Titel: | Filtrir-Gebäude der Chelsea-Wasser-Compagnie bei London. |
Fundstelle: | Band 34, Jahrgang 1829, Nr. LI., S. 207 |
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LI.
Filtrir-Gebaͤude der
Chelsea-Wasser-Compagnie bei London.
Aus dem Mechanics' Magazine. No. 307. 27. Jun. S.
606.
Mit Abbildung auf Tab.
IV.
Filtrir-Gebaͤude der
Chelsea-Wasser-Compagnie bei London.
Die Roͤmer tranken nur 400 Jahre lang nach Erbauung ihrer Stadt das
truͤbe Wasser des gelben Tiber-Flusses; schon im fuͤnften Jahrhunderte bauten sie
Wasserleitungen, die ihren Bedarf an Wasser aus koͤstlichen Quellen und
klaren Baͤchen uͤber Berg und Thal nach der damals noch kleinen Roma
fuͤhrten. Spaͤter erstrekten sich die Wasserleitungen der damaligen
Hauptstadt der Welt auf 15 bis 20 deutsche Meilen, und 315 Millionen Pfund reines
Bergwasser stroͤmten taͤglich in den herrlichsten Aquaͤducten
durch dieselbe.
Vor 200 Jahren, als noch einiger alter roͤmischer Geist in England wehte, und
London kaum den vierten Theil der heutigen Bevoͤlkerung zahlte, verband der
edle Sir Hugh Middleton mit ungeheuerer Muͤhe und
Auslage zwei Fluͤßchen in Hertfortshire, und leitete sie, ungeachtet aller
Hindernisse der Zuͤnfte in London, fuͤr deren Wohl er sein Riesenwerk
bestimmt hatte, 40engl. (10 deutsche) Meilen weit nach der Hauptstadt.
„Man wird das Wasser des Ourcq durch einen Canal in einen Bassin in der
Naͤhe von la Valette leiten“ schrieb der groͤßte Kaiser
unseres Jahrtausendes im J. 1802, und durch zwei Zeilen erhielt die Stadt Paris, in
einer Wasserleitung von 24 franz. Meilen Laͤnge, mittelst eines Anlehens von
7 Millionen Franken, zehn Mal so viel Wasser, als sie bedarf.
Edinburgh leitet sein koͤstliches Wasser 8 bis 10 engl. Meilen weit her. Jeder
Einwohner hat taͤglich 19 Gallons (190 Pfd.) zu seinem Gebrauche, und nicht
weniger als 280,000 Gallons laufen taͤglich unbenuͤzt ab. Diese
herrliche Wasserleitung, eine der schoͤnsten in Europa, ist das Werk des sel.
Rennie und der HHrn. Telford und Jennie, und kostete nicht mehr als
175,000 Pfund Sterl. (1,100,000 fl.)
Und London, und in London vorzuͤglich Westminster, der reichste Winkel auf
Erden, hat in Trinkwasser aus einem Flusse, in welchen mehr als 130
oͤffentliche Kloaken den Unrath von anderthalb Millionen Menschen ergießen,
in welchen alle Abfaͤlle der Staͤlle, Spitaͤler,
Schlachthaͤuser, Farben-, Gas-, Seifen- und
Blei-Werke, Farbemuͤhlen und Fabriken etc. geleitet werden; das von
todten Thieren und faulen Pflanzen wimmelt; das schlechteste, unreinste Wasser auf
Erden.
Unter allen Wasser-Gesellschaften, (Water-Companies) in London lieferte die Chelsea-Compagnie,
obschon sie ihr Wasser aus der Themse nahm, das reinste Wasser, indem sie es am
westlichen Ende von London nahm, wo die Themse noch nicht so verunreinigt ist;
dessen ungeachtet that sie mehr, als jede andere Wasser-Gesellschaft, und
fuͤr jeden Fall mehr als jene Wasser-Compagnie, die sich
urspruͤnglich verpflichtete, ihr Wasser bloß aus den Fluͤßchen Colne und Brent zu holen, und
nur unter dieser Bedingung ihre Rechte vom Parliamente erhielt, und hierauf doch ihr
Wasser dort nahm, wo die Themse am unreinsten ist.
Die Chelsea-Wasser-Gesellschaft dachte zuerst an einen großen
Filtrir-Apparat, und ließ ihren Kunstmeister, Hrn. Simpson, alle Filtrir-Werke Englands bereisen. Hr. Simpson legte bei seiner Ruͤkkehr im November 1827
das Experimental-Filtrirbett (Experimental Filter-Bed) sammt den
Behaͤltern an, von welchen hier die Rede ist.
Jeder der Behaͤlter AA (Fig. 14.) hat oben 32, im
Grunde 20 Fuß im Gevierte, und ist 4 Fuß tief. Der Grund oder Boden und die Seiten
sind mit Lehmen wasserdicht ausgeschlagen, und ihr Boden steht gleich hoch mit dem
oberen Theile des FiltrirbettesEs scheint uns, daß diese Anlage gefehlt ist. Es wird hier, nachdem das
Wasser sich gesezt hat, gerade der unreinere Theil des Wassers zuerst in das
Filtrirbett gebracht, und durch die Stroͤmung, welche durch die
Abtheilung am Boden des Behaͤlters entstehen muß, der ganze Bodensaz
aufgeruͤhrt. Das Filtrirbett sollte nur um etwas weniges tiefer
liegen, als der Boden des Behaͤlters AA, und das Wasser sollte von der obersten Oberflaͤche
desselben in den Behaͤlter AA
genommen werden, was sehr leicht mittelst Heber geschehen
koͤnnte.A. d. Ue.. Das Wasser wird bei den Roͤhren a in die
Behaͤlter gepumpt, und es hat Zeit sich zu sezen, ehe es durch die Rohre y in das Filtrir-Bett gelangt.
Das Filtrir-Bett B ist oben 44, unten 26 Fuß im
Gevierte, und 6 Fuß tief. Der Boden und die Waͤnde sind, wie an den
Behaͤltern, mit Thon oder Lehmen wasserdicht ausgeschlagen. Am Boden sind
Abzuͤge aus Ziegeln, ohne Moͤrtel zwischen denselben. Das Ende des
Hauptabzuges b ist mit dem Brunnen c mittelst einer Roͤhre verbunden, durch welche
alles filtrirte Wasser nach c gelangt. Kleine
Roͤhren oder Luftabzuͤge c, steigen von
den Enden der Abzuͤge ddd auf. Diese
Abzuͤge sind mit grobem Sande belegt, auf welchen grober und feiner Sand
durch einander gemengt, und zulezt feiner Sand kommt. Die Schichten von groben und
feinen Sand sind jede zwei Fuß hoch. Der Sand ist sorgfaͤltig ausgelesen und
gewaschen.
In diesem Bette sollten taͤglich 12,000 Kubik-Fuß Wasser in 24 Stunden
filtrirt werden, und das Wasser ward wirklich, nachdem es durch dieses Bett
durchlief, auffallend rein und klar. Der Schlamm, der sich ansezte, wurde alle 14
Tage weggeschafft. Das Wasser ging reiner durch, nachdem etwas Schlamm die
Zwischenraͤume bereits zum Theile verlegt hatte. Der Schlamm dringt nie
tiefer, als ungefaͤhr 3 Zoll, in den Sand ein; der groͤßte Theil
desselben bleibt in dem ersten halben Zoll. Bei der Reinigung durfte also nur diese
Schichte Sandes
weggenommen werden, und oͤfters war es selbst nicht noͤthig einen
halben Zoll tief zu gehen.
Mit diesen Resultaten zufrieden, baute Hr. Simpson nun die
gegenwaͤrtige Filtrir-Anstalt der Chelsea-Compagnie die beinahe
ein Tagwerk (acre) einnimmt. Sie arbeitet gut, obschon
das Wasser im lezten Januar und Februar mehrere Tage lang mit einer 6 Zoll diken
Eisdeke bedekt war. Diese Anstalt Mitte taͤglich an 20,000 Tonnen (à 20 Ztr.). Das Wasser ist klar und vollkommen
geschmaklos. Es ist von allen unaufloͤsbaren Unreinigkeiten befreit
vielleicht auch von mehreren aufloͤsbaren, denn es. bildet sich immer ein
Niederschlag, wenn es mit Sand in Beruͤhrung kommt.
Es sind uͤbrigens hier bei diesem Filtrir-Apparate noch einige
Vorrichtungen angebracht, die geheim gehalten werdenWir koͤnnen diesem Filtrir-Apparate unseren Beifall nicht
schenken. Es ist unmoͤglich, daß das Wasser durch denselben einen
bedeutenden Grad von Reinheit erhaͤlt; denjenigen, den es erhalten
wuͤrde, wenn es von unten herauf filtrirt wuͤrde, besizt es
gewiß nicht. Ueberdieß darf man nie und nimmer vergessen, daß Drittes
Wasser, welches alle Kohlensaͤure verloren hat, alles verloren hat,
was Quelle-Wasser so angenehm und labend macht, immer ein schlechtes
und ungesundes Wasser bleibt. Es wird um so mehr ungesund, wenn es zugleich
seine niedrige Temperatur, seine Frische verloren hat. Wenn man. sich
uͤberzeugen will, was Temperatur im Wasser, was Verbindung einer
gewissen Menge von Waͤrmestoff mit dem Wasser auf den menschlichen
Koͤrper vermag, so erinnere man sich nur einen Augenblik an die
Wirkung, des besten Quell-Wassers auf den menschlichen
Koͤrper, wenn es lauwarm getrunken wird. Die ganze Welt labt sich mit
einem kalten Trunke aus einer guten Quelle, und mehr als die halbe Welt
erbricht sich, wenn es dasselbe Wasser, woran es sich labte, so lang es kalt
war, lau warm trinken muß. So viel vermag das Bißchen Waͤrmestoff,
das dazu gehoͤrt, um kaltes frisches Wasser lauwarm zu machen, auf
den menschlichen Magen. Wie wird es, nun diesem armen Magen ergehen
muͤssen, wenn er immerdar Wasser zu sich nehmen muß, das dem lauen
Brechwasser in seiner Temperatur so nahe komm Dieß scheint die
natuͤrliche Ursache der Cholera Morbus im
heißen Indien, und des haͤufigen Erbrechens und Abweichens unter den
Bewohnern Londons im Sommer. Von dieser allernatuͤrlichsten und jedem
Menschen einleuchtenden Ursache der eben angefuͤhrten
Krankheits-Zufaͤlle findet man indessen in den Schriften der
Aerzte und der Gesundheits-Polizei-Beamten bis auf den
heutigen Tag noch keine Sylbe.A. d. Ue..