Titel: Ein Wort über Knetemaschinen. Von einem Bäkermeister.
Fundstelle: Band 36, Jahrgang 1830, Nr. XX., S. 111
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XX. Ein Wort uͤber Knetemaschinen.Wir freuen uns hier die Ansicht eines alten und erfahrnen Baͤkermeisters aus Wien, dessen Brot zu den schmakhaftesten unter den koͤstlichen Wienergebaͤken gehoͤrte, unseren Lesern mittheilen zu koͤnnen. Es ist troͤstlich fuͤr uns, unsere, bereits an mehreren Orten in diesen Blaͤttern ausgesprochene, Zweifel und Ansichten uͤber die Knetemaschinen bestaͤtigt zu sehen. Wir sind der Ueberzeugung, daß Alles, was durch Maschinen geschehen kann, durch Maschinen geschehen muͤsse, indem der Mensch nicht zur Maschine herabgewuͤrdigt werden darf, wir sind aber auch uͤberzeugt, daß nicht Alles durch Maschinen geschehen kann. A. d. R. Von einem Baͤkermeister. Ueber Knetemaschinen. Was man auch immer uͤber Knetemaschinen und die Resultate der Anwendung derselben sagen mag, so bleibt es doch gewiß, daß der einzige wahre Vortheil, den sie zu gewaͤhren im Stande sind, sich lediglich auf Militaͤrbaͤkereien beschraͤnkt, in welchen sehr große Massen Teiges mit oft wenigen Menschenhaͤnden verarbeitet werden muͤssen. Wo es sich um gutes Brot handelt, taugen diese Maschinen nicht nur nicht, sondern werden sogar nachtheilig, wie ich Ihnen aus 35 jaͤhriger Erfahrung versichern kann. Die Knetemaschine ist keine neue Erfindung. Schon im Jahre 1787–88 ließ der Menschenfreund auf dem Kaiserthrone, Joseph II. unsterblichen Andenkens, in seiner Militaͤrbaͤkerei zu Wien Versuche mit einer Knetemaschine anstellen, und wohnte diesen Versuchen Hoͤchstselbst bei; denn was Menschenwohl anging, ging auch ihn an. Ein Baͤker und eine Maschine bekamen gleich viel Teig zu kneten: ersterer ward beinahe um die Haͤlfte fruͤher fertig als die Maschine. Der Baͤker, der beim Kneten ein Stuͤk Strohhalm unter seiner Hand fuͤhlte, zog denselben mit einiger Umstaͤndlichkeit heraus und warf ihn weg. Der Kaiser, der den Baͤker im Teige krabeln sah, fragte ihn: was er da machte? Und als ihm dieser Bescheid gab, sagte der Kaiser: das haͤtte die Maschine nicht gekonnt; ich sehe, daß weder an Zeit noch an Reinlichkeit etwas gewonnen ist. Ich finde in Ihrem Journale einer Knetemaschine des Obersten Montferrat Polyt. Journ. Bd. XXXIV. S. 409. erwaͤhnt, die in Holland arbeitet, „und 30 Pfd. Teig in 11 Minuten hinlaͤnglich und so vollkommen kneten soll; so daß das aus diesem Teige gebakene Brot nicht nur gut ist, sondern auch laͤnger saftig bleiben soll, als jenes, das auf die gewoͤhnliche Weise geknetet wurde.“ Die Maschine wird wahrscheinlich mit Menschenkraft in Bewegung gesezt: und nun kann ich Sie versichern, daß ein geschikter Baͤker mit 30 Pfd. Teig in 5 Minuten fertig ist, und daß der Teig dann gewiß besser geknetet ist, als die Maschine es nicht zu thun vermag. 30 Pfd. Teig kneten ist eine Spielerei. Ich habe vor 35 Jahren, als ich noch ein junger Mann war, mit einem Kameraden gewettet, 12 Ztr. Teig aus dem staͤrksten Weizenmehle, das viel mehr Kraftaufwand fordert, als Rokenmehl, in 20 Minuten durchzukneten: ich gewann die Wette, und sie stand hoch: zwei Maß Bier! Jeder gute Arbeiter wird in 11 Minuten 100 Pfd., Statt 30 Pfd., wie die Maschine, kneten. Es ist also kein Zeitgewinn bei der Knetemaschine. Ich habe vor anderthalb Jahren zu Muͤnchen einen Baͤkermeister besucht, der mit einer patentisirten Maschine sein Brot knetet, und nur solches Maschinenbrot verkaufen darf. Diese Maschine scheint wenig von jener des Hrn. Obersten M. verschieden; sie wird gleichfalls durch eine Kurbel in Bewegung gesezt, und fordert zwei Menschen, die, mit dieser Maschine, an 40 bis 50 Pfd. Teig 30 bis 40 Minuten lang zu arbeiten haben, bis der Teig tuͤchtig und brauchbar durchgeknetet ist. Ueberdieß ist die Arbeit an dieser Maschine mit vielen Umstaͤndlichkeiten verbunden; die Maschine muß mehrmals geoͤfnet werden, um die Vereinigung des Wassers mit dem Mehle durch Umschaufeln zu bewirken etc. Gestehen wir es uns also: es ist kein Zeitgewinn bei dieser Maschine zu erwarten. Daß an Reinlichkeit nichts bei derselben gewonnen ist, haben wir oben gesehen. Wem vor reiner Menschenhand ekelt, der darf auch keine Pasteten essen. Es heißt oben in dem Berichte uͤber die Knetemaschine des Hrn. Obersten, daß das mit dieser Knetemaschine verfertigte Brot laͤnger saftig blieb. Ein Baͤker, der sein Handwerk versteht, weiß recht gut, woher es kommt, daß ein Brot laͤnger saftig bleibt, als das andere. Brot aus reinem Rokenmehle wird immer laͤnger saftig bleiben, als Brot aus Rokenmehle, welchem Weizenmehl zugesezt wird. Diese Thatsache ist sogar jeder Hausfrau bekannt, die Brot bei Hause baten laͤßt. Der Baͤker weiß aber noch uͤberdieß aus jeder der Mehlgattung ein laͤnger saftig bleibendes Brot zu bereiten, indem er die weitere Bearbeitung des Teiges und den Gaͤhrungsproceß desselben nach der verschiedenen Art des Mehles, die er unter den Haͤnden hat, verschieden einrichtet. Durch dieses zwekmaͤßige Verfahren in der Behandlung des Teiges und in der Leitung der Gaͤhrung und endlich im Baken selbst wird dem Brote jener angenehme Geschmak gegeben, der gutes Brot vor dem schlechten auszeichnet; der jeder feineren Zunge und jedem feineren Gaumen den Baͤkermeister erkennen laͤßt, der das Brot gebaken hat. Allerdings traͤgt gutes Kneten sehr viel zur laͤnger anhaltenden Saftigkeit des Brotes bei, indem dadurch die uͤberfluͤssige Menge der kohlensauren Luft aus dem Teige ausgetrieben wird; die widerliche Saͤure dem Brote benommen wird, welche dem Gaumen eben so wenig behagt, als dem Magen; das Wasser mit dem Mehle, oder vielmehr mit den Bestandtheilen des Mehles, dem Kleber und dem Starkmehle, in die innigste Verbindung gebracht wird; allein dieses Kneten geschieht nicht nur schneller, sondern auch besser mit der Hand als mit der Maschine. Es ist eine alte Redensart, daß der Baker sein Mehl und seinen Ofen kennen muß, wenn er mit Sicherheit gutes schmakhaftes Brot erzeugen will. Ohne Kenntniß seines Mehles wird er weder gehoͤrig kneten, noch den Gaͤhrungsproceß und die Hize im Ofen gehoͤrig leiten koͤnnen. Um aber das Mehl gehoͤrig kennen und obige weitere Arbeiten gehoͤrig durchfuͤhren zu koͤnnen, muß der Baͤker seine fuͤnf Sinne, seine ganze Seele, wenn ich so sagen darf, in seinen Fingerspizen haben. Ein erfahrner Baͤker stekt seine Hand in's Mehl, und weiß mit einem Griffe, was er fuͤr ein Mehl in der Hand hat, und weiß folglich auch, wie dieses weiter bearbeitet werden muß; er greift in den Teig, und erkennt im Griffe, ob dieser hinlaͤnglich geknetet und gegangen ist (d.h. gegohren hat); er haͤlt seine Hand vor dem sogenannten Einschießen des Brotes in den Ofen in diesen hinein, und bestimmt nach dem Gefuͤhle seiner Hand, die ihm so gut als jedes Pyro- oder Thermometer dient, den Grad der Hize: fuͤhlt er diese schnell und heftig brennend an seiner Hand, so braucht er mehr Wasser am Strohwische zum Abkuͤhlen desselben; fuͤhlt er aber nur eine langsam, jedoch kraͤftig einwirkende, Hize, so hat er weniger Wasser noͤthig. Gerade beim Kneten hat der Baͤker seine ganze Seele in den Fingerspizen und im Ballen und in der Hoͤhlung der Hand sizen; er fuͤhlt welche Theile noch zu viel Luft, zu viel Wasser, zu viel Mehl haben, und indem er dieß so richtig fuͤhlt, als ob er es durch eine Brille sehe, macht er den Teig zu jener gleichfoͤrmigen Masse, die zu einem guten Brote unerlaͤßlich ist. So lang Maschinen auch bei dem vollkommensten Mechanismus gefuͤhllos bleiben muͤssen, werden sie nie die fuͤhlende Hand, die Baͤkerseele, ersezen koͤnnen. Ich bin daher uͤberzeugt, daß jeder Baͤker, wenn er anders ein Mann ist, der sein Handwerk und seine Kunst nicht maschinenmaͤßig erlernt hat und maschinenmaͤßig treibt, nie von einer Knetemaschine so leicht Gebrauch machen wird, indem er einsehen wird, daß er seinen Teig sicherer, besser und leichter durch Menschenhaͤnde gut bearbeiten wird, als es Maschinen nimmermehr vermoͤgen. Mit diesem Wenigen soll nur so viel gesagt seyn, daß zum Erzeugen eines guten Brotes mehr als bloßes Maschinenwesen gehoͤrt. Ich will nicht mit jenem Philosophen streiten, der behauptete, der ganze Mensch sey nur eine Maschine; ich bin nur Baͤker, kein Philosoph; aber so viel weiß ich, daß, wenn auch der Baͤker, als Mensch, Maschine waͤre, diese Maschine sich durch keine andere Maschine ersezen laͤßt. Ich sehe mit wahrem Troste vor meinem Ende, wie der Mensch immer mehr und mehr zu seiner Wuͤrde gelangt, indem man ihn von der Knechtschaft einer Zwangarbeit, die jede hoͤlzerne oder eiserne Maschine besser und schneller verfertigt, als er, immer mehr und mehr befreit, und der Muttererde, dem Akerbaue, in Canada, in Van Diemen's Land, am Cap, am Ganges zuruͤkgibt. Bei der Arbeit des Brotbakens ist aber jede Erleichterung durch Maschinen unmoͤglich, oder wenigstens unnuͤz und zweklos. Leider sind die Menschen, ungeachtet alles dessen, was die Regierungen fuͤr das Gedeihen der Gewerbe thun und opfern, noch immer verdammt, selbst aus jenen Baͤkereien, wo Menschenhaͤnde arbeiten, schlechtes und ungesundes Brot zu essen.