Titel: | Ueber eine unzerstörbare Tinte, von Hrn. Heinrich Braconnot, Correspondent des französischen Instituts. |
Fundstelle: | Band 33, Jahrgang 1829, Nr. XXXVIII., S. 105 |
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XXXVIII.
Ueber eine
unzerstoͤrbare Tinte, von Hrn. Heinrich Braconnot, Correspondent des franzoͤsischen
Instituts.
Aus den Annales de Chimie et
de Phys. 1829, Bd. 40. S. 219.
Braconnot, uͤber eine
unzerstoͤrbare Tinte.
Da die gewoͤhnliche Tinte sehr schnell zerstoͤrt
wird, so hat man zu Privat- und Staats-Acten schon
laͤngst eine Tinte gewuͤnscht, welche der Zeit und
den wirksamsten chemischen Agentien widerstehen kann;
ungluͤklicherweise haben jedoch die Versuche, die bis auf
diesen Tag angestellt wurden, um eine Aufgabe zu loͤsen,
welche die ganze menschliche Gesellschaft interessirt, wie es
scheint, nichts Genuͤgendes dargeboten. Als ich mich mit
Hrn. Parisot aus Nancy mit Versuchen
uͤber die Faͤrberei beschaͤftigte, in der
Absicht dunkle, solide und wohlfeile braune Farben
hervorzubringen, erhizten wir mehrere organische Substanzen mit
Potasche auf dieselbe Art, wie ich fruͤher mit den
Saͤgespanen verfuhr, um kuͤnstlichen Moder zu
erhaltenDer Verfasser erhizte naͤmlich 1 Theil
Saͤgespane mit 1 Theil Kalihydrat und wenig
Wasser in einem Silbertiegel unter bestaͤndigem
Umruͤhren, bis auf ein Mal die Masse weich wurde,
und die Spaͤne sich unter Aufschaͤumen
aufloͤsten, worauf er den Tiegel sogleich vom
Feuer nahm, Wasser zusezte u.s.w.A. d. R.: wir fanden daß die Resultate nach der Natur der
angewandten Substanzen verschieden waren; so konnten wir mit den
Substanzen, die wenig Stikstoff enthalten, auf die Zeuge nur ein
wenig dunkle Farbe befestigen, welche durch alkalische Laugen
groͤßtentheils wieder verschwand, waͤhrend wir mit
den thierischen Substanzen, wie Haaren, Leder, Horn u.s.w., viel
dunklere Farben erhielten, welche schon den Vortheil hatten, den
Alkalien, zu widerstehen. Da wir vermutheten, daß dieser
Unterschied von dem in den thierischen Substanzen enthaltenen
Stikstoff oder Schwefel herruͤhren koͤnnte (und
uns uͤbrigens erinnerten, daß nach Fourcroy's Angabe das Schwefelkalium die Kohle
aufloͤst), so kamen wir auf den Gedanken, dem zu
roͤstenden Gemenge aus thierischer Substanz und
Potasche, Schwefelblumen zuzusezen, und wir konnten nun auf den
Zeugen einen dunkel kastanienbraunen Farbestoff befestigen,
welcher solider als alle anderen in der Faͤrberei
bekannten Farben ist. Es war mir sogleich wahrscheinlich, daß
dieser Faͤrbestoff eine unzerstoͤrbare Tinte
wuͤrde abgeben koͤnnen, was auch die damit
angestellten Versuche, welche ich unten angeben werde,
vollkommen bestaͤtigten. Ich will jezt die
Verfahrungsweise und die Verhaͤltnisse angeben, welche
mir zur Darstellung dieser unzerstoͤrbaren Tinte am
geeignetsten schienen.
20 Grammen Danziger Potasche, welche zuvor in kochendem Wasser
aufgeloͤst worden waren, versezte ich mit 10 Grammen
gehoͤrig zertheilter thierischer SubstanzAls solche wandte ich Lederabschnizel an, welche ich
gerade bei der Hand haͤtte. Mit diesem Ausdruk
bezeichnen die Gerber die ungleichen Theile der Haute,
die sie mit einer Art Messer abschneiden; sie wenden sie
entweder zum Duͤngen oder als Brennmaterial
an.A. d. O., und 5 Grammen Schwefelblumen; ich ließ Alles in einem
gußeisernen Kessel bis zur Trokniß einkochen und erhizte
denselben unter bestaͤndigem Umruͤhren der Masse
noch staͤrker, bis sich die Substanz erweichte, wobei ich
jedoch stets eine Entzuͤndung derselben zu vermeiden
suchte; nachdem ich sodann allmaͤhlich die
gehoͤrige Quantitaͤt Wasser zugesezt
haͤtte, filtrirte ich durch eine schlaffe Leinwand; ich
erhielt eine sehr dunkle Fluͤssigkeit, welche man, so
lange man will, ohne daß sie sich veraͤndert, in einer
Flasche aufbewahren kann, wenn man nur die Vorsicht gebraucht,
sie so viel als moͤglich immer verkorkt zu halten, was
ihre Anwendbarkeit nicht beeintraͤchtigt, weil man mit
einer Feder, welche nur Einmal in diese Fluͤssigkeit
getaucht wurde, eine oder zwei Quartseiten schreiben kann.
Uebrigens besizt sie alle Eigenschaften, welche man von einer
unzerstoͤrbaren Tinte verlangen kann; sie fließt viel
besser, als die gewoͤhnliche Tinte, enthaͤlt keine
darin suspendirten Substanzen und widersteht den
kraͤftigsten chemischen Agentien, wie man aus folgenden
Versuchen ersieht.
Als man einen mit dieser Fluͤssigkeit beschriebenen
Papierstreifen mit einer kochenden concentrirten
Aufloͤsung von Aezkali behandelte, wurde er großenteils
zerzstoͤrt; aber die Papierstuͤkchen, welche der
Zerstoͤrung entgangen waren, zeigten die Schriftzeichen
ganz unversehrt. Ein mit derselben Fluͤssigkeit
beschriebenes Papier wuͤrde einen Augenblik in
maͤßig concentrirte Schwefelsaͤure getaucht und
loͤste sich darin zum Theil auf, in dem es in einen
gummigen Zustand uͤberging, aber auf dem
unaufgeloͤst gebliebenen und sehr duͤnn gewordenen
Papiere koͤnnte man die Schrift noch wie zuvor lesen.
Concentrirte Salpetersaͤure veraͤnderte die mit
dieser Fluͤssigkeit auf Papier geschriebenen Buchstaben in
24 Stunden nicht, nicht einmal als sie so weit erwaͤrmt
wurde, daß sie das Papier nicht ganz zerstoͤrte.
Ein anderes mit dieser Fluͤssigkeit beschriebenes Papier
wurde einige Zeit lang in eine starke mit Salzsaͤure
vermischte Aufloͤsung von Chlorkalk gelegt und dann 24
Stunden lang in eine aͤzende Kalilauge getaucht, worauf
man Alles zur Trokniß einkochte und in Wasser wieder aufweichte;
es blieb nach dieser Einwirkung des Chlors und des Kalis nur ein
kleines Stuͤk Papier zuruͤk, auf welchem die
Buchstaben sehr deutlich waren.
Wenn ich mich nicht taͤusche, so kann diese
Fluͤssigkeit mit allem Recht eine unzerstoͤrbare
Tinte genannt werden, weil sie den maͤchtigsten
Reagentien widersteht; ich empfehle sie also dem Publikum mit
VertrauenIn den Ann. de Chim. et de
Phys. April 1829, S. 439. bemerkt Hr. Braconnot, daß er sich
hinsichtlich dieser Benennung uͤbereilt und jezt
durch neue Versuche gefunden habe, daß diese Tinte den
Namen unzerstoͤrbare
nicht verdiene, weil die damit geschriebenen Buchstaben
durch abwechselnde Einweichung in Chlor und Kali
wirklich zerstoͤrt werden..
Dieselbe Fluͤssigkeit wird auch, wie ich nicht zweifle,
mit dem groͤßten Vortheil in der Faͤrberei
angewandt werden koͤnnen, um auf Baumwolle, Hanf, Leinen
und Seide ein mehr oder weniger dunkles Kastanienbraun
hervorzubringen, oder um andere Farben zu braͤunen; sie
wird in dieser Beziehung sowohl den braunen Farben, welche man
durch Eisen hervorbringt, die aber bisweilen an der Luft gelb
werden, als auch den durch Ruß erzielten (welcher in einigen
großen Fabriken noch in Gebrauch ist, obgleich er nur eine
fluͤchsige Farbe gibt) bei weitem vorzuziehen seyn.
Ich habe auch gefunden, daß ein Zeug, welcher durch ein Eisensalz
vorlaͤufig rostgelb gefaͤrbt wurde, in derselben
Fluͤssigkeit eine dunklere Farbe annimmt, als wenn er
vorher nicht mit einem Eisensalze getraͤnkt worden
war.
Uebrigens brauche ich nicht erst zu bemerken, daß diese
unzerstoͤrbare Tinte auch ohne alle andere Beimischung
mit dem besten Erfolg angewandt werden kann, um die Leinwand
unauswischbar zu zeichnen.
Nancy den 1. April 1829.