem bezahlten
Hause durchgeht, diese fuͤr die allein selig machende
gelten? Wollen sie Hrn. Huskisson's
Meinung dem festen Lande mit aller Gewalt aufbinden? Wenn auch
gewisse Laͤnder des Festlandes verdammt vom Schiksale zu
seyn scheinen, nie zu einer Industrie zu gelangen; wenn sie nie
lernen wollten, wie die Industrie in
England zu jener Groͤße emporstieg, die sie erreichte; so werden sie
vielleicht doch lernen wollen, wie
Englands Industrie zu Grabe ging;
und, da heute zu Tage der Krebsgang Sitte ist, wenigstens auf
diese Art vielleicht anfangen wollen die Industrie zu
foͤrdern. Wir haben dem Hukisson'schen Systeme bei seinem ersten Erscheinen,
vor Jahren, in unseren Blaͤttern die Nativitaͤt
gestellt. Unsere Vorhersagungen sind mit dem Blute vieler guten
Menschen, mit dem Verluste von Millionen an Capital, bei den
lezten Auftritten in den Fabrikstaͤdten Englands
beurkundet worden. Wie entschuldigte sich der Elende, der sie
veranlaßte, im Parliamente hieruͤber? „So etwas ist nichts
Neues!“ sprach er. Wenn ein Sultan so
spraͤche, wuͤrde man, mit Recht, ihn verabscheuen;
wenn aber ein Theo-Philanthrop uͤber
Fuͤsilladen, die er hervorrief, sich so aussprechen kann
im Rathsaale eines freien Volkes; wenn er durch seine
Helfers-Helfer (im Chronicle,
Galignan. 4423) um „Truppen! Truppen!“ zur
Ausfuͤhrung des „freien
Handels-Systemes“ schreien
laͤßt, und „jede
Fabriks-Stadt“ zur „bestaͤndigen
Garnisons-Stadt fuͤr
Militaͤr“ machen will (every manufacturing town should be
constantly garrisoned by soldiers): dann darf man nicht
hinter solchen liberalen Ansichten
zuruͤk bleiben; dann muß man, mit dem Examiner, (Galign. a. a. O.) vor Allem empfehlen, „in
jeder Straße einer Fabrik-Stadt eine mit
Kartaͤtschen geladene Kanone mit brennender Lunte
aufzustellen, die Fabrik-Gebaͤude selbst aber
zu unterminiren, damit alle Fabrik-Arbeiter, wenn sie um Brot schreien, das ihnen der Auslaͤnder
stiehlt, in einem Augenblike in die Luft fliegen
koͤnnen.“
Ueber Parkinson's und Crosley's
Patent-Vorrichtung zum Treiben der Maschinen.
Das Repertory of Patent Inventions
gibt in seinem Supplement zum VII.
Bd. S. 414. eine Notiz, uͤber das Patent, welches die
HHrn. Parkinson und Crosley, ersterer Gentleman zu
Barton, Lincolnshire, lezterer
Gas-Apparat-Fabrikant in Cottage-Lane,
City-Road, Middlesex, sich auf eine Vorrichtung zum
Treiben der Maschinen am 1. Aug. 1827 ertheilen ließen. Da diese
Notiz ohne Abbildung ist, so ist sie nicht zu brauchen, indem
die Vorrichtung sehr zusammengesezt ist: sie ist naͤmlich
auf abwechselnde Ausdehnung und Zusammenziehung der Luft
berechnet, und auf Verminderung und Erhoͤhung der
Temperatur derselben in geschlossenen Gefaͤßen. Zum
Gluͤke scheint an dieser Patent-Vorrichtung nicht
viel gelegen zu seyn; denn das Repertory bemerkt hieruͤber selbst S. 448.
„Vor gerade sechs Monaten ließen sich die HHrn.
Robert und Jakob Stirling auf
eine aͤhnliche Vorrichtung ein Patent ertheilen,
woruͤber wir im lezten Bande S. 101. (Polyt. Journ. Bd. XXVII. S. 390.)
Nachricht gegeben haben. Beide Patente haben so viel
Aehnlichkeit mit einander, daß, wenn an den
Patent-Rechten der einen wie der anderen etwas
Bedeutendes gelegen waͤre, diese sehr
gefaͤhrdet werden koͤnnten. Wir haben aber
bereits in unseren Bemerkungen uͤber Stirlings Patent a. a. O.
gezeigt, daß erhizte Luft, als Triebkraft, dem Dampfe weit
nachsteht, und daß es nicht zu erwarten ist, daß
Luft-Maschinen jemals mit Dampf-Maschinen in
Concurrenz treten koͤnnen, indem sie, bei gleichem
Aufwande fuͤr Maschinerie und Feuer-Material,
im Ganzen nur den hundertsten Theil der Kraft einer
Dampf-Maschine besizen.“
Ueber eine Maschine Flachs zu spinnen und
zu verfeinern.
Das Diario mercantil zu Barcelona
erwaͤhnt nach einem Schreiben aus Cadiz einer Maschine,
mittelst welcher man dem Flachse die Feinheit der Baumwolle
geben, und, wie diese, auf der Muͤhle spinnen kann. Es
spricht auch von einer Maschine, den spanischen Ginster (génêt d' Espagne,
nicht Genista
hispanica, sondern Spartium
junceum
Spartiumjunceum wird wegen seiner
wohlriechenden Blumen bei uns in Gaͤrten gezogen,
muß aber im Winter in Stroh eingebunden werden. Ueber
die Benuͤzung dieser Pflanze siehe Boͤhmer's technol.
Geschichte der Pflanzen. Bd. I. S. 532. so fein wie Seide zu verarbeiten. Schon im J. 1788 hat
Don Jos. Serralta zu Soria eine
solche Fabrik errichtet, die sich jezt in der Nahe von Madrid
befindet, auf welcher der Flachs und das Werg kardetscht wird.
Im J. 1794 spann man zu Santjago den Flachs so fein, daß ein
Quentchen 400 Varas (einen Faden von 1200 Fuß Laͤnge)
gab. Man verfertigte daraus sehr feine Battiste fuͤr
Amerika. Zu Cadiz wurde spanisches Leinen-Garn aus
Galicien das Pfd. zu 25 bis 30 Realen verkauft. Man spann sogar
Garn von N. 90., d.h., Garn, von
welchem 84 Gebuͤnde, jedes zu 46 Varas, nur 2 Loth wogen.
Solches Garn wurde in Amerika mit Gold aufgewogen. – Was
den Ginster betrifft, so weiß man, daß Hiéron dem
Archimed befahl, die Schiffsseile aus Spartium
junceum verfertigen zu lassen. Im J.
1769 errichtete man zu Daymiel eine Fabrik zur Verarbeitung
dieses Materiales, zu welcher Karl III. im Jahre 4 772 aus
seiner eigenen Casse 20,000 Piaster hergab. Die daraus
verfertigten Zeuge wurden die Vara zu
4, 5 bis 7 Realen verkauft. Im J. 1774 waren 300 Weiber an
dieser Fabrik bloß mit dem Spinnen des Ginsters
beschaͤftigt. Man weiß heute zu Tage nicht mehr, wie
diese Pflanze behandelt wurde. Der jezt zu Barcelona gesponnene
Ginster liefert Garn von N. 40., und
wird um 8 Realen das Pfd. verkauft. Gaceta de Bayona. 30. Jan. 1829, (Bullet. d. Scienc. technol.
Maͤrz, S. 256.)
Maschine zum Straßenkehren.
Oberst Boaze erfand eine Maschine zum
Straßenkehren, die einem bedekten Karren gleich sieht. Sie wird
von zwei Pferden gezogen. Ein Raͤderwerk treibt ein
Rad mit Besen und ein anderes mit Schaufeln. Nach einem in
Regent-Street angestellten Versuche kehrt diese Maschine
in 10 Minuten 50 Klafter. (Observer.
Galignani. N. 4413.)
Lieut. Wilh. Rodger's verbesserte Anker,
auf welche derselbe sich am 13.
Maͤrz 1823 ein Patent ertheilen ließ, sind, jedoch ohne
Abbildung, im Repertory of
Patent-Inventions, Mai, S. 279. beschrieben, und
ohne Zeichnung unverstaͤndlich. Eine Idee von denselben
kann man sich indessen daraus machen, daß das Repertory bemerkt, diese neuen Anker
seyen jenen des Hrn. G. Hawkes,
worauf dieser im November 1823 ein Patent nahm, (Repertory, new Series, IV. Bd. p. 257. Polytechn. Journ. Bd. XVII. S. 52.) so aͤhnlich, als zwei Anker,
die nach demselben Grundsaze geschmiedet sind, es nur immer seyn
koͤnnen, und daß sie noch aͤhnlicher
waͤren, wenn Hrn. Rodger's
Anker nicht eine hoͤlzerne Seele haͤtte,
waͤhrend jene des Hrn. Hawkes
ganz von Eisen sind. Die Abweichungen der Anker des Hrn. Rodger von jenen des Hrn. Hawkes sind uͤbrigens ganz zum
Nachtheile der ersteren ausgefallen, und leztere verdienen den
Vorzug. Sie werden mit der Hand geschmiedet, und kommen folglich
theuerer, als jene die auf Strekwerken gearbeitet werden.
Das Dampfboth, Potomac,
Capt. Jenkins,
verungluͤkte durch Springen seines Kessels auf James
River. (Galignani N. 4411.)
Ueber S. Clegg's verbesserte Dampfmaschine,
uͤber welche wir im Polyt. Journ. Bd. XXXI. S. 161.
Nachricht ertheilten, liefert das Repertory of Arts Patent-Inventions, Mai, S.
288. eine Recension, aus welcher erhellt, daß die Vorrichtungen
an derselben allerdings originell und neu sind, daß sie aber
nicht brauchbar sind.
Vergleichung der Kraft einer Dampfmaschine
von Hrn. Risler und von den HHn. Peel und Williams.
Hr. Jos. Koͤchlin nahm an einer
Dampfmaschine der HHrn. Risler nach
Woulf's Systeme die Probe mit dem
Zaume vor, und fand, daß sie eben so gut war, wie eine
Dampfmaschine von gleicher Pferdekraft aus der
Werkstaͤtte der HHrn. Peel und
Williams, die nach Bolton und Watts Systeme gebaut war. (Bulletin d. l. Soc. industrielle de Mulhouse, N. 8.
p. 250.)
Neue Art von Kanonen.
Nach dem Scotsman in Galignani N. 4417. lassen die Russen
auf den Carron-Eisengußwerken in Schottland Kanonen
gießen, die die Laͤnge von 64 Pfuͤndern, aber nur
ein Caliber von 1 1/2 Zoll haben. Diese Kanonen muͤssen
ungemein weit schießen.
Versuche mit dem Erdbohrer um
Muͤlhausen.
Wir haben schon oͤfters Gelegenheit gefunden, der Société de Mulhausen
unsere Verehrung zu bezeigen, und freuen uns dieß neuerdings bei
Gelegenheit der Versuche mit dem Erdbohrer wiederholen zu
koͤnnen, welche diese achtbare Gesellschaft unter der
Aufschrift Aperçu
géologique sur les Environs de Mulhouse im 8ten
Stuͤke ihres Bulletin S. 258.
bekannt machte. Es ist um so erfreulicher, hier Wissenschaft auf
Kuͤnste angewendet zu sehen, als dieß leider so selten
geschieht, und Gelehrte gewoͤhnlich es
verschmaͤhen sich zu den Werkstaͤtten
herabzulassen, und Kuͤnstler so oft nicht wissen, was sie
aus dem Gebiete der Wissenschaften fuͤr ihren Bedarf
brauchen koͤnnen. Wir haben oͤfters schon von der
Nothwendigkeit, Versuche mit dem Erdbohrer in verschiedenen
Gegenden anzustellen, in unseren Blaͤttern gesprochen;
wir finden hier unsere Wuͤnsche zuerst von den
ehrenwerthen Fabrik-Besizern zu Muͤlhausen
erfuͤllt. Sie ließen Bohrversuche anstellen,
um zu sehen, ob sie Springquellen erhalten koͤnnten. Bei
dieser Gelegenheit konnten nun nicht nur diese guten Herren
erfahren, was sie bei kuͤnftigen Unternehmungen dieser
Art zu erwarten haben, sondern sie lehrten zugleich auch den
Geologen den Bau der Oberflaͤche der Erde an einem Fleke
derselben kennen, der in geologischer Hinsicht bisher ganz
unbekannt war.
Ueber eine Heizungs-Methode zu
Manchester.
Hr. Gill beschreibt im technolog. and micr. Repos. April,
S. 230 eine Methode, nach welcher Hr. Leigh Phillips seine aus vier Stokwerken bestehende
Baumwollenzeug-Fabrik heizt. In dem untersten Stokwerke,
d.i., zu ebener Erde, ist ein gewoͤhnlicher Ofen aus
Gußeisen, der bis zur Rothgluͤhhize geheizt wird; Statt
daß aber, wie gewoͤhnlich bei solchen Oefen, die Hize
beim Schornsteine hinausfahrt, beugt sich der aus dem Ofen
aussteigende Schornstein an dem Fußboden des ersten Stokwerkes,
und laͤuft, parallel mit diesem, als ein Zug, wir die
sogenannten Zuͤge in einem Glashause, durch die Zimmer
dieses Stokwerkes hin, steigt am Ende derselben senkrecht hinauf
in das zweite Stokwerk, uͤber dessen Boden er wieder eben
so parallel mit demselben fortlaͤuft u.s.f. bis zu dem
lezten Stokwerke, wo der eigentliche Schornstein mit einem
Register angebracht ist. Es war jede Annaͤherung, nicht
bloß Beruͤhrung, des Holzes im Gebaͤude
sorgfaͤltig vermieden, so daß keine Feuers-Gefahr
entstehen konnte. Auf diese Weise wird alle aus dem
Brenn-Materiale im Ofen entwikelte Waͤrme
sorgfaͤltig benuͤzt, und Hr. Phillips ist mit. dieser Heizung sehr zufrieden.
– (Diese Methode kommt der Heizungs-Methode der
Alten, die ihre Gebaͤude durch solche Zuͤge
heizten, sehr nahe, und es ist unbegreiflich, daß sie in den
neueren Zeiten gar nicht benuͤzt wurde, oder
hoͤchstens nur dadurch begreiflich, daß vielleicht, unter
Tausenden der heutigen Baumeister kaum einer den Vitruvius und die Alten las, oder
daß, wenn einer derselben die klassischen Werke dieser
unsterblichen Architekten gelesen hat, dieselben nur las, um
Kirchen und Palaͤste, nicht aber um bequeme Wohnungen zu
bauen. Es waͤre sehr zu wuͤnschen, daß eine
deutsche Uebersezung des Vitruvius,
nach der herrlichen neuen Ausgabe des sel. Grafen Stratonico, unseren Baumeistern in
die Haͤnde gegeben wuͤrde, damit sie lernten, wie
die Alten bauten, und wie man bauen muß, wenn man schoͤn
und bequem und fuͤr die Ewigkeit bauen will. Unsere
heutigen Baumeister bauen, wenn sie auch klafterdike
Waͤnde auffuͤhren, doch nur
Grillenhaͤuser.) A. d. U.
Zunahme des Umfanges des Guß-Eisens
durch wiederholtes Heizen.
Hr. Prinsep entdekte zufaͤllig
bei seinen Versuchen uͤber hoͤhere Temperaturen,
daß Gußeisen durch wiederholtes Hizen eine
bleibende Zunahme seines Umfanges erhaͤlt. Er
fand daß eine Retorte, die bei 80° F. 9,13 Kubikzoll
Queksilber faßte,
nach dem ersten
Feuer
9,64
Kubikzoll,
nach drei Feuern
10,16
–
hielt. Was noch mehr sonderbar ist, ist
der Umstand, daß die Zunahme des Umfanges
der Retorte die Ausdehnung uͤbertrift, die von der
Temperatur abhaͤngt, welcher die Retorte ausgesezt
war. Denn da Eisen bei 180° Fahrenh. sich um
0,0105 ausdehnt, so muͤßte die Zunahme des Umfanges bei
10 Kubikzoll 0,105 × 3 = 0,315 eine Temperatur von
1800° Fahrenh., die Schmelzhize des Silbers, fordern. Die
Ausdehnung des Guß-Eisens ist also nicht
gleichfoͤrmig; ein Resultat, das die HHrn. Dulong und
Petit fruͤher erhielten. (Edinb.
Journ. of Science. Register of Arts. N. 67. S. 302.
(Diese Beobachtung ist auch wichtig bei Dampfkesseln. Erst vor
Kurzem sprang ein Dampfkessel auf den Eisenstrekwerken, Union Rolling Mill, zu Pittsburgh,
und flog, unter einem Winkel von 45° mit dem Horizont, in
einem wunderschoͤnen Bogen 200 Yards (100 Klafter) weit
in den nahe dabei befindlichen Fluß, wo er, bei einem Haare, in
das eben auf diesem Flusse fahrende Dampfboth, Uncle Sam, gefahren waͤre. Mech. Mag. N. 300. 9ten Mai.)
Ueber suͤdamerikanische
Amalgamation
theilt Hr. Gill
in seinem Februar-Hefte des Technologic and Microscopic Repository S. 123 folgende
Notiz mit.
„Capitaͤn Bagnold,
der neulich aus Suͤd-Amerika
zuruͤkkehrte, sagte mir daß die Indianer ihr Gold und
Silber aus den Erzen mittelst Queksilbers ausscheiden, das
sie mit denselben abreiben, und dann, wie
gewoͤhnlich, durch Leder pressen. Das dem
Ruͤkstande noch anklebende Queksilber entfernen sie
auf folgende Weise.“
„Sie fuͤllen ein Gefaͤß mit Wasser und
legen in die Mitte desselben einen Stein, der uͤber
die Oberflaͤche des Wassers, emporragt. Auf diesen
Stein legen sie eine rothgluͤhende Eisenplatte, und
auf diese bringen sie den Klumpen Amalgam, den sie schnell
mit einem umgekehrten irdenen Topf bedeken, dessen Rand sie
in das Wasser eintauchen lassen. Das in Daͤmpfen
aufsteigende Queksilber wird durch das Wasser verdichtet, in
welchem es zu Boden faͤllt, und zu wiederholtem
Gebrauche gesammelt wird.“
„Wenn sie groͤßere Massen dieses Amalgames
erhalten, so formen sie dasselbe wie einen Zukerhut, und
stellen es auf eine uͤber und uͤber
durchloͤcherte eiserne Platte, und sezen ein
Gefaͤß mit Wasser unter dieselbe. Sie stuͤrzen
dann uͤber das Amalgam ein Gefaͤß, das sie mit
seinen Kanten auf die Platte auskitten, und machen
ringsumher uͤber dasselbe Feuer. Das Queksilber, das
auf diese Weise ausgeschieden wird, wird durch das Wasser in
einer destillatio per descensum
verdichtet.“
„Die Indianer betruͤgen hierbei nicht selben
die Kaͤufer. Sie bringen zuweilen Blei mitten in den
Amalgam-Klumpen, oder auch Kupfer. Die Kaͤufer
sind daher gezwungen, die Gold- und Silberklumpen,
die sie von den Indianern kaufen, entzwei zu schneiden, um
sie in ihrem Inneren zu sehenObiges Verfahren haben die Indianer sicher von den
Europaͤern gelernt. Man verfuhr vor 30 Jahren
an den Goldbergwerken in Salzburg gerade so, wie
heute zu Tage diese Indianer.A. d. U.“
Ferdinand de
Fonvielle's,
Patent-Filtrir-Apparat,
worauf derselbe (Kaufmann in Piccadilly,
Middlesex) sich am 26. Maͤrz 1828 ein Patent ertheilen
ließ, ist wie das Repertory of
Patent-Inventions, Mai, 1829. S. 292. bemerkt,
durchaus nicht neu, sondern nur eine Falle fuͤr John Bull.
Ueber die versteinernde Kraft des Wassers
des Irawadi
haben wir im Polytechn. Journale nach dem Edinburgh new philosph. Journal. Sept. 1828 aus Lieut.
Alexander's Travels in the Burman Empire, Lond.
1827, eine Notiz mitgetheilt. Hr. Prof. Buckland berichtigt in demselben Edinburgh Journal, Dec. 1828, nach
genommener Ruͤksprache mit dem beruͤhmten
Botaniker, Professor Wallich, diese
Nachricht dahin, daß kein Wort daran wahr ist, und daß Professor
Wallich sich seinen Thee mit Holz
kochte, das wahrscheinlich mehrere Jahrhunderte im Irawadi
gelegen ist. Soldaten werden, wie Jaͤger, leicht
aberglaͤubisch, wenn sie alt werden, und auf alle
langwierige Kriege ist ein froͤmmelndes Zeitalter
gefolgt.
Der Themse Stollen (Thames Tunnel)
soll, nach dem Plane eines Hrn. Vignolle, von den HHrn. Pritchard und Hoof, die bereits mehrere aͤhnliche Stollen,
z.B. den Hare Castle Tunnel, den Stollen zwischen der Themse und
dem Medway, den Regent's Canal Tunnel in England
gluͤklich ausfuͤhrten, wieder fortgesezt werden.
Ein großer Theil der Actionnaͤrs ist indessen fuͤr
Hrn. Brunel, obschon derselbe mit der
von ihm fuͤr den ganzen Stollen geforderten Summe pr. 230,000 Pfd. Sterl. von 1300 Fuß
Laͤnge, die der Stollen haben soll, erst 600 Fuß, also
kaum die Haͤlfte vollendete. Es wird erst in einem Monate
entschieden werden, welchen Plan man ergreifen wird. (Mechanics' Mag. N. 300. 9ten Mai. S.
203.)
Kosten der Werfte zu Sheerneß.
Diese Werfte kostete England, von ihrer ersten Errichtung bis
jezt an fuͤnfzehn Millionen Pfd. Sterl. (180 Millionen
fl.); die meisten Ausgaben machte das Einrammen der
Pfaͤhle. (Maidstone Gazette.
Galignani. N. 4417.)
Winke fuͤr diejenigen, die sich des
Eichmaßes oder der Schieber-Maßstaͤbe
bedienen.
Die logarithmischen Linien auf den
Schieber-Maßstaͤben gewaͤhren eine
groͤßere Genauigkeit bei Schaͤzung der Werthe der
Zahlen, die zwischen 1 und 2, 10 und 20, 100 und 200 etc.
fallen, als bei jenen zwischen 5 und 6, 50 und 60, und noch mehr
als bei jenen zwischen 9 und 10, 90 und 100, 900 und 1000 etc.
Daher ist es gut, wenn man bei der Arbeit solche
Verhaͤltnisse nimmt, die zwischen 1 und 2, 10 und 20 etc.
auf dem Maßstabe oder auf dem Schieber fallen. Wenn man z.B. bei
ganzer Laͤnge eines Cylinders, mit dem halben gegebenen
Durchmesser arbeitet, so ist das Resultat ein Viertel des wahren Resultates; und wenn man mit
der halben Laͤnge des
Cylinders und dem halben Durchmesser
arbeitet, ist das Resultat ein Achtel des wahren Resultates,
u.s.f.
Man seze nun, der mittlere Durchmesser eines Fasses sey 30 Zoll,
die Laͤnge 38. Wenn man auf die gewoͤhnliche Weise
zu Werke geht, so findet man den Inhalt zu 96, 6
ungefaͤhr, oder 7, Imperial-Gallons. Wenn man aber
mit der Haͤlfte der gegebenen Groͤßen arbeitet, so
erhaͤlt man ein genaustes Resultat. Man seze demnach 19
(die Haͤlfte von 38) auf dem Schieber gegen 18, 79, den
Eichpunkt fuͤr Kreise und Cylinder auf der Linie D; dann gegen 15 (die Haͤlfte
von 30) auf D; so erhaͤlt man
12, 11 auf dem Schieber. Dieß multiplicirt mir 8, gibt 96, 88
Imperial-Gallons als den Inhalt des Fasses. Der wahre
Inhalt, durch Rechnung, ist aber 96,8734 Gallons. (Mechan. Mag. N. 301. 16. Mai. S.
213.) P. M. W.
Goldmuͤnze.
Hr. Brande sagt in seinen Lectures uͤber die englischen
Goldmuͤnzen: „Eilf Theile reines Gold (Standard
Gold) von 19 specif. Schwere geben mit Einem Theile Kupfer
die (englischen) Muͤnz-Legirung fuͤr
Goldmuͤnzen von 17 spec. Schwere. 20 Pfund dieser
Legirung Troy Gewicht
„(das Pfund zu 12 engl. Unzen)“ geben
934 1/2 Sovereigns, oder 15 Pfund geben 700 Sovereigns. Ein
Pfund gab ehevor 44 1/2 Guineen, jezt 46
Sovereigns.“ (Register of
Patent-Inventions a. a. O.)
Schnelligkeit englischer Traber und amerikanischer.
Der lang besprochene Wettlauf im Trotte zwischen dem amerikanischen
Pferde, Rattler, und der englischen
Stute (aus Wales), Miss Turner, hatte
auf der Straße von Cambridge von der zweiten Meilen-Saͤule bis zur zwoͤlften, also auf einer
Streke von zehn englischen (2 1/2
bayersche Post-) Meilen Statt. Es galt nur 40 Guineen
(480 fl.). Der Amerikaner, Rattler,
lief diese Streke in dreißig Minuten und
vierzig Sekunden: „eine nie erhoͤrte
Thatsache in der Geschichte des englischen
Roßfleisches!“ rufen alle englischen
Blaͤtter. Die brave Miss Turner kam nur um Eine Minute
und zwei Sekunden spaͤter: sie war anfangs dem
Amerikaner voraus (der ich auch ohnedieß, nach amerikanischer
Galanterie fuͤr Damen, einen Vorsprung von Einer Minute, oder 300 Klafter,
vorausgab), allein der Amerikaner hatte sie auf halbem Wege
bereits besiegt. Er wuͤrde noch schneller gekommen seyn,
wenn man nicht die Niedertraͤchtigkeit gehabt
haͤtte, ihm, als er durch ein Dorf durchkam, einen
Scharf-Traber an der Seite laufen zu lassen, der ihn bald
in Galopp gebracht haͤtte: sein Reiter mußte alle seine
Kraft zusammen nehmen, um ihn zuruͤk zu halten, und
dadurch litt natuͤrlich die Kraft des Pferdes. Rattler
fiel nie in Galopp; die Stute aber zwoͤlf Mal, und mußte, nach den
Trab-Gesezen, eben so oft gewendet werden. Der
Reitknecht, der den Amerikaner ritt, wog 10 Stone 5 Pfd. mit dem
Sattel; der Reiter auf Miss Turner nur 7 Stone (98 Pfd.) mit
Sattel und Allem; dieser hatte Sporne; jener ritt ohne
dieselben. Das Alter beider Pferde ist so ziemlich gleich,
zwischen 8 und 9 Jahren; beide sind auch ziemlich gleich hoch;
15 Faͤuste und 2 Zoll. Rattler
ist dunkelbraun und etwas struppig; Miss Turner kastanienbraun,
und sehr glatthaarig, von edler Abkunft. Sie ist
gegenwaͤrtig der erste Traber in England; Rattler der
erste in Nord-Amerika, wo er bisher alle Wetten gewann.
Sein Besizer erbietet sich zu jeder Wette von 200 bis 5000 Pfd.
(60,000 fl.) gegen jedes Pferd auf jede Streke im
Reiten oder Fahren. Rattler's
Landsmann, Tom Thumb, brauchte
bekanntlich 10 Stunden zu 100 englischen Meilen, und einer der
besseren englischen Traber zu Lambeth lief 15 Meilen in 55
Minuten. (Herald Galignani. 4410.
Chronicle. Galignani. 4412.)
Ueber die Obstbaumzucht in Italien
finden sich sehr schaͤzbare Notizen
in folgendem Werke: Pomona
italiana, ossia Trattato degli
alberi fruttiferi, contennente la descrizione delle miglori
varietà dei frutti coltivati in Italia, colla loro
classificazione, la loro sinonimia e la loro coltura,
accompagnato da figure disegnate e colorite sul vero, e
preceduto da un Trattato elementare di pomologia. Opera del
Conte
Gallesio. Fol. Pisa. 21–22 Dispensa. Lire 37
ital. la dispensa.
Litteratur.
Deutsche.
Wenn in der neueren Zeit besonders in Deutschland die
trefflichsten Lehr- und Handbuͤcher der reinen
(theoretischen) Chemie erschienen sind, waͤhrend ein
dem gegenwaͤrtigen Zustand der technischen Chemie
angemessenes Handbuch noch immer mangelt, so kann dieses
wohl nur dadurch erklaͤrt werden, daß sich selten bei
einem Gelehrten alle diejenigen Umstaͤnde vereinigen,
welche die Bearbeitung eines solchen Werkes erheischt. Dumas, Professor der technischen
Chemie am Athenaͤum zu Paris, ist gegenwaͤrtig
mit der Herausgabe eines Handbuchs der angewandten Chemie
beschaͤftigt und es ist kein Zweifel, daß sich von
diesem, durch seine genialen Arbeiten im Gebiete der reinen
Chemie beruͤhmten Chemiker, welchem solche
Huͤlfsmittel, wie sie die Hauptstadt Frankreichs
darbietet, zu Gebote stehen, etwas Ausgezeichnetes erwarten
laͤßt. Obgleich bis jezt nur ein kleiner Theil seines
Traité de Chimie
appliquée aux Arts erschienen ist, so
ersieht man daraus doch so viel, daß er vorzuͤglich
bemuͤht ist, auf eine rationelle Praxis hinzuarbeiten
und dem Praktiker sowohl das Wichtigste aus der reinen
Chemie klar auseinanderzusezen, als auch die
mannigfaltigsten Anwendungen, welche in der neueren Zeit von
der Chemie gemacht wurden, zusammenzustellen. Wir behalten
uns vor, auf dieses Werk, nachdem der groͤßere Theil
vollendet seyn wird, spaͤter zuruͤkzukommen
und wollen jezt nur eine Vergleichung der beiden davon in
Deutschland erscheinenden Uebersezungen anstellen; die eine
derselben fuͤhrt den Titel:
J. Dumas, Handbuch der angewandten
Chemie. Aus dem Franzoͤsischen von Dr.
Friedrich Engelhart. (1ste
Lieferung mit Bogen 1–10 des Textes und den Tafeln 3,
4, 6 und 7.) Nuͤrnberg, bei Joh. Leonhard Schrag 1829.
Die zweite:
Handbuch der auf Kuͤnste und
Gewerbe angewandten Chemie von Dumas. (Erste Lieferung, Bogen
1–10 des Textes enthaltend, nebst Atlastafel
1–8.) Weimar, im Verlage des Landes-Industrie-Comptoirs.
1829.
Der (ungenannte) Uebersezer des in Weimar verlegten Handbuchs hat in vielen
Faͤllen zu getreu uͤbersezt, indem er selbst
die im Originale befindlichen Fehler in's Deutsche
uͤbertrug. Belege hiezu finden sich in seiner
Uebersezung:
S. 3. wo die Zahl der Elementarstoffe zu 51 angenommen wird,
waͤhrend dieselbe jezt bekanntlich doch 52 ist;
S. 9. wiederholt sich derselbe Fehler, waͤhrend doch
zugleich die 52 Grundstoffe unmittelbar darauf namentlich
aufgefuͤhrt sind.
S. 65. am Ende von Nr. LXXI. wird
das Arsenik unter den nicht metallischen Koͤrpern
aufgezahlt, ohne daß erklaͤrt wird, warum? –
was natuͤrlich dem in der Chemie minder bewanderten
Leser raͤthselhaft erscheinen muß. In der
Engelhart'schen Uebersezung wird davon gehoͤrig
Rechenschaft gegeben.
S. 68. LXXIII. Bei Aufzaͤhlung der nicht metallischen
Elementarstoffe nach ihrer elektrischen Reihenfolge fehlt
dem Wasserstoff gegenuͤber der Schwefel zwischen Jod
und Selen. Es findet sich derselbe im Original zwar nicht,
indem er offenbar aufzufuͤhren
uͤbersehen wurde, allein der denkende Uebersezer muß
auf solche Fehler aufmerksam machen und in solchen
Faͤllen zufuͤgen, was dem Original
mangelt.
S. 67. Z. 12. wird gesagt, daß die Sauren des Stikstoffs zwei Mal weniger Basis
saͤttigen, als die Sauren des Phosphors und Arseniks.
Dieser Ausdruk ist so unbestimmt, daß man nicht einsieht,
was damit gemeint ist. In der Engelh. Uebersezung ist dieß
scharf bestimmt, daß naͤmlich die
Stikstoffsaͤuren nur die Haͤlfte der
Bastsmenge neutralisiren, welche zur Neutralisation der
Phosphor- und Arseniksaͤuren erforderlich
ist.
S. 81. In der daselbst befindlichen Tafel finden sich
Verschiedenheiten in den Zahlenangaben in beiden
Uebersezungen. In der 4ten Columne 8te Reihe finden wir in
der Weimar'schen Uebersezung 622,32, in der Engelhart'schen
dagegen 628,32, in der 6ten Columne 9te Reihe in der
ersteren Uebersezung 781,26 und in der lezteren 741,26. Bei
Vergleichung dieser Zahlenwerthe mit den im
franzoͤsischen Originale stehenden finden wir zwar
die Angaben der Weimar'schen Uebersezung richtig, als wir
aber zur Entscheidung das citirte Diction. technolog. zur Hand nahmen, fand sich,
daß die Engelhart'sche Uebersezung die Zahlen richtig hat,
obgleich sie im Originale falsch angegeben sind; bei der
zweiten Zahl faͤllt es ohnedieß sogleich in die
Augen, daß sie nicht 781,26 seyn kann, da 836,29 –
95,03 = 741,26 ist.
S. 82. Unten in der Anmerkung muß die fuͤr das Volumen
der Kugel angegebene Formel V =
πD³/6, und
nicht V = πD³/6,
heißen, wie faͤlschlich im Original und in der
Weimar'schen Uebersezung steht, aber in der Engelhart'schen
richtig verbessert ist.
S. 94. findet sich in der Hallstroͤm'schen Tafel in
der 4ten Columne 8te Reihe v. o. ganz derselbe Fall, indem
es naͤmlich in der Weimar'schen Uebersezung
faͤlschlich 1,0000355 und dagegen in der
Engelhart'schen richtig 1,0000555 heißt.
S.–––
102. (31)117. ganz
unten118. Z. 6. von unten119. Z. 4. von
oben
wird in der Weimar'schen
Uebersezung das Wasseratom zu 112,48
angenommen, waͤhrend S. 129. unten
dasselbe halb so groß oder = 56,24 gesezt
wird.
Auch im Originale finden wir diese Inconsequenz, obgleich
sich der Verfasser S. XXXIX. (oder S. 35 der Weim. Uebers.)
sehr bestimmt erklaͤrt: chaque
atome d'eau se compose donc, d'un atome entier
d'hydrogène et de la moitié d'un atome
d'oxigène. Hr. Dr.
Engelhart hat diese Inconsequenz vermieden, und man
findet durchaus ganz consequent das Atom Wasser = 56,24
gesezt.
Derselbe Fall wiederholt sich bei der
Chlorwasserstoffsaͤure S. 127 und 129 der Weim.
Uebers., indem naͤmlich die Zahl 227,564 als 1 Atom
betrachtet wird, waͤhrend es doch offenbar 2 Atome
seyn muͤssen, wie schon S. 118. richtig steht und in
der Engelh. Uebers. allenthalben uͤbereinstimmend
gesezt wurde.
S. 119. Z. 4. von unten, heißt es in der Weim. Uebers. 2
Atome Schwefelsaͤure und in der Engelhart'schen
dagegen 1 Atom. Lezteres ist offenbar richtig, obgleich das
franzoͤsische Original auch irrig 2 Atome angibt.
Diese und aͤhnliche Thatsachen koͤnnen
beweisen, daß Hr. Dr.
Engelhart mit mehr Sorgfalt zu
Werke geht und bemuͤht ist, dem deutschen Publikum
nicht etwa nur eine getreue woͤrtliche Uebersezung,
sondern eine correcte Bearbeitung
des franzoͤsischen Originals zu geben. Er hat
außerdem den Vortheil, daß er von dem Verfasser des Werkes
selbst noch mit Zusaͤzen fuͤr seine deutsche
Uebersezung versehen wird. Auch finden wir Druk und Papier
der bei Hrn. Schrag verlegten
Uebersezung besser als bei der Weimar'schen.