Titel: | Ueber die Schläge zum Sprengen des Eises nach Hrn. Glück's Erfindung. Auszug einer von Hrn. Engelmann an der Société industrielle zu Mülhausen am 27. März 1829 gehaltenen Vorlesung. |
Fundstelle: | Band 33, Jahrgang 1829, Nr. LXXXVIII., S. 378 |
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LXXXVIII.
Ueber die Schlaͤge zum
Sprengen des Eises nach Hrn. Gluͤck's Erfindung. Auszug einer von Hrn. Engelmann an
der Société industrielle
zu Muͤlhausen am 27. Maͤrz 1829 gehaltenen
Vorlesung.
Im Bulletin dieser
Gesellschaft. N. 9. S. 352.
Mit Abbildung auf Tab. VII.
Gluͤck, uͤber das Sprengen des
Eises.
Im Winter 1788 und 89, wo eine Kaͤlte von 17° R. zu
Muͤlhausen 3 Schuh dikes Eis bildete, und alle
Bruͤken und Muͤhlenwerke dieser Stadt in Gefahr
waren beim Eisstoße vernichtet zu werden, kam Hr. Gluͤck, in der
gegruͤndeten Ueberzeugung, daß die gewoͤhnlichen
Mittel nichts zur Rettung vermoͤgen, auf die
gluͤkliche Idee, die sogenannten Schlaͤge (marrons) der Feuerwerker unter das
Eis zu bringen, und die Eisdeke mittelst derselben zu sprengen.
Er stellte Versuche an; sie gelangen. Er zeigte dem Magistrate
dieselben an; man schenkte ihm keinen Glauben. In Gewißheit
seiner Sache versah er sich indessen fuͤr den in
Baͤlde kommenden Eisstoß mit der noͤthigen Menge
von Schlaͤgen. Am 17. Jan. 1789 fing das Eis an zu
treiben. Eine ungeheuere Scholle von 2 1/2 Fuß Dike
staͤmmte sich an der Bruͤke und drohte, im Vereine
mit anderen, die sich an ihm aufhaͤuften, die
Zerstoͤrung der Bruͤke. Alle Mittel waren
vergebens. Endlich kam Hr. Gluͤck, fuͤhrte einen Schlag unter die
große sich staͤmmende Scholle, gab Feuer, und die Scholle
zersprang in zahllose kleine Stuͤke, die nun ruhig unter
der Bruͤke durchzogen. Allgemeiner Beifall war der erste
Dank, und der Magistrat selbst bot nun willig die Hand zu Allem,
was Hr. Gluͤck fuͤr
nothwendig erachtete, um die weitere Gefahr zu beseitigen.
Mittelst Anwendung der Schlaͤge ging dieser furchtbare
Eisstoß gluͤklich voruͤber, und der große Rath der
kleinen Republik Muͤlhausen erkannte Hrn. Gluͤck den
oͤffentlichen Dank.
Seit dieser Zeit, seit 40 Jahren also, wurde Hrn. Gluͤck's Methode, so oft
Gefahr vom Eisgange zu Muͤlhausen drohte, mit dem besten
Erfolge angewendet.
Im J. 1821 wollte die Société d'Encouragement zu Paris einen
Preis auf die beste Methode zum Sprengen des Eises ausschreiben.
Man theilte der Gesellschaft Hrn. Gluͤck's Verfahren mit, und einige Zeit darauf
wuͤnschte der Minister des Inneren zu wissen, wie viel
Hr. Gluͤck fuͤr
Bekanntmachung seines Verfahrens verlangte, das damals noch
Geheimniß war. Hr. Gluͤck
verlangte nur 6000 Franken.
Im J. 1823 wurde vom Minister des Inneren eine Commission ernannt, die dieses Verfahren pruͤfen und versuchen
sollte. Die Commission stellte aber diese Versuche nicht in
fließendem Wasser unter großen Eisschollen, sondern an einer
Eisdeke an, die auf dem Grunde aufsaß und uͤberall an dem
Ufer angefroren war. Ihr Bericht war also hoͤchst
mangelhaft, und der Berathungs-Ausschuß des Ministeriums
des Inneren zweifelte, ob dieses Verfahren an großen breiten
Fluͤssen mit Vortheil angewendet werden koͤnnte.
Es wurde Hrn. Gluͤck nur eine
Entschaͤdigung von 1200 Franken zuerkannt, und die Société
d'Encouragement sandte ihm einstweilen ihre silberne
Medaille.
Waͤhrend die mangelhaften Versuche der Commission nur
Zweifel in das Ministerium brachten, hatte Hr. Gluͤck das Vergnuͤgen,
der Stadt Muͤlhausen neue Dienste durch seine
Spreng-Methode zu leisten.
Es ist demnach durch vierzigjaͤhrige Erfahrung erwiesen,
daß Hrn. Gluͤck's Methode,
wenn sie auch auf groͤßeren Fluͤssen in der
Anwendung sich schwieriger zeigen sollte, auf mittleren
Fluͤssen und auf Canaͤlen von entschiedenem Nuzen
ist, und da es nun mehr kleinere Fluͤsse gibt, als große,
und Muͤhlenwerke und Fabriken vorzuͤglich an
diesen gelegen sind; da auf kleineren Fluͤssen die
Bruͤken schwaͤcher sind, und die Joche enger
stehen, diese Bruͤken folglich weit mehr Gefahren beim
Eisgange ausgesezt sind, auch diese kleineren Fluͤsse und
Canaͤle weit oͤfter sich mit einer Eisdeke
bekleiden, als große Stroͤme; so wird Hrn. Gluͤck's Methode immer von
großem Nuzen seyn, und die Société industrielle haͤlt es
daher fuͤr zwekmaͤßig, diese Methode bekannt zu
machen und genau zu beschreiben.
Hrn. Gluͤck's Schlaͤge
bestehen aus einer Huͤlle von starkem Papiere, die mit
Pulver gefuͤllt und mit Bindfaden in mehreren Lagen
umwikelt ist. Ein solcher Schlag, der 1 1/2 Unzen (3 Loth)
Pulver faßt, kostet 70 Centim. und sprengt Eisschollen von zwei
Fuß DikeBeim Eisstoße im Jahre 1829 brauchte man zu
Muͤlhausen 20 solche Schlaͤge, die der
Stadt 14 Franken kosteten. Bei großen Eisstoͤßen
koͤnnen die Kosten bis auf 200 Franken
steigen.A. d. O..
2 Unzen Pulver
sprengen
3 Fuß dike
Eisschollen und
kosten
90 Cent.
3
–
–
4
–
–
–
1 Frk.
20 Cent.
Um nun diese Schlaͤge unter das Eis zu bringen, bedient
man sich einer Stange, Fig.
3., von einer nach der Entfernung der Scholle bemessenen
Laͤnge, die an ihrem oberen Ende mit einem eisernen
gekruͤmmten Staͤbchen versehen ist, das 3 bis 4
Fuß lang und 3 Linien dik ist. Ein Mann, der diese Stange
fuͤhrt, begibt sich mit derselben an der vom Eise
bedrohten Stelle so nahe als moͤglich an die
Oberflaͤche des Wassers. Ein zweites Individuum, das die
Schlaͤge und eine brennende Lunte
traͤgt, stellt sich in eine Entfernung, die
ungefaͤhr der Laͤnge der Stange gleich ist. In dem
Augenblike, wo irgendwo eine Eisscholle sich anlegt und den
gewoͤhnlichen Brechungs-Mitteln widersteht, stekt
man die Spize des Staͤbchens in die Bindfaden, die den
Schlag umhuͤllen, so, daß die Zuͤndroͤhre
gegen die Stange gekehrt ist, damit sie sich nicht verschiebt,
wenn man den Schlag unter das Eis bringt. (Fig.
4.) Nun wird die Zuͤndroͤhre
angezuͤndet, und der Schlag augenbliklich von demjenigen,
der die Stange fuͤhrt, unter die Eisscholle gebracht, und
zwar so viel moͤglich in die Mitte derselben, und so, daß
er die Eisscholle beruͤhrt (Fig.
5.); denn wenn: der Schlag bloß im Wasser plazte,
wuͤrde die Wirkung nothwendig viel schwaͤcher
seyn. In wenigen Augenbliken wird nun der Schlag unter dumpfem
Krachen die Scholle sprengen, und zwar in so kleine
Stuͤke, daß sie unter den Bruͤken oder an den
Muͤhlen mit aller Sicherheit durchziehen
koͤnnen.
Wo es die Verhaͤltnisse des Ortes gestatten, kann man
auch, um dem Stoße einer heranschwimmenden Scholle zu begegnen,
derselben mit einer Stange entgegen kommen, und sie sprengen,
ehe sie anfaͤhrt.
Um Hrn. Gluͤck's Verfahren auf
großen Stroͤmen anzuwenden, koͤnnte man
laͤngs der Bruͤken an den Jochen, oder wo sonst an
einem Wasserbaue Gefahr droht, ein Geruͤst herablassen,
auf welchem ein paar Maͤnner nahe genug an die
Oberflaͤche des Wassers kaͤmen, um sich der
Methode des Hrn. Gluͤck mit
aller Bequemlichkeit zu bedienen. Fig.
1. In manchen Faͤllen wuͤrde man auf
breiten, nicht reißenden Fluͤssen Bothe benuͤzen
koͤnnen, die sich an die schwimmenden Schollen anlegen
und diese sprengen koͤnnten, wie in Fig.
2. Die Erfahrung wird vielleicht noch andere Anwendungen
dieser Methode auf großen Fluͤssen lehren.
Hrn. Gluͤck wurde am 24. April
die Medaille zuerkannt.
Nachtrag.
Ein Mitglied der Société hat, seit Hr. Engelmann vorstehende Abhandlung
vorlas, einige Versuche mit den Zuͤndroͤhren zu
diesen Schlaͤgen angestellt, und gefunden, daß fein
gepuͤlvertes Schießpulver, so wie die meisten
uͤbrigen Zuͤnd-Compositionen der
Feuerwerker, wenn sie in papiernen Roͤhren gut
zusammengedruͤkt werden, unter Wasser gut brennen, und
daß das Wasser ihrem Brennen keinen Eintrag thut.
Fein gepuͤlvertes Schießpulver, das sehr lebhaft brennt,
taugt fuͤr kleine Zuͤndroͤhren, die nur
eine Eine Linie breite Oeffnung haben. Wenn man das Brennen
derselben langsamer machen will, darf man nur Holzkohle oder
Salpeter zusezen. Die gewoͤhnlichen
Zuͤndroͤhren der Schlaͤge, mit 1 1/2
– 2 Linien Weite, und 18 Linien bis 2 Zoll Laͤnge, dienen eben so gut, wenn man 1 Theil
Schießpulver, 1/2 Theil Holzkohle, oder 1 Theil Schießpulver, 1
Theil Salpeter, und 1/2 Theil Kohle nimmt.
Wenn man des Erfolges immer vollkommen sicher seyn will,
muͤssen 1) alle Ingredienzen moͤglichst fein
gepuͤlvert werden. Man muß also den Salpeter schmelzen,
um ihn fein puͤlvern zu koͤnnen, und Kohle von
hartem Holze waͤhlen. Kohle von Haselnuͤssen
scheint am besten zu taugen; 2) muß die Masse so gleichartig als
moͤglich seyn; 3) muͤssen die papiernen
Roͤhren mit der groͤßten Sorgfalt verfertigt
werden; 4) muß der Zuͤndstoff stark und
gleichfoͤrmig in der Roͤhre
zusammengedruͤkt werden; 5) muͤssen die beiden
Enden der Lunte oder Zuͤndroͤhre mit Pulver
geschlossen werden, das man in Weingeist anmachte. (Aus dem Bulletin de la Société
industrielle de Mulhausen. N. 10. S. 463.)