Titel: Verfahren beim Ausschmelzen (Auslassen) des Talges (Unschlittes). Von Hrn. Lefebure.
Fundstelle: Band 35, Jahrgang 1830, Nr. LXXXIX., S. 372
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LXXXIX. Verfahren beim Ausschmelzen (Auslassen) des Talges (Unschlittes). Von Hrn. Lefebure. Aus dem Industriel. 1829. S. 421. im Bulletin d. Scienc. techn. N. 8. S. 313. Lefebure, Verfahren beim Ausschmelzen des Talges. Man nimmt hundert Pfund rohen Talges, und hakt und zerkleint ihn so viel moͤglich, besonders an den flechsigen Theilen. Man gibt ihn hierauf in eine Kufe, und gießt 30 Pfund Wasser, 1 Pfd. Schwefelsaͤure von 68°, einzeln gemengt, oder besser 30 Pfd. Wasser und ein Pfund Salpetersaͤure von 40° auf dasselbe. Man laͤßt den Talg zwei bis drei Tage lang, oder noch laͤnger, mit diesem Wasser in Beruͤhrung, wodurch das Ausschmelzen erleichtert wird, gießt hierauf die Fluͤssigkeit ab, und gibt den Talg in einen Kessel mit 30 Pfund reinem Wasser. Nachdem er darin geschmolzen ist, ruͤhrt man ihn nach allen Richtungen, um ihn gehoͤrig zu waschen, und alle Talgtheilchen zu zerreißen. Wenn er endlich bis zum Sieden gebracht ist, laͤßt man ihn 20 bis 25 Minuten lang kochen, und ruͤhrt dabei immer um. Das Verschwinden der kleinen weichen schwammigen Theile, die in der Fluͤssigkeit schwimmen, ist in dieser Periode der Arbeit, das Zeichen, daß Alles ausgeschmolzen ist. Man haͤlt nun das Feuer ein, und gießt den fluͤssigen Talg in eine Kufe, indem man ihn durch einen Durchschlag laufen laͤßt, welcher die noch nicht aufgeloͤsten Theile zuruͤkhaͤlt. Am Boden des Kessels bleibt dann ein Bodensaz, der aus zwei Theilen besteht, wovon der untere keine Spur von Talg mehr, der obere aber noch etwas davon enthaͤlt. Lezteren legt man zu dem naͤchsten Ausschmelzen bei Seite; der andere kann entweder zur Bereitung der gemeinsten Seife, des Rußes, oder als Duͤnger, oder selbst, mit Saͤgespaͤnen verbunden, als Brennmaterial benuͤzt werden. Nachdem der Talg durch die Ruhe sich geklaͤrt hat, zieht man denselben im gehoͤrigen Waͤrmegrade ab, und erhaͤlt dann an demselben, nachdem er erkaͤltet ist, kaͤuflichen Talg. Es ist nicht noͤthig, den Kessel bei jedem Schmelzen zu leeren; man kann sich vielmehr die Arbeit dadurch sehr abkuͤrzen, daß man den Talg jedes Mal abnimmt, sobald er hinlaͤnglich geschmolzen ist, und neuen zerhakten Talg dafuͤr in den Kessel gibt. Wenn endlich der Bodensaz von nicht schmelzbaren Theilen sehr bedeutend geworden ist, kann man dann erst den Kessel gaͤnzlich ausleeren. Man hat nur dafuͤr zu sorgen, daß, so oft man frischen Talg zusezt, auch immer etwas Wasser zugegossen wird, damit die Haͤute immer im Wasser gehoͤrig gebadet werden. Man kann auch noch, Statt den zerkleinten Talg der Einwirkung des obigen sauren Bades auszusezen, denselben geradezu mit Wasser in den Kessel geben, so viel als moͤglich ausziehen, abnehmen, und auf den Ruͤkstand 6–8 Liter (Ein Liter ist 0,7068 Wiener Maß) Wasser, welchem man Ein Pfund Saͤure zusezt, gießen, wenn man 100 Pfund Talg ausschmolz. Auf diese Weise kann man die lezten Reste des Talges ausschmelzen, die der Einwirkung des bloßen Wassers entgangen sind. Bei dieser Anwendung des gesaͤuerten Wassers hat man den Vortheil, den Ruͤkstand (die sogenannten Grammeln) nicht mehr roͤsten zu duͤrfen, und durch die hierbei sich entwikelnden Daͤmpfe die ganze Nachbarschaft nicht mit Gestank zu verpesten: man erhaͤlt auch auf diese Weise, wie man sagt, mehr Unschlitt als nach der gewoͤhnlichen Art. Verfeinerung des Talges. Man erhaͤlt aus dem auf obige Weise bereiteten Talge sehr gute Kerzen; wenn man aber denselben auf folgende Weise behandelt, werden die Kerzen noch besser. Man hizt in einem Kessel unter bestaͤndigem Abschaͤumen 100 Pfund auf obige Weise behandelten Talges mit 30 Pfund Wasser, welchem man acht Loth Schwefelsaͤure von 66° zugesezt hat. Wenn der Schaum weiß und weniger zu werden anfaͤngt, vermehrt man die Hize bis zum Sieden, und laͤßt den Talg 30 bis 40 Minuten lang kochen. Man ruͤhrt dabei immer um, damit der Talg so vollkommen, wie moͤglich, gewaschen wird. Hierauf schuͤttet man Talg und Wasser mit einander in eine Kufe, laͤßt Alles sich gehoͤrig sezen, und nimmt den Talg ab, wobei man jedoch die Vorsicht braucht eine Deke von demselben, die allenfalls Zoll dik seyn mag, uͤber dem Wasser zu halten; denn ohne diese Sorgfalt koͤnnte leicht auch Wasser uͤbergehen, wodurch die Kerzen leiden wuͤrden. Talg, der auf diese Weise bereitet wurde, gibt eine Talgkerze, die einer Wachskerze aͤhnlich sieht, (chandelle bougie), und sehr weiß und sehr gut ist. Verwandlung des Talges in Oleïne und Stearine. Die Mittel, deren man sich in Laboratorien zur Abscheidung der unbekanntes Zeichen Oleïne und Stearine bedient, sind im Großen nicht leicht anwendbar. Eine verungluͤkte Schmelzung nach der oben angegebenen Weise fuͤhrte Hrn. Lefebure auf ein sehr einfaches Verfahren. Man schmilzt den Talg auf obige Weise aus, sezt aber dem Wasser zwei Pfund Saͤure zu. Nach dem Uebergießen in die Kufe muß man aber hier trachten, dem geschmolzenen Talge seine Temperatur zu erhalten, und dieselbe nur gradweise fallen zu lassen. Nach zwei oder drei Tagen, wo der Talg gestokt seyn wird, wird man bei genauerer Untersuchung finden, daß er aus einer festeren Masse, als gewoͤhnlich, besteht, die mit einem fluͤssigeren Talge umgeben ist. Wenn man solchen Talg in ein Tuch schlaͤgt, und unter die Presse bringt, wird man die fluͤssige Masse, die Oleïne, von derselben abscheiden koͤnnen, und die feste, die Stearine, bleibt auf dem Tuche. Leztere dient nun zur Verfertigung der festen Talgkerzen, der sogenannten Stearkerzen (bougies steariques), die sich, ihren Eigenschaften nach, den Wachskerzen naͤhern.