Titel: Ueber Wiesen, ihre Wichtigkeit und ihre Ausdehnung in verschiedenen Ländern Europens. Von Hrn. Moreau de Jonnes.
Fundstelle: Band 35, Jahrgang 1830, Nr. XXV., S. 59
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XXV. Ueber Wiesen, ihre Wichtigkeit und ihre Ausdehnung in verschiedenen Laͤndern Europens. Von Hrn. Moreau de Jonnes. Nach einem Auszuge aus der Abhandlung desselben im Edinburgh New Philosophical Journal. October 1829. S. 27 2. Moreau, uͤber Wiesen und ihre Wichtigkeit. Hr. Moreau sucht zu erweisen, daß, bei dem gegenwaͤrtigen Akerbausysteme, welches beinahe lediglich auf Getreidebau beschraͤnkt ist, Theuerung und Mißwachs, um nicht zu sagen Hungersnoth, von Zeit zu Zeit unvermeidlich ist, und fuͤhrt die Urkunden zu seinen Beweisen aus der Geschichte aͤlterer und neuerer Zeiten an. In England sing man zuerst an, Akerbau durch Viehzucht zu verbessern; in diesem Lande fuͤhrte man zuerst Wiesenbau als Stuͤze des Akerbaues ein, und England hat heute zu Tage jedem anderen Lande, sowohl in der Menge als in der Guͤte seiner Wiesen, den Vorsprung abgewonnen, so wie Spanien in dieser Hinsicht unter allen Laͤndern auf der untersten Stufe der Cultur steht. Frankreich steht gegenwaͤrtig im Wiesenbaue dort, wo England bereits vor 100 Jahren war. Das erste und nothwendige Resultat hiervon ist, daß England nicht bloß mehr Hornvieh und Schafe zieht, als Frankreich, sondern daß auch diese Thiere in England mehr und besseres Fleisch liefern; so zwar, daß jeder Englaͤnder beinahe zwei Mal so viel Fleisch genießen kann, als jeder Einwohner Frankreichs. Aus den vielen wichtigen Thatsachen, welche Hr. Moreau in seiner Abhandlung sammelte und aufstellte, schließt er: 1) daß Wiesen, als Bedingung, ohne welche weder Rinder noch Schafe mit Vortheil gezogen werden koͤnnen, eine der nothwendigsten Grundbedingungen der Wohlfahrt der Voͤlker, des Gedeihens des Akerbaues und der Manufakturen, folglich der Civilisation der Voͤlker uͤberhaupt sind. 2) daß Wiesen nur dann ertraͤglich werden, wenn man sie fleißig und kunstgemaͤß bestellt; daß man nicht bloß das schaͤdliche Unkraut auf denselben ausrotten, sondern diejenigen Futterpflanzen bauen muß, welche jeder Thierart zutraͤglich sind.Der Herzog von Bedford und B. Sinclair haben ihren Landsleuten in dem Hortus gramineus Woburnensis ein Werk uͤber den Wiesenbau geschenkt, das, man kann es mit Recht versichern, nichts mehr uͤber diesen hochwichtigen Gegenstand zu wuͤnschen uͤbrig laͤßt. Die Cotta'sche Buchhandlung hat vor drei Jahren eine treffliche Uebersezung hiervon veranstaltet, die, bei 60 Steinabdruͤken, nur 6 fl. kostet, und bei den hollaͤndischen Landwirthen eine gute Aufnahme fand. A. d. Ue. 3) daß, wo man keine kuͤnstlichen Wiesen unterhalt, man drei Viertel an der Schwere der Thiere verliert. So geben die franzoͤsischen Hutweiden im Durchschnitte auf die HektareDie Hektare ist, nach Vega, 2779,982 □ Klafter. A. d. Ue. nur 98 Pfund Fleisch waͤhrend sie 400 Pfd. geben sollten, indem eine nur etwas verbesserte natuͤrliche Wiese 300 Pfd. auf die Hektare gibt. 4) daß, den Ertrag des Fleisches, der Haut, Wolle etc. nur zu 30 p. C. gerechnet, der Ertrag einer Hektare Hutweide 49 Franken, auf gewoͤhnlichen guten Wiesen 150 Franken, auf kuͤnstlichen Wiesen 200 Franken betraͤgt. 5) daß folglich die 5,775,000 Hektaren Hutweide in Frankreich nur einen reinen Ertrag von 282,000,000 Franken liefern, waͤhrend sie, in verbesserte Wiesen umgewandelt, 863,000,000, und, als kuͤnstliche Wiesen, noch ein Drittel mehr liefern koͤnnten.Es ist gewiß unglaublich, daß eines der fruchtbarsten Laͤnder Europens nicht Fleisch genug erzeugt fuͤr seine Einwohner; es ist indessen nicht minder wahr. Bayern zahlt jaͤhrlich uͤber eine Million dem Auslands fuͤr Rindfleisch. Wie haͤtte aber auch in einem Lande, wo durch 1200 Jahre drei Tage in der Woche kein Fleisch genossen werden durfte, Viehzucht gedeihen sollen! Die Richtigkeit der obigen Ansichten des Hrn. Moreau Jonnes findet sich nirgendwo buͤndiger und anschaulicher erwiesen, als in einem Werke des Hrn. Berra uͤber die Rindviehzucht, welches in diesem Jahre unter dem Titel:Del modo di allevare il bestiame bovino e formarne bone razze nostrali, di DomenicoBerra, 8. 142 S. 1 Lire 74 C. zu Mailand bei P. Cavalletti, librajo sulla Corsia de' Servi erschien. Von diesem wahrhaft classischen Werke uͤber die Rindviehzucht wird naͤchstens eine fuͤr Bayern berechnete Uebersezung erscheinen. Wir koͤnnen uns nicht enthalten, eine Stelle aus diesem Werke, von welchem die Biblioteca italiana, Settembre 1829 (publ. 19. Ottobre) S. 352 u. f. einen gedraͤngten Auszug liefert, hier in einer Uebersezung mitzutheilen.Der Herr Verfasser, der selbst eine Heerde von 50 Kuͤhen besizt, und, was er schrieb, aus eigener Erfahrung im Großen schreibt, sagt im IV. Capitel, wo er von den Ausgaben bei einer großen Viehwirthschaft spricht:„Unter diesen Ausgaben ist der Lohn des Kaͤsers (Casaro) nicht die geringste. Der Lohn desselben betroͤgt jaͤhrlich nicht weniger als 1000 Lire milanesi (500 fl.). Dieser Kaͤser ist die wichtigste Person in einer lombardischen Meierei. Wehe derselben, wenn ihr Kaͤse schlecht ausfaͤllt: der Schaden ist dann nicht zu berechnen und die Wirtschaft muß zu Grunde gehen. Wenn man bedenkt, „sagt der Hr. Verf. in einer Note,“ daß so viele unserer Landwirthe bloß dadurch zu Grunde gehen, weil ihr sogenannter Kaͤser entweder seine Sache nicht versteht, oder oͤfters sogar boshaft genug ist, seinen Herren absichtlich zu Grunde zu richten; wenn man bedenkt, daß so zu sagen das ganze Vermoͤgen eines wohlhabenden Mannes in der Hand dieser Miethlinge schwebt, und so viele Familien nach und nach durch ihren Kaͤser an den Bettelstab gerathen; so laͤßt sich wahrhaftig nicht begreifen, wie so viele Landwirthe ihren Soͤhnen eine andere Bestimmung geben koͤnnen, als diejenige, welche unter ihren Verhaͤltnissen die angemessenste fuͤr das Wohl ihrer Familie ist. Waͤre es denn, bei Gott! nicht tausend Mal besser, Statt eines Juristen oder Beamten, oder eines Muͤssiggaͤngers von Pfaffen einen Sohn im Schoͤße seiner Familie zu besizen, dem man die Leitung der Wirtschaft, dem man die Kaͤserei mit der Zeit anvertrauen koͤnnte, Statt daß man dieselbe gaͤnzlich fremden Haͤnden zu uͤberlassen gezwungen wird?“Ma per Dio! in vece di aver nella famiglia uncattivo legaleo unprete ozioso, non sarebbe egli di gran lunga più vantaggioso che un figlio fosse per tempo ammaestrato nell' arte di fabbricare il formaggio, e a lui piuttosto che ad un estraneo fossero poi affidati gl' interessi dell' azienda?Was Hr. Berra uͤber die Nachtheile, die durch die unselige Studierwuth fuͤr die Landwirthschaft, und eben so fuͤr Gewerbe und Handwerke, entstehen, in Bezug auf die Lombardei so wahr und kraͤftig ausgesprochen hat, gilt leider auch von den meisten Staaten Deutschlands. Wenn irgend ein Landwirth, ein Brauer, Baͤker, Gerber, Schuh- oder Kleider-Macher etc. durch seinen Fleiß und seine Geschiklichkeit sich einiges Vermoͤgen erworben hat, so schaͤmt er sich, daß seine Soͤhne, wie er, Landmann oder Baͤker, Brauer oder Gerber etc. werden sollen. Die jungen Herrschaften sollen studieren, sollen Ministerialraͤthe, Canonici, Bischoͤfe werden. Dadurch kommt dann, nicht bloß durch den Aufwand, den das Studieren kostet, sondern auch durch die Notwendigkeit, in der sich die alten Vaͤter befinden, ihre Wirthschaft, ihr Gewerbe fremden Haͤnden anzuvertrauen, die Wirthschaft und das Gewerbe von Jahr zu Jahr mehr herab, so daß nicht bloß der Wohlstand der Familie, sondern der Wohlstand des Landes selbst endlich dadurch leidet, waͤhrend auf der anderen Seite das Land mit einer Unzahl von Aspiranten, Praktikanten, Accessisten und Messenjaͤgern uͤberschwemmt wird, die sich selbst, ihren Aeltern und Verwandten und dem Staate zur Last fallen. Wehe dem Lande, in welchem die Studienplane nur darauf berechnet sind, die Zahl der Studierenden zu vermehren, Statt das Land mit brauchbaren gewerbfleißigen Buͤrgern zu versehen. A. d. U.